Cochlea-Implantat – Prothese für das Innenohr
Cochlea-Implantate sind Innenohr-Prothesen. Sie können das Hörvermögen wieder herstellen und Kindern den Spracherwerb ermöglichen, wenn die Funktion des Innenohrs beeinträchtigt ist oder ganz ausfällt. Lesen Sie, wie ein Cochlea-Implantat funktioniert und welche Vor- und Nachteile die Hörprothese hat.
Was ist ein Cochlea-Implantat?
Ein Cochlea-Implantat (CI) ist ein spezielles Hörgerät, das die Funktion des Innenohrs ersetzt. Es kommt bei bestimmten Formen der Schwerhörigkeit zum Einsatz, bei denen die reine Verstärkung der Schallwellen mittels eines normalen Hörgeräts nicht mehr ausreichend ist. Um zu verstehen, wie ein Cochlea-Implantat arbeitet, ist es wichtig zu wissen, wie der normale Hörvorgang funktioniert.
Anatomie und Funktion des Gehörs
Das Außenohr, also Ohrmuschel und äußerer Gehörgang, funktioniert wie ein Empfänger. Es leitet die eintreffenden Schallwellen an das Trommelfell weiter, eine feine Membran zwischen Außenohr und Mittelohr. Es überträgt den Schall auf die im Mittelohr liegenden Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel.
Das Innenohr besteht aus zwei Komponenten: dem Gleichgewichtsorgan und der sogenannten Cochlea, von der sich der Name "Cochlea-Implantat" ableitet. Die Cochlea, auch Hörschnecke genannt, ist ein knöcherner Gang, dessen Form an ein Schneckenhaus erinnert. Am Boden dieses flüssigkeitsgefüllten Kanals liegt das eigentliche Hörorgan (Corti-Organ). Seine etwa 25.000 Sinneszellen nehmen die über das Mittelohr eintreffenden Schallwellen auf und wandeln sie in elektrische Signale um.
Diese gelangen über den mit dem Innenohr in Verbindung stehenden Hörnerv in das Gehirn, das die elektrischen Impulse im letzten Schritt des Hörvorgangs auswertet und interpretiert. Erst jetzt nehmen wir tatsächlich ein Geräusch oder einen Klang war.
Wie funktioniert ein Cochlea-Implantat?
Cochlea-Implantate sind Innenohrprothesen. Sie übernehmen die Funktion der Cochlea beziehungsweise des Corti-Organs, wenn dessen Sinneszellen in ihrer Funktion eingeschränkt sind oder vollständig ausfallen (Innenohrschwerhörigkeit).
Im Gegensatz zu einem normalen Hörgerät, das Schall lediglich verstärkt, wandeln Cochlea-Implantate Geräusche in elektrische Signale um, die über den Hörnerv an das Gehirn weitergeleitet werden. Voraussetzung für den Einsatz eines CI ist somit, dass der Gehörnerv noch funktionstüchtig ist, denn er ist unerlässlich, um die vom Implantat erzeugten Impulse an das Gehirn zu senden und dort eine akustische Wahrnehmung auszulösen.
Cochlea-Implantate bestehen aus verschiedenen Komponenten, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Einige Bestandteile werden während eines chirurgischen Eingriffs unter die Haut beziehungsweise ins Innenohr implantiert.
Der Sprachprozessor (Soundprozessor), in den ein Mikrofon integriert ist, wird – ähnlich wie ein normales Hörgerät – meist hinter dem Ohr getragen. Während das Mikrofon eintreffende Schallwellen empfängt und an den Sprachprozessor weiterleitet, wandelt dieser die Schallwellen in elektrische Impulse um.
Die Induktionsspule (Sendespule), eine etwa 2,5 cm große Scheibe, haftet hinter dem Ohr von außen an der Kopfhaut. Sie ist dafür verantwortlich, die über ein Kabel vom Sprachprozessor einlaufenden elektrischen Impulse an das eigentliche Implantat zu senden. Bei neueren Modellen ist der Sprachprozessor zum Teil in die Induktionsspule integriert.
Das Implantat selbst wird im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs eingesetzt. Es besteht aus einer Empfangsspule sowie einem Elektrodenträger mit Stimulationselektroden. Die Empfangsspule wird direkt unter der außen anliegenden Sendespule unter die Haut verpflanzt. Beide Spulen sind mit einem Magneten ausgestattet. So ist sichergestellt, dass sie immer direkt übereinander positioniert sind. Über eine integrierte Antenne empfängt die Empfangsspule die von der Sendespule übertragenen Signale.
Der Elektrodenträger mit den Stimulationselektroden wird über das Mittelohr in die Hörschnecke eingeführt. Die Elektroden übertragen die von der Empfangsspule aufbereiteten elektrischen Impulse an den Hörnerv, der sie an das Gehirn weiterleitet.
Wann ist ein Cochlea-Implantat sinnvoll?
Ein Cochlea-Implantat kommt für alle Menschen mit einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit infrage, die mit seiner Hilfe voraussichtlich ein besseres Hörergebnis erzielen werden als mit einem normalen, schallverstärkenden Hörgerät.
Voraussetzung ist allerdings,
- dass die Cochlea vorhanden und
- sowohl der Gehörnerv als auch die sprachverarbeitenden Bereiche des Gehirns intakt sind.
Bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit, bei denen die Schallweiterleitung im Bereich des Mittelohrs gestört ist, kommen Cochlea-Implantate normalerweise nicht zum Einsatz.
Bei der Entscheidung für ein CI ist es nicht entscheidend, ob die Betroffenen im Kindes- oder Erwachsenenalter schwerhörig geworden beziehungsweise ertaubt sind oder ob sie bereits taub oder mit eingeschränkter Hörfähigkeit geboren wurden. Auch Kinder und Erwachsene mit einseitiger Ertaubung oder einer Hochtonschwerhörigkeit, bei der nur noch die tiefen Töne hörbar sind, können von einem Cochlea-Implantat profitieren. Bei der Hochtonschwerhörigkeit kommt das Implantat oft in Kombination mit einem normalen Hörgerät (Hybridversorgung) zum Einsatz. Grundsätzlich können CI sowohl einseitig als auch beidseitig implantiert werden.
Cochlea-Implantate wichtig für die Sprachentwicklung
Bei gehörlos geborenen Kindern ist für eine optimale Sprachentwicklung eine möglichst frühzeitige Versorgung mit einem Cochlea-Implantat sinnvoll. Im Idealfall geschieht dies bereits im ersten Lebensjahr, etwa ab dem sechsten Lebensmonat. Eine noch frühere Versorgung kann bei Säuglingen notwendig sein, die ihre Hörfähigkeit infolge einer Hirnhautentzündung (Meningitis) verloren haben. Grund ist eine Verknöcherung der Hörschnecke, die als Folge der Meningitis auftreten und eine spätere Implantation unmöglich machen kann.
Der Erfolg einer CI-Implantation hängt von Beginn und Dauer der Hörschädigung, dem sozialen Umfeld sowie von der Motivation und Lernfähigkeit der gehörlosen Person ab. Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Taubheit bestand und je besser der Spracherwerb und das Sprachverstehen vorm Verlust der Hörfähigkeit waren, desto besser sind die Erfolgsaussichten.
Allerdings gehen Experten mittlerweile davon aus, dass sogar Erwachsene, die vor dem Spracherwerb ertaubt sind, in bestimmten Fällen noch von einem Cochlea-Implantat profitieren können. Ein CI kann also unter Umständen auch älteren Menschen helfen, deren Gehirn in der frühen Kindheit nicht oder nur bedingt gelernt hat, akustische Informationen auszuwerten.
Wie wird ein Cochlea-Implantat eingesetzt?
Bevor ein Cochlea-Implantat eingesetzt werden kann, sind einige Voruntersuchungen erforderlich. Unter anderem werden der allgemeine Gesundheitszustand, die Narkosefähigkeit, der Zustand des Hörorgans, des Gleichgewichtssinns und des Gehörnervs sowie die Hörfähigkeit eingehend überprüft. Auch Aspekte wie die Sprachentwicklung und die Kommunikationsfähigkeit sowie die Erwartungshaltung, Motivation und Lernfähigkeit der Betroffenen werden beurteilt.
Eine Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) geben Aufschluss über die individuellen anatomischen Verhältnisse des Hörorgans. Diese sind unter anderem wichtig für die die Auswahl eines geeigneten CI, des individuellen Zugangswegs zur Cochlea sowie die Ermittlung der erforderlichen Elektrodenlänge. Außerdem lässt sich mit ihrer Hilfe feststellen, ob der Hörnerv normal angelegt ist und ob Fehlbildungen oder Ohrenerkrankungen vorliegen. So ist es zum Beispiel notwendig, bestehende Mittelohrinfektionen bei Kindern vor dem Eingriff zu behandeln.
Bei Säuglingen und Kleinkindern ist es oft sinnvoll oder notwendig, einen Teil der Untersuchungen in Narkose durchzuführen.
Die Voruntersuchungen sollen sicherstellen, dass eine Operation aus technischer und medizinischer Sicht möglich und das Cochlea-Implantat für die Betroffenen tatsächlich von Nutzen ist. Sind alle notwendigen Tests erfolgt, werden die Betroffenen oder ihre Eltern umfassend über den Eingriff, verschiedene CI-Modelle, die Erfolgsaussichten und die nachfolgende Therapie aufgeklärt.
Die Implantation
Der chirurgische Eingriff selbst erfolgt unter Vollnarkose und beginnt mit der Implantation der Empfängerspule. Dazu ist ein kleiner Einschnitt hinter der Ohrmuschel erforderlich. Die Empfängerspule wird direkt unter die Haut verpflanzt und am Schläfenbein, einem hinter dem Ohr liegenden Teil des Schädelknochens, verankert.
Für die Implantation der Elektroden wird über das Mastoid, einem Fortsatz des Schläfenbeins, ein Zugang zum Mittelohr geschaffen. Über diesen Zugang führt das Operationsteam den Elektrodenträger durch das Mittelohr und das runde Fenster hindurch in die Hörschnecke ein, sodass sie in unmittelbarer Nähe zu den Nervenfasern des Hörnervs liegen. Danach wird das Innenohr wieder abgedichtet und der Einschnitt in der Haut vernäht.
Erstanpassung nach der Operation (Basistherapie)
In den ersten Wochen nach dem Eingriff muss der Sprachprozessor in einem meist mehrstufigen Prozess individuell eingestellt werden, um einen möglichst hochwertigen, natürlichen und angenehmen Klang zu erzielen. Bei kleinen Kindern erfolgt diese Optimierung mithilfe von audiometrischen Verfahren (zum Beispiel altergerechten Tonhörtests) sowie anhand von Messwerten, die bereits während der Operation erhoben werden.
Patientinnen und Patienten beziehungsweise deren Eltern werden in dieser Phase in der Pflege und Wartung des CI geschult. Zudem erfolgen nach dem Eingriff bereits ein altersangemessenes Hör- und Sprachtraining, denn das Hören mit einem CI unterscheidet sich vom normalen Hörvorgang. Das Gehirn muss deshalb zunächst lernen, die Höreindrücke zu interpretieren und gesprochene Sprache wieder zu verstehen. Das erfordert Zeit und Übung.
Folgebehandlung, Rehabilitation und Nachsorge
Im Rahmen der Folgetherapie oder der Rehabilitation werden Betroffene intensiv beim Erlangen oder Wiedererlangen ihres Hör- und Sprachvermögens unterstützt. Daran sind zahlreiche medizinischer Fachrichtungen beteiligt, wie zum Beispiel Psychologie, Logopädie, Ergotherapie, Hörgerätetechnik und -akustik, Musiktherapie und Physiotherapie.
An die Folgebehandlung schließt sich eine lebenslange technische und medizinische Nachsorge an. Sie soll nicht nur die einwandfreie Funktion des Cochlea-Implantats, sondern auch den anhaltenden Behandlungserfolg sicherstellen. Stellt das Behandlungsteam im Rahmen der Nachsorge fest, dass weitere sprachtherapeutische Maßnahmen erforderlich sind, ist eine erneute Folgebehandlung oder Rehabilitation möglich.
Cochlea-Implantat: Wer übernimmt die Kosten?
Die Kosten für ein Cochlea-Implantat betragen einschließlich der vorangehenden Diagnostik, der Operation und der gesamten Anpassung und Nachsorge rund 40.000 Euro. Sie werden in Deutschland in der Regel vollständig von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, wenn aus medizinischer Sicht der Anspruch auf ein Implantat besteht. Da die Krankenhäuser, in denen die Implantation stattfindet, direkt mit den Kassen abrechnen, müssen Angehörige einer gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht in Vorleistung gehen. Hingegen müssen Privatversicherte die Kostenübernahme zuvor mit ihrer Krankenversicherung klären.
Cochlea-Implantat: Vor- und Nachteile
Der Einsatz eines Cochlea-Implantats erfolgt in spezialisierten Kliniken und zählt mittlerweile zu den risikoarmen Routineeingriffen.
Nachteile: Mögliche Komplikationen
Die häufigsten Komplikationen sind
- Defekte am Implantat,
- Schwindel oder
- Wundinfektionen.
Sie treten alle mit einer Häufigkeit von unter vier Prozent auf (also bei weniger als vier von 100 Implantationen).
Schwerwiegende Komplikationen wie
- eine Lähmung des Gesichtsnervs oder
- eine Hirnhautentzündung
sind noch seltener.
Vorteile: Nutzen eines Cochlea-Implantats
Die Implantation eines CI soll erwachsenen Menschen ermöglichen, Sprache wieder zu verstehen. Im Idealfall soll dies ohne zusätzliches Lippenlesen und auch in einer Umgebung mit Hintergrundgeräuschen möglich sein. Das bessere Sprachverstehen führt bei vielen Betroffenen zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und des sozialen und emotionalen Wohlbefindens. Sogar auf die geistige Leistungsfähigkeit (Kognition) kann sich ein CI positiv auswirken.
Nutzen eines Cochlea-Implantats bei Kindern
Derzeit erlernen mehr als 80 Prozent der Kinder, denen ein CI implantiert wurde, gängige Sätze ohne Blickkontakt (also ohne Lippenlesen) zu verstehen. Sie sind dadurch beispielsweise auch in der Lage, ein Telefon zu benutzen. Viele können zudem anhand des Klangs einer Stimme Gefühle erkennen oder dem Sprecher das richtige Geschlecht zuzuordnen. Da CI mittlerweile schon im ersten Lebensjahr implantiert werden, rechnen Fachleute damit, dass sich die Behandlungserfolge langfristig noch weiter verbessern werden.