Nebenwirkungen bei Ciprofloxacin: Wie riskant sind Fluorchinolone?
Ciprofloxacin ist ein Breitband-Antibiotikum, das oft verschrieben wird – etwa bei Harnwegsinfekten. Doch der Wirkstoff kann folgenreiche Nebenwirkungen haben. Erfahren Sie, warum das Antibiotikum nur in Ausnahmefällen verschrieben werden sollte.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Nebenwirkungen bei Ciprofloxacin: Wie riskant sind Fluorchinolone?
Der Wirkstoff Ciprofloxacin zählt zur Gruppe der Fluorchinolone und wirkt gegen verschiedene Bakterien. Auch gegen einige "Problemkeime" – also besonders hartnäckige Erreger, die schon gegen manch andere Antibiotika resistent sind. Aufgrund der teils schwerwiegenden Nebenwirkungen, die mit einer Einnahme einhergehen können, gilt der Wirkstoff als Reserveantibiotikum, das eigentlich nur bei schweren Infektionen verschrieben werden sollte.
Reserveantibiotikum mit möglichen Nebenwirkungen
Durch die Einnahme von Ciprofloxacin sind verschiedene Nebenwirkungen möglich, unter anderem zum Beispiel:
- chronische Schmerzen
- Beschwerden durch Nervenschädigungen, wie Nervenschmerzen oder Missempfindungen (z. B. Kribbeln, Brennen)
- Beschwerden im Bereich der Sehnen, Muskeln oder Gelenke, wie Schwellungen, Schmerzen oder Sehnenabrisse
- Erschöpfung
- Benommenheit
- Schwindel
- verlangsamter Herzschlag
- Krampfanfälle
- Angstattacken
- Psychosen
Insbesondere bei Anzeichen von Nervenschäden wie Missempfindungen oder Schmerzen in den Beinen sollte man die Einnahme von Ciprofloxacin abbrechen und Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten. So empfiehlt es auch der Beipackzettel. Andernfalls riskiert man, dass es zu Spätfolgen kommt und die Schäden unter Umständen dauerhaft fortbestehen. Allerdings verschwinden die Beschwerden nach dem Absetzen nicht immer.
Video: 6 Fakten über Antibiotika
Manchen Ärzt*innen war das Spektrum an schwerwiegenden Nebenwirkungen bislang jedoch offenbar nicht in vollem Umfang bewusst. Als Folge wurde Ciprofloxacin zu oft in Situationen verschrieben, in denen das Medikament im Grunde nicht angebracht war. Etwa bei Infekten, die in der Regel harmlos sind, wie zum Beispiel einer Blasenentzündung, Bronchitis oder Nebenhöhlenentzündung.
Damit nahm man in Kauf, dass sich die Lebensqualität der Patient*innen möglicherweise langfristig verschlechtert. Denn es gibt Fälle, in denen Betroffene lange unter den Folgen der Medikamenteneinnahme leiden und durch die anhaltenden Beschwerden ihren Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigen können. Möglicherweise werden manche sogar für immer damit leben müssen.
Black-Box-Warnung in den USA
In den USA ist man sich der Risiken, die mit einer Einnahme von Ciprofloxacin einhergehen, dagegen bewusster. Medikamente, die Fluorchinolone wie Ciprofloxacin enthalten, tragen dort auf Anweisung der US-amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA, Food and Drug Administration) im Beipackzettel eine gut sichtbare und fettgedruckte Warnung vor den potenziellen Nebenwirkungen. Diese "black box warning“ ist auch für Patient*innen rasch zu erfassen. Die FDA rät Ärzt*innen zudem, auf Ciprofloxacin oder andere Fluorchinolone generell zu verzichten, wenn andere Antibiotika als Alternative infrage kommen.
In Deutschland gibt es für Ciprofloxacin bislang keine derart deutliche Warnung im Beipackzettel. Das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) hält das bislang für unnötig, da der Beipackzettel eigentlich alle Informationen enthält, die für die Einnahme von Ciprofloxacin notwendig sind. Dort findet sich auch die Angabe der Nebenwirkungen und ein Hinweis, bei bestimmten Nebenwirkungen die Einnahme abzubrechen.
Das BfArM rät, Beipackzettel prinzipiell immer komplett zu lesen und sich mit Fragen an den behandelnden Arzt oder einen Apotheker zu wenden. Ob das von Patient*innen tatsächlich so strikt gehandhabt wird und diese den Beipackzettel auch wirklich immer in Gänze verstehen, bleibt allerdings fraglich. Aus Sicht des BfArM ist es Aufgabe von Ärzt*innen, Patient*innen über mögliche Risiken aufzuklären.
Neubewertung des Risikopotenzials
Dass bei der Einnahme von Antibiotika, egal welcher Art, Nebenwirkungen auftreten können, ist keine Ausnahme. Bei Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone sind diese jedoch besonders schwerwiegend und langanhaltend.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA, European Medicines Agency) will deshalb in einem noch laufenden Verfahren das Risiko von Fluorchinolonen neu bewerten – mit besonderem Augenmerk darauf, wie beständig die möglichen Nebenwirkungen sind.
Klar ist aus Sicht der EMA, dass Fluorchinolone wie Ciprofloxacin auch weiterhin von Bedeutung sein werden. Allerdings sollten Ärzt*innen entsprechende Antibiotika nicht unbedacht bei harmlosen Infekten verschreiben, sondern ausschließlich bei schwerwiegenden bakteriellen Infekten, bei denen Lebensgefahr für die Patient*innen besteht.
Das BfArM hat im April 2019 das Risiko von Fluorchinolonen ebenfalls neu bewertet und lässt Wirkstoffe aus dieser Gruppe von Antibiotika nur noch für schwere bakterielle Infekte zu. Nicht mehr eingesetzt werden sollen Ciprofloxacin und Co. demnach
- bei Infekten, die in der Regel von selbst weggehen und nicht schwerwiegend sind, wie z. B. eine
- zum Vorbeugen von Reisedurchfall oder wiederkehrenden Harnwegsinfekten (wie einer Blasenentzündung).
- bei leichten und mittelschweren Infekten (sofern andere Antibiotika nicht unwirksam sind), wie z. B. bei einer
- unkomplizierten Blasenentzündung,
- akuten Verschlechterung bei COPD (Exazerbation),
- akuten bakteriellen Mittelohrentzündung oder
- akuten bakteriellen Nasennebenhöhlenentzündung.
Wer außerdem bereits einmal schwere Nebenwirkungen durch Fluorchinolone hatte, darf Wirkstoffe aus dieser Antibiotika-Gruppe nicht wieder einnehmen. Zur Gruppe der Fluorchinolone zählen diese Wirkstoffe: