Elektrokrampftherapie: Hilfe bei psychischen Erkrankungen
Die Elektrokrampftherapie bewährt sich bei schweren psychischen Erkrankungen, wenn Medikamente und Psychotherapie erfolglos bleiben. Warum sich die elektrische Stimulation der Nervenzellen positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt und wie die Behandlung abläuft, lesen Sie hier.
FAQ: Häufige Fragen zur Elektrokrampftherapie
Diese Behandlungsform findet Anwendung bei schweren Depressionen oder Psychosen nach erfolglosen medikamentösen und psychotherapeutischen Therapien. Bei starken Wahnvorstellungen oder katatonischem Verhalten jedoch wird sie als Ersttherapie eingesetzt.
Ja, die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Elektrokrampftherapie.
Bei einer Elektrokonvulsionstherapie werden Nervenzellen im Gehirn durch elektrische Stromreize stimuliert, also angeregt. Das führt zu einem kontrollierten epileptischen Anfall.
Was ist eine Elektrokrampftherapie?
Die Elektrokrampftherapie (auch Elektrokonvulsionstherapie oder EKT) ist ein medizinisches Verfahren im Fachbereich Psychiatrie, das der Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen dient.
Die Elektrokrampftherapie basiert auf der elektrischen Stimulation des Gehirns. Erstmals eingesetzt wurde sie in den 1930er Jahren, damals allerdings noch ohne Narkose. Das hat sich seit den 1950ern geändert: Der stimulierende Strom wird nur noch unter Narkose und dem Einfluss eines muskelentspannenden Medikamentes (Muskelrelaxans) eingesetzt. Dies macht die moderne Elektrokrampftherapie zu einer schonenden Behandlung.
Wann wird die Elektrokrampftherapie eingesetzt?
Bei psychischen Störungen erhalten Betroffene in der Regel eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Therapie. Doch in manchen Fällen von schwerer Depression oder Psychosen reichen diese Maßnahmen nicht aus. Grund kann eine Unverträglichkeit oder Resistenz gegenüber den geeigneten Medikamenten sein. In anderen Fällen bleibt auch eine Psychotherapie erfolglos. Dann kann die EKT als Folgetherapie eine wirksame Behandlungsoption sein: Die Erfolgsquote liegt zwischen 50 und 90 Prozent.
Manchmal kommt die Elektrokrampftherapie allerdings als Therapie erster Wahl infrage, ohne vorher andere Therapieansätze zu nutzen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die betroffene Person
- in eine schwere Depression mit Wahnvorstellungen verfallen ist,
- stark oder akut selbstmordgefährdet (suizidal) ist oder
- die Nahrungsaufnahme verweigert.
Bei Menschen, die akut suizidgefährdet sind, zeigt die Elektrokrampftherapie schnell eine beruhigende Wirkung. Auch wenn die betroffene Person katatonisches Verhalten (bewegungs- und emotionslos) zeigt, ist die Elektrokrampftherapie das erste Mittel der Wahl. Dazu kommt es etwa im Rahmen einer schweren Depression oder einer katatonen Schizophrenie.
Katatonie und ihre Formen
Katatonie fasst als Oberbegriff psychische Erregungszustände zusammen. Die gehemmte Form dieses Syndroms wird als Stupor bezeichnet. Betroffene sind dann bei vollem Bewusstsein, jedoch in ihrem Körper erstarrt. Dadurch können sie sich nicht mehr bewegen und sich ihrer Umwelt weder durch Gestik noch durch Sprache mitteilen.
Die andere Form ist unter anderem durch einen Zustand gekennzeichnet, der sich durch eine starke Unruhe mit gesteigertem und ziellosem Bewegungsdrang bemerkbar macht. Dabei springen Betroffene unvermittelt auf, schreien laut oder zeigen aggressives Verhalten sich selbst oder anderen gegenüber. Begleitet wird dies von wiederholten Bewegungs- und Sprachmustern und bizarren Bewegungen in Mimik und Gestik (Manieriertheit).
Bei der seltenen perniziösen Katatonie handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand. Sie geht mit Fieber und einer vegetativen Entgleisung einher, zum Beispiel einem stark erhöhten Herzschlag (Tachykardie) oder Bluthochdruck (Hypertonie). Daneben kann es zu einem Sauerstoffmangel und einer erhöhten Blutungsneigung kommen. Mittels der Elektrokonvulsionstherapie wird versucht, diesen Zustand zu beenden.
Wie läuft eine Elektrokrampftherapie ab?
Die EKT wird stationär durchgeführt, nachdem die Patient*innen über die Therapiemaßnahme umfassend informiert wurden. Häufig ist es sinnvoll, enge Bezugs- oder Betreuungspersonen in dieses Gespräch mit einzubeziehen.
Die Elektrokrampftherapie wird von Fachpersonal aus Anästhesie und Psychiatrie durchgeführt. Dafür werden zunächst die Elektroden, die den Strom leiten, an bestimmten Stellen am Kopf angebracht. Um das Ausmaß der Nebenwirkungen zu reduzieren, wird oft nur eine Kopfseite verwendet.
Die Person in Behandlung wird in eine nur wenige Minuten andauernde Kurznarkose versetzt. Über eine Maske wird der*die Patient*in mit Sauerstoff versorgt, zudem werden Relaxanzien über die Vene verabreicht. Ein Zahnschutz soll verhindern, dass es trotz entspannter Muskulatur doch zu Bissverletzungen an Zunge und Lippen oder Schäden an den Zähnen kommt.
Über einen Zeitraum von wenigen Sekunden stimulieren die angebrachten Elektroden das Gehirn mit kurzen elektrischen Impulsen. Der Strom löst im stimulierten Gehirn einen künstlichen epileptischen Anfall aus. Dieser ist allerdings nur über die mittels des angeschlossenen Elektroenzephalogramms (EEG) gemessenen Hirnströme sichtbar. Das bedeutet, dass ein Krampfanfall in der Körpermuskulatur ausbleibt.
Die Behandlung ist nach wenigen Minuten beendet. Nach einer kurzen Nachbeobachtungszeit kann die behandelte Person wieder an den gewohnten Aktivitäten teilnehmen. Die Elektrokrampftherapie wird in Abständen von wenigen Tagen so lange wiederholt, bis eine Besserung der Erkrankung bemerkbar ist. Dies kann nach zehn bis zwölf Sitzungen der Fall sein.
Wie wirkt die Elektrokrampftherapie?
Der genaue Mechanismus hinter der Elektrokrampftherapie ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Es gilt jedoch als sicher, dass es nicht der Strom ist, der die heilsame Wirkung hat. Ausschlaggebend für Wirksamkeit scheint die vorübergehend gleich getaktete Aktivität der Nervenzellen zu sein.
Im Verlauf der Behandlungen kommt es zu Heilungsprozessen im Gehirn. Die durch die therapeutischen Krampfanfälle ausgeschütteten Hormone und Botenstoffe (Neurotransmitter) regen die Nervenbildung und das -wachstum an. Dadurch kommt es zu neuen Verbindungen im Hirngewebe. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sich das Gehirn regenerieren und die durch die Erkrankung gestörten Funktionen wiederherstellen kann.
Welche Risiken und Nebenwirkungen hat die Elektrokrampftherapie?
Das Risiko einer Elektrokonvulsionstherapie ist im Vergleich zu anderen Behandlungen, die ebenfalls mit einer Kurznarkose eingehen, relativ niedrig. Um die Risiken so gering wie möglich zu halten, geht der Anwendung immer eine ausführliche körperliche Untersuchung voraus. Dennoch können Risiken bestehen bleiben, zum Beispiel, dass sich die Person trotz Muskelrelaxans auf Zunge oder Lippe beißt. Auch kann es sein, dass durch die Behandlung weitere Zahnschäden auftreten, wenn der Zahnstatus bereits schlecht war.
Außerdem sind folgende Nebenwirkungen möglich:
- Orientierungslosigkeit, Gedächtnisstörungen und Konzentrationprobleme
- Gedächtnislücken um den Zeitraum der Behandlung herum
- Muskelkater
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Übelkeit
Diese Nebenwirkungen lassen mit der Zeit von selbst nach oder lassen sich bei Bedarf gut behandeln.
Zudem kann es unter der Elektrokonvulsionstherapie zu einem Wechsel von einer depressiven in eine manische Stimmung kommen, also einem extremen, übersteigerten Hochgefühl. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behandlung abgesetzt werden muss. Auch die manische Depression ist mit der Elektrokrampftherapie behandelbar.