Die Diagnose einer schweren Krankheit stellt das Leben der Betroffenen auf den Kopf. Viele stehen danach vor der Frage: Wie teile ich es meinem Umfeld mit? Im Dezember 2024 hatten Sie die Möglichkeit, unsere Expertin Dr. med. Adak Pirmorady Sehouli von der Charité Berlin um Rat zu fragen – hier kommen die Antworten.
Sie ist Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Leiterin der Hochschulambulanz für Psychosomatik am Campus Benjamin Franklin der Charité Berlin. Nach ihrem Medizinstudium und ihrer Promotion an der Charité spezialisierte sich Dr. med. Pirmorady Sehouli auf die Verbindung von somatischer und psychischer Gesundheit.
Vor allem die Kommunikation bei Erkrankungen wie Krebs, Schuppenflechte (Psoriasis) oder die Herzerkrankung HCM (hypertrophe Kardiomyopathie) gestaltet sich oft schwierig. Ein offener Umgang mit der Krankheit und den möglichen Sorgen kann das Leben von Betroffenen und Angehörigen jedoch erleichtern.
Bis zum 16.12.2024 konnten Sie hier Ihre Fragen rund um die Kommunikation schwerer und chronischer Erkrankungen stellen. Ausgewählte Antworten unserer Expertin lesen Sie nun hier.
Wie kann ich meinen Kindern (6 und 10 Jahre) eine schwere Erkrankung der Lieblingsoma erklären, ohne ihnen Angst zu machen?
Es ist sinnvoll, zunächst die besondere Bedeutung der Großmutter in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Bedeutung bleibt unverändert. Mit den Kindern kann besprochen werden, warum sie die „Lieblingsoma“ ist – diese besondere Verbindung bleibt bestehen.
Eine körperliche Erkrankung ist zwar eine Herausforderung auf der materiellen Ebene, aber der Mensch besitzt die innere Stärke, durch seine geistige Haltung zu unterstützen. Das sollte den Kindern auf eine kindgerechte Weise erklärt werden. Darüber hinaus empfehle ich, Kinderbücher zu nutzen, die das Thema einfühlsam und altersgerecht aufbereiten.
Aller Voraussicht nach ist meine Tante an Demenz erkrankt. Sie weigert sich jedoch, die Diagnose ärztlich bestätigen zu lassen. Auch das Umfeld ist bisher nicht informiert. Wie gehe ich behutsam mit meiner Tante um und bringe sie dazu, zum Arzt zu gehen?
Ihre Tante hat das Recht, die Diagnose Demenz "nicht wissen zu wollen" – es gibt also das Recht auf Nicht-Wissen. Der einzige Weg, sie möglicherweise zu erreichen, ist, mit authentischer Liebe und Sorge die Beziehung zu ihr zu stärken.
Das bedeutet, sie zu begleiten, ihr zuzuhören, bei ihr zu sein und Beziehungsangebote zu machen – etwa bei einer gemeinsamen Tasse Tee. Dabei könnten Beobachtungen behutsam angesprochen werden, zum Beispiel: "Ich merke, manches fällt dir schwerer als früher" oder "Weißt du noch, als wir damals gemeinsam…?" Mit einer stabilen Beziehung kann sie vielleicht ermutigt werden, sich der beängstigenden Diagnose zu stellen. Falls dies nicht gelingt, ist es wichtig, eine angemessene pflegerische Betreuung zu organisieren.
Folgefrage: Wie kommuniziere ich das im (privaten) Umfeld?
Es ist nicht Ihre Aufgabe, die Diagnose mitzuteilen – es sei denn, es besteht Eigen- oder Fremdgefährdung. In diesem Fall geht es um sozialmedizinische Versorgungsfragen.
Seit meinem 18. Lebensjahr leide ich an Schuppenflechte. Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer mehr zurückziehe, weil ich nicht möchte, dass andere mich so sehen. Wie finde ich den Mut, wieder unter Menschen zu gehen?
Zunächst Kontakte in geschützten Räumen knüpfen, etwa mit Menschen, die aufgrund ähnlicher Diagnosen ähnliche Ängste haben. Auf diese Weise kann man Schritt für Schritt mit den neu gewonnenen Kontakten wieder mehr ins Außen zurückfinden.
Ich bin seit einem Jahr an Brustkrebs erkrankt. Ich sehe, wie meine Familie leidet, weil sie nicht weiß, wie sie mir helfen kann. Wie kann ich mit ihnen über meine Krankheit sprechen, ohne dass es sie belastet?
Das Leid der Familie steht derzeit nicht im Vordergrund – das eigentliche Problem ist der Brustkrebs. Alle Energie sollte darauf verwendet werden, wohltuende Momente zu schaffen. Die Kommunikation mit der Familie sollte darauf ausgerichtet sein, wie das Umfeld dabei einbezogen werden kann, heilsame Augenblicke zu gestalten. Genau darauf sollte der Fokus bei der Kommunikation liegen.
Meine beste Freundin ist an Brustkrebs erkrankt und sehr verzweifelt. Wie kann ich ihr Mut machen und mit ihr reden, ohne die Situation herunterzuspielen oder ihre Ängste weiter zu schüren?
Der Schlüssel ist, einfach "da zu sein" – wie ein Kelch, bereit, das aufzufangen, was sie teilen möchte. Zusätzlich können Sie ihr einen stabilen Rahmen geben, indem Sie feste Routinen schaffen, wie zum Beispiel: „Dienstag ist unser Tag, da sehen wir uns wieder.“ Wenn Sie authentisch und präsent bei ihr sind, wird sie das vermutlich spüren und ihre Ängste ein Stück weit loslassen können.
Ich bin vor 6 Monaten an Darmkrebs erkrankt und gehe durch eine schwere Zeit. Meine Freunde laden mich immer weniger ein, wahrscheinlich, weil ich oft absagen muss. Wie kann ich ihnen zeigen, dass ich sie trotzdem in meinem Leben brauche?
Mit ansprechend gestalteten, handschriftlichen Briefen, die authentisch und auf persönliche Weise dieses Gefühl ausdrücken. Schreiben kann eine therapeutische Wirkung haben – selbst wenn die Freunde es nicht nachvollziehen, bleibt der positive Effekt für die schreibende Person bestehen.
Ich liebe meinen Job, aber ich habe Angst, dass ich den Anforderungen irgendwann nicht mehr gerecht werde, denn aktuell muss ich mich einer längerfristigen Chemotherapie unterziehen. Wie gehe ich damit um, wenn mein Körper mich im Stich lässt?
Der Körper hat lange und verlässlich funktioniert. Er lässt einen nicht "im Stich", sondern benötigt möglicherweise einfach eine Pause. Auch wenn er sich gerade anders verhält als erwartet, bleibt er ein großartiges Konzept. Dem Arbeitgeber gegenüber würde ich Transparenz zeigen und offen über Ängste sowie vorhandene oder fehlende Möglichkeiten sprechen.
Aus meinem Team sind zwei Mitarbeiter aktuell an Krebs erkrankt. Leider zieht es das gesamte Team herunter. Wie schaffe ich es, wieder eine positive Grundstimmung im Team herzustellen?
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass es eine große Teamkompetenz ist, mit den beiden Kollegen mitzufühlen. Antizipationsfähigkeit ist ein großer Reichtum, den nicht jedes Team überhaupt besitzt.
Ich bin unheilbar an Krebs erkrankt. Es gibt Tage, an denen ich einfach nicht mehr kämpfen will. Wie finde ich in solchen Momenten neue Hoffnung und Energie?
Sich bewusst zu machen, was in schwierigen Situationen bereits einmal geholfen hat – zum Beispiel alte Fotoalben ansehen, Spaziergänge machen, Erinnerungen teilen oder wichtige Menschen in belastende Gedanken einbeziehen – kann helfen, gemeinsam etwas Positives zu entwickeln. Auch der Beginn einer Psychotherapie kann ein hilfreicher Schritt sein.
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