Qigong: Übungen für Körper und Geist
Beim Qigong führt man komplexe, langsame Bewegungsabfolgen aus und richtet die Konzentration auf den Atem. Die Übungen dienen sowohl der Meditation als auch der Therapie und können sich gesundheitsförderlich auswirken. Wie Qigong funktioniert und einfache Übungen für den Alltag.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Was ist Qigong?
Qigong (sprich: Tschi-gung, auch Qi Gong, Quigong oder Chi Gong) entstammt den Lehren der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), die davon ausgeht, dass die "Lebensenergie" Qi entlang bestimmter Energiebahnen durch den Körper fließt: den sogenannten Meridianen. Damit der Körper funktionieren kann, muss das Qi ungehindert fließen können. Staut es sich, soll das zu Problemen körperlicher oder auch emotionaler Art führen und zum Beispiel Erkrankungen oder innere Unausgeglichenheit verursachen.
Indem beim Qigong die Aufmerksamkeit gezielt auf Atmung, Bewegung und Vorstellungskraft gerichtet wird, soll der Qi-Strom positiv beeinflusst und möglicherweise vorhandene Blockaden aufgelöst werden. Zuvor gestautes Qi kann so wieder ungehindert den Meridianen folgen und innere Kräfte in Balance bringen. Den Lehren des Qigong zufolge lassen sich auf diese Weise Erkrankungen vorbeugen oder sogar behandeln. Die Übungen sollen Selbstheilungskräfte aktivieren und Betroffene belastbarer machen.
Anwendungsgebiete: Wann hilft Qigong?
Qigong soll sich auf viele Körperbereiche und -funktionen positiv auswirken und die innere Balance stärken. Die langsamen und gleichzeitig komplexen Bewegungen fördern das Körpergefühl und können zur Erhaltung der Gesundheit, aber auch unterstützend bei vielen Erkrankungen eingesetzt werden.
Qigong wird häufig empfohlen bei:
- funktionelle Verdauungsstörungen, etwa bei Reizdarm
- Anspannungszustände, beispielsweise vegetative Dystonie
- Stress
- PMS (prämenstruelles Syndrom)
- chronischen Schmerzen
- Muskelverspannungen und inneren Spannungen
- Kopfschmerzen oder Migräne
- Schlafstörungen
- Asthma bronchiale
- Bluthochdruck
Verschiedenen Forschungsarbeiten zufolge hat Qigong gesundheitsförderliche Effekte. Sie entsprechen damit überlieferten Erfahrungen. Allerdings halten viele dieser Studien wissenschaftlichen Kriterien nicht stand. Für einen aussagekräftigen wissenschaftlichen Nachweis sind deshalb weitere Studien notwendig.
Für wen ist Qigong geeignet?
Gerade wer aus beruflichen Gründen nur wenig Zeit hat, kann während des Tages mit Qigong für aktive Erholungsphasen sorgen – egal ob in der Mittagspause, auf dem Weg zu einem Geschäftstermin oder am Arbeitsplatz. Qigong ist eine ideale Methode, um kurzfristig Energien aufzubauen, Körperkräfte zu stärken und ein Leistungstief durch aktive Bewegungspausen zu überwinden.
Wann sollte man auf Qigong verzichten?
Qigong eignet sich nicht bei
- starken Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates,
- direkt nach Operationen,
- in der Schwangerschaft,
- während der Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten,
- bei akuter Erschöpfung und Unwohlsein oder
- bei intensiver Hitze.
Im Zweifelsfall lassen Sie sich ärztlich beraten.
Qigong: Im Kurs Übungen erlernen
Qigong kann man allein oder in der Gruppe ausüben. Neben den bekannteren Übungen mit Bewegungsabfolgen im Stehen gibt es auch Übungen, die im Liegen oder Sitzen praktiziert werden.
Um Qigong bewusst und korrekt ausführen zu können, empfiehlt sich zu Beginn der Besuch eines Kurses. Qigong-Kurse werden inzwischen vielerorts und in verschiedenen Formen, wie etwa in der Natur oder in Kursräumen angeboten.
Wichtig: Werden Qigong-Übungen nicht korrekt ausgeführt, können Kopfschmerzen, Schwindel oder auch Veränderungen des Blutdrucks sowie Knie- oder Rückenschmerzen auftreten. Ein weiterer Grund, weshalb zunächst ein Qigong-Kurs für Anfänger*innen zu empfehlen ist.
Video: Qigong-Übung 1.1
Qigong: Übungen selbst durchführen
Suchen Sie sich einen Raum oder einen Platz, wo Sie in Stille und angenehmer Atmosphäre ungestört üben können. Sorgen Sie für Frischluft, wenn Sie Ihre Aktivpause nicht ins Freie verlegen können. Atmen Sie zunächst bewusst einige Male ein und aus. Kommen Sie zur inneren Ruhe, schalten Sie alle negativen Gedanken aus und lächeln Sie innerlich. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Qigong-Übungen und lassen Sie die Energie fließen. Am Schluss der Übungseinheiten sammeln Sie Ihr Qi.
Beachten Sie beim Praktizieren folgende Tipps:
- Nehmen Sie eine natürliche, aufrechte Körperhaltung ein.
- Die Wirbelsäule bleibt gestreckt.
- Beim Stehen beugen Sie leicht die Knie.
- Halten Sie den Kopf gerade.
- Ziehen Sie das Kinn leicht an.
- Die Zungenspitze berührt den oberen Gaumen.
- Die Schultern locker hängen lassen, nicht hochziehen.
- Konzentrieren Sie sich auf die Lao-Gong-Punkte in der Mitte der Handflächen und die Yong-Chuan-Punkte an den Fußsohlen.
- Atmen Sie tief, ruhig und gleichmäßig.
- Führen Sie alle Bewegungen langsam und fließend aus. Achten Sie beim Üben immer auf eine sorgfältige Ausführung und auf eine korrekte Körperhaltung.
Ist der Einsatz von Musik beim Üben notwendig?
Ob Sie lieber mit oder ohne Musik üben, ist ganz Ihrem persönlichen Geschmack überlassen. Wenn man in der Natur lernt, dann bilden die Naturgeräusche die Musik, daher ist es nicht nötig, Musik zu hören. Dennoch mag Musik bei manchen Qigong-Einheiten hilfreich sein, um sich "fallen zu lassen" und abzuschalten. Ruhige musikalische Untermalung unterstützt die mentale Entspannung, insbesondere, wenn sie nach Feng-Shui-Elementen ausgerichtet ist, die den Energiefluss fördern.
Video: Qigong-Übung 1.2
Zu welcher Tageszeit soll man Qigong am besten üben?
Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Generell ist es gut, frühmorgens (etwa 6:30 Uhr) Qigong zu üben, wenn die Luft noch rein und es in den Morgenstunden noch relativ still ist, und am frühen Abend (ab 17 Uhr). Wann Sie Qigong durchführen können, wird generell von Ihrem Beruf abhängen. Berufstätige sollten bestenfalls morgens oder abends üben und je nach persönlichem Bedarf auch zwischendurch. In jedem Fall ist es wichtig, auf Regelmäßigkeit zu achten, um den Erfolg der Übungen nachhaltig zu erhöhen.
Wie oft sollte man pro Übungseinheit üben?
Die Dauer des Übens hängt von den Bedürfnissen der einzelnen Person ab. Orientieren Sie sich an den Empfehlungen der einzelnen Übungen. Sie können schon Erfolge erzielen, wenn Sie täglich zehn Minuten aufwenden.
Ist die Lebensenergie Qi spürbar?
Wie sich Qi anfühlt, ist nicht eindeutig zu beschreiben. Die einen spüren Wärme oder ein Kribbeln in den Fingerspitzen. Die anderen spüren ein Magnetfeld oder ein Luftpolster zwischen den Händen. Erleben Sie es selbst nach einigen Übungen und machen Sie den Qi-Test.
In welchem Lebensalter kann man Qigong am besten erlernen?
Sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene jeden Alters können Qigong praktizieren. Das Prinzip dieses Sports besteht darin, die Übungen langsam auszuführen. Qigong ist so konzipiert, dass Muskeln und Gelenke nicht überlastet werden. Es macht auch nichts, wenn Sie beispielsweise nicht so tief mit den Knien überkreuzt auf den Boden kommen. Denken Sie einfach mental daran, dass Sie es schaffen können.
Worauf muss man bei der Atmung achten?
Bei der natürlichen Atmung sollten Sie normal durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen. Atmen Sie ruhig, ohne Hektik und gleichmäßig. Der Atem fließt. Bei der Bauchatmung hebt sich die Bauchdecke und Sie atmen konzentriert und tief hinunter bis in die Bauchhöhle.
Historisches: Qigong-Wurzeln in China
Die Wurzeln des Qigong gehen bis in das sechste Jahrhundert vor Christus zurück. Anfänglich war Qigong ein Element des sogenannten Yangsheng. Der Begriff Yangsheng stammt aus dem chinesischen Altertum und bedeutet übersetzt so viel wie "Pflege des Lebens". Man versteht darunter eine Art Kunst der Lebensführung, zu der Lebensaspekte wie zum Beispiel Ernährung oder Übungen körperlicher und geistiger Art zählten.
Vor allem in buddhistischen und daoistischen Klöstern wurde Qigong praktiziert. Hier diente es als elementare Grundübung, welche körperliche und mentale Kräfte sowie Selbstheilungskräfte stärken sollte. Die Gesundheit sollte so erhalten bleiben.
Mit Beginn der kommunistischen Revolution in China wurde die Ausübung von Qigong jedoch verboten. Qigong rückte danach erst gegen Ende der 1970er Jahre langsam wieder in den Vordergrund. Durch die zunehmende Verbreitung der traditionellen chinesischen Medizin in den westlichen Ländern gewann auch Qigong zunehmend an Bedeutung und gelangte so schließlich in den 1980er Jahren auch nach Europa. Seitdem erfreut es sich zunehmender Beliebtheit.