Long Covid: Behandlung der Langzeitfolgen
Für rund 6 bis 15 Prozent der Erkrankten ist Covid-19 nicht vorbei, wenn die Infektion überstanden ist. Sie leiden noch nach Monaten an den Folgen der Erkrankung, etwa anhaltendem Husten und Müdigkeit. Lesen Sie, welche Symptome Betroffene des Long-Covid-Syndroms haben, welche Behandlung dann nötig ist und warum eine Impfung vorbeugen kann.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufig gestellt Fragen zu Long Covid
Auffällig sind beispielsweise anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung ("Fatigue") nach einer durchgemachten Covid-19-Infektion. Aber auch Kopf- und Gliederschmerzen, Kurzatmigkeit, Geruchs- und Geschmacksverlust, Gedächtnisprobleme und/oder Konzentrationsschwäche ("Brain Fog") sowie Haarausfall können einzeln oder in Kombination auftreten beziehungsweise anhalten.
Die meisten Beschwerden bessern sich vier bis acht Wochen nach der überstandenen Covid-19-Erkrankung. In wenigen Fällen bleiben Symptome jedoch bis zu zwölf Monate und länger bestehen. Manchmal treten Beschwerden auch erst ein halbes Jahr nach der überstandenen Infektion auf.
Studien deuten darauf hin, dass geimpfte Menschen ein geringeres Risiko für Long Covid haben. Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine Impfung sogar bereits bestehende Beschwerden durch Long Covid abmildern kann. Umgekehrt berichten Menschen vereinzelt von Post-Covid-ähnlichen Beschwerden nach einer Impfung (Post-Vac).
Was ist Long Covid?
Unter Long Covid fasst man Langzeitfolgen nach einer Covid-19-Erkrankung zusammen, die sich nicht mehr durch eine PCR-bestätigte anhaltende Infektion oder durch andere Erkrankungen erklären lassen. Dabei kann es sich sowohl um körperliche als auch um psychische Beschwerden handeln. Menschen, die an Long Covid leiden, sind nicht mehr ansteckend.
Fachleute unterscheiden zwei Phasen:
- Long Covid: Die Symptome halten mehr als vier Wochen nach Ausbruch der Erkrankung an.
- Post Covid: Die Symptome bestehen auch zwölf Wochen nach Ausbruch der Erkrankung noch, oder es treten neue auf.
Der Begriff Long Covid wird jedoch auch übergeordnet für das Post-Covid-Syndrom verwendet.
Die Beschwerden können sich entweder schon in der akuten Krankheitsphase entwickeln und im weiteren Verlauf andauern, oder erst zeitverzögert nach der eigentlichen Infektion auftreten.
Long Covid: Symptome des Syndroms
Die Symptome von Long Covid können sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander auftreten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken.
Die häufigsten Symptome bei Long Covid sind:
- Chronische Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)
- Kurzatmigkeit
- "Brain Fog" (übersetzt "Gehirnnebel"): Unter dem Begriff fasst man Symptome wie Konzentrationsprobleme, Schwindel, Wortfindungsstörungen, Müdigkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen und Benommenheit zusammen.
- Kopfschmerzen
- Muskelschwäche und -schmerzen
- Geruchs- und Geschmacksstörungen
- Posturales Tachykardiesyndrom (POTS)
Gelegentlich auftretende Symptome:
- Schlafstörungen
- Husten
- Psychische Probleme wie Depressionen oder Angststörungen
- Haarausfall
Selten auftretende Symptome:
Insgesamt sind mehr als 200 verschiedene Symptome in Zusammenhang mit Long Covid bekannt, weshalb es kein typisches Krankheitsbild gibt. Auch von Beschwerden wie Brustschmerzen berichten Betroffene. Das macht deutlich: Covid-19 betrifft nicht nur die Atemwege, sondern ist eine systemische Erkrankung.
ME/CFS: Chronische Erschöpfung als Folge von Covid-19
Eine häufige Langzeitfolge der Coronainfektion ist ME/CFS, kurz für myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue Syndrom, auch als chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt. Rund jede fünfte Person, die mehr als sechs Monate lang von Long Covid betroffen ist, erfüllt die Diagnosekriterien für ME/CFS.
Typische Symptome für ME/CFS:
- Extreme Müdigkeit und Abgeschlagenheit,
- Schlafstörungen,
- Gliederschmerzen
- Brain Fog
- Belastungsintoleranz (Verschlechterung der genannten Beschwerden auch nach leichter Alltagsanstrengung)
ME/CFS ist bislang nicht heilbar. Zu wenig ist über die Ursachen der Erkrankung bekannt. Es gibt aber verschiedene Behandlungsoptionen, durch die sich die Symptome mildern lassen.
Wie kommt es zu Long Covid?
Warum bereitet Covid-19 manchen Genesenen noch Probleme, wenn die Infektion längst überstanden ist? Sicher wissen Forschende das noch nicht. Vermutlich handelt es sich um mehrere Faktoren, die im Zusammenspiel zu der Erkrankung führen.
Ein Teil der Beschwerden sind Spätfolgen der Erkrankung, etwa durch das Virus hervorgerufene Lungenschäden, die vielen schwer erkrankten Patient*innen im Nachhinein noch zu schaffen machen. Das erklärt jedoch nicht, warum auch Menschen mit leichten Verläufen nach überstandener Erkrankung Beschwerden entwickeln.
Mögliche Ursachen für die Symptome:
- Anhaltende Entzündungen
- Autoimmunreaktionen
- Im Körper überdauernde Virusreste
- Gewebe- und Gefäßschädigungen
- Gerinnungsstörungen
- Störungen des Nervensystems
- Veränderungen im Stoffwechsel
- Organische Schäden durch Covid-19
Autoimmunprozesse sind auch infolge von anderen Viren bekannt. Jedoch scheint es bei Menschen mit Long Covid vergleichsweise mehr Schäden an Nerven und Muskeln zu geben. Vermutlich schädigt das Virus die Nervenzellen nicht direkt. Es greift jedoch in der Akutphase kleinste Blutgefäße an, was zu Entzündungsprozessen führt, die nicht immer aufhören, wenn das Virus bekämpft ist.
Nicht zuletzt kann eine schwere Covid-19-Erkrankung psychische Folgen nach sich ziehen. Wer um sein Leben kämpfen musste, kann ein Trauma davontragen und muss erst wieder Vertrauen in seinen Körper und seine Leistungsfähigkeit aufbauen.
Ursache für Long Covid im Blut entdeckt?
Forschenden des Universitätsklinikums Erlangen zufolge könnte Covid-19 die roten und weißen Blutkörperchen in Größe und Beschaffenheit verändern. In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut untersuchten sie das Blut von Long Covid-Patient*innen und fanden heraus, dass sich darin ungewöhnlich starre Blutzellen fanden. Diese nicht verformbaren Zellen passen möglicherweise nicht mehr durch die feinsten Blutgefäße. Als mögliche Folge dieser Veränderungen ist der Sauerstofftransport im Blut beeinträchtigt, was zu Müdigkeit und Konzentrationsproblemen führen kann. Auch das erhöhte Risiko von Durchblutungsstörungen, Gefäßverschlüssen und Embolien der Lunge ließe sich anhand dieser Erkenntnisse erklären.
Als Grund für die veränderten Blutzellen machten die Forschenden Autoantikörper aus, also Immunzellen, die Zellen des eigenen Körpers angreifen, also auch Blutzellen.
Eine Studie des Amsterdam University Medical Center vermutet eine Fehlfunktion der Mitochondrien infolge der Corona-Infektion als Ursache für die Beschwerden. Mitochondrien sind auch bekannt als Energiekraftwerke der Zellen. Dies würde Beschwerden wie Müdigkeit und Belastungsintoleranz erklären.
Long Covid: Behandlung richtet sich nach Symptomen
Eine ursächliche Therapie gegen Long Covid gibt es derzeit nicht. Behandelt werden daher die verschiedenen Symptome. Welche ärztliche Behandlung und welche Medikamente bei Long Covid helfen können, kommt also immer auf die Beschwerden der Betroffenen an.
Infrage kommen beispielsweise:
- Atemtherapie
- Ergotherapie
- Physiotherapie
- Hirnleistungstraining
- Entspannungsübungen
- Psychologische Hilfe
- Rehabilitation
Ein Symptomtagebuch kann Patient*innen und Ärzt*innen helfen, den Krankheitsverlauf besser zu verstehen. Ein Symptomtagebuch Long Covid (pdf) zum Herunterladen gibt es zum Beispiel beim Beta Institut.
Unterstützung finden Betroffene auch in Selbsthilfegruppen. Eine Übersicht der Angebote gibt es zum Beispiel auf der Seite der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen.
Long Covid: Kann ein Test die Diagnose sichern?
Anders als bei Covid-19 gibt es keinen einzelnen Test, der Long Covid nachweisen kann. Vielmehr geht es darum, andere infrage kommende Erkrankungen auszuschließen.
Wer glaubt, von Long Covid betroffen zu sein, sollte sich ärztliche Hilfe holen. Eine erste Anlaufstelle ist die hausärztliche Praxis. In vielen Städten gibt es inzwischen auch spezielle Post-Covid-Ambulanzen oder -Sprechstunden speziell für Menschen, die an Spätfolgen von Covid-19 leiden. Dort sind Ärzt*innen verschiedener Fachrichtungen beschäftigt.
Körperliche Untersuchung und Tests
Bei Verdacht auf Long Covid erfolgt zunächst eine umfassende körperliche Untersuchung mit neurologischen Tests und Fragen zu möglichen psychosomatischen Beschwerden. Dies kann in der hausärztlichen oder kinderärztlichen Praxis stattfinden.
Bestehen Symptome wie anhaltende Schwäche, Erschöpfung und Müdigkeit, können Fragebögen wie die Fatigue-Skala eingesetzt werden, anhand derer eine Fatigue festgestellt werden kann.
Das weitere Vorgehen hängt davon ab, wie ausgeprägt die Beschwerden sind. Bei schweren oder sich verschlechternden Symptomen erfolgen weitere Untersuchungen in Long-Covid-Ambulanzen oder fachärztlichen Praxen. Welche Tests nun nötig sind, hängt von der Symptomatik ab. Bei Atemnot wird beispielsweise ein Lungenfunktionstest (Spirometrie) gemacht.
Wer bekommt Long Covid?
Grundsätzlich besteht bei jeder Covid-19-Infektion das Risiko für Long Covid. Jedoch gibt es Risikofaktoren, die die Erkrankung wahrscheinlicher machen.
Wer ist häufig von Long Covid betroffen?
- Menschen zwischen 30 und 50 Jahren
- Frauen häufiger als Männer
- an Covid-19 Erkrankte mit schweren Verläufen und Intensivbehandlung
Kinder und Jugendliche sind dagegen sehr selten von den Langzeitfolgen betroffen.
Das Risiko für Long Covid nimmt zu, sobald einer der folgenden Punkte zutrifft:
- Die mit Covid-19 infizierte Person hatte eine besonders hohe Viruslast
- Sie hat vergleichsweise wenige Antikörper entwickelt
- Es besteht Übergewicht
- Im Blut des Betreffenden sind spezifische Autoantikörper nachweisbar
- Es besteht eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus
- Die*der Betreffende hat Diabetes mellitus
Long Covid: Sind auch Menschen betroffen, die einen milden Verlauf hatten?
Von Folgeerkrankungen nach Covid-19 betroffen sind hauptsächlich Menschen, die schwer erkrankt waren und sich davon erholen müssen. Folgeerkrankungen sind zum Beispiel Komplikationen wie eine Schädigung des Herzens oder der Nieren durch die Infektion oder die intensivmedizinische Versorgung. Dass es dauert, bis diese Menschen wieder leistungsfähig sind, leuchtet ein. Solche Folgeerkrankungen nach einem schweren, meist intensivpflichtigen Verlauf von Covid-19 treten vor allem bei über 60-jährigen Männern auf.
Junge Menschen häufig von Fatigue betroffen
Auch junge Menschen mit leichten Symptomen in der akuten Phase können Langzeitfolgen entwickeln. Besonders bei den leicht- bis mittelschwer erkrankten Menschen ist es offenbar sehr häufig so, dass es ihnen vorübergehend einige Wochen oder Monate besser geht, bevor dann die Post-Covid-Symptome auftreten. Aus diesem Grund lassen sich die Symptome nicht immer mit der zurückliegenden Covid-19-Erkrankung in Verbindung bringen.
Langzeitfolgen nach Covid-19 wie Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue) treten dagegen vor allem bei Frauen im Alter von 25 bis 50 Jahren auf, die einen milden oder moderaten Krankheitsverlauf hatten.
Long Covid: Sind auch Kinder betroffen?
Auch Kinder und Jugendliche sind von Long Covid betroffen. Genaue Zahlen gibt es hierzu bislang allerdings nicht, da verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Kleine Kinder sind wesentlich seltener von Long Covid betroffen als Jugendliche. Einer Studie zufolge haben etwa ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden mussten, auch nach mehreren Monaten noch mindestens ein gesundheitliches Problem. Allerdings müssen Kinder und Jugendliche weit seltener als Erwachsene wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden.
Eine Langzeitfolge, die fast ausschließlich Kinder betrifft, ist PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome). Dabei handelt es sich um eine gefährliche Entzündungsreaktion, die mehrere Organe betreffen kann und in der Regel wenige Wochen nach einer Covid-19-Infektion auftritt. Ursache ist vermutlich eine Überreaktion des Immunsystems auf das Coronavirus SARS-CoV2. Typisch für PIMS sind neben entzündeten Organen auch Beschwerden wie hohes Fieber und Hautausschlag. Bei Verdacht auf PIMS ist meist eine Behandlung in der Klinik erforderlich.
Long Covid: Hilft eine Impfung?
Bisher gibt es kaum Informationen, was effektive Maßnahmen zur Vorbeugung von Long Covid betrifft. Nach jetzigem Kenntnisstand ist die Impfung das wirksamste Mittel, sich generell vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu schützen. Das funktioniert am besten mit einer vollständigen Impfung inklusive Booster und den empfohlenen Schutz- und Hygienemaßnahmen.
Dass eine Impfung speziell gegen Long-Covid-Symptome hilft, ist möglich, aber noch nicht abschließend geklärt. Einige Post-Covid-Betroffene haben bereits berichtet, dass es ihnen nach einer Impfung besser gegangen sei. Auch einige Studien weisen darauf hin, dass eine Corona-Impfung die Symptome von Long Covid positiv beeinflussen könnte. Es gibt jedoch auch gegenteilige Berichte.
Post-Vac-Syndrom: Long Covid nach Impfung
Auch nach einer Corona-Impfung ohne direkt vorangegangene Covid-19-Infektion berichten einige Menschen von Symptomen, die denen von Long Covid ähneln, darunter etwa Müdigkeit und Brain Fog. Dieses Phänomen nennt sich "Post-Vac-Syndrom".
Dabei handelt es sich um Verdachtsmeldungen. Studien und wissenschaftliche Auswertungen zum direkten Zusammenhang der Vakzine zu Symptomen und Beschwerden fehlen aktuell noch. Das liegt auch daran, dass Post Vac sehr selten auftritt.
Bisher sind die Ursachen für Post Vac noch nicht vollständig geklärt. Man vermutet, dass neben einer Autoimmunreaktion auch eine vorangegangene Epstein-Barr-Virus-(EBV-)Infektion ein Risikofaktor sein könnte, ähnlich wie bei Long Covid.