Norvir 100 mg Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 07.11.2016
Hersteller: AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG
Wirkstoff: Ritonavir
Darreichnungsform: Pulver
Rezeptpflichtig

Wirkung

Norvir 100 mg Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen enthält den Wirkstoff Ritonavir. Zu beachten ist außerdem die besondere Wirkung von Norvir 100 mg Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen.

Ritonavir wird in Kombination mit anderen virenhemmenden Mitteln zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren eingesetzt, um den AIDS-Erreger, das HI-Virus zu bekämpfen.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Ritonavir sind vertiefende Informationen verfügbar:

Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe virenhemmende Mittel, zu welcher der Wirkstoff Ritonavir gehört.

Anwendungsgebiete laut Herstellerangaben

  • Infektionen mit dem AIDS-Erreger (HIV) bei Erwachsenen und Kindern von zwei Jahren und älter - in Kombination mit anderen virenhemmenden Medikamenten

Dosierung

Die Dosierung des Medikaments wird vom Arzt je nach Einsatzgebiet bestimmt. Zur Wirkungsverstärkung anderer virenhemmender Mittel richtet sich die Dosierung nach dem Hauptmedikament. Normalerweise liegt sie zwischen 100 und 200 Milligramm, die einmal oder zweimal täglich eingenommen werden. Zur Behandlung einer HIV-Infektion bemisst der Arzt die Dosierung nach der geschätzten Körperoberfläche des Patienten.

Das Medikament sollte zusammen mit Nahrung eingenommen werden. Dazu streut man den gesamten Inhalt des Beutels über eine breiige Nahrung wie Apfelbrei oder Vanillepudding oder mischt es mit Flüssigkeit (Wasser, Schokomilch oder Säuglingsmilchnahrung). Jegliche Beimischungen außerhalb der Empfehlungen liegen in der Verantwortung des Gesundheitspersonals oder der Anwender. Da das Pulver einen bitteren Nachgeschmack hat, empfiehlt sich nach der Einnahme der Genuss von Erdnussbutter, Nussnugatcreme oder Sirup.

Zur Einnahme zusammen mit Flüssigkeit wird der gesamte Inhalt des Beutels in 9,4 Milliliter Flüssigkeit (Wasser, Schokomilch oder Säuglingsmilchnahrung) aufgelöst. Mit der beigelegten Dosierspritze wird die nötige Menge Flüssigkeit abgemessen und in den Mixbecher gegeben. Dann kommt der Inhalt eines ganzen Beutels Pulver hinzu. Schließen Sie den Deckel und schütteln Sie den Becher kräftig für mindestens 90 Sekunden, bis sich alle Klümpchen gelöst haben. Lassen Sie die Flüssigkeit für zehn Minuten stehen, damit sich die Luftblasen auflösen. Sobald das Pulver vermischt ist, muss die zubereitete Suspension innerhalb von zwei Stunden eingenommen werden. Ziehen Sie dazu die Mischung wieder in die Dosierspritze auf, entfernen etwaige Luftblasen und nehmen die Mischung ein. Die Dosierspritze und der Mixbecher sollten nach Gebrauch sofort mit warmem Wasser und Spülmittel gereinigt werden.

Die verschriebene Dosis von Norvir Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen kann, nachdem sie mit Wasser vermengt wurde, über eine Magensonde verabreicht werden.

Sonstige Bestandteile

Folgende arzneilich nicht wirksame Bestandteile sind in dem Medikament enthalten:

  • hochdisperses Siliciumdioxid
  • Copovidon
  • Sorbitanlaurat

Nebenwirkungen

Sehr häufige Nebenwirkungen:
Schmeckstörung, Missempfindungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Nervenstörungen, Rachenentzündung, Schmerzen im Mund-Rachen-Bereich, Husten, Bauchschmerzen (Ober- und Unterbauch), Übelkeit und Erbrechen, Durchfall (einschließlich schweren Durchfalls mit Störungen des Minderalhaushalts), Verdauungsstörungen, Juckreiz, Hautausschlag (auch gerötet oder fleckig-blasig), Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Erschöpfung, Erröten (Flushing), Hitzegefühl.

Häufige Nebenwirkungen:
veränderte Blutwerte (weniger weiße Blutkörperchen, weniger Blutfarbstoff, weniger neutrophile Blutzellen, weniger Blutplättchen, vermehrt unreife Blutzellen), Überempfindlichkeit (einschließlich Nesselsucht und Gesichtsschwellungen), Cholesterin-Überschuss im Blut, Triglycerid-Überschuss im Blut, Gicht, Wassereinlagerung im Gewebe (Ödeme), Wassereinlagerungen in Armen und Beinen, Austrocknung (meist im Zusammenhang mit Erbrechen oder Durchfall), Schlaflosigkeit, Angstzustände, Verwirrung, Aufmerksamkeitsstörung, Ohnmacht, Krampfanfall, verschwommenes Sehen, Bluthochdruck, niedriger Blutdruck (auch bei Körperlageveränderung), kalte Hände und Füße, Appetitlosigkeit, Blähungen, Geschwürbildung im Mund, Magen-Darm-Blutung, Sodbrennen, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Leberentzündung (mit erhöhten Werten wie ASAT, ALAT, Gamma-GT), Bilirubin im Blut erhöht (einschließlich Gelbsucht), Akne, Muskelentzündung, Muskelauflösung, Muskelschmerz, Muskelerkrankung, erhöhter CPK-Wert, zu starke und zu lange andauernde Regelblutung, Fieber, Gewichtsverlust, erhöhter Amylase-Wert im Blut, weniger Schilddrüsenhormon (Thyroxin) im Blut.

Gelegentliche Nebenwirkungen:
erhöhte Zahl neutrophiler Blutzellen, erhöhter Blutzucker, Zuckerkrankheit, Herzinfarkt, akutes Nierenversagen, erhöhter Magnesium-Wert im Blut, erhöhter Wert der alkalischen Phosphatase im Blut.

Seltene Nebenwirkungen:
allergischer Schock, Blutzuckerüberschuss, schwere Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse).

Besonderheiten:
Während der Ritonavir-Behandlung auftretendes starkes, anhaltendes Erbrechen und / oder starker, anhaltender Durchfall können auch die Nierenfunktion beeinträchtigen. Sie wird daher bei Patienten mit bestehender Nierenfunktionsstörung sorgfältig vom Arzt kontrolliert.

Ritonavir verstärkt bestehende Blutgerinnungsstörungen. So kann es bei sogenannten "Blutern" vermehrt zu Blutergüssen in die Haut oder die Gelenke kommen.

Kommt es während der Therapie zu Anzeichen einer Bauchspeicheldrüsenentzündung (Übelkeit und Erbrechen, Oberbauchbeschwerden), ist sofort ein Arzt zu befragen. Wird die Erkrankung dann tatsächlich festgestellt, muss die Behandlung mit Ritonavir unterbrochen werden.

Es kann bei der Therapie insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung und / oder Langzeitbehandlung zu einem Knochenabbau kommen. Man weiß nicht genau, ob Ritonavir dafür die Ursache ist. Bei Auftreten von Gelenkbeschwerden und -schmerzen, Gelenksteife oder Schwierigkeiten bei Bewegungen ist sofort ein Arzt aufzusuchen.

Wechselwirkungen

Ritonavir hemmt ein Enzymsystem, das bei dem Abbau anderer Substanzen im Körper eine wichtige Rolle spielt. Bei gleichzeitiger Anwendung kann es zu höheren Blutkonzentrationen dieser Wirkstoffe und gefährlichen Nebenwirkungen kommen.

Verboten sind aus diesem Grunde Kombinationen mit
  • dem Alpha-SympatholytikumAlfuzosin
  • den Schmerzmitteln Pethidin, Piroxicam und Propoxyphen
  • den AntiarrhythmikaAmiodaron, Bepridil, Dronedaron, Encainid, Flecainid, Propafenon, Chinidin
  • dem AntibiotikumFusidinsäure
  • dem GichtmittelColchicin
  • H1-Antihistaminika wie Astemizol, Terfenadin
  • dem Tuberkulose-MittelRifabutin
  • Neuroleptika wie Clozapin, Pimozid und Quetiapin
  • Mutterkorn-Akaloiden wie Dihydroergotamin, Ergonovin, Ergotamin und Methylergonovin
  • dem Magenmittel Cisaprid
  • Beruhigungs- und Schlafmitteln wie Clorazepat, Diazepam, Estazolam, Flurazepam, Midazolam zum Einnehmen und Triazolam
  • dem Pilzmittel Voriconazol (hier allerdings wegen dessen möglichem Wirkungsverlust).
Das pflanzliche AntidepressivumJohanniskraut darf nicht zusammen mit Ritonavir eingenommen werden, da es dessen Wirkung vermindert.

Besondere Vorsicht wird der Arzt walten lassen bei der Verschreibung von Sildenafil oder Tadalafil zur Behandlung von Erektionsstörungen bei Patienten, die Ritonavir erhalten. Die gleichzeitige Einnahme lässt einen wesentlichen Anstieg der Konzentration der Erektionsverbesserer erwarten und könnte zu Nebenwirkungen wie niedrigem Blutdruck und verlängerter Erektion führen. Die gleichzeitige Anwendung von Avanafil und Vardenafil (anderen Erektionsverbesserern) mit Ritonavir ist sogar verboten. Gleiches gilt für die mit Ritonavir gleichzeitige Anwendung von Sildenafil als Behandlung gegen Lungenhochdruck.

Die Wirkstoffgruppe der Statine (gegen Fettstoffwechselstörungen) ist ebenfalls im Zusammenwirken mit Ritonavir problematisch. Simvastatin und Lovastatin sollten wegen des Risikos von Muskelschäden bis zur Muskelauflösung gar nicht gleichzeitig gegeben werden. Bei Atorvastatin und Rosuvastatin wird der Arzt möglicherweise geringere Dosierungen als üblich verschreiben. Ungefährliche Alternativen sind Pravastatin und Fluvastatin, da deren Abbau nicht über das betroffene Enzymsystem erfolgt.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Patienten, die das HerzglykosidDigoxin gegen Herzmuskelschwäche erhalten, Ritonavir verschrieben bekommen. Möglicherweise treten mehr Nebenwirkungen des Herzmittels auf.
Nehmen Patienten bereits Digoxin ein, wenn Ritonavir verordnet wird, wird der Arzt die Digoxin-Dosis auf die Hälfte der üblichen verringern und die Herzfunktion der Patienten noch häufiger kontrollieren. Soll ein Ritonavir-Patient Digoxin erhalten, wird der Arzt die Behandlung besonders vorsichtig einschleichend bei intensiver Überwachung beginnen.

Das weibliche Hormon Ethinylestradiol in "Pille"-Präparaten wird durch Ritonavir in seiner Wirkung abgeschwächt. Da sowieso eine Schwangerschaft wegen der Krankheit und dem Wirkstoff verhindert werden muss, sollten zusätzliche hormonfreie Verhütungsmethoden wie Kondome oder Pessare zur Anwendung kommen.

Die gleichzeitige Anwendung von Ritonavir mit Fluticason und einigen anderen Glukokortikoiden wird nicht empfohlen. Der Arzt muss abwägen, ob der mögliche Nutzen einer Behandlung das Risiko einer Überdosierung (einschließlich Morbus Cushing und einer Störung der Nebennierenfunktion) überwiegt.

Das AntidepressivumTrazodon wird der Arzt nur mit besonderer Vorsicht an Ritonavir-Patienten verordnen. Bei gleichzeitiger Anwendung ist mit einer Zunahme der Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, niedrigem Blutdruck und Ohnmacht zu rechnen.

Die gleichzeitige Anwendung von Ritonavir und dem BlutverdünnerRivaroxaban wird aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos nicht empfohlen.

Die beiden Tuberkulose-MittelBedaquilin und Delamanid werden vom Arzt nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung zusammen mit Ritonavir verordnet, da dies beispielsweise zu mehr Nebenwirkungen am Herzen führen kann.

Wird Ritonavir zur Wirkungsverstärkung anderer virenhemmender Mittel wie beispielsweise Saquinavir, Tipranavir, Fosamprenavir oder Atazanavir eingesetzt, wird der Arzt die Dosierungen sehr sorgfältig neu bemessen, damit es nicht zu mehr Nebenwirkungen kommt.

Gegenanzeigen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einer schlecht behandelbaren Lebererkrankung darf Ritonavir nicht angenwendet werden.

Nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt und unter seiner Kontrolle darf Ritonavir eingesetzt werden bei
  • Patienten mit Störungen der Blutgerinnung ("Bluter"), da vermehrt Blutungen auftreten können
  • Fettstoffwechselstörungen, da sie sich durch die Therapie verschlechtern können
  • Bei HIV-infizierten Patienten mit schwerer Störung der körpereigenen Abwehr, weil es bei ihnen besonders zu Behandlungsbeginn zu schweren Entzündungen und Infektionen kommen kann
  • Patienten mit vorbestehenden Leberfunktionsstörungen und besonders chronischer Leberentzündung (Hepatitis B oder C), weil sie besonders anfällig für schwere, möglicherweise lebensbedrohliche Nebenwirkungen sind
  • Herzkranken und Patienten mit einer Störung der Reizleitung am Herzen, weil es bei diesen zu einer gefährlichen Pulsverlangsamung kommen kann.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Bisher wurden nur etwa 800 Frauen während der Schwangerschaft mit Ritonavir behandelt; eine sehr begrenzte Zahl (unter 300) während des ersten Schwangerschaftsdrittels. Diese wenigen Fälle weisen auf keine Erhöhung der Missbildungen hin. Allerdings traten solche in Tierexperimenten auf. Daher wird der Arzt die Anwendung von Ritonavir in der Schwangerschaft nur in Betracht ziehen, wenn der Nutzen das Risiko für das Kind überwiegt.

Ritonavir vermindert die Wirkung der "Pille". Deshalb sollte während der Behandlung eine andere, sichere und effektive Empfängnisverhütung (Kondom, Pessar) angewandt werden.

Es ist nicht bekannt, ob der Wirkstoff in die Muttermilch ausgeschieden wird, wie es Tierexperimente an Ratten vermuten lassen. HIV-infizierte Mütter sollten sowieso nicht stillen, um unter allen Umständen eine Übertragung der Infektion auf ihre Kinder zu vermeiden.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Eine Behandlung mit Ritonavir ist für Kinder bereits ab zwei Jahren möglich.

Warnhinweise

  • Bei sogenannten "Blutern" kann es vermehrt zu Blutergüssen in die Haut oder die Gelenke kommen.
  • Kommt es zu Übelkeit und Erbrechen und Oberbauchbeschwerden, ist sofort ein Arzt zu befragen. Bei Feststellung einer Bauchspeicheldrüsenentzündung muss die Behandlung mit dem Medikament unterbrochen werden.
  • Bei Auftreten von Gelenkbeschwerden und -schmerzen, Gelenksteife oder Schwierigkeiten bei Bewegungen ist sofort ein Arzt aufzusuchen, da es sich um einen behandlungsbedingten Knochenabbau handeln kann.
  • Das Medikament darf nur von Ärzten verschrieben werden, die Erfahrung in der Behandlung von HIV-Infektionen haben.
  • Das Medikament darf nicht wärmer als 30 Grad Celsius gelagert werden.
  • Auch wenn das Medikament als Pulver in Nahrungsmittel eingerührt wird, muss die Mischung binnen zwei Stunden verbraucht werden.

Arzneimittel können allergische Reaktionen auslösen. Anzeichen hierfür können sein: Hautrötung, Schnupfen, Juckreiz, Schleimhautschwellung, Jucken und Rötung der Augen, Verengung der Atemwege (Asthma). In seltenen Fällen kann es zum allergischen Schock mit Bewusstlosigkeit kommen.

Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend einen Arzt.

Packungsgrößen

Packungsgröße und Darreichungsform
Wirkstoffgehalt (Dosierung pro Beutel Pulver)
30 Beutel Pulver
100 Milligramm Ritonavir

Vergleichbare Medikamente

Folgende Tabelle gibt einen Überblick über Norvir 100 mg Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen sowie weitere Medikamente mit dem Wirkstoff Ritonavir (ggf. auch Generika).


Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.