Hypothalamushormone

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 05.09.2007

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Hypothalamushormone" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Der Hypothalamus (das Zwischenhirn) beeinflusst indirekt verschiedene Hormon-produzierende Drüsen des Körpers. Durch Störung der Bildung und der Abgabe von Hypothalamushormonen kann es folglich bei den untergeordneten Hormonen zu einem Ungleichgewicht kommen. Das Ungleichgewicht führt dann unter Umständen zu einer Reihe von Erkrankungen wie

Der Arzt gibt Hypothalamushormone, um das gestörte Hormongleichgewicht wiederherzustellen oder ihre Effekte durch ein Überangebot im Regelkreis zu vermindern. Welche Hypothalamushormone angewendet werden, hängt vom Krankheitsbild und der erforderlichen Gegensteuerung ab.

Beispiele für die Anwendung von Hypothalamushormonen sind:
  • Unfruchtbarkeit der Frau: Durch Gonadorelin oder Nafarelin werden die Eierstöcke der Patientin zur Produktion reifer Eier und zum Eisprung angeregt. Die Eier verwendet man dann zur in vitro-Fertilisation (Reagenzglas-Befruchtung).
  • Prostatakrebs: Mit Buserelin, Histrelin, Leuprorelin oder Triptorelin wird die Freisetzung von Testosteron heruntergeregelt, mit Degarelix direkt unterdrückt, was das das Wachstum des Krebsgewebes bremst.
  • Kleinwuchs: Durch das Wachstumshormon Somatoliberin wird das Längenwachstum angeregt.
  • Bettnässen und Harninkontinenz: Hier wird die Nierenfunktion und Harnproduktion hormonell durch Desmopressin vermindert. Desmopressin entspricht dem körpereigenen Hormon Adiuretin, das natürlicherweise die Nierentätigkeit hemmt.
Für verschiedene spezielle Untersuchungen des Hormonsystems werden ebenfalls Hypothalamushormone eingesetzt.

Wirkung

Der Hypothalamus (das Zwischenhirn), ein Zentrum im Gehirn, stellt eine Schnittstelle zwischen dem Nervensystem und den Hormonen dar. Wichtige Funktionen wie Sexualität, Wachstum, Wasserhaushalt und andere werden ursächlich von hier aus über Hormone geregelt.

Das Zwischenhirn steht an der Spitze eines Zusammenspiels von Zwischenhirn, Hirnanhangsdrüse und den Körperdrüsen. Dieses Zusammenspiel hat einen komplizierten mehrstufigen Aufbau:
  • Das Gehirn sendet Reize an das Zwischenhirn (Hypothalamus). Auf diese Reize hin schüttet das Zwischenhirn Hypothalamushormone aus. Diese gelangen aufgrund der direkten räumlichen Nachbarschaft an die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse).
  • Auf den Reiz der Hypothalamushormone hin gibt die Hirnanhangsdrüse ihrerseits eigene Hormone an das Blut ab.
  • Mit dem Blut gelangen die Hypophysenhormone zu ihren Zielorganen, den Körperdrüsen. Körperdrüsen sind beispielsweise die Schilddrüse, die Bauchspeicheldrüse, Brustdrüsen, Eierstöcke, Hoden und Nebennieren. In diesen Organen binden die Hypophysenhormone an spezielle Rezeptoren (Bindungsstellen), zu denen sie passen wie ein Schlüssel in ein Schloss.
  • Die Rezeptorbindung der Hypophysenhormone veranlasst die Drüsen, ihre speziellen Drüsenhormone abzugeben. Diese Drüsenhormone bewirken letztlich im Körper die beabsichtigten Veränderungen.
Das Wechselspiel zwischen dem Hypothalamus, der Hirnanhangsdrüse und den Drüsen des Körpers ist sehr empfindlich und kann leicht gestört werden. Die Steuerung des hormonellen Zusammenspiels ist deshalb über so genannte Regelkreise abgesichert: Überschreitet die Konzentration eines Hormons im Blut einen Grenzwert, schaltet es die Ausschüttung des übergeordneten Hormons ab. Um die Regelkreissteuerung zu verstehen, muss man die verschiedenen Hypothalamushormone und ihre Wirkung unterscheiden.

Die Hypothalamus (Zwischenhirn)-Hormone können nach ihrer Funktion unterteilt werden in so genannte Releasing Hormone (RH) und so genannte Inhibiting Hormone (IH).
  • Die Releasing Hormone (RH) regen die Hirnanhangsdrüse zur Hormonproduktion und -freisetzung an. Releasing-Hormone können auch als Liberine bezeichnet werden. Dazu gehören Somatoliberin (wachstumsfördernd), Gonadoliberin (Sexualfunktionen anregend), Thyreoliberin (Schilddrüsenfunktion fördernd), Corticoliberin (Nebennierenrinden-Hormonbildung anregend), Melanoliberin (Pigmentierung der Haut fördernd), Prolaktoliberin (Milchproduktion anregend).
  • Inhibiting Hormone (IH) hemmen in der Hirnanhangsdrüse die Hormonproduktion und -freisetzung. Inhibiting-Hormone werden auch als Statine bezeichnet. Es werden dazu gerechnet: Somatostatin (Wachstum hemmend), Gonadostatin (Sexualfunktion dämpfend), Thyreostatin (Schilddrüsenfunktion hemmend), Corticostatin (Bildung der Nebennierenrindenhormone blockierend), Melanostatin (Hautpigmentierung hemmend) und Prolaktostatin (Prolaktin) (Milchproduktion blockierend).
Das Zwischenhirn bildet aber nicht nur die beschriebenen Hypothalamushormone zur Kontrolle der Regelkreise. Es produziert auch zwei so genannte Auslöser (Effektor)-Hormone. Diese lösen ohne Zwischenstufen eine direkte Wirkung im Körper aus. Zu diesen Auslösern gehört in diesem Fall das Adiuretin (ADH), auch Vasopressin genannt, und das Oxytocin. Adiuretin greift an Blutgefäßen und Niere an, es steigert den Blutdruck und die Harnproduktion. Oxytocin zielt auf die Gebärmutter und die Brustdrüsen, es regt die Wehentätigkeit und die Milchbildung an. Adiuretin und Oxytocin werden im Zwischenhirn produziert, im Hypophysenhinterlappen gespeichert und bei Bedarf in die Blutbahn abgegeben. Mit dem Blut gelangen sie dann an ihre Zielorgane.

Als Wirkstoffe werden normalerweise nicht die körpereigenen Hypothalamushormone eingesetzt, sondern synthetisch hergestellte Substanzen. Entweder ähneln sie den körpereigenen und ahmen deren Funktion nach oder sie besetzen die Bindungsstellen für die Hormone und blockieren so deren Wirkung. Alle diese künstlichen Wirkstoffe sind jedoch Eiweiße, die im Magen-Darm-Trakt nach Einnahme verdaut und unwirksam würden. Daher müssen Hypothalamushormone stets als Injektion oder als Nasenspray (Aufnahme über die Nasenschleimhaut) gegeben werden.