Hodenschmerzen: Ein Mann liegt mit Schmerzen gekrümmt auf dem Sofa.
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Hodenschmerzen: Ursachen kennen – Symptome richtig deuten

Von: Jenni Graf (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 27.12.2022

Bei den Hoden handelt es sich um einen sehr empfindlichen Körperbereich – dem stimmt wahrscheinlich jeder Mann zu. Hodenschmerzen können dementsprechend stark belasten und Sorgen auslösen. Welche Ursachen kommen infrage und was hilft Betroffenen?

Hodenschmerzen: Unangenehm – aber nützlich?

Betroffene Männer beschreiben Hodenschmerzen als qualvolle Erfahrung, die durch Mark und Bein geht. Häufig löst allein der Gedanke Unbehagen und Schaudern aus. In erster Linie liegt das an der besonderen Schmerzempfindlichkeit der Keimdrüsen: Eingebettet im Hodensack werden sie von unzähligen Nerven durchzogen, die sie einerseits zu einer äußerst erogenen Zone machen – andererseits aber auch heftigste Schmerzen verursachen können.

Die Medizin vermutet hinter diesem Phänomen einen Kniff der Natur. Oberstes Ziel ist aus biologischer Sicht der Erhalt der Fortpflanzungsfähigkeit. Starke Schmerzen, die nachhaltig eine abschreckende Wirkung entfalten, erfüllen dabei als Schutzmechanismus einen wichtigen Zweck: Männer, die Hodenschmerzen einmal erlebt haben, geben ihr Bestes, diese Erfahrung nicht zu wiederholen.

Schmerzen im Bereich der Hoden sind grundsätzlich in jedem Alter möglich, manche Ursachen treten aber je nach Altersgruppe häufiger auf als andere. Entwickeln sich Hodenschmerzen

  • ohne klaren Auslöser,
  • äußern sie sich besonders stark oder
  • halten sie ungewöhnlich lange an,

empfiehlt sich unbedingt ein Arztbesuch. Um die Funktion der Hoden zu erhalten, muss der Auslöser ermittelt und passend behandelt werden.

Die Hoden übernehmen im männlichen Körper zwei Aufgaben: Sie bilden Spermien (Samenzellen) und das Hormon Testosteron. Dieser Botenstoff steuert beispielsweise die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale, den Aufbau von Muskeln und die Lust auf Sex (Libido).

Zusätzliche Symptome bei Hodenschmerzen

In vielen Fällen zeigen sich Hodenschmerzen in Kombination mit typischen Begleitbeschwerden. Am häufigsten gehen sie mit Übelkeit und Erbrechen einher: Die stechenden Schmerzen regen das vegetative Nervensystem und insbesondere den Vagusnerv an. Als Verbindung zwischen Kopf und Rumpf sendet der Vagusnerv wiederum Impulse an das Brechzentrum im Gehirn – dem Betroffenen wird übel. Schlimmstenfalls kann die Reaktion des Nervensystems so stark überschießen, dass der Betroffene kurz ohnmächtig wird (sogenannte vasovagale Synkope).

Abhängig von der konkreten Ursache für die Hodenschmerzen sind darüber hinaus noch weitere Symptome möglich:

  • starkes Schwitzen
  • Rötung
  • Bluterguss
  • Schwellung
  • Spannungsgefühl im betroffenen Hoden
  • Schmerzen beim Wasserlassen
  • tastbare Verhärtungen
  • Fieber
  • allgemeines Krankheitsgefühl

Dabei wichtig: Zusätzliche Beschwerden können auftreten, müssen es aber nicht tun. Wer sich unsicher fühlt – egal ob mit oder ohne weitere Symptome –, sollte die Hodenschmerzen ärztlich abklären lassen.

Ursachen: Was kann Hodenschmerzen auslösen?

Für Hodenschmerzen kommen die verschiedensten Auslöser infrage. Beruhigend für die Betroffenen: Meist besteht kein Grund zur Sorge. Dennoch ist es wichtig, Warnsignale richtig deuten zu können.

Hodenprellung

Bei der Hodenprellung handelt es sich um die wahrscheinlich häufigste Ursache von Hodenschmerzen. Sie entsteht, wenn stumpfe Gewalt auf die ungeschützten Hoden einwirkt – zum Beispiel bei einem Schlag oder Tritt, aber auch wenn (beispielsweise beim Fußball) ein Ball auf den Intimbereich prallt. Der Betroffene verspürt in diesem Fall zwar starke Schmerzen, muss ansonsten aber keine langfristigen Folgen befürchten.

Hodenruptur

Sind die Hoden extremer Gewalt ausgesetzt, die weit über einen "gewöhnlichen" Schlag oder Tritt hinausgeht, kann es zu einer Hodenruptur kommen. Dann nimmt die Kapsel aus Bindegewebe Schaden, die die Keimdrüse schützend umhüllt. Der Hoden reißt auf und tritt in den Hodensack aus. Um seine Funktion zu retten, ist zeitnah eine Operation notwendig. Gelingt die chirurgische Behandlung nicht – zum Beispiel, weil sie mehr als 72 Stunden nach der Ruptur stattfindet –, kann die Zeugungsfähigkeit auf Dauer reduziert bleiben.

Häufiger Sex

Berührungsempfindlichkeit und leichte Hodenschmerzen sind nach dem Sex völlig normal – insbesondere, wenn der betroffene Mann innerhalb weniger Stunden mehrmals Geschlechtsverkehr hatte. Auslöser sind hier Krämpfe im Bereich der Samenwege: Die Muskulatur reagiert auf die ungewöhnlich starke Beanspruchung durch ein- und ausströmendes Blut bei der entstehenden und wieder abklingenden Erektion. Meist beschränkt sich der Schmerz dabei nicht auf die Hoden, sondern strahlt in Richtung der Leisten und Lenden aus. Spätestens nach wenigen Stunden verschwindet er wieder.

Übrigens: Ob bei sexueller Erregung auch ein ausbleibender Orgasmus zu Hodenschmerzen führen kann, bleibt wissenschaftlich umstritten. Im Volksmund ist die Rede von Kavaliersschmerzen.

Hodentorsion

Die Diagnose Hodentorsion bedeutet, dass sich ein Hoden um die eigene Achse gedreht hat. Diese Rotation betrifft nicht nur die Keimdrüse selbst, sondern auch den Samenstrang – und damit die Versorgung des Hodens. Die reduzierte Blutzufuhr verursacht unter anderem plötzliche Schmerzen, die sich bei Berührung enorm verstärken. Um zu verhindern, dass der verdrehte Hoden ganz oder teilweise abstirbt, findet so schnell wie möglich eine Operation statt. Der*die Chirurg*in platziert den Hoden wieder richtig und entfernt möglicherweise geschädigtes Gewebe.

Eine Hodenverdrehung kann in jedem Lebensalter entstehen, tritt aber bei Säuglingen, Kleinkindern und Jugendlichen besonders häufig auf.

Drehung der Appendix testis

Auch bei einer Drehung der Appendix testis (medizinisch: Hydatidentorsion) verändert Gewebe seine Position im Hodensack und löst dadurch Beschwerden aus. Bei der Appendix testis handelt es sich um ein Anhängsel der Hoden und Nebenhoden aus der embryonalen Entwicklungszeit. Verdreht sie sich, erhält sie nicht mehr ausreichend Blut und beginnt allmählich abzusterben. Wegen der ähnlichen Beschwerden besteht Verwechslungsgefahr mit der Hodentorsion – wie auch die Hodenverdrehung wird die Drehung der Appendix testis als urologischer Notfall behandelt. Etwa bis zum zwölften Lebensjahr tritt die Hydatidentorsion gehäuft auf.

Wanderhoden

Bei Wanderhoden (auch Pendelhoden) handelt es sich um eine Sonderform des Hodenhochstands. Dabei liegen die Keimdrüsen überwiegend am vorgesehenen Platz im Hodensack – in bestimmten Situationen wandern sie allerdings nach oben in den Leistenkanal. Betroffene Männer berichten beispielsweise von Stress, Erregung oder auch Kälte als Auslöser. Sinken die Hoden im Anschluss nicht von selbst an ihren Platz zurück, können Hodenschmerzen entstehen.

Entzündung der Nebenhoden (Epididymitis)

Entzünden sich die Nebenhoden, sind dafür in der Regel Bakterien verantwortlich, die auch in den Harnwegen oder der Prostata Infektionen auslösen. Infrage kommen zudem Erreger von Geschlechtskrankheiten wie Tripper oder Chlamydien. Mit Bettruhe und Antibiotika lässt sich die Erkrankung gut behandeln – dennoch heilt sie meist nur langsam aus. Bis der Erkrankte wieder völlig beschwerdefrei ist, kann es bis zu sechs Wochen dauern.

Entzündung der Hoden (Orchitis)

Die Hoden selbst entzünden sich insbesondere im Zusammenhang mit einer Mumps-Infektion. Seltener lösen andere Viren oder Bakterien die Orchitis aus. Auftretende Symptome ähneln stark denen einer Nebenhodenentzündung, erkrankte Männer fühlen sich hier überwiegend aber bereits nach einer Woche wieder deutlich besser.

Krampfadern im Hoden

Aus anatomischen Gründen sitzt der linke Hoden etwas tiefer als der rechte. Das löst für sich genommen noch keine Beschwerden aus, kann aber auch schon bei jüngeren Männern das Risiko für Krampfadern im Hoden (Varikozelen) steigern. Unter Umständen fließt das Blut links schlechter aus dem Hoden ab; der häufige Rückstau weitet die Venen und löst gegebenenfalls Hodenschmerzen aus. Eine Behandlung ist meist erst nötig, wenn die Krampfader die Zeugungsfähigkeit einschränkt.

Hodenbruch (Skrotalhernie)

Im Lauf des Lebens kann das Bindegewebe zwischen Bauchraum und Hodensack allmählich schwächer werden. Kommt es zum Hodenbruch, sinkt Gewebe aus dem Bauch in den Hodensack ab. Besonders gefährdet sind Männer ab dem mittleren Lebensalter, die

  • allgemein unter Bindegewebsschwäche leiden,
  • als Leistungssportler tätig waren/sind,
  • Übergewicht haben oder
  • aus anderen Gründen häufig Druck auf die Bauchwand ausüben (zum Beispiel beim Pressen auf der Toilette oder bei starkem, chronischem Husten).

Besteht das Risiko, dass die Hoden oder ein Stück Darm eingeklemmt werden, rät der*die Arzt*Ärztin zu einer Operation, die die Öffnung wieder verschließt.

Seltene Ursachen für Hodenschmerzen

Zusätzlich gibt es einige weitere mögliche Ursachen für Hodenschmerzen. Dazu zählen auch Umstände, bei denen auftretende Schmerzen in Richtung der Hoden ausstrahlen können. Bekannt sind unter anderem:

  • Harnstein(e)
  • Leistenbruch beziehungsweise Schmerzen nach einer Leistenbruch-OP
  • Blinddarmentzündung
  • rupturiertes Bauchaortenaneurysma (Aussackung der Hauptschlagader, die einen Riss hat)
  • Fournier-Gangrän (bakterielle Infektion in der Leisten- und Genitalgegend, bei der befallenes Gewebe abstirbt)
  • Hodenkrebs

Hodenschmerzen: Wann zu welchem Arzt?

Die Frage, wann ein Mann mit Hodenschmerzen ärztlichen Rat suchen sollte, lässt sich nicht immer pauschal beantworten. Viel hängt davon ab, ob der Betroffene die Ursache für die Beschwerden kennt – zum Beispiel, weil ein Schlag auf den Intimbereich getroffen ist. Treten die Hodenschmerzen spontan auf, können einige Fragen dabei helfen, die Situation richtig einzuschätzen:

  • Halten die Schmerzen auch nach etwa einer halben Stunde noch genauso stark an?
  • Dauern die Schmerzen bereits seit mehreren Stunden oder sogar Tagen an?
  • Sind Schwellungen zu erkennen?
  • Treten die Schmerzen immer wieder auf?
  • Fühlt sich der Betroffene generell unwohl oder kommen allgemeine Krankheitszeichen hinzu?

Lautet die Antwort auf eine dieser Fragen "ja", wenden sich Betroffene am besten an ihre hausärztliche oder direkt an eine urologische Praxis.

Wichtig: Zeigen sich aus heiterem Himmel extrem starke Hodenschmerzen, kann es sich um einen urologischen Notfall handeln. In dieser Situation empfiehlt es sich, umgehend ein Krankenhaus aufzusuchen.

Was kann man gegen Hodenschmerzen machen?

Um Hodenschmerzen zu lindern, haben Betroffene und ihre Behandler*innen verschiedene Möglichkeiten. In den meisten Fällen reichen Hausmittel zur Behandlung aus – gegen Erkrankungen stehen Arzneimittel, bei Verdrehungen im Hodensack operative Verfahren zur Verfügung.

Hodenschmerzen: Hausmittel

Bei Hodenschmerzen ist Ruhe das A und O: Die Hoden sollten keinen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt werden. Stattdessen halten Betroffene am besten Bettruhe ein, bis die Beschwerden wieder abgeklungen sind.

Wenn es sich angenehm anfühlt, besteht außerdem die Möglichkeit, die Keimdrüsen behutsam zu kühlen. Dazu eignen sich ein mit Tüchern umwickelter Kühlakku oder Quarkwickel, wie sie auch bei anderen Schmerzen oder Entzündungen zum Einsatz kommen. Solange die Hodenschmerzen andauern, bieten sich darüber hinaus weite Unterhosen und Hosen an. Sie vermeiden weitere Reizungen.

Medikamentöse Therapie

Bei sehr starken, längerfristigen Hodenschmerzen können Schmerzmittel Linderung verschaffen. Wirkstoffe wie Ibuprofen und Acetylsalicylsäure reduzieren sowohl die Schmerzen als auch möglicherweise bestehende Entzündungen. Ergibt die ärztliche Untersuchung eine bakterielle Infektion als Ursache, finden zudem Antibiotika Anwendung. Virale Erkrankungen wie Mumps können dagegen nur symptomatisch behandelt werden.

Operative Behandlung

Eine Operation kommt nur dann infrage, wenn die Hodenschmerzen auf einen urologischen Notfall zurückgehen und die Funktion der Hoden gefährdet ist. In diesem Fall verfolgt ein chirurgischer Eingriff drei Ziele: die Erhaltung der Zeugungsfähigkeit, die Wiederherstellung der normalen Position im Hodensack und bei Bedarf die Entfernung von unwiederbringlich geschädigtem Gewebe.