Bakterien: Morphologie und Klassifikation
Bakterien sind kleine, einzellige Lebewesen und zählen zu den Mikroorganismen. Ihre Größe liegt je nach Art zwischen 0,3 und 5 Mikrometer (µm). Im Vergleich zu Viren sind sie beinah riesig. Erfahren Sie mehr über Morphologie und Klassifikation von Bakterien.
Morphologie
Bakterien sind Einzeller, besitzen aber keinen echten Zellkern. Das Erbgut besteht bei Bakterien aus DNA, die sozusagen "nackt" in der Zelle vorliegt. Die DNA schwimmt jedoch nicht unorganisiert im Zellplasma (Zytoplasma) herum, sondern ist normalerweise an ein oder mehreren Stellen an der Zytoplasma-Membran der Zelle fixiert. Bei Bakterien spricht man deshalb auch von einem Kernäquivalent.
Wegen dieser besonderen Eigenschaft zählt man Bakterien zu den sogenannten Prokaryoten. Das Wort leitet sich von den griechischen Begriffen pro (= anstatt) und karyon (= Kern) ab und bedeutet demnach so viel wie Kernersatz.
Im Unterschied zu Bakterien liegt die DNA in pflanzlichen, tierischen und menschlichen Zellen geschützt in einem Zellkern. Man zählt diese deshalb zu den Eukaryoten (griech. eu = gut, karyon = Kern).
Je nachdem, welche Merkmale man betrachtet, lassen sich Bakterien in verschiedene Gruppen unterteilen. Solche Merkmale können zum Beispiel Form und Struktur sein, aber auch Färbungsverhalten, Übertragungswege oder die Fähigkeit zur Sporenbildung.
Lesetipp:Bakterien – Aufbau und Struktur
Bakterien: Morphologie
Bakterien lassen sich anhand ihrer Morphologie, also ihrer Form und Struktur, in drei Grundformen einteilen: Kokken, Stäbchen und schraubenförmige Bakterien.
Kokken
Bei Kokken handelt es sich um kugelig runde bis leicht ovale Bakterien. Ihr Durchmesser beträgt circa 1 Mikrometer (µm), das entspricht 0,001 Millimeter. Der Begriff Kokken stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Kugeln oder Beeren.
Kokken treten entweder einzeln auf oder lagern sich zusammen als
- brötchenähnliche Paare (Diplokokken),
- Vierergruppen (Tetraden),
- Achtergruppen (Sarcinen),
- größere, traubenartige Haufen (z. B. bei Staphylokokken wie Staphylococcus aureus) oder
- Ketten (z. B. bei Streptokokken wie Streptococcus pyogenes).
Stäbchen
Stäbchenförmige Bakterien können plump (kokkoid) oder schlank aussehen. Die Enden der Stäbchen sind entweder spitz, abgerundet oder beinah rechteckig. Beispiel für Stäbchen-Bakterien sind unter anderem die Arten Escherichia coli, Mycobacterium tuberculosis oder Bacillus anthracis.
Schraubenförmige Bakterien
Manche Bakterien sind schraubenförmig gewunden. Unter dem Lichtmikroskop lassen sich die Windungen zum Teil gut erkennen. Nach der Art ihrer Windungen unterscheidet man:
- Spirillen: starre, schlanke Bakterien, deren Gestalt mehrere weite Windungen aufweist (z. B. Spirillum minus)
- Borellien: sehr schlanke und flexible Bakterien, deren Gestalt mehrere weite Windungen aufweist (z. B. Borrelia burgdorferi)
- Treponemen: extrem schlanke Bakterien mit vielen engen, korkenzieherartigen Windungen (z. B. Treponema pallidum pallidum)
- Leptospiren: extrem schlanke, fadenartige Bakterien mit aktiv-flexibler, kleiderbügel- oder hakenähnlicher Gestalt und sowohl kleinen, kaum wahrnehmbaren als auch eher groben Windungen (z. B. Leptospira interrogans)
Gramfärbung
Außerdem lassen sich Bakterien durch Färbemethoden unterscheiden. So unterscheidet zum Beispiel die sogenannte Gramfärbung (benannt nach dem dänischen Forscher H. C. Gram), ob Bakterien
- grampositiv oder
- gramnegativ sind
und gibt damit Auskunft über die Zusammensetzung der Zellwand. Die Zellwand von Bakterien enthält als Baustein Peptidoglykan (Murein) in unterschiedlicher Dicke. Je nach Dicke der Peptidoglykanschicht kann die Zellwand den Farbstoff Gentianaviolett mehr oder weniger gut binden.
Bei grampositiven Bakterien ist die Peptidoglykanschicht dicker, sie färben sich dunkelviolett. Bei gramnegativen Bakterien ist die Peptidoglykanschicht dünner und die Färbung fällt heller, eher rötlich aus.
Mit der Gramfärbung erhält man also auf einfache Weise Informationen über den Aufbau der Zellwand. Das Wissen über den Aufbau der Zellwand hilft in der Medizin bei der Entscheidung, welche Antibiotika zum Einsatz kommen. Denn für grampositive Bakterien benötigt man andere Antibiotika als für gramnegative Bakterien.
Lesetipp:Aufbau der bakteriellen Zellwand
Übertragung
Bakterien können über Luft, Wasser, Boden und Körpersubstanzen wie Blut, Stuhl, Urin und andere Körpersekrete übertragen werden.
Sporen
Manche Bakterienarten (z. B. Bacillus anthracis oder Clostridium botulinum) können sogenannte Sporen bilden. Darunter versteht man sehr resistente Dauerformen, die auch widrigsten Umweltbedingungen zum Teil über Jahrzehnte trotzen können. Man sogar davon aus, dass Sporen sich bei starken Minustemperaturen unbegrenzt halten können – etwa in Flüssigstickstoff (ca. -200 °C).
Sind die Lebensumstände ungünstig (z. B. bei Nahrungsknappheit) wandeln sich einige Bakterienarten in Sporen um (sog. Sporenbildner) und erhöhen so ihre Überlebenschance auch bei extremen Umweltbedingungen. Bei Sporen findet kaum noch ein Stoffwechsel statt, alles ist auf das Notwendigste heruntergefahren und auch die Zellwand wird stärker. Auf diese Weise überstehen sporenbildende Bakterien zum Beispiel:
- Trockenheit
- Hitze (auch langes Kochen)
- Chemikalien
- Strahlung (UV-Strahlung allerdings nur bedingt)
Verbessern sich die Umweltbedingungen, können sich Sporen wieder in "aktive" Bakterien umwandeln und dann auch wieder vermehren.
Lesetipp: Leben auf Sparflammen – Sporenbildung als Schutz gegen ungünstige Umweltbedingungen
Bakterienklassifikation
Die Bakterienklassifikation ist ein Teil der systematischen Bakteriologie und auch für den medizinischen Alltag wichtig. Denn krankmachende Bakterien lassen sich so in Kategorien einordnen und leichter identifizieren. Das ermöglicht es, die Erreger mit der passenden Therapie zu bekämpfen.
Bei der Bakterienklassifikation geht es um die Frage, mit welchen Bakterien ein bestimmtes Bakterium verwandt ist. Dazu betrachtet man verschiedene Merkmale der Bakterien, wie zum Beispiel
- das äußere Erscheinungsbild (Morphologie), also Form und Struktur der Bakterien.
- die Physiologie der Bakterien, also etwa Stoffwechselprozesse der Bakterien.
- biochemische Eigenschaften.
- das Ergebnis bei bestimmten Färbemethoden, wie etwa der sog. Gramfärbung.
- welche Antigene sie besitzen.
- wie ähnlich sich das Erbmaterial der Bakterien ist.
Abhängig von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen kann sich die Zuordnung Bakteriums hin und wieder auch ändern.
Die Zuordnung der Bakterien erfolgt dabei nach einem hierarchischen System, deren oberste Einstufung die Domäne und die unterste die Art ist: Domäne → Abteilung (Division) → Klasse → Ordnung → Familie → Gattung (Genus) → Art (Spezies).
Die Bakterienart Helicobacter pylori wird zum Beispiel folgendermaßen in der Bakterienklassifikation eingeordnet:
- Domäne: Prokaryoten
- Abteilung: Proteobacteria
- Klasse: Epsilonproteobacteria
- Ordnung: Campylobacterales
- Familie: Helicobacteraceae
- Gattung: Helicobacter
- Art: Helicobacter pylori
- Gattung: Helicobacter
- Familie: Helicobacteraceae
- Ordnung: Campylobacterales
- Klasse: Epsilonproteobacteria
- Abteilung: Proteobacteria
Hier ein Beispiel für die die Klassifikation einiger medizinisch relevanter Bakteriengattungen anhand ihrer morphologischen und biologischen Eigenschaften:
Tabelle: Bakterien mit dünner Zellwand, meist gramnegativ
Morphologie, Physiologie | Ordnung | Familie | Gattung |
spiralige Bakterien | Spirochaetales | Spirochaetaceae | Treponema Spirochaeta |
spiralige Bakterien | Spirochaetales | Leptospiraceae | Leptospira Borrelia |
spiralige Bakterien | Campylobacterales | Campylobacteriaceae | Campylobacter Arcobacter |
spiralige Bakterien | Campylobacterales | Spirillaceae | Spirillum |
spiralige Bakterien | Campylobacterales | Helicobacteraceae | Helicobacter |
aerobe Stäbchen und Kokken | Pseudomonales | Pseudomonadaceae | Pseudomonas |
aerobe Stäbchen und Kokken | Pseudomonales | Moraxellaceae | Moraxella Acinetobacter |
aerobe Stäbchen und Kokken | Legionellales | Coxiellaceae | Coxiella |
aerobe Stäbchen und Kokken | Legionellales | Legionellaceae | Legionella |
aerobe Stäbchen und Kokken | Neisseriales | Neisseriaceae | Neisseria Chromobacterium Eikenella Kingella |
aerobe Stäbchen und Kokken | Flavobacteriales | Flavobacteriaceae | Flavobacterium Capnocytophaga Chryseobacterium |
aerobe Stäbchen und Kokken | Burkholderiales | Alcaligenaceae | Alcaligenes Achromobacter Bordetella |
aerobe Stäbchen und Kokken | Burkholderiales | Burkholderiaceae | Burkholderia Pandoraea Ralstonia |
aerobe Stäbchen und Kokken | Burkholderiales | Comamonadaceae | Comamonas |
aerobe Stäbchen und Kokken | Thiotrichales | Francisellaceae | Francisella |
aerobe Stäbchen und Kokken | Xanthomonadales | Xanthomonadaceae | Xanthomonas Stenotrophomonas |
aerobe Stäbchen und Kokken | Cardiobacteriales | Cardiobacteriaceae | Cardiobacterium |
fakultativ aerobe Stäbchen | Enterobacteriales | Enterobacteriaceae | Cedecea Citrobacter Ewardsiella Enterobacter Ewingella Erwinia Escherichia Hafnia Klebsiella Kluyvera Morganella Pantoea Plesiomonas Proteus Providencia Rahnella Salmonella Serratia Shigella Tatumella Yersinia |
fakultativ aerobe Stäbchen | Vibrionales | Vibrionaceae | Vibrio |
fakultativ aerobe Stäbchen | Aeromonadales | Aeromonaceae | Aeromonas |
fakultativ aerobe Stäbchen | Pasteurellales | Pasteurellaceae | Actinobacillus Haemophilus Pasteurella |
anaerobe Stäbchen | Bacteroidales | Bacteroidaceae | Bacteroides |
anaerobe Stäbchen | Bacteroidales | Porphyromonadaceae | Porphyromonas |
anaerobe Stäbchen | Fusobacteriales | Fusobacteriaceae | Fusobacterium Leptotrichia Streptobacillus |
anaerobe Kokken | Selenomonadales | Veillonellaceae | Veillonella |
anaerobe Kokken | Clostridiales | Peptococcaceae | Peptococcus Peptostreptococcus |
anaerobe Kokken | Rickettsiales | Rickettsiaceae | Rickettsia Orienta |
anaerobe Kokken | Rickettsiales | Anaplasmataceae | Anaplasma Ehrlichia Wolbachia |
anaerobe Kokken | Rhizobiales | Bartonellaceae | Bartonella |
anaerobe Kokken | Rhizobiales | Brucellaceae | Brucella |
anaerobe Kokken | Chlamydiales | Chlamydiaceae | Chlamydia Chlamydophila |
anaerobe Kokken | Chlamydiales | Simkaniaceae | Simkania |
anaerobe Kokken | Chlamydiales | Waddliaceae | Waddlia |
anaerobe Kokken | Sphingomonadales | Sphingomonadaceae | Sphingomonas |
Tabelle: Bakterien mit fester Zellwand, meist grampositiv
Morphologie / Physiologie | Ordnung | Familie | Gattung |
aerobe und fakultativ anaerobe Kokken | Bacillales | Staphylococcaceae | Staphylococcus Gemella |
aerobe und fakultativ anaerobe Kokken | Actinomycetales | Micrococcaceae | Micrococcus Rothia |
aerobe und fakultativ anaerobe Kokken | Lactobacillales | Streptococcaceae | Streptococcus Lactococcus |
aerobe und fakultativ anaerobe Kokken | Lactobacillales | Enterococcaceae | Enterococcus |
aerobe und fakultativ anaerobe Kokken | Lactobacillales | Leuconostocaceae | Leuconostoc |
bilden Endosporen | Bacillales | Bacillaceae | Bacillus |
bilden Endosporen | Clostridiales | Clostridiaceae | Clostridium |
anaerobe und fakultativ anaerobe Stäbchen | Bacillales | Listeriaceae | Listeria |
anaerobe und fakultativ anaerobe Stäbchen | Lactobacillales | Lactobacillaceae | Lactobacillus Pediococcus |
anaerobe und fakultativ anaerobe Stäbchen | Erysipelotrichales | Erysipelotrichaceae | Erysipelothrix |
unregelmäßig geformte Stäbchen | Actinomycetales | Corynebacteriaceae | Corynebacterium |
unregelmäßig geformte Stäbchen | Actinomycetales | Propionibacteriaceae | Propionibacterium |
unregelmäßig geformte Stäbchen | Clostridiales | Eubacteriaceae | Eubacterium |
verzweigende und fadenbildende Bakterien | Actinomycetales | Actinomycetaceae | Actinomyces |
verzweigende und fadenbildende Bakterien | Actinomycetales | Cellulomonadaceae | Tropheryma |
verzweigende und fadenbildende Bakterien | Actinomycetales | Streptomycetaceae | Streptomyces |
Morphologie unterschiedlich | Bifidobacteriales | Bifidobacteriaceae | Bifidobacterium Gardnerella |
Morphologie unterschiedlich | Actinomycetales | Nocardiaceae | Nocardia Rhodococcus |
Morphologie unterschiedlich | Actinomycetales | Mycobacteriaceae | Mycobacterium |
Tabelle: Bakterien ohne feste Zellwand
Ordnung | Familie | Gattung |
Mycoplasmatales | Mycoplasmataceae | Mycoplasma Ureaplasma |
Bakterien mit defekter Zellwand |
Entwicklungsgeschichtlich alte Bakterien ohne Murein in der Zellwand (Archaebacteria), meist anaerob; leben vor allem in extremen Umgebungen (z. B. stark salzhaltige oder sehr heiße Umwelt) |