Ein Mann trainiert seine Beine mit einer Faszienrolle.
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Faszientraining

Von: Till von Bracht (Medizinredakteur, M.A. Sportwissenschaften), Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 05.01.2022

Faszientraining hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen: In Fitnessstudios oder in Yoga-Kursen kann man zum Beispiel immer mehr Sportler*innen beobachten, die mit einer Kunststoffrolle gymnastische Übungen machen. Aber was genau versteht man eigentlich unter Faszientraining?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist Faszientraining?

Beim Faszientraining handelt es sich um ein gezieltes Training der Bindegewebshüllen, die wie ein Netz alle Muskelfasern, Muskeln, Knochen, Organe und Bandstrukturen umhüllen. Diese Gewebe – fachsprachlich Faszien genannt – besteht unter anderem aus kreuzförmig angeordneten Kollagenfasern und dehnbaren Elastinfasern.

Im Laufe des Lebens kann sich die geordnete Struktur der Faszien verändern – und zwar insbesondere durch

  • Unterforderung (durch Bewegungsmangel),
  • Überforderung (durch zu starke Belastung)
  • oder Fehlhaltungen.

Nach und nach bilden sich zwischen den einzelnen Kollagenfasern Querverbindungen, was die Faszien zunehmend verhärten und verkleben lässt. Dies wiederum schränkt die Funktionalität der Muskeln ein und kann zu unterschiedlichen Beschwerden führen – zum Beispiel zu Verspannungen, die wiederum Nacken-, Schulter- oder Rückenschmerzen hervorrufen können.

Ein Faszientraining zielt darauf ab, die verklebten Faszien neu zu strukturieren und so das Gewebe wieder elastischer zu machen. Dazu eignen sich vor allem spezielle Dehn- und Bewegungsübungen sowie Massagen. Bis sich durch ein regelmäßiges Faszientraining die Verhärtungen der Faszien gelöst haben, dauert es allerdings einige Monate bis Jahre.

Besonders beliebt ist das Faszientraining mit einer Faszienrolle. Dabei handelt es sich um eine harte Schaumstoffrolle, die sowohl eine Art "intensive Selbstmassage" als auch ein Kraft- und Koordinationstraining ermöglicht.

Neben Übungen mit der Faszienrolle umfasst ein ausgewogenes Faszientraining aber auch

  • Dehnübungen,
  • federnde Bewegungen wie das Seilspringen,
  • Massagen mit einem Tennisball
  • und Übungen zur Körperwahrnehmung (z. B. Gleichgewichtsübungen auf einem Wackelbrett).

Ein isoliertes Faszientraining ist im Grunde nicht möglich – schließlich bilden Faszien und Muskeln eine Einheit. Wer sich bewegt, dehnt und seine Muskeln trainiert, trainiert dabei auch automatisch seine Faszien.

Viele Sportler*innen führen schon seit Jahren im Rahmen ihres üblichen Trainings Übungen durch, die auch Bestandteile des Faszientrainings sind – zum Beispiel Dehnübungen oder Gleichgewichtsübungen. Das "Besondere" am Faszientraining sind also nicht die Übungen an sich, sondern die damit erwarteten Auswirkungen auf das Bindegewebe.

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Was bringt Faszientraining?

Viele versprechen sich mit dem Faszientraining eine Reihe positiver Wirkungen. So soll ein regelmäßig durchgeführtes Faszientraining zum Beispiel

  • die Belastbarkeit von Sehnen und Bändern erhöhen,
  • Gelenk- und Muskelschmerzen lindern,
  • die Beweglichkeit erhöhen,
  • die Muskulatur vor Verletzungen schützen,
  • für eine raschere Regeneration sorgen
  • und den Körper in Form halten.

Inwiefern sich die erwarteten Effekte mit einem langfristigen Faszientraining besser erreichen lassen als mit anderen Bewegungsformen (z. B. Pilates oder Jogging), bleibt nach derzeitigem Forschungsstand allerdings fraglich.

Fest steht: Faszientraining allein ist kein Allheilmittel – es kann das normale Kraft- und Ausdauertraining nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.

Wer keine Beschwerden hat und sich regelmäßig bewegt, benötigt in der Regel kein spezielles Faszientraining. Wer jedoch aufgrund von Bewegungsmangel oder Fehlhaltungen unter Schmerzen und Verspannungen leidet, bei dem kann ein ausgewogenes Faszientraining zur Linderung der Beschwerden beitragen.

Was sind Faszien?

Faszien sind zähe Häute aus Bindegewebe, die wie eine dünne Folie jeden Muskel, jeden Knochen und jedes Organ umhüllen. Allgemein gesagt gehören zu den Faszien alle kollagenen, faserigen Bindegewebe im Körper – also auch das Unterhautbindegewebe, die Sehnenkapseln und das Bindegewebe innerhalb der Muskeln.

Faszien erfüllen im menschlichen Körper viele wichtige Funktionen – sie

  • trennen verschiedene Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Organe voneinander ab,
  • verleihen dem Körper Form, Stabilität und Schutz,
  • fördern den Lymphfluss und spielen allgemein bei Stoffwechselvorgängen eine wichtige Rolle,
  • übertragen die Kraft der Muskeln auf die Knochen
  • und können wie eine Sprungfeder Energie speichern und wieder abgeben.

Die Bezeichnung "Faszien" leitet sich von dem lateinischen Begriff fascia ab und bedeutet so viel wie Band oder Bündel. Faszien bestehen hauptsächlich aus mehreren Schichten weißlicher Kollegenfasern vom Typ 1. Die Kollagenfasern lassen sich kaum dehnen, dafür sind sie sehr widerstandsfähig. Zwischen den kollagenen Fasern liegen relativ kurze elastische Fasern, die vor allem aus dem gummiartigen Protein Elastin und weiteren kleinsten Fasern, den sogenannten Mikrofibrillen, bestehen.

Die Fasern sind umgeben von einer wässrigen Grundsubstanz, die verschiedene Nährstoffe enthält – zum Beispiel Hyaluronsäure und Sulfate.

Je nachdem, an welchen Stellen im Körper sich die Faszien befinden und welche Funktionen sie dort erfüllen, variiert der Anteil an dehnbaren Elastinfasern und zähen Kollagenfasern. Die große, seitlich der Wirbelsäule verlaufende Rückenfaszie (Fascia thoracolumbalis) und die Plantarfaszie unter dem Fuß enthalten zum Beispiel besonders viel Kollagen, da sie hohen Belastungen standhalten müssen. Es gilt: Je höher die mechanische Belastung, desto fester die Faszie.

Darüber hinaus enthalten Faszien zahlreiche Sinneszellen. Man unterscheidet Vater-Pacini-Körperchen, Ruffini-Körperchen, Golgi-Apparate und interstitielle (= im Zwischengewebe liegende) Rezeptoren. Diese Sinneszellen registrieren

  • sämtliche Körperbewegungen,
  • die Lage einzelner Körperteile zueinander,
  • Spannungsveränderungen in den Organen
  • und mechanische Reize wie Dehnung und Druck.

Anschließend leiten sie diese Informationen weiter an das zentrale und das vegetative Nervensystem.

Stimuliert man die Sinneszellen in den Faszien – etwa durch Dehnübungen oder durch ein Faszientraining mit einer Faszienrolle – steigt die Durchblutung in den umliegenden Gefäßen und die Muskeln entspannen sich. Auf diese Weise kann ein Faszientraining dazu beitragen, Verspannungen zu lösen und Schmerzen zu lindern.

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Faszien können sich verändern

Normalerweise sind die Kollagenfasern der Faszien wellenförmig und ähnlich einem Scherengitter angelegt – diese Anordnung und die enthaltenden Elastinfasern verleihen den Faszien eine gewisse Elastizität. Infolge ständiger Fehlhaltungen, Überlastungen oder Bewegungsmangel – aber auch im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses – verändert sich die Struktur der Faszien.

Insbesondere durch Bewegungsmangel kommt es innerhalb der Faszien zu einem Verlust von Hyaluronsäure und Wasser. Dies führt dazu, dass sich die einzelnen Kollagenfasern einander annähern.

Zwischen den einzelnen Kollagenfasern bilden sich nach und nach zusätzliche Querverbindungen (sog. Crosslinks). Die einzelnen Fasern verkleben, wodurch die Elastizität der betroffenen Faszien insgesamt abnimmt.

Dies ist vergleichbar mit einem Einkaufsnetz, das sich durch seine gitterförmige Struktur gut dehnen lässt. Bringt man nun jedoch ungeordnete Querverbindungen ein, sinkt die Dehnbarkeit des Einkaufsnetzes.

Wissenschaftler unterscheiden zwischen reversiblen, wasserlöslichen Querverbindungen und festen, nicht wasserlöslichen Crosslinks. Wasserlösliche Crosslinks lassen sich durch Bewegung leicht lösen, feste Crosslinks erfordern spezielle Maßnahmen – zum Beispiel ein Faszientraining.

Faszientraining: Übungen

Verklebte Faszien können die Ursache verschiedener Beschwerden wie Verspannungen oder Rückenschmerzen sein. Die gute Nachricht: Mit gezielten Übungen kann man die Verklebungen lösen und die Faszien wieder elastischer machen.

Faszientraining: Wie oft und wie lange?

Bis die Faszien jedoch wieder so flexibel sind, wie sie sein sollten, dauert es unter Umständen einige Monate oder sogar Jahre. Wichtig ist, dass das Faszientraining regelmäßig und über einen längeren Zeitraum stattfindet. Es wird empfohlen, die Faszien zwei- bis dreimal pro Woche für etwa 15 Minuten zu trainieren.

Faszientraining ist sehr vielfältig: Einige Übungen lassen sich zuhause durchführen und benötigen keine speziellen Hilfsmittel oder Sportgeräte – andere hingegen erfordern eine spezielle Massagerolle, auch Faszienrolle genannt.

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Übungen mit der Faszienrolle

Das Training mit der Faszienrolle ist vergleichbar mit einer intensiven Selbstmassage. Meistens legt man sich dabei auf den Boden und rollt vorsichtig mit den betroffenen Muskeln über die Rolle.

Je nach Körperregion kann das Faszientraining mit der Faszienrolle anfangs allerdings etwas schmerzhaft sein. Das liegt daran, dass bei einigen Übungen fast das komplette Körpergewicht auf der Rolle lastet. Der dabei erzeugte Druck ist sehr hoch, regt aber die Durchblutung an und hilft dabei, Verklebungen und Verhärtungen zu lösen.

Wer Probleme bei der Ausführung der Bodenübungen hat oder wem der Druck zu unangenehm ist, der kann die Übungen für den Rücken, die Arme, den Nacken- oder den Schulterbereich auch im Stehen an der Wand durchführen.

Wichtig beim Faszientraining mit der Faszienrolle ist die Geschwindigkeit, mit der die Bewegung ausgeführt wird. Um die Faszien zu lockern und Elastizität zurückzugewinnen, sollte man die Übungen bewusst langsam durchführen – Expert*innen empfehlen, mit einer Geschwindigkeit von etwa ein bis zwei Zentimeter pro Minute über die betroffenen Stellen zu rollen.

Mittlerweile setzen viele Sportler*innen das Faszientraining auch zum Aufwärmen vor dem Sport ein. In diesem Fall sollte man allerdings etwas schneller über die Faszienrolle rollen.

Die richtige Faszienrolle

Faszienrollen gibt es in vielen verschiedenen Farben, Größen und Härtegraden – einige von ihnen sind glatt, andere haben Rillen oder eine mehr oder weniger stark genoppte Oberfläche. Darüber hinaus findet man mittlerweile auch Faszienrollen in anderen Formen, beispielsweise in Form zweier aneinandergeklebter Kugeln.

Generell gilt: Je härter die Faszienrolle, desto schmerzhafter das Faszientraining. Anfänger oder schmerzempfindliche Menschen sollten daher zunächst zu einer etwas weicheren Faszienrolle greifen.

Wer schon längere Zeit mit einer weichen oder einer mittelharten Faszienrolle trainiert, kann auf eine harte Faszienrolle umsteigen. Auch für sehr muskulöse Sportler*innen sind harte Faszienrollen manchmal besser geeignet, da sie ein besonders intensives Faszientraining ermöglichen.

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Die klassische Faszienrolle ist zwischen 30 und 45 Zentimeter lang und besitzt einen Durchmesser von rund 15 Zentimetern – einige Rollen können aber auch etwas dünner ausfallen. Mit der klassischen Faszienrolle lassen sich im Prinzip alle größeren Muskelgruppen trainieren – zum Beispiel die Rückenmuskulatur oder die Beine.

Wer gezielt kleinere Körperpartien wie die Faszien unter den Füßen oder in den Armen trainieren möchte, kann auch auf eine Mini-Faszienrolle zurückgreifen. Diese Faszienrollen sind etwa 15 Zentimeter lang und haben einen Durchmesser von 5 Zentimetern – sie eignen sich daher auch gut für das Faszientraining an der Wand.