Tiaprid AL 100mg/ -200mg

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 14.04.2011
Hersteller: ALIUD Pharma GmbH & Co. KG
Wirkstoff: Tiaprid
Darreichnungsform: Tablette
Rezeptpflichtig

Wirkung

Tiaprid AL 100mg/ -200mg enthält den Wirkstoff Tiaprid. Zu beachten ist außerdem die besondere Wirkung von Tiaprid AL 100mg/ -200mg.

Tiaprid zählt zu den nervendämpfenden Wirkstoffen und wird bei nervenbedingten Störungen der Bewegungsabläufe eingesetzt. Dabei handelt es sich beispielsweise um die unwillkürlichen Muskelbewegungen (Tics), die als Nebenwirkung bei der Behandlung mit Neuroleptika auftreten. In einigen wenigen Anwendungsbeobachtungen konnten mit dem Wirkstoff auch Bewegungsstörungen gelindert werden wie sie bei der Nervenerkrankung Chorea Huntington auftreten.

Am häufigsten zeigen sich Tics als plötzlich einsetzende, nicht vom Willen gesteuerte, zwecklose, abrupte, kurze Bewegungen, die auf einige Muskelgruppen beschränkt sind. Sie äußern sich zum Beispiel als Augenzwinkern, Nasehochziehen, Mund- oder Schulterzucken und Zurückwerfen des Kopfes. Die nervenbedingten Störungen können aber auch die Muskulatur von Nase, Mund oder Hals betreffen, so dass der Patient unwillkürlich bedeutungslose Töne und Geräusche ausstößt, Zungen- oder Kieferkrämpfe bekommt und nicht kontrollierbare Schmatz-, Schluck- und Kaubewegungen ausführt.

Untersuchungen der Tic-Ursachen deuten darauf hin, dass Stoffwechselvorgänge im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten. Sei es durch den Eingriff von Medikamenten wie den Neuroleptika oder auch bei der Erkrankung Chorea Huntington. Bei der Huntington-Krankheit, auch "Veitstanz" genannt, handelt es sich um eine seltene erbliche Erkrankung des Gehirns, bei der es zum einen zu Bewegungsstörungen und zum anderen zu Wesensänderungen bis hin zur Demenz kommt.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Tiaprid sind vertiefende Informationen verfügbar:

Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Neuroleptika, zu welcher der Wirkstoff Tiaprid gehört.

Anwendungsgebiete laut Herstellerangaben

  • ungewollte wiederholte Bewegungen von Mund, Wangen und Zunge als Nebenwirkung von Neuroleptika

Dosierung

Abhängig von der Schwere der Erkrankung und vom Körpergewicht des Patienten nehmen Erwachsene dreimal täglich 100 bis 200 Milligramm Tiaprid ein. Die Tagesdosis für das aufgeführte Anwendungsgebiet sollte 300 bis 600 Milligramm betragen. Bei Nierenkranken wird der Arzt die Dosierung entsprechend der Nierenfunktion bis auf ein Viertel der Normaldosis verringern.

Der Therapieerfolg zeigt sich möglicherweise erst nach einer Behandlungsdauer von vier bis sechs Wochen.

Nehmen Sie die Tabletten vorzugsweise mit ein wenig Flüssigkeit nach den Mahlzeiten ein.

Sonstige Bestandteile

Folgende arzneilich nicht wirksame Bestandteile sind in dem Medikament enthalten:

  • hochdisperses Siliciumdioxid
  • Magnesiumstearat
  • mikrokristalline Cellulose
  • Mannitol
  • Povidon K 30

Nebenwirkungen

Häufige Nebenwirkungen:
Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Schläfrigkeit, Unruhe, Teilnahmslosigkeit, Schlaflosigkeit, Schwäche, Müdigkeit, Blutdruckabfall bei Körperlageveränderung.
Zu Beginn einer Behandlung:
Parkinson-ähnliche Beschwerden wie Zittern, Muskelsteife, Bewegungsarmut und vermehrter Speichelfluss. Diese Symptome bilden sich in der Regel nach Gabe eines Muskarinrezeptor-Antagonisten wie beispielsweise Biperiden zurück.

Gelegentliche Nebenwirkungen:
Erhöhung der Blutkonzentration an dem Hormon Prolaktin, Brustvergrößerung, krankhafter Milchfluss, Regelschmerzen, Regelausfall, Orgasmusstörungen und Potenzstörungen beim Mann, Gewichtszunahme, Bewegungsstörungen wie Muskelkrämpfe, Schiefhals, Blickkrämpfe, Kiefersperre, Sitzunruhe. Die Bewegungsstörungen bilden sich in der Regel nach Gabe eines Anticholinergikums wie beispielsweise Biperiden zurück.

Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit:
Blutdrucksenkung (geringfügig), Störungen des Nervensystems, Herzrhythmusstörungen.
Nach einer längeren Behandlungsdauer (mehr als 3 Monate):
unwillkürliche Bewegungen vornehmlich der Zunge und/oder der Gesichtsmuskulatur.

Wie bei allen Neuroleptika kann - allerdings sehr selten - ein malignes neuroleptisches Syndrom auftreten, welches eine Komplikation darstellt, die möglicherweise tödlich ist. Das maligne neuroleptische Syndrom ist gekennzeichnet durch hohes Fieber, Muskelsteife, Fehlfunktion des unbewußten Nervensystems, Bewusstseinstrübung und einen erhöhten Kreatinphosphokinase-Wert (deutet auf Muskelschäden hin). Deshalb soll, insbesondere bei hohem Fieber oder einer der anderen genannten Beschwerden sofort der Arzt verständigt werden, der die Therapie mit Tiaprid gegebenenfalls absetzt.

Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Gabe des Parkinson-MittelsLevodopa und Tiaprid ist verboten, da sich die Medikamente in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben.

Tiaprid verstärkt die Wirkung anderer auf das Gehirn dämpfend wirkenden Medikamente. Hierzu gehören opioide Schmerzmittel, Barbiturate, Benzodiazepine, angstlösende Medikamente, H1-Antihistaminika (gegen Allergie) sowie manche Blutdrucksenker wie beispielsweise Clonidin.

Die Wirkung anderer Neuroleptika kann durch Tiaprid verstärkt werden.

Die beruhigende Wirkung von Tiaprid wird durch Alkohol verstärkt. Der Genuss von alkoholischen Getränken sowie die Einnahme von Alkohol enthaltenden Nehrungsmitteln oder Medikamenten sollte daher vermieden werden.

Muskarinrezeptor-Antagonisten wie Biperiden können die Wirkung von Tiaprid abschwächen.

Tiaprid sollte nicht mit Medikamenten kombiniert werden, die schwerwiegende Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes) auslösen können. Daher wird die Einnahme zusammen mit folgenden Wirkstoffen nicht empfohlen:
  • Betablocker, Herzschlag-verlangsamende Calciumkanalblocker (Diltiazem und Verapamil), die Blutdrucksenker Clonidin und Guanfacin, Herzglykoside
  • Medikamente, die einen Blut-Kaliummangel auslösen können wie beispielsweise Entwässerungsmittel, Abführmittel, das AntibiotikumAmphotericin B (in die Vene gespritzt), Glukokortikoide und die Hormon-ähnlichen Tetracosactide, die die Freisetzung weiterer Hormone beeinflussen. Besteht ein Blutkaliummangel, muss ihn der Arzt vor Beginn der Behandlung mit Tiaprid behandeln.
  • Antiarrhythmika der Klasse I a (wie Chinidin und Disopyramid) und Antiarrhythmika der Klasse III (wie Amiodaron und Sotalol)
  • die PsychopharmakaPimozid, Haloperidol, Sultoprid, Thioridazin
  • das Drogen-Ersatzmittel Methadon
  • trizyklische Antidepressiva und das ebenfalls gegen Depressionen wirksame Lithium
  • der Blutdrucksenker Bepridil und das durchblutungsfördernde Vincamin
  • das Magenmittel Cisaprid
  • die Antibiotika Erythromycin (in die Vene gespritzt) und Sparfloxazin sowie Halofantrin (gegen Malaria) und Pentamidin (gegen Protozoen).

Gegenanzeigen

Der Wirkstoff darf nicht angewendet werden bei
  • Überempfindlichkeit gegen Tiaprid
  • Tumoren des Nebennierenmarks (Phäochromozytom)
  • Krebsformen, die von dem milchbildenden Hormon Brustkrebs und Tumoren der Hirnanhangdrüse
  • einem bösartigen neuroleptischen Syndrom, einer seltenen Nebenwirkung von Neuroleptika, die unter anderem mit Muskelsteifigkeit, Blick-Krämpfen, Schwitzen, Fieber und Verwirrtheit einhergeht.
Die gleichzeitige Behandlung mit dem ParkinsonmittelLevodopa ist verboten.

Nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt darf der Wirkstoff verordnet werden bei
  • Patienten mit Risikofaktoren für Herzrhythmusstörungen wie Herzschlagverlangsamung unter 55 Schläge/Minute, Blut-Kaliummangel, Verlängerung des QT-Intervalls im EKG oder Behandlung mit Medikamenten, die solche Nebenwirkungen haben
  • Parkinson-Krankheit
  • Risikofaktoren für einen Schlaganfall wie beispielsweise Bluthochdruck und beschleunigter Blutgerinnung
  • Patienten mit Epilepsie, weil Neuroleptika die Krampfbereitschaft des Gehirns erhöhen
  • eingeschränkter Nierenfunktion (Niereninsuffizienz), weil Tiaprid vorwiegend über die Nieren ausgeschieden wird
  • Kindern, Jugendlichen und älteren Patienten. Hier sollte die Entscheidung zur Therapie aufgrund bestehender Risiken vom Arzt gut überdacht werden.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Bisher wurden keine ausreichenden Studien für die Verwendung von Tiaprid bei Schwangeren durchgeführt. Die hoch dosierte Einnahme von Tiaprid während der Schwangerschaft kann zu Bewegungsstörungen beim Neugeborenen führen. Im Tierexperiment haben sich auch schädliche Wirkungen bei den Ungeborenen gezeigt. Eine Behandlung mit Tiaprid während der Schwangerschaft sollte deshalb nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt erfolgen.

Mütter, die im letzten Schwangerschaftsdrittel den Wirkstoff einnehmen, gefährden ihre Neugeborenen durch Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen und Entzugserscheinungen. Diese können sich in Aufregung, Muskelverspannungen oder -schlaffheit, Zittern, Schläfrigkeit, Atemnot oder Störungen bei der Nahrungsaufnahme äußern. Solche Neugeborene müssen sorgfältig ärztlich überwacht werden.

Da der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht, muss die Mutter abstillen, wenn der Arzt eine Behandlung mit Tiaprid für notwendig hält.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Kinder und Jugendliche dürfen nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung durch einen Facharzt (Psychiater) mit Tiaprid in Tablettenform behandelt werden. Da es für die Anwendung als Spritze keine Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen gibt, wird die Injektion des Wirkstoffes bei dieser Altersgruppe nicht empfohlen.

Die Tabletten müssen bei Kindern und Jugendlichen besonders langsam (einschleichend) und vorsichtig dosiert werden. Der Erfolg und die Nebenwirkungen der Behandlung sind in kurzen Abständen vom Arzt sorgfältig zu kontrollieren.

Warnhinweise

  • Das Reaktionsvermögen kann durch das Medikament so weit vermindert werden, dass Autofahren und das Bedienung von Maschinen gefährlich sind. Dies gilt in verstärktem Maße im Zusammenwirken mit Alkohol.
  • Bei Auftreten von Fieber und plötzlicher Muskelsteifigkeit im Kopf-Hals-Schulter-Bereich während der Behandlung ist der Arzt zu befragen, um ein malignes neuroleptisches Syndrom auszuschließen.
  • Die gleichzeitige Einnahme von L-Dopa (Parkinsonmittel) ist nicht gestattet.
  • Da das Medikament bei älteren Patienten verstärkt müde machend wirken kann, ist Vorsicht geboten.
  • Das Trinken von Alkohol während der Behandlung ist verboten, da es Wirkung und Nebenwirkungen des Medikaments verstärken kann.

Arzneimittel können allergische Reaktionen auslösen. Anzeichen hierfür können sein: Hautrötung, Schnupfen, Juckreiz, Schleimhautschwellung, Jucken und Rötung der Augen, Verengung der Atemwege (Asthma). In seltenen Fällen kann es zum allergischen Schock mit Bewusstlosigkeit kommen.

Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend einen Arzt.

Packungsgrößen

Packungsgröße und Darreichungsform
Wirkstoffgehalt (Dosierung pro Tablette Tablette)
20 Tablette Tabletten
200 Tiaprid
50 Tablette Tabletten
200 Tiaprid
100 Tablette Tabletten
200 Tiaprid
20 Tablette Tabletten
100 Tiaprid
50 Tablette Tabletten
100 Tiaprid
100 Tablette Tabletten
100 Tiaprid

Vergleichbare Medikamente

Folgende Tabelle gibt einen Überblick über Tiaprid AL 100mg/ -200mg sowie weitere Medikamente mit dem Wirkstoff Tiaprid (ggf. auch Generika).

Medikament
Darreichungsform

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.