Hyperventilation: Symptome, Ursachen und Therapie
Hyperventilation ist am ehesten bei Menschen zu beobachten, die Angst, Aufregung, Stress oder Panik verspüren. Die dadurch ausgelösten Symptome können sehr beunruhigend wirken, verursachen aber keine bleibenden Schäden. Was genau passiert beim Hyperventilieren und hilft es tatsächlich, in eine Tüte zu atmen?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Zusammenfassung
- Definition: Hyperventilation ist eine gestörte Atemregulation. Wer hyperventiliert, atmet unbewusst schneller und tiefer, als es körperlich nötig ist. Der Begriff Hyperventilationssyndrom beschreibt das Krankheitsbild mit den typischen Symptomen.
- Symptome: Zu den weiteren Anzeichen, die bei einer Hyperventilation möglich sind, zählen zum Beispiel Schwindel, Unruhe, Schwitzen, Kopfschmerzen, Benommenheit sowie Atemnot.
- Ursachen: Häufig liegen psychische Gründe vor, zum Beispiel starker Stress oder Angst. Es sind aber auch körperliche Ursachen möglich. So löst eine Hirnentzündung (Enzephalitis) manchmal eine Hyperventilation aus.
- Therapie: In akuten Fällen ist es zunächst wichtig, sich zu entspannen und eventuell kurzzeitig in eine Papiertüte zu atmen. Langfristig kann eine Atemschulung sowie das Erlernen von Entspannungstechniken sinnvoll sein. Bei einer chronischen Hyperventilation kann eine Therapie der Grunderkrankung notwendig sein.
Was ist Hyperventilation?
Hyperventilation ist eine gestörte Atemregulation. Als Hyperventilationssyndrom bezeichnet man das Krankheitsbild, also die mit der Hyperventilation verbundenen Symptome.
Bei einem Erwachsenen liegt die normale Atemfrequenz bei 12 bis 20 Atemzügen pro Minute. Ist diese Atemfrequenz erhöht (Tachypnoe), wird von einer "beschleunigten Atmung", also Hyperventilation gesprochen. Menschen, die hyperventilieren, atmen also schneller und tiefer, als es körperlich nötig ist – meist, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Hyperventilation: Mögliche Symptome
Meist beginnt eine Hyperventilation damit, dass die Atmung schneller wird. Betroffene haben das Gefühl von Atemnot und beginnen, immer tiefer und schneller zu atmen. Oft machen sich dann bereits nach wenigen Minuten verschiedene körperliche Symptome bemerkbar. Möglich sind unter anderem:
- Kribbeln in den Fingern, Wangen, Lippen oder Ohrläppchen
- Taubheitsgefühl im Mund und an der Zunge, was das Sprechen erschwert
- Sehstörungen
- Zittern
- hoher Puls
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Brustschmerzen
- Herzklopfen
- Bewusstlosigkeit (Synkope)
In extremen Fällen kann sich das Kribbeln in den Finger auf die Hände ausweiten und schließlich zu Muskelkrämpfen führen, der sogenannten Pfötchenstellung. Zudem können Füße und Mund ("Karpfenmaul") verkrampfen. Zeigen sich die Beschwerden am ganzen Körper, sprechen medizinische Fachleute von einer Tetanie. Im weiteren Verlauf treten mitunter Lähmungen auf.
Therapie bei Hyperventilation: Was tun?
Wie eine Hyperventilation zu behandeln ist, hängt von ihrer Ursache ab. Beim psychisch bedingten akuten Hyperventilationssyndrom gilt es zunächst, sich beziehungsweise die betroffene Person zu beruhigen. Dabei kann es helfen, sich daran zu erinnern, dass Hyperventilieren an sich harmlos ist und keine gefährliche Krankheit hinter den Beschwerden steckt.
Hyperventilieren: In eine Tüte einatmen kann helfen
Sind bereits Nerven und Muskeln betroffen (etwa in Form von Ameisenlaufen, Kribbeln oder Pfötchenstellung der Hände), hilft eine kurzzeitige Tütenrückatmung. Dazu wird nur eine Tüte (Plastik- oder Papiertüte) benötigt – und dann:
- die Öffnung der Tüte über Mund und Nase halten und
- ruhig und gleichmäßig in die Tüte einatmen und ausatmen.
So klingen die Beschwerden in aller Regel rasch ab. Denn bei der Rückatmung nimmt man das Kohlendioxid aus der ausgeatmeten Luft wieder auf. Dadurch steigt die Kohlendioxid-Konzentration im Blut, welche durch das Hyperventilieren gesunken ist, schnell an – und die Symptome klingen wieder ab.
Schaffen es Betroffene nicht, ihre Atmung zu beruhigen und kommt es zu Krämpfen (Hyperventilationstetanie), können bei einem akuten Anfall Beruhigungsmittel aus der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine (etwa mit dem Wirkstoff Diazepam) gespritzt werden.
Langfristige Therapiemöglichkeiten
Für Personen, die häufiger hyperventilieren, kann eine Atemschulung ratsam sein: Hier lernen sie spezielle Atemtechniken, um weitere Anfälle zu verhindern. Betroffene können etwa eine Hand auf den Bauch legen und probieren, diese durch die Atmung wegzudrücken. Das verursacht eine Zwerchfellatmung und kann Hyperventilieren vorbeugen.
Auch Entspannungstechniken können vorbeugend helfen, wie:
Sind ausgeprägte Ängste, Panikattacken beziehungsweise Panikstörungen oder Ähnliches Auslöser, können eine Psychotherapie und unter Umständen auch Medikamente sinnvoll sein, die auf die Psyche wirken (zum Beispiel die Wirkstoffe Imipramin, Paroxetin).
In chronischen Fällen, hinter denen eine körperliche Erkrankung wie Blutarmut oder eine Schwäche der Muskulatur des linken Herzens (Linksherzinsuffizienz) steckt, ist eine gezielte Therapie der Grunderkrankung notwendig.
Hyperventilation: Verschiedene Ursachen möglich
Hyperventilation kann sich auf die unterschiedlichsten Körperfunktionen auswirken. Zustande kommt das Hyperventilationssyndrom dadurch, dass die Betroffenen verstärkt Kohlendioxid (CO2) abatmen. Dies hat zur Folge, dass die CO2-Konzentration im Blut sinkt, und dadurch der pH-Wert im Blut steigt (respiratorische Alkalose: respiratorisch = durch die Atmung bedingt). Das Ergebnis:
- Die Zellen können den Sauerstoff aus dem Blut schlechter aufnehmen.
- An den Zellen sind die Austauschvorgänge gestört.
- Die Konzentration an freiem Calcium im Blut sinkt (Hypokalzämie).
Interessant zu wissen: Das Gegenteil von Hyperventilation wird als Hypoventilation bezeichnet. Dabei befindet sich zu viel Kohlenstoffdioxid im Blut.
Psychische und Körperliche Ursachen führen zu Hyperventilation
Häufig hat Hyperventilation psychische Ursachen. Manchmal stecken aber auch körperliche Gründe dahinter. Allgemein wird unterschieden zwischen:
- akuter Hyperventilationsanfall: Ein plötzlicher, heftiger beziehungsweise akuter Anfall, der meist bei völlig gesunden Menschen auftritt.
- chronischer Hyperventilationsanfall: Bei Menschen, die chronisch hyperventilieren, steckt oft eine Störung oder Grunderkrankung dahinter.
Für ein psychisch bedingtes akutes Hyperventilationssyndrom können zum Beispiel folgende Belastungssituationen verantwortlich sein:
Mögliche körperliche Auslöser sind:
- Schwangerschaft
- Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
- Lungenembolie
- Asthma bronchiale
- Erkrankungen/Verletzungen des Gehirns, die sich auf das Atemzentrum auswirken, mitunter Tumoren, Gehirnentzündung (Enzephalitis), Schädel-Hirn-Trauma
- Vergiftungen (etwa durch Kohlenmonoxid, Nitroglycerin)
- Fieber
- Pneumothorax (Ansammlung von Luft im Brustkorb)
- Blutarmut (Anämie)
- Diabetes mellitus
- Harnvergiftung (Urämie)
- Sauerstoffmangel im Gewebe (Hypoxie)
Liegen körperliche Gründe vor, kann auch eine sogenannte Zirkularatmung dahinterstecken: Diese kommt zum Beispiel beim Spielen von Blasinstrumenten bewusst zum Einsatz – vor allem beim Spielen von Didgeridoos.
Wie wird die Diagnose bei Hyperventilation gestellt?
Ob die Diagnose einer Hyperventilation schnell gelingt, hängt vor allem von deren Symptomen ab. In akuten Fällen kann sie mithilfe einer Blutgasanalyse nachgewiesen werden, welche die Kohlendioxid-Konzentration und den pH-Wert des Bluts bestimmt.
Außerdem besteht die Möglichkeit, das Hyperventilationssyndrom zu Diagnosezwecken künstlich hervorzurufen: Hierzu muss der*die Patient*in drei Minuten lang schneller und tiefer atmen als normal. Wenn dieser Hyperventilationsversuch dieselben Beschwerden hervorruft, die auch im Alltag bei einem Hyperventilationsanfall auftreten, gilt die akute Hyperventilation als sicher diagnostiziert.
Diagnose bei chronischer Hyperventilation
Der Provokationstest bringt bei chronischen Fällen oft nichts, da der Körper sich bereits an das ständige Hyperventilieren gewöhnt hat und nicht mehr in dem Maße auf die verstärkte Atmung reagiert.
Deswegen ist die Krankengeschichte in chronischen Fällen in der Regel wichtiger für die Diagnose als bei der akuten. Entsprechend stellt der*die Arzt*Ärztin Fragen bezüglich
- Art und Dauer der Symptome,
- Vorerkrankungen und
- eventuell eingenommenen Medikamenten.
Wurde ein Hyperventilationssyndrom festgestellt, gilt es, mögliche körperliche Ursachen – wie Lungenerkrankungen, Herzschwäche und Erkrankungen des Gehirns – auszuschließen. Je nach vermuteter Ursache für die Hyperventilation können dann weitere Untersuchungen zum Einsatz kommen, beispielsweise:
- eine Blutuntersuchung,
- eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs,
- ein Elektrokardiogramm (EKG) oder
- eine Computertomographie (CT) des Kopfs.