Jemand bekommt eine Allergiespritze
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Hyposensibili­sierung bei Allergien: Wirkung und Nebenwirkungen

Von: Lydia Klöckner (Medizinredakteurin), Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 14.04.2025

Bei Heuschnupfen oder anderen Allergien kann eine Hyposensibilisierung (auch: Desensibilisierung) helfen. Durch Tabletten oder Spritzen wird das Immunsystem an die Allergieauslöser gewöhnt. Wann ist eine Hyposensibilisierung sinnvoll und welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zur Hyposensibilisierung

Sowohl Spritzen als auch Tabletten sind wirksam, unterscheiden sich aber in Anwendung, Nebenwirkungen und Aufwand. Injektionen eignen sich bei mehreren Allergien und für Menschen mit regelmäßiger ärztlicher Betreuung, Tabletten sind alltagstauglicher, aber erfordern tägliche Einnahme und Disziplin.

Wie funktioniert eine Hyposensibilisierung?

Die Hyposensibilisierung ist eine Behandlungsmethode gegen Allergien. Fachleute sprechen von einer allergenspezifischen Immuntherapie.

Bei einer Allergie reagiert der Körper übersensibel auf bestimmte, eigentlich harmlose Stoffe wie zum Beispiel Pollen oder Hausstaubmilben. Sobald die Betroffenen mit diesen Allergenen in Kontakt kommen, bildet ihr Körper Antikörper, die Zellen des Immunsystems dazu anregen, den Botenstoff Histamin freizusetzen. Histamin löst eine Entzündungsreaktion aus – und somit die typischen Allergiesymptome.

Desensibilisierung: Immunsystem an Allergene gewöhnen

Gängige Allergiemittel hemmen die Wirkung von Histamin. Die Hyposensibilisierung hingegen kann bewirken, dass die allergische Kettenreaktion gar nicht erst in Gang kommt: Das Immunsystem wird langsam an die Allergene gewöhnt, sodass es immer weniger empfindlich auf sie reagiert – es wird desensibilisiert.

Die allergenspezifische Immuntherapie funktioniert ähnlich wie eine Impfung: Der Körper wird in regelmäßigen Abständen mit kleinsten Mengen des Allergens in Kontakt gebracht und auf diese Weise daran gewöhnt.

Ist die Hyposensibilisierung auch für Kinder geeignet?

Die Hyposensibilisierung wirkt auch bei Kindern und Jugendlichen. Das Risiko für Nebenwirkungen ist bei ihnen nicht höher als bei Erwachsenen. Dennoch empfehlen Fachleute normalerweise, erst ab einem Alter von fünf Jahren mit der Hyposensibilisierung zu beginnen. Grund hierfür ist, dass für jüngere Kinder eine langfristige Behandlung mit Tabletten oder Spritzen besonders belastend ist.

Wie läuft die Hyposensibilisierung ab?

Vor der Hyposensibilisierung identifiziert ein*e Allergologe*Allergologin durch einen Allergietest den Auslöser der allergischen Reaktion und wählt ein passendes Präparat aus.

Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten zur Hyposensibilisierung:

  • die subkutane Immuntherapie (SCIT): Dabei werden in der ärztlichen Praxis zunächst wöchentlich, dann für die Erhaltungsdosis alle 4 bis 6 Wochen die Allergene mit Spritzen unter die Haut verabreicht.

  • die sublinguale Immuntherapie (SLIT): Die Desensibilisierung erfolgt durch die tägliche Einnahme von Tabletten oder Tropfen zu Hause, die 2 bis 3 Minuten unter der Zunge einwirken müssen.

Der Prozess der Hyposensibilisierung dauert bei beiden Methoden mindestens drei Jahre. Häufig bessern sich die allergischen Beschwerden allerdings bereits nach einem Jahr.

Bei welchen Allergien ist eine Hyposensibilisierung möglich?

Für häufige Allergien stehen die Allergene bereits als fertige Arzneien zur Verfügung. Dazu zählen Präparate mit folgenden Allergenen:

  • Pollen verschiedener Bäume und Gräser
  • Hausstaubmilben
  • Insektengift

Ist jemand an einer selteneren Allergie erkrankt, kann die*der Ärztin*Arzt eine sogenannte Individualrezeptur herstellen lassen, welche das Allergen in einer auf die betroffene Person abgestimmten Mischung enthält. Nicht zum Einsatz kommt die Hyposensibilisierung bisher bei Allergien gegen bestimmte Arzneimittelwirkstoffe.

Bei Nahrungsmittelallergien ist eine Hyposensibilisierung grundsätzlich möglich, jedoch keine Standardtherapie. Derzeit wird sie nur in spezialisierten Zentren und im Rahmen klinischer Studien durchgeführt.

Was ist eine präsaisonale Hyposensibilisierung?

Eine präsaisonale Hyposensibilisierung ist eine spezielle Form der spezifischen Immuntherapie (SIT), die nur vor Beginn der Allergiesaison durchgeführt wird. Sie eignet sich bei saisonalen Allergien, etwa gegen Gräser oder Birkenpollen.

Die Behandlung startet mehrere Wochen bis Monate vor der Pollensaison, meist im Herbst oder Winter, und wird nur bis zum Beginn der Saison fortgeführt. Dieser Zyklus wird in der Regel über drei Jahre hinweg jährlich wiederholt. Der Vorteil dieser Methode liegt in der kürzeren Therapiedauer pro Jahr im Vergleich zur ganzjährigen Behandlung. Allerdings sind nur bestimmte Präparate in Form von Spritzen für diese Therapieform zugelassen.

Wie gut wirkt die Hyposensibilisierung?

Die Hyposensibilisierung hat sich vor allem bei allergischem Schnupfen bewährt. Dieser tritt beispielsweise bei Pollenallergie oder Hausstaubmilbenallergie auf. Bei etwa 80 von 100 Behandelten bessern sich die Beschwerden innerhalb von ein bis drei Jahren. Bei einigen verschwinden die allergischen Symptome sogar komplett. Die Hyposensibilisierung senkt somit das Risiko, dass die Betroffenen an allergischem Asthma erkranken. Dies kann eine Folge von unbehandelten Allergien der Atemwege sein.

Zudem hat sich gezeigt, dass die Hyposensibilisierung neuen Allergien vorbeugen kann: Wer die Behandlung durchführen lässt, hat ein geringeres Risiko, eine Überempfindlichkeit gegen weitere Stoffe zu entwickeln.

Auch bei Insektengiftallergie wirkt die Hyposensibilisierung meist gut. Anders als bei Menschen ohne Allergie führen Wespen- und/oder Bienenstich bei Betroffenen nicht nur zu Schmerzen und Juckreiz an der Einstichstelle, sondern auch zu Herz-Kreislauf- oder Magen-Darm-Beschwerden. Eine Hyposensibilisierung bewirkt bei mehr als 80 von 100 Behandelten, dass diese allgemeinen körperlichen Reaktionen ausbleiben. 

Hyposensibilisierung: Nebenwirkungen und Risiken

Werden die Allergene per Spritze verabreicht, können an der Einstichstelle Rötungen oder Schwellungen entstehen. Etwa 10 bis 60 Menschen, die sich die Allergene spritzen lassen, entwickeln einen Hautausschlag. Insgesamt sind Hautreaktionen die häufigste Nebenwirkung der Hyposensibilisierung.

Andere Beschwerden wie

Hyposensibilisierung: Nebenwirkungen bei Tabletten oder Tropfen

Tabletten oder Tropfen können Juckreiz und Schwellungen im Mund hervorrufen. Bei etwa der Hälfte der Behandelten kommt es vorübergehend zu leichten allergischen Beschwerden wie Niesen oder tränenden Augen. Manchmal treten auch Bauchschmerzen, Müdigkeit und/oder Kopfschmerzen auf.

Wie hoch ist das Risiko eines anaphylaktischen Schocks?

Die Hyposensibilisierung mit Spritzen ruft in einzelnen Fällen starke allergische Beschwerden hervor, die mehrere Organe betreffen können. Im schlimmsten Fall führt die allergische Reaktion zu einem Atem- und Herzstillstand. Das kommt jedoch sehr selten vor: Bei etwa einem von 1000 Menschen, die eine Desensibilisierung mit Spritzen erhalten haben, tritt eine so heftige Reaktion auf.

Ein solcher anaphylaktischer Schock tritt in der Regel unmittelbar nach der Behandlung auf. Daher ist es wichtig, dass die*der Patient*in nach der Injektion vorsichtshalber noch etwa eine halbe Stunde in der ärztlichen Praxis bleibt. Im Falle eines anaphylaktischen Schocks kann eine Spritze mit Adrenalin die Symptome rasch lindern.

Diese Faktoren erhöhen das Risiko für einen anaphylaktischen Schock:

  • bestehende Allergiebeschwerden (bei Menschen mit Pollenallergie sollte die Dosis in der Pollensaison vorübergehend herabgesetzt werden)
  • akute Infekte
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • unkontrolliertes Asthma
  • Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Betablocker)
  • Mastzellerkrankungen wie die systemische Mastozytose
  • starke körperliche Belastungen

Hyposensibilisierung ist nicht für jede Person geeignet

Eine neu beginnende spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) wird nicht empfohlen bei:

  • schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, z. B. unkontrolliertem Bluthochdruck, kürzlichem Herzinfarkt oder schwerer Herzinsuffizienz
  • Immunschwäche oder Autoimmunerkrankungen, insbesondere bei immunsuppressiver Therapie oder aktiver Krebserkrankung
  • Schwangerschaft
  • schwerem unkontrolliertem Asthma (erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen)

Eine bereits begonnene und gut verträgliche Hyposensibilisierung kann unter Umständen fortgesetzt werden.