Sekundäres Ertrinken: Zwei Kinder spielen im Wasser
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Sekundäres Ertrinken: Unterschätzte Gefahr nach Badeunfall

Von: Dr. med. univ. Lisa Raberger (Medizinautorin und Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 26.07.2024

Sekundäres Ertrinken ist eine oft unterschätzte Gefahr nach einem Badeunfall, besonders bei Kindern. Dieser potenziell lebensbedrohliche Zustand kann Stunden nach dem Unfall auftreten und erfordert schnelles Handeln. Erfahren Sie mehr über Symptome wie Husten und Atemnot und warum der Begriff "sekundäres Ertrinken" in die Irre führen kann.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten

Sekundäres Ertrinken beschreibt Atembeschwerden, die durch das Einatmen von Wasser entstehen und innerhalb von Stunden nach einem nicht tödlichen Ertrinkungsunfall auftreten können. 

Ein sekundäres Ertrinken kann an Symptomen wie anhaltendem Husten, Atemnot und Verhaltensänderungen erkannt werden. Die Beschwerden können direkt nach dem Unfall, aber auch Stunden später auftreten.

Bei Verdacht auf Komplikationen nach einem Badeunfall sollte der Notruf (112) verständigt werden. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte sind Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen, die betroffene Person darf nicht allein gelassen werden.

Was ist sekundäres Ertrinken?

Sekundäres Ertrinken beschreibt Atembeschwerden, die durch das Einatmen von Wasser entstehen und innerhalb von Stunden nach einem nicht tödlichen Ertrinkungsunfall auftreten können.

Ertrinken ist die häufigste Todesursache von Kindern im Alter von ein bis vier Jahren, weshalb diese Komplikation für Eltern eine besondere Rolle einnimmt. Personen sollten nach einem Badeunfall immer ärztlich untersucht werden, da eingeatmetes Wasser eine

  • Lungenentzündung,
  • ein Lungenödem oder
  • ein sogenanntes sekundäres Lungenversagen

verursachen kann. 

Sekundäres Ertrinken ist kein anerkannter medizinischer Fachausdruck, auch "Beinahe-Ertrinken" wird nicht mehr verwendet. Aufgrund der besseren Verständlichkeit wird der Begriff "sekundäres Ertrinken" in diesem Artikel benutzt, um über die möglichen Komplikationen nach einem Ertrinkungsunfall aufzuklären.

Was ist trockenes Ertrinken?

Wird zu Beginn des Ertrinkens Wasser eingeatmet, verschließt sich die Stimmritze automatisch, um zu verhindern, dass noch mehr Wasser in die Lunge gelangt. In 85 Prozent der Fälle löst sich der Krampf rechtzeitig und es kann wieder Luft eingeatmet werden.  Öffnet sie sich nicht, wird dies als trockenes Ertrinken bezeichnet und führt zum Tode. Auch ein Herz-Kreislaufstillstand im Wasser kann als trockenes Ertrinken betrachtet werden.

Sekundäres Ertrinken: Mögliche Symptome

Folgende Symptome können nach einem Ertrinkungsunfall auftreten und sollten immer ernst genommen und ärztlich begutachtet werden:

  • Angestrengte Atmung
  • Beschleunigte Atmung
  • Anhaltender Husten
  • Erbrechen
  • Psychische Veränderungen und plötzliche Verhaltensänderungen

Welche Ursachen hat sekundäres Ertrinken?

Um Komplikationen der Lunge nach einem Badeunfall auszulösen, muss Wasser in die Atemwege gelangen, das nicht ausreichend abgehustet werden konnte. Normales Schlucken von Wasser beim Schwimmen oder Planschen im Wasser verursacht grundsätzlich kein sekundäres Ertrinken.

Es gibt viele verschiedene Ursachen, die zu einem Ertrinkungsunfall und somit zu sekundärem Ertrinken führen können, wie: 

  • Badeunfälle, vor allem bei Kindern
  • Kraftüberschätzung, insbesondere bei Jugendlichen
  • Erschöpfung
  • Gesundheitlicher Notfall im Wasser wie ein Schlaganfall oder Herzinfarkt
  • Panik
  • Alkohol und Drogenkonsum
  • Verletzungen

Etwa ein bis drei Milliliter eingeatmetes Wasser pro Kilogramm Körpergewicht können die Atmung, genauer den Gastaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid in der Lunge, beeinträchtigen.

Das sind etwa zehn bis 30 Milliliter Wasser bei einem zehn Kilogramm schweren Kind oder 70 bis 210 Milliliter Wasser bei einem 70 Kilogramm schweren Erwachsenen.

Nach einem nicht-tödlichen Ertrinkungsunfall kann es zu Entzündungsprozessen der Lunge kommen, die folglich mitunter zu einem sekundären Lungenversagen (Acquired Respiratory Distress Syndrome, ARDS) führen. ARDS ist potenziell lebensbedrohlich und benötigt eine intensive medizinische Versorgung im Krankenhaus. Mit dem Wasser eingeatmete Bakterien können zu einer Lungenentzündung (Pneumonie) führen.

Sekundäres Ertrinken: So erfolgt die Diagnose

Bei Komplikationen der Lunge nach einem Ertrinkungsunfall, also einem nicht tödlichen Badeunfall, sollte grundsätzlich ärztlicher Rat eingeholt werden.

Nach einem ärztlichen Gespräch und einer körperlichen Untersuchung geben auch bildgebende Untersuchungen wie ein Lungenröntgen, weitere Hinweise auf Komplikationen.

Mithilfe von Blutuntersuchungen können sowohl Entzündungswerte als auch weitere Parameter wie die Verteilung der Atemgase im Blut eingeschätzt werden. 

Sekundäres Ertrinken: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Bei einem Ertrinkungsunfall oder Anzeichen von sekundärem Ertrinken sind sofort der Rettungsdienst zu verständigen (112) und Erste-Hilfe-Maßnahmen sind zu ergreifen.

Die Behandlung von sekundärem Ertrinken erfolgt grundsätzlich im Krankenhaus und hängt von den spezifischen Beschwerden der betroffenen Person ab. In vielen Fällen ist nach einem Badeunfall nur eine stationäre Überwachung, in schweren Fällen eine komplexe Behandlung auf der Intensivstation notwendig.

Kommt es während der Überwachung zu Auffälligkeiten, wird die Therapie von Mediziner*innen angepasst, zum Beispiel mit Medikamenten oder Beatmung mit Sauerstoff.

Versorgungsmöglichkeiten sind zum Beispiel:

  • Überwachung und Kontrolle der Körpertemperatur
  • Überwachung der Vitalwerte, wie der Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Elektrolyten und Atemgasen im Blut
  • Bildgebende Untersuchungen, wie Lungenröntgen oder Computertomographie (CT)

Verlauf und Prognose bei sekundärem Ertrinken

Grundsätzlich hängt die Prognose nach einem Beinahe-trinken davon ab, wie lange die betroffene Person unter Wasser war. Durch den Sauerstoffmangel kann es zu neurologischen Beeinträchtigungen kommen, was die Prognose stark beeinflusst. 

Sekundärem Ertrinken vorbeugen

Badeunfälle können vermieden werden. Folgende Tipps können dabei helfen, sich sicher abzukühlen: 

  • Schwimmkenntnisse: Laut dem Deutschen Rotem Kreuz sollen Kinder so früh wie möglich schwimmen lernen, wobei das "Seepferdchen" nicht ausreichend ist, sondern nur Schwimmfähigkeiten in Höhe des Deutschen Schwimmabzeichens in Bronze als schwimmfähig auszeichnen. 

  • Kinder nie aus den Augen lassen, da diese teils still und unbemerkt, ohne panisches Schreien oder mit den Armen rudern ertrinken können.  

  • Nicht überhitzt ins Wasser springen

  • Nicht mit vollem oder leerem Magen schwimmen

  • Wer friert, sollte das Wasser verlassen

  • Bei Sprüngen ins Wasser darauf achten, dass es tief genug ist und keine Hindernisse im Weg sind.

  • Gewässer, die von Booten stark befahren werden, durchwachsen oder sumpfig sind, meiden

  • Bei Unwetter, Gewitter, starkem Regen, Strömung oder Wellengang nicht in Wasser gehen

  • Sich nicht überschätzen

  • Baderegeln und Flaggen am Strand beachten: vor allem am Meer können selbst bei wenig sichtbaren Wellen starke Strömungsverhältnisse herrschen