Man sieht eine Illustration von Bifidobakterien.
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Bakterien: Morphologie und Klassifikation

Von: Onmeda-Redaktion, Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 13.10.2020

Bakterien sind kleine, einzellige Lebewesen und zählen zu den Mikroorganismen. Ihre Größe liegt je nach Art zwischen 0,3 und 5 Mikrometer (µm). Im Vergleich zu Viren sind sie beinah riesig. Erfahren Sie mehr über Morphologie und Klassifikation von Bakterien.

Morphologie

Bakterien sind Einzeller, besitzen aber keinen echten Zellkern. Das Erbgut besteht bei Bakterien aus DNA, die sozusagen "nackt" in der Zelle vorliegt. Die DNA schwimmt jedoch nicht unorganisiert im Zellplasma (Zytoplasma) herum, sondern ist normalerweise an ein oder mehreren Stellen an der Zytoplasma-Membran der Zelle fixiert. Bei Bakterien spricht man deshalb auch von einem Kernäquivalent.

Wegen dieser besonderen Eigenschaft zählt man Bakterien zu den sogenannten Prokaryoten. Das Wort leitet sich von den griechischen Begriffen pro (= anstatt) und karyon (= Kern) ab und bedeutet demnach so viel wie Kernersatz.

Im Unterschied zu Bakterien liegt die DNA in pflanzlichen, tierischen und menschlichen Zellen geschützt in einem Zellkern. Man zählt diese deshalb zu den Eukaryoten (griech. eu = gut, karyon = Kern).

Je nachdem, welche Merkmale man betrachtet, lassen sich Bakterien in verschiedene Gruppen unterteilen. Solche Merkmale können zum Beispiel Form und Struktur sein, aber auch Färbungsverhalten, Übertragungswege oder die Fähigkeit zur Sporenbildung.

Lesetipp:Bakterien – Aufbau und Struktur

Bakterien: Morphologie

Bakterien lassen sich anhand ihrer Morphologie, also ihrer Form und Struktur, in drei Grundformen einteilen: Kokken, Stäbchen und schraubenförmige Bakterien.

Kokken

Bei Kokken handelt es sich um kugelig runde bis leicht ovale Bakterien. Ihr Durchmesser beträgt circa 1 Mikrometer (µm), das entspricht 0,001 Millimeter. Der Begriff Kokken stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Kugeln oder Beeren.

Kokken treten entweder einzeln auf oder lagern sich zusammen als

  • brötchenähnliche Paare (Diplokokken),
  • Vierergruppen (Tetraden),
  • Achtergruppen (Sarcinen),
  • größere, traubenartige Haufen (z. B. bei Staphylokokken wie Staphylococcus aureus) oder
  • Ketten (z. B. bei Streptokokken wie Streptococcus pyogenes).

Stäbchen

Stäbchenförmige Bakterien können plump (kokkoid) oder schlank aussehen. Die Enden der Stäbchen sind entweder spitz, abgerundet oder beinah rechteckig. Beispiel für Stäbchen-Bakterien sind unter anderem die Arten Escherichia coli, Mycobacterium tuberculosis oder Bacillus anthracis.

Schraubenförmige Bakterien

Manche Bakterien sind schraubenförmig gewunden. Unter dem Lichtmikroskop lassen sich die Windungen zum Teil gut erkennen. Nach der Art ihrer Windungen unterscheidet man:

  • Spirillen: starre, schlanke Bakterien, deren Gestalt mehrere weite Windungen aufweist (z. B. Spirillum minus)
  • Borellien: sehr schlanke und flexible Bakterien, deren Gestalt mehrere weite Windungen aufweist (z. B. Borrelia burgdorferi)
  • Treponemen: extrem schlanke Bakterien mit vielen engen, korkenzieherartigen Windungen (z. B. Treponema pallidum pallidum)
  • Leptospiren: extrem schlanke, fadenartige Bakterien mit aktiv-flexibler, kleiderbügel- oder hakenähnlicher Gestalt und sowohl kleinen, kaum wahrnehmbaren als auch eher groben Windungen (z. B. Leptospira interrogans)

Gramfärbung

Außerdem lassen sich Bakterien durch Färbemethoden unterscheiden. So unterscheidet zum Beispiel die sogenannte Gramfärbung (benannt nach dem dänischen Forscher H. C. Gram), ob Bakterien

  • grampositiv oder
  • gramnegativ sind

und gibt damit Auskunft über die Zusammensetzung der Zellwand. Die Zellwand von Bakterien enthält als Baustein Peptidoglykan (Murein) in unterschiedlicher Dicke. Je nach Dicke der Peptidoglykanschicht kann die Zellwand den Farbstoff Gentianaviolett mehr oder weniger gut binden.

Bei grampositiven Bakterien ist die Peptidoglykanschicht dicker, sie färben sich dunkelviolett. Bei gramnegativen Bakterien ist die Peptidoglykanschicht dünner und die Färbung fällt heller, eher rötlich aus.

Mit der Gramfärbung erhält man also auf einfache Weise Informationen über den Aufbau der Zellwand. Das Wissen über den Aufbau der Zellwand hilft in der Medizin bei der Entscheidung, welche Antibiotika zum Einsatz kommen. Denn für grampositive Bakterien benötigt man andere Antibiotika als für gramnegative Bakterien.

Lesetipp:Aufbau der bakteriellen Zellwand

Übertragung

Bakterien können über Luft, Wasser, Boden und Körpersubstanzen wie Blut, Stuhl, Urin und andere Körpersekrete übertragen werden.

Sporen

Manche Bakterienarten (z. B. Bacillus anthracis oder Clostridium botulinum) können sogenannte Sporen bilden. Darunter versteht man sehr resistente Dauerformen, die auch widrigsten Umweltbedingungen zum Teil über Jahrzehnte trotzen können. Man sogar davon aus, dass Sporen sich bei starken Minustemperaturen unbegrenzt halten können – etwa in Flüssigstickstoff (ca. -200 °C).

Sind die Lebensumstände ungünstig (z. B. bei Nahrungsknappheit) wandeln sich einige Bakterienarten in Sporen um (sog. Sporenbildner) und erhöhen so ihre Überlebenschance auch bei extremen Umweltbedingungen. Bei Sporen findet kaum noch ein Stoffwechsel statt, alles ist auf das Notwendigste heruntergefahren und auch die Zellwand wird stärker. Auf diese Weise überstehen sporenbildende Bakterien zum Beispiel:

  • Trockenheit
  • Hitze (auch langes Kochen)
  • Chemikalien
  • Strahlung (UV-Strahlung allerdings nur bedingt)

Verbessern sich die Umweltbedingungen, können sich Sporen wieder in "aktive" Bakterien umwandeln und dann auch wieder vermehren.

Lesetipp: Leben auf Sparflammen – Sporenbildung als Schutz gegen ungünstige Umweltbedingungen

Bakterienklassifikation

Die Bakterienklassifikation ist ein Teil der systematischen Bakteriologie und auch für den medizinischen Alltag wichtig. Denn krankmachende Bakterien lassen sich so in Kategorien einordnen und leichter identifizieren. Das ermöglicht es, die Erreger mit der passenden Therapie zu bekämpfen.

Bei der Bakterienklassifikation geht es um die Frage, mit welchen Bakterien ein bestimmtes Bakterium verwandt ist. Dazu betrachtet man verschiedene Merkmale der Bakterien, wie zum Beispiel

  • das äußere Erscheinungsbild (Morphologie), also Form und Struktur der Bakterien.
  • die Physiologie der Bakterien, also etwa Stoffwechselprozesse der Bakterien.
  • biochemische Eigenschaften.
  • das Ergebnis bei bestimmten Färbemethoden, wie etwa der sog. Gramfärbung.
  • welche Antigene sie besitzen.
  • wie ähnlich sich das Erbmaterial der Bakterien ist.

Abhängig von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen kann sich die Zuordnung Bakteriums hin und wieder auch ändern.

Die Zuordnung der Bakterien erfolgt dabei nach einem hierarchischen System, deren oberste Einstufung die Domäne und die unterste die Art ist: Domäne → Abteilung (Division) → Klasse → Ordnung → Familie → Gattung (Genus) → Art (Spezies).

Die Bakterienart Helicobacter pylori wird zum Beispiel folgendermaßen in der Bakterienklassifikation eingeordnet:

  • Domäne: Prokaryoten
    • Abteilung: Proteobacteria
      • Klasse: Epsilonproteobacteria
        • Ordnung: Campylobacterales

Hier ein Beispiel für die die Klassifikation einiger medizinisch relevanter Bakteriengattungen anhand ihrer morphologischen und biologischen Eigenschaften:

Tabelle: Bakterien mit dünner Zellwand, meist gramnegativ

Morphologie,
Physiologie
OrdnungFamilieGattung
spiralige
Bakterien
SpirochaetalesSpirochaetaceaeTreponema
Spirochaeta
spiralige
Bakterien
SpirochaetalesLeptospiraceaeLeptospira
Borrelia
spiralige
Bakterien
CampylobacteralesCampylobacteriaceaeCampylobacter
Arcobacter
spiralige
Bakterien
CampylobacteralesSpirillaceaeSpirillum
spiralige
Bakterien
CampylobacteralesHelicobacteraceaeHelicobacter
aerobe Stäbchen
und Kokken
PseudomonalesPseudomonadaceaePseudomonas
aerobe Stäbchen
und Kokken
PseudomonalesMoraxellaceaeMoraxella
Acinetobacter
aerobe Stäbchen
und Kokken
LegionellalesCoxiellaceaeCoxiella
aerobe Stäbchen
und Kokken
LegionellalesLegionellaceaeLegionella
aerobe Stäbchen
und Kokken
NeisserialesNeisseriaceaeNeisseria
Chromobacterium
Eikenella
Kingella
aerobe Stäbchen
und Kokken
FlavobacterialesFlavobacteriaceaeFlavobacterium
Capnocytophaga
Chryseobacterium
aerobe Stäbchen
und Kokken
BurkholderialesAlcaligenaceaeAlcaligenes
Achromobacter
Bordetella
aerobe Stäbchen
und Kokken
BurkholderialesBurkholderiaceaeBurkholderia
Pandoraea
Ralstonia
aerobe Stäbchen
und Kokken
BurkholderialesComamonadaceaeComamonas
aerobe Stäbchen
und Kokken
ThiotrichalesFrancisellaceaeFrancisella
aerobe Stäbchen
und Kokken
XanthomonadalesXanthomonadaceaeXanthomonas
Stenotrophomonas
aerobe Stäbchen
und Kokken
CardiobacterialesCardiobacteriaceaeCardiobacterium
fakultativ aerobe
Stäbchen
EnterobacterialesEnterobacteriaceaeCedecea
Citrobacter
Ewardsiella
Enterobacter
Ewingella
Erwinia
Escherichia
Hafnia
Klebsiella
Kluyvera
Morganella
Pantoea
Plesiomonas
Proteus
Providencia
Rahnella
Salmonella
Serratia
Shigella
Tatumella
Yersinia
fakultativ aerobe
Stäbchen
VibrionalesVibrionaceaeVibrio
fakultativ aerobe
Stäbchen
AeromonadalesAeromonaceaeAeromonas
fakultativ aerobe
Stäbchen
PasteurellalesPasteurellaceaeActinobacillus
Haemophilus
Pasteurella
anaerobe StäbchenBacteroidalesBacteroidaceaeBacteroides
anaerobe StäbchenBacteroidalesPorphyromonadaceaePorphyromonas
anaerobe StäbchenFusobacterialesFusobacteriaceaeFusobacterium
Leptotrichia
Streptobacillus
anaerobe KokkenSelenomonadalesVeillonellaceaeVeillonella
anaerobe KokkenClostridialesPeptococcaceaePeptococcus
Peptostreptococcus
anaerobe KokkenRickettsialesRickettsiaceaeRickettsia
Orienta
anaerobe KokkenRickettsialesAnaplasmataceaeAnaplasma
Ehrlichia
Wolbachia
anaerobe KokkenRhizobialesBartonellaceaeBartonella
anaerobe KokkenRhizobialesBrucellaceaeBrucella
anaerobe KokkenChlamydialesChlamydiaceaeChlamydia
Chlamydophila
anaerobe KokkenChlamydialesSimkaniaceaeSimkania
anaerobe KokkenChlamydialesWaddliaceaeWaddlia
anaerobe KokkenSphingomonadalesSphingomonadaceaeSphingomonas

Tabelle: Bakterien mit fester Zellwand, meist grampositiv

Morphologie / PhysiologieOrdnungFamilieGattung
aerobe und fakultativ anaerobe KokkenBacillalesStaphylococcaceaeStaphylococcus
Gemella
aerobe und fakultativ anaerobe KokkenActinomycetalesMicrococcaceaeMicrococcus
Rothia
aerobe und fakultativ anaerobe KokkenLactobacillalesStreptococcaceaeStreptococcus
Lactococcus
aerobe und fakultativ anaerobe KokkenLactobacillalesEnterococcaceaeEnterococcus
aerobe und fakultativ anaerobe KokkenLactobacillalesLeuconostocaceaeLeuconostoc
bilden EndosporenBacillalesBacillaceaeBacillus
bilden EndosporenClostridialesClostridiaceaeClostridium
anaerobe und fakultativ anaerobe StäbchenBacillalesListeriaceaeListeria
anaerobe und fakultativ anaerobe StäbchenLactobacillalesLactobacillaceaeLactobacillus
Pediococcus
anaerobe und fakultativ anaerobe StäbchenErysipelotrichalesErysipelotrichaceaeErysipelothrix
unregelmäßig geformte StäbchenActinomycetalesCorynebacteriaceaeCorynebacterium
unregelmäßig geformte StäbchenActinomycetalesPropionibacteriaceaePropionibacterium
unregelmäßig geformte StäbchenClostridialesEubacteriaceaeEubacterium
verzweigende und fadenbildende BakterienActinomycetalesActinomycetaceaeActinomyces
verzweigende und fadenbildende BakterienActinomycetalesCellulomonadaceaeTropheryma
verzweigende und fadenbildende BakterienActinomycetalesStreptomycetaceaeStreptomyces
Morphologie unterschiedlichBifidobacterialesBifidobacteriaceaeBifidobacterium
Gardnerella
Morphologie unterschiedlichActinomycetalesNocardiaceaeNocardia
Rhodococcus
Morphologie unterschiedlichActinomycetalesMycobacteriaceaeMycobacterium

Tabelle: Bakterien ohne feste Zellwand

OrdnungFamilieGattung
MycoplasmatalesMycoplasmataceaeMycoplasma
Ureaplasma
Bakterien mit defekter Zellwand
Entwicklungsgeschichtlich alte Bakterien ohne Murein in der Zellwand (Archaebacteria), meist anaerob;
leben vor allem in extremen Umgebungen (z. B. stark salzhaltige oder sehr heiße Umwelt)