Klitorishypertrophie bei Neugeborenen und Erwachsenen
Das Aussehen der eigenen Geschlechtsorgane ist ein schambehaftetes Thema – bei unzähligen Menschen sorgt es für Unsicherheit und heimliche Vergleiche. Nur selten stimmt tatsächlich etwas nicht: Im Fall einer Klitorishypertrophie beispielsweise besteht eine Fehlbildung der Klitoris.
Klitorishypertrophie – was ist das?
Bei Klitorishypertrophie und Klitoromegalie handelt es sich um die medizinischen Namen für eine stark vergrößerte Klitoris. Verwendung finden die Begriffe dabei nicht, um eine vorübergehende Schwellung zu beschreiben – zum Beispiel durch Erregung oder mechanische Reizung beim Sex –, gemeint ist stattdessen ein dauerhafter und belastender Zustand. Eine Klitorishypertrophie kann sowohl angeboren sein, als auch im Laufe des Lebens durch verschiedene Ursachen entstehen.
Ab welcher Größe die Klitorishypertrophie genau beginnt, wurde bislang noch nicht definiert. Eine eindeutige Diagnose ist möglich, wenn die Vergrößerung den Alltag beeinflusst und/oder wenn die Klitoris ein penisähnliches Aussehen annimmt. Darüber hinaus spielt immer auch die individuelle Einschätzung der Betroffenen eine entscheidende Rolle.
Die Klitoris im Überblick
Die Klitoris (auch: Kitzler) ist ein wichtiger Bestandteil des weiblichen Geschlechtsorgans: Sie dient dem Lustempfinden und kann unter Umständen auch zu einer erfolgreichen Empfängnis beitragen. Aus biologischer Sicht gilt sie als Entsprechung zum männlichen Penis.
Von außen sichtbar sind lediglich die Klitoriseichel und die Klitorisvorhaut am oberen Ende der Vulva. Bei sexueller Erregung ist es normal, dass die Klitoris an Größe gewinnt: Blut strömt in ihr Schwellkörpersystem und bedingt so eine Vergrößerung der außen liegenden Bereiche. Nach dem Sex beziehungsweise nach dem Orgasmus kehrt sie wieder zu ihrer ursprünglichen Größe zurück. Durchschnittlich sind dann noch etwa 2,5 Zentimeter vom Kitzler zu erkennen.
Verursacht eine Klitorishypertrophie Symptome?
Vorrangiges Symptom bei Klitorishypertrophie ist ein Kitzler, der die durchschnittliche Größe von 2,5 Zentimetern deutlich überschreitet. Dennoch bleibt die Diagnose einer Klitorishypertrophie höchst individuell: Die "normale" und gesunde Größe von Körperteilen kann von Person zu Person variieren – das gilt auch für die Klitoris.
Als behandlungsbedürftig und medizinisch relevant gilt die Klitorishypertrophie insbesondere dann, wenn sie die Betroffenen im alltäglichen Leben einschränkt. In schweren Fällen kann der Kitzler optisch stark an einen kleinen Penis erinnern und bei Druck (zum Beispiel durch Kleidungsstücke) Schmerzen verursachen.
Abhängig von der konkreten Ursache können bei erwachsenen Patientinnen zusätzlich zur Klitorishypertrophie auch weitere körperliche Veränderungen auffallen, die an eine "Vermännlichung" denken lassen, zum Beispiel:
- Bartwuchs
- generell verstärkte Körperbehaarung (Hirsutismus)
- eine tiefe Stimme
- Haarausfall am Kopf
Möglicherweise entwickeln sich außerdem weniger eindeutige Beschwerden wie
- Akne,
- fettige Haut oder
- Zyklusstörungen.
Häufig stellt die Vergrößerung der Klitoris eine immense psychische Belastung dar. Betroffene berichten von starken Schamgefühlen oder sogar Ängsten, die ein normales Sexleben verhindern.
Formen und Ursachen der Klitorishypertrophie
Um die bestehende Fehlbildung der Klitoris und ihre möglichen Auslöser richtig einzuordnen, erfolgt eine Unterteilung in mehrere Formen. Die Unterscheidung orientiert sich maßgeblich am Zeitpunkt, zu dem die Vergrößerung zum ersten Mal in Erscheinung tritt, und am ursächlichen Mechanismus.
Primäre (kongenitale) Klitorishypertrophie
Die primäre, also angeborene, Form der Klitorishypertrophie macht den Großteil aller Fälle aus.
Wird ein Baby mit einer vergrößerten Klitoris geboren, ist dafür sehr wahrscheinlich eine Störung bei der Produktion von Sexualhormonen verantwortlich, die sich nach der 14. Schwangerschaftswoche entwickelt hat. Der Hormonhaushalt gerät dabei derart aus den Fugen, dass der Einfluss der männlichen Hormone (Androgene) überwiegt und eine Fehlbildung am Kitzler anstößt.
Wird die Produktion der Hormone bereits vor der 14. Schwangerschaftswoche gestört, fällt die Virilisierung (Vermännlichung) der weiblichen Geschlechtsorgane gravierender aus. Mitunter verschließt sich die Vagina in diesem Fall und die Schamlippen werden zum Hodensack umgebaut.
Eine extrem starke Vergrößerung der Klitoris kann in Verbindung mit dem sogenannten Pseudohermaphroditismus auftreten. Dabei unterscheiden sich die äußeren Teile der Geschlechtsorgane von den innen liegenden und den Genen: Obwohl das Neugeborene also – biologisch betrachtet – weiblich zur Welt kommt, führt der vermeintliche Penis zu einer anderen Interpretation.
Hormonelle Ursachen
Als Ursache für das hormonelle Ungleichgewicht kommen verschiedene Erkrankungen und Faktoren infrage:
- andrenogenitales Syndrom (AGS): Erblich bedingt ist ein bestimmtes Enzym und dadurch die Bildung von Hormonen in den Nebennierenrinden gestört – in der Folge werden zu viele männliche Geschlechtshormone (Androgenen) gebildet.
- maskulinisierende Tumoren: Einige Krebserkrankungen, zum Beispiel im Bereich der Eierstöcke oder Nebennieren, können die Produktion von Androgenen anregen.
- Einnahme des Steroids Danazol während der Schwangerschaft: Danazol gehört zur Gruppe der Dopingmittel, die Einnahme kann unter Umständen den Muskelaufbau fördern. Bei schwangeren Frauen gefährdet der Wirkstoff den Hormonstoffwechsel des ungeborenen Kindes.
Nicht-hormonelle Ursachen
Seltener geht die angeborene Klitorishypertrophie auf Ursachen zurück, die nicht durch das Hormonsystem bedingt werden. Mögliche Auslöser sind dann zum Beispiel:
- Turner-Syndrom: Im Fall des Turner-Syndroms kommt es bei der Zusammensetzung der Geschlechtschromosomen zu einem Fehler. Statt der beiden bei Frauen üblichen, identischen X-Chromosomen (XX) liegt nur ein funktionsfähiges X-Chromosom vor (X0). Als Folge entstehen unterschiedliche Fehlbildungen.
- Neurofibromatose: Beginnt Nervengewebe genetisch bedingt zu wuchern, kann auch eine Klitorishypertrophie entstehen.
- Fraser-Syndrom: Beim extrem seltenen Fraser-Syndrom bestehen eine oder mehrere Genmutationen, die zu teils gravierenden körperlichen Fehlbildungen führen.
Sekundäre Klitorishypertrophie
Mitunter entwickelt sich eine Klitorishypertrophie erst später im Leben. Ein zuvor normal großer Kitzler beginnt dann zu wachsen – unter Umständen zeigen sich parallel dazu weitere, bisher unbekannte Beschwerden.
In der Regel ist eine spät einsetzende Veränderung im Hormonhaushalt für die Vergrößerung der Klitoris verantwortlich, beispielsweise:
- late-onset (nicht-klassisches) andrenogenitales Syndrom: Die Hormonbildung der Nebennierenrinden kippt zugunsten männlicher Geschlechtshormone, weil ein bestimmtes Enzym gestört ist. Erste Beschwerden zeigen sich in der Pubertät oder im Erwachsenenalter.
- polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS): Beim PCOS produzieren die Eierstöcke vermehrt Androgene und beeinflussen damit maßgeblich den Hormonhaushalt.
- maskulinisierende Tumoren: Entwickelt sich eine Krebserkrankung, die Einfluss auf die Bildung der Geschlechtshormone nimmt (unter anderem im Bereich der Eierstöcke oder Nebennieren), können auch in diesem Fall die männlichen Hormone überwiegen.
Als positiver Nebeneffekt kann die Klitorishypertrophie zudem im Rahmen einer Testosterontherapie beobachtet werden: Vor einer geschlechtsangleichenden Operation ist die Vergrößerung Zeichen dafür, dass die Behandlung anschlägt.
Übrigens: Lässt sich für die Fehlbildung keine Ursache ausfindig machen, ist von einer sogenannten idiopathischen Klitorishypertrophie die Rede.
Diagnose: Die Klitorishypertrophie erkennen
Insgesamt treten Klitorishypertrophien nur sehr selten auf. Die zuverlässige Diagnose der Fehlbildung und der ursächlichen Grunderkrankung ist unerlässlich, um eine passende Behandlung einzuleiten.
Fällt die vergrößerte Klitoris bereits im Baby- oder Kindesalter auf, sollten sich die Eltern zunächst kinderärztliche Unterstützung suchen. Gegebenenfalls werden im nächsten Schritt endokrinologische und humangenetische Untersuchungen notwendig, also Tests, die die Hormondrüsen und das Erbgut genauer überprüfen.
Ist die Virilisierung, also die Vermännlichung der äußeren Geschlechtsorgane, stark fortgeschritten, kann die Klitorishypertrophie nach der Geburt übersehen werden, da ein weiblicher Säugling fälschlicherweise als männlich eingestuft wird. In diesem Fall gelingt die Diagnose häufig erst bei späteren Untersuchungen.
Zeigt sich die Klitorishypertrophie im Erwachsenenalter, vereinbaren die Betroffenen am besten einen Termin in ihrer gynäkologischen Praxis. Bei Bedarf erhalten sie dort eine Überweisung an eine endokrinologische Fachpraxis. Bei der Untersuchung wird zum einen die Klitoris in Augenschein genommen, zum anderen stehen Fragen zu sonstigen Beschwerden im Vordergrund. Zusätzlich können eine Ultraschalluntersuchung (insbesondere der Vagina und des Bereichs um die Nieren) und eine Blutabnahme mit Blick auf die Hormonwerte anstehen.
Behandlung einer Klitorishypertrophie
Beruhigend für Betroffene: Mit einer Klitorishypertrophie müssen sie sich nicht abfinden. Durch geeignete Behandlungsmethoden ist es in der Regel gut möglich, eine Verkleinerung des Kitzlers zu bewirken. Übergeordnet stehen dabei zwei Optionen zur Verfügung – die (meist medikamentöse) Therapie einer bestehenden Grunderkrankung und ein operativer Eingriff, bei dem die Größe der Klitoris chirurgisch angepasst wird.
Behandlung der Grunderkrankung
Ist eine Erkrankung verantwortlich für die Entstehung einer Klitorishypertrophie, liegt der Fokus zunächst auf ihrer Behandlung.
In der Regel umfasst diese Therapie speziell die Normalisierung des Hormonhaushalts. Dazu kann sowohl eine Unterdrückung der Androgenbildung gehören als auch die zusätzliche Gabe fehlender, weiblicher Geschlechtshormone. Für das adrenogenitale Syndrom und das polyzystische Ovarialsyndrom stehen hier passende Arzneimittel zur Verfügung: Werden die Tabletten regelmäßig und so wie verordnet eingenommen, bilden sich viele der Symptome wieder zurück, darunter meist auch die Klitorishypertrophie.
Sollte ein bösartiger Tumor für die vergrößerte Klitoris verantwortlich sein, wird ein Behandlungsplan entwickelt, der sich an Form und Stadium der Erkrankung ausrichtet. Er umfasst unter Umständen eine Operation, Strahlen- sowie Chemotherapie.
Operative Behandlung (Klitorisreduktionsplastik)
Gibt es keine Möglichkeit, die Ursache zu behandeln – zum Beispiel bei Neurofibromatose, Turner- oder Fraser-Syndrom –, oder bildet sich die Klitoris nicht im gewünschten Ausmaß zurück, können Patientinnen von plastischer Chirurgie profitieren. Die sogenannte Klitorisreduktionsplastik hat zum Ziel, die Klitoris zu verkleinern und dabei sowohl ihre Sensibilität als auch die Fähigkeit zur sexuellen Erregung zu erhalten.
Fällt der Entschluss zur OP, stehen in Absprache mit dem*der Chirurg*in zwei Methoden zur Auswahl:
- Klitorisverkleinerung: Der sichtbare Bereich der Klitoris wird durch die Entfernung von darunter liegendem Gewebe abgesenkt.
- Verkleinerung der Klitorisspitze: Dabei wird ein Teil an der Unterseite des Kitzlers abgetrennt.
Beide Verfahren können ambulant und mit lokaler Betäubung stattfinden. Bis die Wunde vollständig verheilt ist und alle operationsbedingten Schwellungen zurückgegangen sind, dauert es anschließend knapp sechs Wochen. Die Kosten für den Eingriff muss die Patientin meist selbst tragen, da er in die Kategorie der rein optischen Korrekturen fällt.
Wichtig: Bevor sich Betroffene für einen operativen Eingriff entscheiden, gilt es immer, Nutzen und Risiken sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Eine Operation ist kein Muss – eine medizinische Notwendigkeit dafür besteht nicht.