Schwerbehindertenausweis: Wer kann ihn beantragen?
Ob bei der Arbeit, auf der Straße oder in der Freizeit – mit einer Behinderung zu leben, bringt je nach Ausmaß viele Nachteile und Einschränkungen im alltäglichen Leben mit sich. Mit einem Schwerbehindertenausweis können schwerbehinderte Menschen gegenüber Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern und Behörden nachweisen, dass sie körperlich oder geistig beeinträchtigt sind. Der Ausweis belegt den festgestellten Grad der Behinderung und erleichtert es seinem Inhaber, besondere Rechte und sogenannte Nachteilsausgleiche wahrzunehmen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Allgemeines
Von Behinderung spricht man, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder die seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für das Alter typischen Zustand abweichen und Menschen aus diesem Grund nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Betroffene Personen können sich eine Behinderung vom zuständigen Versorgungsamt ihrer Stadt bescheinigen lassen. Ab einem bestimmten Grad der Behinderung, der sich aus der Gesamtheit aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergibt, stellt das Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis aus.
Auf dem Schwerbehindertenausweis sind Name und Geburtsdatum des Inhabers und die Gültigkeitsdauer eingetragen. Ab dem 10. Lebensjahr ist der Schwerbehindertenausweis mit einem Lichtbild versehen. Außerdem sind der Grad der Behinderung und sogenannte Merkzeichen eingetragen, die angeben, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen.
Um das Leben mit einer Behinderung zu erleichtern, gibt es in verschiedenen Bereichen sogenannte Nachteilsausgleiche, die – wie der Name schon sagt – durch die Behinderung bedingte Nachteile und Mehraufwendungen ausgleichen sollen.
Dazu zählen zum Beispiel
- gesonderte arbeitsrechtliche Regelungen,
- bestimmte Steuervergünstigungen
- oder die Berechtigung zur vergünstigten Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Die Nachteilsausgleiche für Behinderte sind gesetzlich im Sozialgesetzbuch verankert. Welche Nachteilsausgleiche ein behinderter Mensch in Anspruch nehmen kann, hängt davon ab, welche Behinderung vorliegt und wie stark sie den Betroffenen einschränkt.
Für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche muss man nicht zwangsläufig im Besitz eines Schwerbehindertenausweises sein – Menschen mit einer weniger stark ausgeprägten Behinderung können zwar keinen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis geltend machen, sie können jedoch trotzdem das Recht auf bestimmte Vorteile haben, wie zum Beispiel steuerliche Vergünstigungen. Die Bescheinigung über das Ausmaß der Behinderung kann dann mittels eines Feststellungsbescheids durch das zuständige Versorgungsamt erfolgen, auf dem der genaue Grad der Behinderung eingetragen ist.
Grad der Behinderung
Der Grad der Behinderung ist ein Begriff aus dem Schwerbehindertenrecht. Er beschreibt das Ausmaß der körperlichen und / oder geistigen Behinderung und inwieweit sich diese auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auswirkt. Der Schweregrad wird in Zehnerstufen angegeben und reicht von 20 bis 100. Häufig wird umgangssprachlich beim Grad der Behinderung von Prozent gesprochen. Dies ist jedoch nicht korrekt. So weist jemand zum Beispiel einen Grad der Behinderung von 20 auf, nicht aber von 20 Prozent.
Einen Schwerbehindertenausweis bekommen Personen, bei denen ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr festgestellt wurde. Wenn ein niedrigerer Grad vorliegt – also zwischen 20 und 40 – kann das Versorgungsamt die Behinderung mittels eines Feststellungsbescheids, auf dem der genaue Grad eingetragen ist, bescheinigen.
Um den Grad der Behinderung festzulegen, prüft die zuständige Behörde das Ausmaß der Behinderung. Hierzu fordert sie Befundberichte und Gutachten von Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern ein, die die gesundheitlichen Beeinträchtigungen belegen. Deshalb ist es wichtig, im Antrag alle Informationen zu Gesundheitsstörungen und behandelnden Ärzten vollständig anzugeben. Außerdem sollten Sie (falls vorhanden) dem Antrag für einen Schwerbehindertenausweis alle Unterlagen zum Gesundheitszustand, wie Atteste, Krankenhausberichte, Arztbriefe und Laborbefunde, beilegen.
Liegen alle Unterlagen und Daten vor, werden diese von Sozialmedizinern bewertet. Dabei begutachten die Ärzte jede festgestellte Gesundheitsstörung einzeln und ordnen ihr einen Einzelgrad der Behinderung zu. Aus der Gesamtheit aller Einzelgrade ergibt sich der Gesamtgrad der Behinderung. Eine körperliche Untersuchung des Antragstellers nehmen die bewertenden Ärzte in der Regel nicht vor.
Nachteilsausgleiche
Sogenannte Nachteilsausgleiche sollen es behinderten Menschen erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich weitestgehend und gemäß ihren Fähigkeiten in die Gesellschaft einzugliedern.
Je nach Grad der Behinderung stehen Behinderten verschiedene Nachteilsausgleiche zu. Nicht alle Vorteile für behinderte Menschen sind zwingend mit dem Besitz eines Schwerbehindertenausweises verknüpft, da der Anspruch teilweise auch bei einem Grad der Behinderung von weniger als 50 besteht. Andere Nachteilsausgleiche können hingegen nur unter Vorlage des Schwerbehindertenausweises genutzt werden, wie zum Beispiel die vergünstigte Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs.
Zu den Nachteilsausgleichen zählen beispielsweise:
- Steuerfreibeträge
- zusätzlicher Urlaubsanspruch
- erhöhter Kündigungsschutz
- Erleichterungen im Fernverkehr
- Unterstützung zur Finanzierung von barrierefreiem Wohnraum
- Freifahrten im Personennahverkehr
- Vorteile hinsichtlich der Kraftfahrzeugsteuer
- Parkerleichterungen
- Fahrdienste
Die einzelnen Nachteilsausgleiche müssen separat beantragt werden und sind in Höhe beziehungsweise Ausmaß abhängig vom Grad der Behinderung. So reichen die Steuerfreibeträge für Behinderte zum Beispiel von 310 Euro (GdB 25-30) bis 1.420 Euro (GdB 95-100). Das zuständige Versorgungsamt prüft den Anspruch. Sofern für die Nutzung der Ausgleiche ein Schwerbehindertenausweis erforderlich ist, werden bei erfüllten Voraussetzungen sogenannte Merkzeichen gewährt. Diese Merkzeichen stehen für bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigungen. Sie werden im Schwerbehindertenausweis eingetragen und berechtigen den Träger, die ausgewiesenen Vorteile in Anspruch zu nehmen.
Merkzeichen im Überblick
- G = Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt
- aG = außergewöhnlich gehbehindert
- H = hilflos
- BI = blind
- GI = gehörlos
- B = berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson
- RF = Rundfunkbeitragsermäßigung und Telefongebührenermäßigung möglich
So kann zum Beispiel jemand, der das Merkmal G in seinem Schwerbehindertenausweis hat, Preisnachlässe des öffentlichen Personennahverkehrs in Anspruch nehmen. Hierzu muss die schwerbehinderte Person zusätzlich eine Wertmarke beim Versorgungsamt oder (wenn Merkzeichen H und BI vorhanden) bei der für den jeweiligen Wohnsitz zuständigen Kommunalverwaltung kaufen beziehungsweise kostenlos anfordern.
Schwerbehinderte Menschen haben ein Anrecht auf Parkerleichterungen. Ein Schwerbehindertenausweis allein reicht jedoch nicht aus, um ausgewiesene Behindertenparkplätze nutzen zu können. Hierfür ist zusätzlich ein besonderer Parkausweis notwendig, der extra ausgestellte blaue EU-Parkausweis. Dieser ist bei den örtlichen Behörden beziehungsweise Straßenverkehrsämtern erhältlich und muss deutlich sichtbar im Auto ausgelegt werden. In der Regel haben folgende Personen Anspruch auf einen Behindertenparkausweis:
- Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG)
- Blinde (Merkzeichen BI)
- Menschen mit Conterganschäden
- Menschen mit beidseitiger Amelie (angeborenes Fehlen von Gliedmaßen)
- Menschen mit Phokomelie (Hände und / oder Füße befinden sich ohne Arme und Beine direkt am Körper)
- Menschen mit vergleichbaren Behinderungen
Schwerbehindertenausweis beantragen
Um den Schwerbehindertenausweis zu beantragen, wendet man sich in der Regel an das zuständige Versorgungsamt oder Landesamt. Die Adresse bekommt man beim Bürgeramt der Stadt. Hier kann man einen Antrag auf Schwerbehinderung stellen, am besten mittels der vom Versorgungsamt zur Verfügung gestellten Antragsformulare.
Als schwerbehindert gilt, wer einen nachgewiesenen Grad einer Behinderung von 50 oder mehr aufweist. Um den Grad der Behinderung und somit den Anspruch auf einen Schwerbehindertenweis festzustellen, fordert die zuständige Behörde Befundberichte und Gutachten von Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern an, die die gesundheitlichen Beeinträchtigungen belegen. Damit dies reibungslos ablaufen kann, ist es wichtig, im Antrag alle Informationen zu Gesundheitsstörungen und behandelnden Ärzten vollständig anzugeben.
Falls Ihnen selbst Unterlagen zu Ihrem Gesundheitszustand wie Atteste, Krankenhausberichte, Arztbriefe und Laborbefunde vorliegen, sollten Sie diese zusammen mit dem Antrag einreichen.
Anhand dieser Unterlagen und Daten bewerten Sozialmediziner den Gesundheitszustand des Antragstellers. Dabei begutachten die Ärzte jede festgestellte Gesundheitsstörung einzeln und ordnen ihr einen Einzelgrad der Behinderung zu. Aus der Gesamtheit aller Einzelgrade ergibt sich der Gesamtgrad der Behinderung.
Dieser Grad der Behinderung wird auf dem Schwerbehindertenausweis auf der Rückseite vermerkt. Er kann sich im Laufe der Zeit verändern, diese Änderung muss jedoch durch das Versorgungsamt geprüft werden.
Es gibt zwei Arten von Schwerbehindertenausweisen: einen grünen Ausweis und einen grün-roten Ausweis. Mit dem grün-roten Ausweis darf der Inhaber vergünstigt oder kostenlos den öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Zusätzlich muss allerdings eine Wertmarke bei der Kommunalverwaltung oder beim Versorgungsamt für die Beförderung gekauft werden. Auf dem grün-roten Ausweis ist außerdem vermerkt, ob der Ausweisinhaber berechtigt ist, eine Begleitperson mitzunehmen (Merkzeichen "B").
Den Anspruch auf den grün-roten Ausweis haben zum Beispiel Menschen mit einer Gehbehinderung, Gehörlose oder blinde Menschen. Personen, in deren Ausweis die Merkzeichen "H" (hilfslos) oder "Bl" (blind) eingetragen sind, bekommen die Wertmarke kostenlos.
Seit Januar 2013 gibt es den Schwerbehindertenausweis auch im Scheckkartenformat. Der Ausweis wird maximal für fünf Jahre ausgestellt, kann aber, wenn weiterhin der entsprechende Grad an Behinderung vorliegt, verlängert werden. Wenn nicht damit zu rechnen ist, dass sich an Art und Schwere der Behinderung etwas ändert, kann die Versorgungsbehörde auch einen unbefristeten Ausweis ausstellen.