Fingernägel kauen: Ursachen, Behandlung und Folgen
Fingernägel kauen – für viele ist das eine lästige Angewohnheit. Für manche aber ist es eine Qual. Weil sie nicht aufhören können, die Nägeln und die umliegende Haut abzubeißen, bis es blutet. Welche Ursachen und Folgen es gibt und welche Behandlungen möglich sind.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Häufige Fragen zum Fingernägelkauen
Fingernägelkauen gehört zu den Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und der Jugend. Manche Fachleute zählen es jedoch vor allem in seiner exzessiven Form zu den Zwangsstörungen, Impulskontrollstörungen oder – in extremen Fällen – auch zum selbstverletzenden Verhalten.
Bei gelegentlichem Nägelkauen helfen spezielle Lacke mit Bitterstoffen, die Nägel kurz halten und Finger für Finger einzeln abgewöhnen oft, das Fingernägelkauen in den Griff zu bekommen.
Fingernägel kauen im Überblick
Die Hände gelten als die Visitenkarte eines Menschen. Gepflegt sollen sie sein, mit möglichst schönen Fingernägeln. Doch es gibt viele Menschen, die Nägel kauen. Sie knabbern mit ihren Zähnen an den verhornten Zellen der Fingerspitzen, kürzen sie und beißen manchmal auch die Nagelhaut drumherum mit ab. Fachleute nennen dieses Verhalten auch Onychophagie (von griech. onychos = Nagel und griech. phagein = kauen).
Vor allem bei Kindern und Jugendlichen ist diese Gewohnheit häufig und beginnt meist im Alter von drei bis vier Jahren. Fachleute gehen davon aus, dass etwa 30 von 100 Kindern und 45 von 100 Jugendlichen an ihren Fingernägeln knabbern. Oft ist dies unbedenklich und hört nach einer Weile wieder von alleine auf. Manchmal wird das Nägelkauen aber auch chronisch, bleibt im Erwachsenenalter bestehen und nimmt ungesunde Ausmaße an.
Nägelkauen ist kein geschlechterspezifisches Phänomen: Männer und Frauen tun es gleich häufig. Auch gibt es größtenteils keine Präferenz für einen bestimmten Finger. Betroffene, die in der Kindheit oder Jugend an den Fingernägeln geknabbert haben, "ersetzen" diese Gewohnheit als Erwachsene oft durch andere, bei der der Mund beschäftigt wird, zum Beispiel Rauchen, Kaugummi kauen oder an Stiften knabbern.
Bei Personen, die nur hin und wieder an den Fingernägeln kauen, ist dies vor allem ein kosmetisches Problem. Wenn das Nägelkauen jedoch häufig und unkontrolliert passiert, kann es zusätzlich zu Komplikationen wie Entzündungen führen.
Fingernägel kauen: Welche Folgen sind möglich?
Mögliche Folgen von exzessivem Nägel-Kauen sind unter anderem
- eine dauerhafte Schädigung des Nagels und der Nagelhaut,
- Entzündungen des Nagelbetts,
- Zahnfleischentzündungen und
- Zahnprobleme sowie Zahnfehlstellungen.
Auch Beschwerden der Kaumuskulatur oder des Kiefergelenks (sog. kraniomandibuläre Dysfunktion) können durch sehr starkes Nägel-Beißen auftreten.
Fingernägel kauen kann aber nicht nur körperliche Beschwerden mit sich bringen, sondern auch psychische Probleme. Denn oft schämen sich die Betroffenen für ihre abgeknabberten Nägel, für die beschädigte Nagelhaut und dafür, dass sie nicht aufhören können, an den Nägeln zu kauen. Dies kann dazu führen, dass sie sich zurückziehen, ihre Hände nicht zeigen wollen und deshalb ihre sozialen Kontakte sehr weit einschränken.
Ursachen: Nur Stress oder schon Verhaltensstörung?
Die Ursachen für Nägel-Kauen sind häufig Anspannung, Stress und Frustration, sowie Langeweile und "geistiger Leerlauf". Das Nägel-Kauen dient dann der Entspannung und Beschäftigung. Auch "schlechte" Vorbilder können der Grund dafür sein, dass ein Kind anfängt, an seinen Fingernägeln zu kauen. Wenn also zum Beispiel die Eltern oder enge Freunde an den Nägeln knabbern, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich ein Kind dieses Verhalten abschaut.
Obwohl es sehr viele Menschen tun, ist Fingernägel-Kauen wissenschaftlich noch nicht ausgiebig untersucht. Es ist daher schwierig, eindeutige Aussagen zu den Ursachen für das Knabbern an den Fingernägeln zu treffen oder darüber, wie man sich das Fingernägel-Kauen wieder abgewöhnen kann.
Starkes Nägel-Kauen tritt manchmal auch als Symptom einer psychischen Krankheit auf. Menschen mit folgenden Störungen neigen häufiger dazu, an den Fingernägeln zu knabbern, als andere Menschen:
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung)
- Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten
- Tic-Störungen
- Angststörungen
- Bindungsstörungen
Manche Menschen – laut Studien vor allem Männer – beißen ganz bewusst an den Nägeln. Sie unterbrechen andere Handlungen, um die Nägel mit den Zähnen zu "maniküren". Wohl wissend, dass sie ihren Händen damit eher schaden, als sie zu pflegen. Andere Betroffene – vor allem Frauen – knabbern wiederum unbewusst an den Nägeln. Es passiert ganz nebenbei: Beim Fernsehen, Lesen oder in der Schule beim Lösen kniffliger Aufgaben wandern ihre Finger zum Mund, und sie fangen an zu beißen. Vor allem stark beißende Personen bemerken dies oft erst, wenn die Nagelhaut zu bluten beginnt.
Was hilft gegen Fingernägel-Kauen?
Ob nun lästige Gewohnheit oder Qual: An den Fingernägeln zu kauen ist eine erlernte Angewohnheit, die man sich also auch wieder abgewöhnen kann. Kinder nicht ausschimpfen, sondern ruhig auf ihr Nägel-Kauen und die möglichen Folgen aufmerksam machen. Dann hören sie nach einer Weile meist ganz von alleine wieder auf.
Menschen, die nur leicht die Fingernägel kauen, können diese Tipps helfen:
- Nägel kurz schneiden.
- Um das Knabbern unangenehmer zu machen, kann man bitter schmeckenden Nagellack auf die Nägel auftragen. Diesen gibt es rezeptfrei in der Apotheke.
- In Situationen, in denen man zum Nägel-Kauen neigt, Handschuhe tragen.
- Künstliche Nägel: Diese sind so hart, dass die Zähne ihnen kaum etwas anhaben können – und die eigenen Nägel sind unter ihnen geschützt.
Wer stark an den Fingernägeln kaut, hat diese Tricks wahrscheinlich schon einmal ausprobiert – vielleicht mit wenig oder nur mäßigem Erfolg. Denn dann steht das Nägel-Kauen möglicherweise in einem Zusammenhang mit einer psychischen Störung wie einer Zwangs-, Angst- oder Bindungsstörung. Dann geschieht es in der Regel aus einem starken inneren Druck heraus, der sich nicht so einfach abstellen oder austricksen lässt.
Verhaltenstherapie bei Nägel-Kauen
Häufig schämen sich Betroffene für das Nägel-Kauen und ihre unansehnlichen, vielleicht sogar entzündeten Hände und Nägel. Dennoch können sie nicht aufhören und schaffen es nicht, es sich abzugewöhnen. In solchen schweren Fällen kann eine Verhaltenstherapie helfen, insbesondere ein sogenanntes Habit Reversal Training (dt. Reaktionsumkehr).
Bestandteile der Verhaltenstherapie bei Nägel-Kauen:
- Reaktionsumkehr (engl. Habit Reversal): Bei der Reaktionsumkehr geht es darum, alternative Verhaltensweise einzuüben, mit denen die Betroffenen auf den Impuls reagieren können, an den Nägeln zu kauen. Dafür müssen sie zunächst ein Bewusstsein dafür entwickeln, wann, wie und in welchen Situationen sie zum Nägel-Kauen neigen. Die trainierten "Ersatzhandlungen", zum Beispiel ein kräftiges Schließen der Faust, sollen das Knabbern dann unmöglich machen.
- Entspannungstechniken: Da dem Nägel-Kauen meist eine innere Unruhe und Anspannung vorausgeht, ist es wichtig, dass die Betroffenen lernen, sich bewusst zu entspannen. Deshalb erlernen sie in einer Verhaltenstherapie Techniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung, die sie in "gefährlichen" Situationen anwenden können.