Traditionelle chinesische Medizin (TCM)
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) besteht seit mehreren Jahrtausenden und unterscheidet sich stark vom westlichen Medizinsystem. Dabei wird nicht eine einzelne, isolierte Erkrankung betrachtet, sondern der Mensch in seiner Gesamtheit und allen beteiligten Faktoren. Erfahren Sie in diesem Beitrag, was TCM ist, worauf sie aufbaut und welche Heilmethoden zum Einsatz kommen können.
Was ist Traditionelle Chinesische Medizin?
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) vereint verschiedene Heilmethoden Chinas, die vor über 2.500 Jahren herausgebildet und stetig weiterentwickelt wurden. Die therapeutischen Heilmethoden, welche auf kulturellen, philosophischen und erkenntnistheoretischen Prinzipien Chinas beruhen, werden auch als die fünf Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin bezeichnet:
- Akupunktur
- Qigong
- Tuina
- Chinesische Arzneimitteltherapie
- Diätetik
Ziel der Behandlung mit TCM ist das Wiederherstellen des Gleichgewichts im Körper. Die Methoden sind dabei nicht wissenschaftsbasiert und entspringen keiner systematischen Entwicklung, sie wurden vielmehr von chinesischen Meistern an zahlreiche Schüler weitergegeben.
Ihr Effekt konnte bislang wissenschaftlich nur in wenigen Bereichen nachgewiesen werden, so etwa auf dem Gebiet der Akupunktur. Doch obwohl sich dieses Medizinsystem stark von der westlichen Schulmedizin unterscheidet, scheint es möglich, dass sich beide Ansätze ergänzen können.
Die fünf Säulen der TCM
Die Traditionelle Chinesische Medizin setzt sich aus fünf verschiedenen Behandlungsverfahren zusammen, die auch als die "fünf Säulen" bekannt sind. Sie können sowohl separat als auch kombiniert angewandt werden.
Die erste Säule der TCM: Akupunktur
Die Akupunkturbehandlung kommt seit mehreren tausend Jahren zum Einsatz und verspricht, besonders sanft und nebenwirkungsarm zu sein. In der TCM bildet sie die zentrale Grundlage, auch, weil sie in jedem Alter angewandt werden kann – sogar bei Säuglingen und Kleinkindern.
Ziel der Akupunktur ist es, mithilfe von Einstichen durch feine Nadeln Schmerzen oder andere Beschwerden zu lindern. Während der Behandlung liegt der*die Patient*in meist auf dem Bauch. Alternativ kann auch eine sitzende Position eingenommen werden. Die Nadeln werden je nach Behandlungsgrund beziehungsweise Beschwerden der Betroffenen gesetzt. Der Einstich wird in der Regel nicht wahrgenommen, da die Nadeln sehr fein und flexibel sind. Sie verweilen rund 20 bis 30 Minuten im Körper. Der Behandlungsbeginn ist jederzeit möglich – laut Vertreter*innen der TCM auch vorbeugend.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin heißt es, dass die Akupunktur spezifische Punkte im Körper stimuliert, die den Fluss des sogenannten Qi – die Lebensenergie, die den Körper durchfließt – positiv beeinflussen. Je harmonischer dieser Fluss sei, umso gesünder sei der Mensch. Dieser Fluss ist als energetisches Netzwerk vorstellbar, das alles im Körper verbinden soll. Aus Sicht der TCM lässt sich die Lebensenergie über Akupunkturpunkte und bestimmte Kanäle (sogenannten Meridiane) beeinflussen.
Die zweite Säule der TCM: Qigong
Qigong, was "Arbeit mit dem Qi" bedeutet, befasst sich mit langsamen Bewegungen, um eine bewusste Verbindung von Bewegung, Atem und Vorstellung zu erzeugen. Das heißt, dass die Bewegungen an die Natur angelehnt sind und der natürlichen Atmung folgen. Typische Bewegungsmuster sind dabei "Stehen wie ein Baum" oder "Die Wasseroberfläche des Sees glattstreichen".
Die Traditionelle Chinesische Medizin möchte damit ursprüngliche Kräfte im Menschen ansprechen, die mit der Zeit Bewegung und Vorstellung miteinander verknüpfen. Dies soll zu Ruhe und Gelassenheit führen. Qigong kann jederzeit angewandt werden und wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin als Werkzeug angesehen, sein Leben neu ordnen und rhythmisieren zu können.
Die gleichmäßigen Bewegungen sorgen für Entspannung und fördern die Beweglichkeit der Gelenke. Außerdem können die Übungen bis ins hohe Alter durchgeführt werden.
Chinesische Mönche und Einsiedler nutzen die Methode des Qigong seit mehr als 2.500 Jahren. Ursprünglich wurden die Übungen nur von Lehrenden als Geheimnis bewahrt. 1914 kam es zu einer ersten chinesischen Niederschrift, die den therapeutischen Wert dieser Übungen weiterempfahl. Anfang der 1950er Jahre begann die Regierung damit, die traditionellen Übungen zum Wohle der allgemeinen Gesundheit zu fördern. Diese Zeit prägte den Begriff der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Die dritte Säule der TCM: Tuina
Der Begriff Tuina vereint diverse traditionelle Behandlungstechniken, bei der der*die Therapeut*in manuell auf den*die Patient*in einwirkt. Durch Massagen sollen Muskeln, Bänder, Sehnen und Gelenke gedehnt und mobilisiert und der Fluss der Lebensenergie Qi beeinflusst werden. Die dabei aufgewendete Kraft wird stets individuell an das Alter, die Konstitution und den aktuellen Zustand der zu behandelnden Person angepasst. Säuglinge und Kleinkinder können mit sehr sanften Formen der Massage behandelt werden.
Bei der Tunia-Massage stehen ebenfalls die Akupunkturpunkte im Vordergrund. Die TCM ist davon überzeugt, dass diese Punkte wiederum mit anderen Punkten in Verbindung stehen, durch dessen Netzwerk das Qi fließt. Ziel einer Tunia-Behandlung ist daher ebenso der freie Fluss des Qi.
Hände, Ellenbogen und Unterarme kommen bei einer Tunia-Massage zum Einsatz. Ob kneten, schieben, klopfen, pressen und dehnen – wie massiert wird, richtet sich prinzipiell nach den Beschwerden. Dabei sollte die Massage immer so sanft wie möglich ablaufen.
Die vierte Säule der TCM: chinesische Arzneimitteltherapie
Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin sind neben den praktisch angewandten Methoden ebenso Arzneimittel. Dabei handelt es sich vornehmlich um pflanzliche Bestandteile – sogenannte Heilkräuter. Vertreter*innen der TCM halten vor allem die Kombination der einzelnen Mittel für bedeutsam, um die Wirkung individuell auf die Beschwerden anpassen zu können. Jede Substanz soll eine bestimmte Eigenschaft besitzen oder einen bestimmten Effekt auslösen. Dazu werden klassischerweise zwei bis 15 Kräuter ausgewählt.
Diese werden meist als Tee zubereitet. Granulate, Pulver und Tabletten stellen Alternativen dar. Außerdem gibt es hydrophile Konzentrate. Das sind wässrige Lösungen aus chinesischen Kräutern, die sich aufgrund der Geschmacksneutralität auch gut für Kinder eignen.
Die individuelle Rezeptur aus pflanzlichen, aber auch zum Teil tierischen Bestandteilen und Mineralien, lassen sich in der Apotheke zusammenstellen. Diese sind in Deutschland nach europäischen Standards geprüft und zertifiziert. Eine solche Zertifizierung kann Patient*innen allerdings schnell in die Irre führen: Über die Wirksamkeit sagt die Prüfung nichts aus. Sie dient lediglich der Qualitätsprüfung.
Geschützte Tier- und Pflanzenarten finden in der TCM keine Verwendung. Entsprechend einer veganen Ernährung ist es daher möglich auf Stoffe tierischen Ursprungs zu verzichten.
Ob und wie schnell die TCM-Kräuter wirken, ist von der jeweiligen Erkrankung und dem allgemeinen Gesundheitszustand abhängig. In der Regel wird eine Einnahme über mehrere Wochen bis Monate empfohlen. Auch hier fehlt es bislang allerdings an aussagekräftigen wissenschaftlichen Nachweisen.
Die fünfte Säule der TCM: Diätetik
Bei der TCM-Ernährung werden Lebensmittel ähnlich wie die Heilkräuter hinsichtlich ihrer Wirkung im Körper klassifiziert. Dabei spielen Qualität und Zubereitung der Lebensmittel sowie die Regelmäßigkeit des Essens eine wichtige Rolle. Der Geschmack ist hinsichtlich der Stärkung der Organe in ihrer Funktion bedeutsam: Jede Geschmacksrichtung stimuliert ein anderes Organ, so die Annahme. Diese Wirkungsweise wird genutzt, um mittels Diätetik einen Ausgleich von YIN und YANG zu erreichen. YIN und YANG stehen in der Traditionellen chinesischen Medizin für zwei entgegengesetzte Lebenskräfte. Auch die verschiedenen Körperteile und -funktionen sind in der TCM in YIN und YANG eingeteilt.
So ist es laut Vertreter*innen der TCM empfehlenswert, bei einem Übermaß an YANG vermehrt kühlende, erfrischende Lebensmittel wie Obst und Gemüse zu sich zu nehmen. Bei einem Mangel an YANG sind wärmende, aufbauende Gerichte wie Suppen angeraten. Ein Übermaß an YIN erfordert laut TCM entgiftende, entwässernde Speisen, die viele Ballaststoffe enthalten. Bei einem Mangel an YIN sollen saftige, aufbauende Lebensmittel mit hochwertigen Fetten verzehrt werden.
Die TCM geht davon aus, dass die Nahrung eine der wichtigsten Quellen für die Gesundheit ist. Bei jeder diätetischen Behandlung stehen die Verdauungsorgane Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse im Fokus. In der TCM wird die Milz anders als in der westlichen Medizin der Verdauungsfunktion zugeordnet.
Doch nicht nur der Einsatz bestimmter Lebensmittel wird in der TCM therapeutisch angeordnet, auch der Verzicht bestimmter Speisen kann zur Behandlung gehören.
Historisches
Die Traditionelle Chinesische Medizin leitet ihr Wissen aus Beobachtungen der Naturgesetze ab. Basis der chinesischen Kultur und ihrer Medizin bilden diverse Prinzipien:
- YIN und YANG: Verhältnis der Dinge zueinander. YIN beschreibt das Materielle, Ruhende, Passive, Unbewusste und YANG das Energetische, Bewegte, Aktive, Bewusste. Zur Gesunderhaltung sollten YIN und YANG in einem der Situation angepassten Verhältnis stehen.
- QI: Das QI beschreibt die Lebenskraft. Zum Leben benötigt es den Fluss von QI, welches bei Gesundheit harmonisch ist. Bei Krankheit kann es zu schnell oder zu langsam fließen. Das Wechselspiel aus YIN und YANG ermöglicht es der Lebenskraft, zu fließen. Qi fließt laut TCM durch ein energetisches Netzwerk – auf den Meridianen – durch den Körper, wodurch alle Regionen miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen.
- Fünf Elemente: Wasser, Holz, Feuer, Erde und Luft. Laut TCM bedingen sich die fünf Elemente wie folgt: Das Holz nährt das Feuer, das Feuer nährt Erde, die Erde nährt das Metall, das Metall nährt das Wasser, das Wasser nährt das Holz. Durch das Zusammenspiel der Elemente wird der Nährzyklus geschlossen. Wenn ein Element allerdings an Leistung verliert, kann es ein anderes nicht nähren und der Kreislauf gerät in ein Ungleichgewicht. Die TCM überträgt diesen Zyklus auf den menschlichen Körper mit dem Ziel, Harmonie und Balance (wieder) herzustellen.
Zusammenhängend betrachtet, bestehen die Organpaare laut TCM aus je einem YIN- und einem YANG-Organ, welche den fünf Elementen zugeordnet sind:
- Holz: Leber und Gallenblase
- Feuer: Herz und Dünndarm
- Wasser: Niere und Blase
- Metall: Lunge und Dickdarm
- Erde: Milz und Magen
Weiterführend stehen die Körperregionen mit bestimmten Emotionen in Verbindung. Durch diese Zuordnung soll es in der TCM möglich sein, Erkrankungen zu erkennen.
Anwendungsgebiete
Die TCM wird bei chronischen sowie akuten Erkrankungen eingesetzt, um funktionelle und organische Störungen frühzeitig zu erkennen, und entsprechend des Beschwerdebildes zu behandeln.
Menschen werden in der TCM als ganzheitlicher, individueller Organismus betrachtet, weshalb eine Krankheit nicht immer mit derselben Therapie behandelt wird. Eine individuelle Behandlung, welche Ursachen und Muster der Erkrankung einschließt, ist laut Vertreter*innen der TCM ausschlaggebend.
Wichtig ist jedoch anzumerken, dass es bislang kaum wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit der TCM gibt. Sie sollte deshalb nicht bei Krankheiten angewendet werden, die bereits weit fortgeschritten sind oder sogar Organe zerstört haben. Auch Erkrankungen rein psychischer Natur finden in der TCM keine gezielte Heilmethode. Einige Patient*innen setzen jedoch auf eine Kombination aus TCM und konventioneller Medizin.
Diagnose und Behandlung
Die Untersuchung erfolgt ausschließlich durch Abhorchen, die Tast-und Blickdiagnose sowie eine ausführliche Befragung. In der TCM geht man davon aus, dass viele Faktoren wie
- Ernährung,
- Lebensumstände,
- Schlafverhalten
- und frühere Erkrankungen
die Gesundheit eines Menschen beeinflussen. Auch Emotionen wie Stress, Angst und Trauer werden in die Diagnosestellung miteinbezogen. Zudem ist die familiäre Vorgeschichte Teil des Untersuchungsgesprächs.
Bei der ausführlichen Anamnese, inklusive Puls- und Zungendiagnose, wird der Mensch ganzheitlich betrachtet, um eine auf ihn zugeschnittene Behandlung zu finden. Der Pulsschlag und das Zungenbild sollen hierbei Rückschlüsse auf den Gesamtzustand des*der Patient*in zulassen. In diesem Rahmen wird auch geklärt, wann die Symptome auftreten, um eventuelle Muster und Zusammenhänge erkennen zu können.
Blockaden, Verspannungen und Verklebungen verursachen Beschwerden, wodurch die Mobilität eingeschränkt werden kann – ebenso beeinträchtigen sie die Durchblutung und den Stoffwechsel. Für die richtige Behandlung ist es in der TCM wichtig, herauszufinden, wie stark diese Einschränkungen sind und ob zusätzlich Nervenregionen betroffen sind. Dazu untersucht der*die Therapeut*in die betroffenen Körperregionen, wozu auch Gelenke und das Muskelsystem zählen. Aber auch die Haut und das Bindegewebe sind bei der Untersuchung von Interesse.
Möchte man sich bei einem TCM-Therapierenden vorstellen, sollten zuvor keine großen Mahlzeiten verzehrt und auf Kaffee, schwarzen Tee oder Alkohol verzichtet werden. Zur besseren Zungendiagnose soll die Zunge an diesem Tag nicht geputzt sein. Übermäßig anstrengende Tätigkeiten sind zu vermeiden. Der Einbezug schulmedizinisch gestellter Diagnosen mittels Röntgenbilder, Computertomographien oder ähnlichen Verfahren ist möglich.
Wie erfolgen die Behandlungen?
Jede Behandlung gestaltet sich in der TCM grundsätzlich individuell. Sie hängt von der Diagnose sowie den Lebensumständen, der medizinischen Vorgeschichte und der Konstitution des*der Patient*in ab. Die Erstellung eines Behandlungsplans stützt sich auf Organ- und Funktionskreise, die in der Form nicht mit dem westlichen Wissen übereinstimmen. In der TCM sind die Organkreise immer paarweise YIN und YANG zugeordnet und stehen in ständiger Wechselwirkung. Nach Vorstellung der TCM ist die sprechende Zunge zum Beispiel Teil des Organkreises des Herzens, die schmeckende Zunge hingegen zählt zum Organkreis des Magens.
Jede der Säulen – bis auf Qigong – wird therapeutisch begleitet. Die Übungen des Qigong sind den Patient*innen selbst vorbehalten.
- Akupunktur: Der*die Behandelnde setzt feine Nadeln an den Meridianen des*der Patient*in.
- Tuina: Mit diversen Grifftechniken werden muskuläre Massagen, chiropraktische Techniken, Mobilisation und Akupressur vereint.
- Chinesische Arzneimitteltherapie: Zusammenstellen einer individuellen Rezeptur aus Heilkräutern.
- Diätetik: Verzehr von Speisen, die bestimmte Organe positiv in ihrer Funktion stimulieren sollen.
Prävention und Kosten
Jede der fünf Heilmethoden soll sich auch vorbeugend anwenden lassen. Die Traditionelle Chinesische Medizin geht davon aus, dass Erkrankungen erst entstehen, wenn ein krankmachender Faktor gravierender ist als das gesunde QI. Zur Stärkung der Gesundheit und somit zur Vermeidung von Krankheiten sollen die Säulen jederzeit und in jedem Alter Anwendung finden.
Viele Menschen schwören auf TCM-Behandlungen und trotz fehlender wissenschaftlicher Nachweise scheinen einige Patient*innen durchaus positive Effekte und eine Verbesserung ihrer Beschwerden wahrzunehmen. Das ist begrüßenswert. Eine Erkrankung oder entsprechende Symptome sollten aber zumindest begleitend immer auch ärztlich abgeklärt werden.
Werden die Leistungen von der Krankenkasse übernommen?
Ob und welche Anwendungen der TCM von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird, kann stark variieren. Viele Kassen übernehmen lediglich einen kleinen Bereich wie etwa die Akupunktur – und auch das nicht unbegrenzt. Daher ist es ratsam, sich vor einer TCM-Behandlung über eine mögliche Kostenübernahme zu informieren.