Akromegalie: Symptome und Behandlung des starken Wachstums
Die seltene Krankheit Akromegalie ist durch das extreme Wachstum bestimmter Körperteile, insbesondere der Hände und Füße, gekennzeichnet. Ursache ist ein gutartiger Tumor der Hirnanhangsdrüse. Früh erkannt, lässt sich die Akromegalie gut behandeln.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Was ist Akromegalie?
Bei der Akromegalie handelt es sich um eine Erkrankung, bei der ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) zur Überproduktion von Wachstumshormonen sorgt. Entwickelt sich das Hypophysenadenom im Erwachsenenalter, vergrößern sich die einzelnen Körperendglieder (Akren): So kann es sein, dass zum Beispiel die Hände und Füße breiter werden, sich die Haut und die Lippen verdicken oder die Nase an Länge zunimmt. Denn durch den Tumor vermehren sich an diesen Stellen die Knochen, Knorpel- oder Bindegewebszellen stark.
Zwischen dem Beginn der Akromegalie und ihrer Diagnose können mehr als zehn Jahre vergehen – Erkrankte sind dann im Durchschnitt 40 Jahre alt. Spät entdeckt sind die Heilungschancen im Vergleich zu einer frühen Diagnose geringer. Von der Akromegalie sind alle Geschlechter gleich häufig betroffen.
Akromegalie im Kindesalter heißt Gigantismus
Tritt die sehr seltene Hormonstörung bereits im Kindesalter auf, beziehungsweise bevor sich die Wachstumsfugen (Epiphysen) der Röhrenknochen im Rahmen des Längenwachstums verschließen, spricht man von Riesenwuchs, auch Gigantismus genannt. Dabei erfolgt eine Vergrößerung der gesamten Körperlänge.
Zunächst verläuft die Erkrankung schleichend und fällt nicht gleich auf, da das krankhafte Wachstum nicht sprunghaft verläuft. Tritt das Adenom der Hypophyse im Kindes- oder Jugendalter auf, geben der Abgleich mit altersgerechten Wachstumskurven erste Anhaltspunkte für einen vorliegenden Gigantismus.
Ursachen der Akromegalie
Grund für die Akromegalie ist ein gutartiger Tumor der Hirnanhangsdrüse. Dabei handelt es sich um eine kleine, etwa erbsengroße Drüse, die das Wachstumshormon Somatropin (auch somatotropes Hormon genannt) produziert. Dieses regt im Körper die Produktion eines weiteren Hormons an, des insulinähnlichen Wachstumsfaktors IGF-1 (Insulin-like growth factor 1).
Im Körper sorgt IGF-1 unter anderem für:
- Muskelwachstum
- Vermehrung der Knorpelzellen in den Knochen
- Aufbau von Eiweißstrukturen im Bindegewebe
Wird die Bildung des Wachstumsfaktors übermäßig von der Hypophyse angeregt, kommt es zu den typischen Symptomen der Akromegalie.
Akromegalie: Häufige Symptome
Viele der für die Akromegalie charakteristischen Symptome sind auch typisch für andere Erkrankungen. Das erschwert die Diagnose.
So klagen Betroffene häufig über:
- Kopfschmerzen
- Gelenkschmerzen
- Knochenschmerzen im Bereich der Röhrenknochen, zum Beispiel dem Schienbein
- Schnelle Ermüdung, Müdigkeit
- Verringerte körperliche Belastbarkeit
- Konzentrationsschwäche
- Vermehrtes Schwitzen (Hyperhidrose), Schweißneigung
- Schnarchen und Schlafapnoe (kurze Atemaussetzer im Schlaf)
- Karpaltunnelsyndrom
Eine eingeschränkte Funktion des gesunden Teils der Hypophyse kann sich zudem in Menstruationsstörungen, der Unterfunktion von Nebennieren oder der Schilddrüse äußern.
Weitere Symptome fallen erst im Verlauf der Krankheit auf, denn durch die Veränderungen im Bindegewebe und der Gesichtsknochen ändert sich auch nach und nach das Spiegelbild. Vergleichen Patient*innen aktuelle Fotos mit alten, fallen die durch die Akromegalie verursachten Veränderungen der Gesichtszüge und Vergrößerung der Finger und Zehen auf. Durch die Akromegalie wachsen die Nase, Ohren, Lippen, Zunge, Kinn, Jochbeine sowie der Ober- und der Unterkiefer. Daneben sorgt die verdickte Haut für tiefe Falten um den Mund und auf der Stirn. Durch den wachsenden Unterkiefer driften die Zähne immer weiter auseinander, wodurch sich große Lücken bilden.
Folgeerkrankungen durch den Tumor
Wächst der Tumor weiter heran, kann es zu Sehstörungen bis hin zum Sehverlust kommen, wenn er auf den Sehnerv drückt. Außerdem sind von den Störungen des Hormonhaushalts oft innere Organe wie das Herz oder der Darm betroffen. Weitere typische Folgeerkrankungen der Akromegalie sind deshalb:
- Diabetes mellitus
- Bluthochdruck (Hypertonie)
- Gelenkveränderungen
Diagnose bei Verdacht auf Akromegalie
Zur Diagnose der Akromegalie wird die Konzentration des Wachstumsfaktors IGF-1 im Blut bestimmt. Fällt der Wert höher als normal aus, erfolgt ein Zuckerbelastungstest: Glukose hemmt bei gesunden Menschen die Ausschüttung des Wachstumshormons (Growth-hormone, GH). Sinken seine Werte nach der Einnahme von Glukose nicht unter einen festgelegten Wert, dann gilt das Ergebnis als sicheres Diagnosekriterium für die Akromegalie. Weitere Untersuchungen zeigen, inwieweit die Funktion der Hypophyse betroffen ist und wie sich dies in der Folge auf die Funktion der Eierstöcke, Hoden oder Schilddrüse auswirkt.
Mittels Magnetresonanztomografie (MRT) lassen sich das Ausmaß und die Lage des Tumors bestimmen. Liegt der Tumor dicht am Sehnerv, veranlasst die*der Ärztin*Arzt eine augenärztliche Untersuchung.
Wie wird Akromegalie behandelt?
Durch eine Operation lässt sich Akromegalie behandeln. Für eine erfolgreiche Therapie ist es sinnvoll, diesen Eingriff von einem*r erfahrenen Neurochirurg*in vornehmen zu lassen. Ziel der operativen Entfernung des Hypophysentumors ist es, den Überschuss an Somatropin zu beseitigen und so die übrigen Funktionen der Hypophyse zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen.
Die Operation zählt zu den minimalinvasiven Eingriffen, das bedeutet, dass bei der Entfernung des Tumors per Endoskop nur wenig Gewebe verletzt wird. Der Zugang zum Tumor erfolgt dabei durch die Nase, denn von hier aus ist die Hirnanhangsdrüse gut erreichbar. Liegt die Tumorgröße bei unter einem Zentimeter, liegt die Heilungschance bei mindestens 80 Prozent. Die Heilungschance sinkt auf 50 Prozent, wenn der Tumor größer als einen Zentimeter ist. Kommt eine seitliche Ausdehnung hinzu, liegt sie nur noch bei 35 bis 45 Prozent.
Medikamente bei Akromegalie
Für die medikamentöse Behandlung lassen sich Dopamin-Antagonisten einsetzen, welche die Ausschüttung von Somatropin hemmen. Diese Wirkstoffe müssen eingeschlichen, das heißt in langsam steigenden Dosen eingenommen werden, um Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche einzudämmen.
Andere Medikamente wie Somatostatin-Analoga (SSA) senken – in vierwöchentlichen Abständen gespritzt – die Konzentration bei über der Hälfte der betroffenen Menschen. Bei Somatostatin handelt es sich um ein Hormon, das die Wirkung des Wachstumshormons Somatropin hemmt und so den IGF-1-Spiegel senkt. Somatostatin-Analoga ahmen die Wirkung dieses Hormons nach.
Die Nebenwirkungen beschränken sich in erster Linie auf den Magen-Darm-Trakt und äußern sich in Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall. Sie klingen jedoch nach wenigen Tagen ab und lassen sich oft mit Hausmitteln wie einer Wärmflasche und ausreichender Flüssigkeitszufuhr, lindern. Während der gesamten Therapie sollten die Blutzuckerwerte und die Vitamin-B12-Konzentration beobachtet werden.
Lässt sich mit SSA das anvisierte Ziel der Somatropin-Hemmung nicht erreichen, steht mit einem Wachstumshormon-Antagonisten ein neues Präparat zur Verfügung. Dieser blockiert direkt im Gewebe die Wirkung von Somatropin und senkt die IGF-1-Konzentration.
Auch Bestrahlung ist mögliche Behandlung
Führen die operative und medikamentöse Therapie nicht zum gewünschten Erfolg oder wächst der Tumor wieder an, lässt sich die Strahlentherapie unterstützend einsetzen, um die Tumorzellen abzutöten. Der Effekt tritt allerdings verzögert ein – in Abhängigkeit davon, wie hoch die Somatropin-Konzentration zu Beginn der Behandlung ist. Daher ist es wichtig, die Medikamente weiterhin einzunehmen.
Die Bestrahlung kann zu Folgeerkrankungen wie der Neubildung von Tumoren, einer Hypophysen-Insuffizienz und psychischen Veränderungen führen. Um vor allem das Risiko der Tumorneubildung zu bannen, wurden Bestrahlungstechniken entwickelt, die eine exakte Bestrahlung ermöglichen und so wenig gesundes Gewebe wie möglich treffen.
Verlauf bei Akromegalie
Die Akromegalie beziehungsweise der Gigantismus im Jugendalter verläuft schleichend. Regelmäßige Untersuchungen, bei denen sich das Größenwachstum der Kinder mit den erhobenen Durchschnittswerten abgleichen lässt, bieten erste Anhaltspunkte, ebenso wie alte Fotos oder früh einsetzende Symptome wie Kopfschmerzen. Eine unbehandelte Akromegalie kann die Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre verringern. Früh diagnostiziert, lassen sich zudem mögliche Folge- oder Begleiterkrankungen vermeiden oder abmildern.
Zu den Folge- oder Begleiterkrankungen zählen:
- Herzerkrankungen wie Herzinfarkt
- Gestörte Blutversorgung des Gehirns aufgrund erkrankter Blutgefäße
- Diabetes mellitus
- Kropfbildung der Schilddrüse (Struma)
- Schilddrüsen- und Darmkrebs
- Wirbelbrüche
Für den Verlauf der Akromegalie ist ausschlaggebend, wie erfolgreich sich die Produktion und die Ausschüttung des Wachstumshormons beziehungsweise dessen Wirkung auf die Knochen und das Gewebe kontrollieren lassen. Daher ist eine lebenslange Nachsorge unabdingbar.