Sinnbild für einen Hodenhochstand: Säugling wird von einem Arzt untersucht.
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Hodenhochstand: Formen, Symptome und Spätfolgen

Von: Jessica Rothberg (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 14.11.2023

Bei einem Hodenhochstand liegen ein oder beide Hoden außerhalb des Hodensacks, meist im Leistenkanal oder in der Bauchhöhle. Da Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit oder Hodenkrebs drohen, sollten betroffene Kinder behandelt werden. Wann eine Operation notwendig ist und welche Komplikationen im erwachsenen Alter möglich sind, erfahren Sie hier.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Zusammenfassung

  • Definition: Bei einem Hodenhochstand handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, bei der ein oder beide Hoden außerhalb des Hodensacks liegen. 
  • Formen: Je nach Lokalisierung des Hodens unterscheiden Fachleute zwischen verschiedenen Formen, wie zum Beispiel dem Leisten- oder Pendelhoden.
  • Symptome: In der Regel entstehen keine Beschwerden wie Schmerzen, jedoch sind einige Spätfolgen und damit verbundene Symptome möglich.
  • Verlauf: Mitunter kommt es ohne Therapie zu einem Hodenabstieg. Ist das nicht der Fall oder bleibt die Behandlung aus, sind Komplikationen und Spätfolgen wie Hodenkrebs oder eine eingeschränkte Fruchtbarkeit möglich. 
  • Behandlung: Zum Einsatz können eine Hormontherapie und ein operativer Eingriff kommen.
  • Ursachen: Die genaue Ursache ist nicht immer klar. Möglich sind etwa mechanische Hindernisse, die den Hodenabstieg verhindern, Vererbung, hormonelle Störungen oder Alkohol- und Nikotinkonsum während der Schwangerschaft. 
  • Diagnose: Neben einer Tastuntersuchung kann die Diagnose durch bildgebende Untersuchungsverfahren wie ein Ultraschall, Hormonstimulationstests und eine Bauchspiegelung gesichert werden. 

Was ist ein Hodenhochstand?

Als Hodenhochstand (Maldescensus testis) bezeichnen Fachleute eine Entwicklungsstörung, bei der ein oder beide Hoden nach der Geburt nicht im Hodensack (Skrotum) ertastet werden können. Die Hoden liegen dabei meist entweder im Leistenkanal oder in der Bauchhöhle (Hodenektopie).

Normalerweise wandert der Hoden beim ungeborenen Jungen während der Entwicklungsphase im Mutterleib aus der Bauchhöhle bis in den Hodensack hinab. In der Regel treten die Hoden im siebten Schwangerschaftsmonat in den Hodensack ein. Bei einem männlichen Neugeborenen sollten also die Hoden im Hodensack tastbar sein. Bei einem Maldescensus testis ist das jedoch nicht der Fall.

Maldescensus testis: Häufigkeit

Etwa drei Prozent aller zum normalen Zeitpunkt geborenen Jungen haben einen ein- oder beidseitigen Hodenhochstand. Bei Frühgeburten ist dies wesentlich häufiger der Fall: Etwa 30 Prozent der frühgeborenen Säuglinge sind betroffen. 

Mögliche Formen eines Hodenhochstands

Je nach Lokalisation des Hodens unterscheiden Fachleute verschiedene Formen, die jeweils ein- oder beidseitig auftreten können:

  • Bauchhoden (Retentio testis abdominalis): Dabei liegt der Hoden noch in der Bauchhöhle und ist daher nicht tastbar.

  • Leistenhoden (Retentio testis inguinalis): In diesem Fall befindet sich der Hoden im Leistenkanal und kann von dort aus nicht verschoben werden. In der Regel lässt sich ein Leistenhoden ertasten.

  • Gleithoden (Retentio testis präscrotalis): Der sogenannte Gleithoden liegt im Eingangsbereich zum Hodensack. Er ist dort weit oben zu ertasten und kann auch in den Hodensack herabgezogen werden. Anschließend gleitet er jedoch sofort in die Ausgangslage zurück.

  • Pendelhoden: Der Pendelhoden ist eine Variante des Hodenhochstands und nicht als krankhaft anzusehen. Der Hoden liegt normalerweise im Hodensack, er wird jedoch häufig reflexartig, beispielsweise bei Kälte oder Stress, durch den Hodenhebermuskel (Musculus cremaster) nach oben gezogen.

Hodenhochstand bereitet keine Symptome

Ein Hodenhochstand ruft in der Regel zunächst keine Beschwerden hervor. Auffällig ist allein, dass ein oder beide Hoden nach der Geburt nicht im Hodensack ertastet werden können. Dies bezeichnen Fachleute auch als Kryptorchismus.

Entweder ist der Hoden gar nicht ertastbar oder er befindet sich in der Leiste beziehungsweise im Eingangsbereich zum Hodensack. Erfolgt keine Behandlung oder senkt sich der Hoden nicht von selbst, kann es zu Spätfolgen und damit verbundenen Symptomen kommen. 

Hodenhochstand: Verlauf und mögliche Spätfolgen

Wenn sich der Hodenhochstand im Verlauf der ersten sechs Lebensmonate nicht von selbst zurückbildet, muss er behandelt werden. Die Therapie sollte bis zum ersten Geburtstag des Kindes abgeschlossen sein. Mit einer entsprechenden und frühzeitigen Behandlung wird möglichen Folgen der Erkrankung vorgebeugt. Anderenfalls drohen einige Komplikationen. 

Mögliche Spätfolgen sind zum Beispiel:

  • Unfruchtbarkeit: Ist das Hodengewebe bereits durch den Hochstand geschädigt, produziert es zu wenige Spermien, was zur Unfruchtbarkeit führen kann. Erfolgt die Behandlung nicht rechtzeitig, liegt das Risiko einer späteren Unfruchtbarkeit bei einem betroffenen Hoden bei 30 Prozent und bei beiden Hoden bei 70 Prozent.

  • Hodenkrebs: Das Risiko, als Erwachsener an Hodenkrebs zu erkranken, erhöht sich um das drei- bis achtfache bei einem nicht oder zu spät behandelten Hodenhochstand. Am höchsten ist das Risiko, wenn einer oder beide Hoden im Bauchraum lagen. Auch wenn nur ein Hoden betroffen war, besteht für beide Hoden eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Hodenkrebs zu entwickeln.

  • Hodentorsion: Wenn sich Samenstrang und Hoden drehen, liegt eine sogenannte Hodentorsion vor. Diese führt zu einer akuten Durchblutungsstörung des Hodens, die eine sofortige Behandlung – in der Regel einen operativen Eingriff – erforderlich macht.

  • Leistenbruch: Zudem ist das Risiko für einen Leistenbruch erhöht. Dieser ist häufig bereits bei der Geburt vorhanden.

Wichtig: Ab dem 15. Lebensjahr sollten sich Jungen mit operiertem Hodenhochstand regelmäßig selbst kontrollieren und ihre Hoden auf Vergrößerungen abtasten. Bei Auffälligkeiten ist es ratsam, ärztlichen Rat einzuholen, da auch operierte erwachsene Männer ein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs haben.

Hodenhochstand behandeln: Hormontherapie und Operation

Eine Therapie ist ratsam, wenn sich der Hoden nicht innerhalb der ersten sechs Lebensmonate selbstständig in den Hodensack absenkt (Hodenabstieg). Danach ist die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Senkung gering. Als Therapie kommen entweder eine Hormontherapie und/oder eine Operation der Verlagerung infrage.

Um Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit und Hodenkrebs zu vermeiden, sollte die Behandlung mit dem ersten Lebensjahr abgeschlossen sein.

Hormontherapie ist meist erster Schritt

Bestimmte Hormone wie GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) und HCG (Human chorionic gonadotropin) regen die Freisetzung von Testosteron an. Dieses sorgt dafür, dass sich der Hoden senkt. Während GnRH als Nasenspray zur Verfügung steht, muss die*der Ärztin*Arzt HCG in den Muskel spritzen. Zur Behandlung können beide Hormone miteinander kombiniert werden.

Die Hormontherapie ist lediglich in etwa 20 Prozent der Fälle erfolgreich. Das Risiko eines Rückfalls (Rezidiv) liegt bei rund 25 Prozent. Daher sollten Eltern dafür sorgen, dass betroffene Kinder auch nach erfolgreicher hormoneller Behandlung regelmäßig nach einem Monat, nach sechs Monaten und danach jährlich bis zur Pubertät untersucht werden.

Hodenhochstand: Behandlung durch Operation

Unter bestimmten Bedingungen kann der Hodenhochstand nur mithilfe einer OP behoben werden:

  • bei ausbleibendem Erfolg der Hormontherapie
  • bei gleichzeitig vorhandenem Leistenbruch
  • bei vorangegangener Operation im Leistenbereich
  • in der Pubertät

Bei der Operation macht die*der Ärztin*Arzt einen kleinen Hautschnitt in der Leiste. Dann wird zuerst der Samenstrang freigelegt und nach unten gezogen. Anschließend wird der Hoden an der tiefsten Stelle des Hodensacks (sogenannte Orchidofunikulolyse mit Orchidopexie) festgenäht.

In etwa fünf Prozent der Fälle kann es zu einem erneuten Hodenhochstand nach einer OP kommen. Deshalb ist es wichtig, dass operierte Kinder im folgenden Jahr alle drei Monate untersucht werden, um ein Rezidiv frühestmöglich aufzudecken.

Hodenhochstand: Ursachen und Risikofaktoren

In den meisten Fällen lässt sich keine Ursache diagnostizieren. Mögliche Gründe und Risikofaktoren für ein Maldescensus testis können sein:

  • anatomische Besonderheiten: Manchmal kommt es zu der Entwicklungsstörung, wenn anatomische Besonderheiten oder Fehlbildungen einem oder beiden Hoden den Weg in Richtung Hodensack versperren. Die Hoden können dann nicht an ihre normale Position herabwandern.

  • hormonelle Störungen: Hormonelle Störungen kommen ebenfalls als Ursachen infrage, wenn sie die natürliche Entwicklung des Ungeborenen verzögern oder verhindern. Bei einer Frühgeburt ist die Entwicklung häufig nicht vollständig abgeschlossen, sodass ein Maldescensus testis häufiger vorkommt.

  • genetischer Defekt: In manchen Fällen liegt ein genetischer Defekt vor, weshalb auch erbliche Faktoren als Ursache infrage kommen.

  • Leistenbruch: Bei etwa 0,5 bis 2 Prozent der betroffenen Kinder kommt es zu einem sekundären Hodenhochstand, der sich infolge einer Operation eines Leistenbruchs entwickelt. Ein solcher sekundärer Maldescensus testis sinkt in rund 70 Prozent der Fälle bis zur Pubertät wieder von allein.

Darüber hinaus können mögliche Ursachen und Risikofaktoren auch bei der Mutter liegen. Dazu zählen etwa Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Alkohol- und Nikotinkonsum während der Schwangerschaft.

Wie wird ein Hodenhochstand diagnostiziert?

Bei einem Hodenhochstand erfolgt die Diagnose in einer kinderärztlichen, kinderchirurgischen oder urologischen Praxis. Grundsätzlich sollte die Untersuchung in einer warmen Umgebung und entspannten Situation stattfinden. Durch genaues Abtasten kann die*der Kinderärztin*Kinderarzt die Lage der Hoden überprüfen.

Lassen sich die Hoden nicht ertasten, sind weitere Untersuchungen nötig, wie zum Beispiel:

  • Hormonstimulationstest, um zu überprüfen, ob Hodengewebe vorhanden ist
  • Ultraschall (Sonographie)
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Bauchspiegelung (Laparoskopie), um die Hoden zu lokalisieren