Wirkung von 5-HTP: Wundermittel für Stimmung und Schlaf?
Depressionen, schlechte Laune, Schlafstörungen – gegen all das hilft angeblich ein natürlicher Wirkstoff: 5-Hydroxytryptophan, kurz 5-HTP. Regelmäßig eingenommen soll es bewirken, dass der Körper mehr vom "Gute-Laune-Hormon" Serotonin bildet. Hier erfahren Sie, was 5-HTP ist, welche Wirkung es im Körper entfaltet und welche Nebenwirkungen drohen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Wirkung von 5-HTP: Wundermittel für Stimmung und Schlaf?
5-HTP ist die Abkürzung für 5-Hydroxytryptophan. Das klingt – wenn man es dann endlich aussprechen kann – nach einer künstlichen Chemikalie, ist aber ein körpereigener Botenstoff. Der Körper bildet 5-HTP aus einem anderen Stoff namens L-Tryptophan. L-Tryptophan nehmen wir über die Nahrung auf, etwa über Lebensmittel wie Fisch, Sojabohnen, Bananen, Hafer und Schokolade.
L-Tryptophan wandelt der Körper also zunächst in 5-HTP um. 5-HTP wiederum dient ihm als Vorstufe für Serotonin. Serotonin kennen viele als "Glückshormon" oder "Gute-Laune-Hormon". Lange Zeit vermuteten viele Forscherinnen und Forscher, ein Mangel daran sei die Ursache von Depressionen. Diese Theorie gilt zwar inzwischen als überholt. Dennoch ist klar: Serotonin spielt für das psychische Befinden eine wichtige Rolle und hat durchaus einen Einfluss auf die Stimmung. Zudem stellt der Körper daraus nachts das Schlafhormon Melatonin her – somit wirkt sich Serotonin auch auf den Schlaf-Wach-Rhythmus aus.
Auf diesen Tatsachen fußt nun die Geschäftsidee von Firmen, die 5-HTP in Form von Tabletten vertreiben. Diese sollen den Serotonin-Spiegel im Gehirn erhöhen. Je höher der Serotonin-Spiegel, umso besser die Stimmung und der Schlaf. So das Werbeversprechen.
Wirkung von 5-HTP
Der Körper kann aus 5-HTP Serotonin und Melatonin bilden. Theoretisch könnte die Einnahme dieses Stoffes also bewirken, dass der Körper mehr dieser Hormone produziert. Das wiederum könnte sich positiv auf Schlaf und Stimmung auswirken.
Ob das tatsächlich funktioniert, ist nicht klar. Bisher gibt es dafür keine stichhaltigen wissenschaftlichen Belege. Es gab zwar schon Untersuchungen, in denen Menschen mit Depressionen 5-HTP-Präparate verabreicht bekamen. Erst vor rund einem Jahr wertete eine Gruppe aus Forscherinnen und Forschern diese Studien aus, um sich einen Überblick über den Kenntnisstand zur Wirkung des Stoffes zu verschaffen. Das Team kam allerdings zu einem recht enttäuschenden Urteil: Alle bisher veröffentlichten Studien haben zu große methodische Schwächen und somit nur eine sehr geringe Aussagekraft. Schon allein die Teilnehmerzahl macht es schwierig, daraus überhaupt verlässliche Schlüsse zu ziehen. In den meisten Fällen waren es gerade einmal zwischen 5 und 59 Testpersonen.
Die Ergebnisse der Studien wecken zwar zunächst Hoffnung: Fast immer ging es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich besser, nachdem sie einige Wochen lang 5-HTP eingenommen hatten. Doch das könnte auch dem Placeboeffekt zu verdanken sein. Allein die Erwartung, dass ein Mittel hilft, führt dazu, dass die Beschwerden nachlassen. Um herauszufinden, ob die Wirkung des Mittels über diesen Effekt hinausgeht, müsste man einem Teil der Probandinnen und Probanden ein Placebo – also ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff – verabreichen. Das wurde aber in den meisten Studien nicht gemacht.
Abgesehen davon wurde in keiner der Studien untersucht, ob sich 5-HTP tatsächlich auf das Gehirn auswirkte. Es lässt sich also nicht sagen, ob sich bei den Testpersonen tatsächlich der Serotonin-Spiegel erhöhte – und ob das der Grund für ihre verbesserte Stimmung war.
Einfach mal ausprobieren? Lieber nicht ...
Depressionen sind eine ernsthafte psychische Erkrankung, mit der man sich unbedingt in professionelle Behandlung begeben sollte. Helfen kann eine Psychotherapie, manchmal in Kombination mit Antidepressiva. Eine Selbsttherapie mit Nahrungsergänzungsmitteln ist nicht erfolgversprechend und vor allem riskant.
Auch, weil sich 5-HTP womöglich nicht nur positiv auf die Hirnchemie auswirkt. Denn für die Umwandlung von 5-HTP zu Serotonin sorgen bestimmte Eiweißstoffe (Enzyme), die auch für die Herstellung von Dopamin zuständig sind. Dopamin wiederum ist für die Stimmung ebenfalls von zentraler Bedeutung. Besetzt 5-HTP zu viele dieser Enzyme, wird unter Umständen zu wenig davon gebildet. Und das könnte der Psyche schaden und die Gemütslage verschlechtern. Außerdem kann 5-HTP eine Reihe unangenehmer Nebenwirkungen hervorrufen.
Nebenwirkungen
Zu den möglichen Nebenwirkungen von 5-HTP zählen:
Darüber hinaus könnte ein Überschuss an 5-HTP dazu führen, dass der Körper zu viel Serotonin bildet. Dann drohen verschiedenste Beschwerden, von Übelkeit und Durchfall bis hin zu Bewusstseinsstörungen und epileptischen Anfällen. Ärztinnen und Ärzte sprechen dann vom Serotonin-Syndrom.
In Kombination mit bestimmten Medikamenten könnte 5-HTP zudem Wechselwirkungen auslösen. Das gilt etwa für:
- verschiedene Antidepressiva
- Parkinson-Medikamente mit dem Wirkstoff Carbidopa
- das Schmerzmittel Tramadol
- den Hustenstiller Dextromethorphan
- Migräne-Medikamente mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Triptane