Vestibularisparoxysmie: Schwindel, weil ein Blutgefäß auf den Gleichgewichtsnerv drückt
Schwindelattacken können den Alltag stark belasten – vor allem, wenn sich keine richtige Ursache finden lässt. Möglicherweise steckt in manchen Fällen eine Vestibularisparoxysmie dahinter. Oft wird die Erkrankung erst nach langer Zeit korrekt diagnostiziert. Welche Symptome auftreten können und wie die Behandlung aussieht.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Vestibularisparoxysmie: Schwindel, weil ein Blutgefäß auf den Gleichgewichtsnerv drückt
Schwindel ist ein Symptom, das viele Ursachen haben kann – und nicht immer sind diese leicht zu finden. Das gilt umso mehr für seltene Erkrankungen wie die Vestibularisparoxysmie, die möglicherweise auch nicht allen Ärzt*innen geläufig ist. Zum Teil gelingt die Diagnose erst nach jahrelanger Suche und diversen Arztterminen.
Vestibularisparoxysmie: Symptome
Typisch für eine Vestibularisparoxysmie sind kurze Schwindelattacken. Meist dauern diese nur wenige Sekunden, selten länger als eine Minute an. Der Schwindel kann sich dabei als Drehschwindel oder als Schwankschwindel äußern.
Die Schwindelattacken treten bei einer Vestibularisparoxysmie zum Teil spontan auf, wie aus heiterem Himmel. Zum Teil aber auch, wenn man den Kopf in einer bestimmten Position hält – etwa, wenn man den Kopf in den Nacken legt. In manchen Fällen lässt sich der Schwindel auch durch schnelles und tiefes Atmen (Hyperventilation) auslösen.
Wie häufig die Schwindelanfälle auftreten, scheint individuell verschieden zu sein. Manche Betroffene erleben 30 oder mehr Attacken pro Tag, andere haben wenige bis 100 Attacken pro Jahr.
Mit dem Schwindelgefühl treten einseitig manchmal zur gleichen Zeit weitere Symptome auf, wie zum Beispiel
- Ohrgeräusche (Tinnitus),
- ein verringertes Hörvermögen oder
- eine Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis).
Vestibularisparoxysmie: Ursachen
Die Ursache für eine Vestibularisparoxysmie liegt im Gehirn. Bei den Betroffenen liegt ein Blutgefäß in einem bestimmten Hirnbereich (dem sog. Kleinhirnbrückenwinkel) zu nah am Gleichgewichtsnerv (auch achter Hirnnerv oder Nervus vestibulocochlearis genannt). Berührt das Gefäß beim Pulsieren des Blutes den Nerv, löst der Kontakt eine Art Fehlsignal aus und bewirkt eine Schwindelattacke.
Die meisten Betroffenen sind zwischen 40 und 70 Jahren alt, wenn sich diese Form des Schwindels bei ihnen zum ersten Mal zeigt. In höherem Alter entsteht die Vestibularisparoxysmie oft infolge eines neu hinzugekommenen Bluthochdrucks (Hypertonie) und/oder einer zunehmenden Arterienverkalkung (Arteriosklerose). Sofern der Gleichgewichtsnerv aufgrund der individuellen anatomischen Verhältnisse bereits sehr nah an einem Gefäß liegt, können beide Erkrankungen offenbar dazu führen, dass das Blutgefäß beim Pulsieren nun eher Kontakt zum Nerv bekommt.
Auch Kinder können eine Vestibularisparoxysmie bekommen. Da sie sich jedoch im Wachstum befinden und Gefäß und Nerv dadurch noch etwas Abstand bekommen können, hören Schwindelattacken bei ihnen häufig nach einiger Zeit von selbst wieder auf. Bei Erwachsenen verläuft die Erkrankung hingegen chronisch.
Vestibularisparoxysmie: Diagnose
Besteht aufgrund der Symptome Verdacht auf eine Vestibularisparoxysmie und wurden andere Ursachen für die Beschwerden bereits ausgeschlossen, kann eine Untersuchung mit dem Kernspintomographen (MRT) Klarheit bringen.
Bei mehr als 95 von 100 Betroffenen zeigt sich in einem hochauflösenden MRT des Hirnstamms ein Kontakt zwischen dem achten Hirnnerv und einem Blutgefäß. Da solch ein Befund allerdings auch bei vielen Gesunden vorkommt, gilt er nur in Kombination mit den typischen Schwindelattacken als kennzeichnend.
Schwindel: Welcher Arzt ist der richtige?
Der erste Ansprechpartner bei Schwindel sind in der Regel der Hausärzt*innen. Je nach Art der Beschwerden sollten diese Betroffene an Ärzt*innen anderer Fachrichtungen weiterleiten, wie etwa HNO, Orthopädie, Neurologie oder Augenheilkunde. Sofern man jedoch auch dort keine Ursache finden konnte, kann eine Überweisung an eine Schwindelambulanz oder ein Schwindelzentrum ratsam sein.
Vestibularisparoxysmie: Therapie
Die Schwindelattacken bei einer Vestibularisparoxysmie lassen sich mit Medikamenten behandeln. Durch die Wirkstoffe Carbamazepin oder Oxcarbazepin bessern sich die Beschwerden oder verschwinden sogar ganz. Helfen die Medikamente, gilt das auch als Bestätigung der Diagnose.
Die Wirkstoffe Carbamazepin oder Oxcarbazepin kommen normalerweise vor allem bei Epilepsie zum Einsatz, sind jedoch auch bei einer Vestibularisparoxysmie Mittel der ersten Wahl. Die Wirkstoffe verändern die Erregungsschwelle der Nerven, wodurch die Schwindelattacken nachlassen. Oft genügt bereits eine niedrige Dosis der Medikamente.
Werden die Medikamente schlecht vertragen, können alternativ Wirkstoffe wie Phenytoin oder Valproinsäure in Betracht gezogen werden.
Als letzte Möglichkeit, die Schwindelattacken bei Vestibularisparoxysmie zu beenden, kommt die sogenannte mikrovaskuläre Dekompression infrage. Bei diesem operativen Eingriff im Gehirn behebt man den Kontakt zwischen Nerv und Blutgefäß – zum Beispiel indem man eine Art Polster dazwischen platziert. Solch eine OP geht jedoch mit ernstzunehmenden Risiken einher und kommt in der Regel nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.