Wetterfühligkeit: Krank durch Wetterumschwung?

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 05.07.2024

Kopfschmerzen, Übelkeit, Gelenkschmerzen oder Kreislaufprobleme: Manche Menschen scheinen auf Wetterveränderungen besonders empfindlich zu reagieren. Gibt es wirklich einen Zusammenhang zwischen Wetter und Gesundheit? Und was hilft Betroffenen?

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Wetterfühligkeit

Ältere Menschen, Personen mit chronischen und/oder rheumatischen Erkrankungen sowie Migräne scheinen besonders anfällig zu sein. Zudem leiden Frauen Umfragen zufolge häufiger an wetterbedingten Problemen als Männer.

Ja, insbesondere trübes und kaltes Wetter kann zu depressiven Verstimmungen und einer saisonalen affektiven Störung (SAD) führen, während Sonnenschein die Stimmung heben und das Wohlbefinden verbessern kann. 

Wetterfühligkeit ist ein umstrittenes Phänomen. Viele Menschen berichten von wetterbedingten Symptomen wie Kopfschmerzen und Problemen mit dem Kreislauf, doch wissenschaftliche Beweise dafür sind uneinheitlich. Einige Studien haben Zusammenhänge gefunden, während andere keine signifikanten Korrelationen feststellen konnten.

Wetterfühligkeit: Was ist das?

Im Alltag ist der Mensch vielen Einflüssen ausgesetzt – so auch dem Wetter. Extremwetterlagen oder Wetterwechsel wie plötzliche Temperaturstürze scheinen bei einigen Personen gesundheitliche Beschwerden hervorzurufen. Dann spricht man von Wetterfühligkeit, fachsprachlich auch als Biotropie oder Meteoropathie bezeichnet. 

Die Annahme: Der Körper reagiert auf äußere Reize wie Hitze, Kälte oder Nässe. Ändern sich Temperatur und Wetter, muss sich der Organismus anpassen, um alle wichtigen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Je nach körperlichem Allgemeinzustand scheint dies einigen Menschen mehr abzuverlangen als anderen. 

Welche Symptome treten bei Wetterfühligkeit auf?

Häufig beschriebene Symptome bei Wetterwechseln sind:

Vor allem ältere Personen und Frauen geben an, empfindlich auf Witterungsbedingungen zu reagieren. Bei vielen Menschen, die sich für wetterfühlig halten, bestehen zudem langjährige Vorerkrankungen oder chronische Schmerzen.

Je nach Grunderkrankung scheint entweder ein Wechsel zu hohen oder niedrigen Temperaturen Beschwerden auszulösen:

  • Bei Temperaturanstieg klagen vor allem Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Migräne und chronischen Kopfschmerzen sowie Multipler Sklerose (MS) und Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma über Beschwerden.

  • Bei Temperaturrückgang scheinen insbesondere Personen mit Gefäßerkrankungen, Rheuma, Arthritis, chronischen Schmerzen und dem Raynaud-Syndrom (Weißfingerkrankheit) betroffen zu sein. Auch Atemwegsbeschwerden werden bei einigen Erkrankten bei Kälte schlimmer.

Wetterfühligkeit nicht eindeutig nachgewiesen

Die Studienlage ist allerdings dünn: Zusammenhänge zwischen Wetterreizen und Gesundheit konnten bislang nicht ausreichend belegt werden. Die meisten Untersuchungen zum Thema bestehen aus Umfragen, beruhen also vor allem auf Selbsteinschätzung.

Mögliche Ursachen für Wetterfühligkeit

Obwohl eindeutige wissenschaftliche Belege noch fehlen und vorhandene Studien methodische Defizite aufweisen, gehen viele Fachleute davon aus, dass Wetterumschwünge keine reine Einbildung sind und das Befinden tatsächlich spürbar beeinflussen. 

Klar ist: Bei starker Hitze steigt etwa das Risiko für einen hohen Flüssigkeitsverlust (Dehydration) durch einen Mangel an Elektrolyten. Umstritten ist jedoch, inwieweit Wetterbedingungen eine direkte Ursache für derlei Symptome darstellen, oder ob der gesundheitliche Zustand der Betroffenen für die Wetterempfindlichkeit verantwortlich ist. 

Denn wenn sich die Wetterlage verändert, muss der Körper darauf reagieren, um konstant eine Körpertemperatur um die 37 Grad Celsius aufrecht zu erhalten. Ein gesunder Körper ist anpassungsfähig und schafft dies problemlos. Bei älteren und/oder chronisch Erkrankten sieht das anders aus: Die Witterungs- und Temperaturumschwünge bedeuten Stress für den Organismus, was wiederum zu Beschwerden führen kann. 

Weitere Erklärungsansätze für Wetterfühligkeit sind: 

  • Kälte: Bei Kälte ziehen sich Atemwege und Gefäße zusammen. Das kann beispielsweise Menschen, die Asthma haben, zu schaffen machen. Betroffene mit Bluthochdruck beobachten bei Kälte unter Umständen einen zusätzlichen Blutdruckanstieg und verspüren entsprechende Beschwerden. 

  • Wärme: Bei Wärme wiederum weiten sich die Blutgefäße in Beinen und Armen. Wer bereits Kreislaufprobleme hat, zum Beispiel niedrigen Blutdruck, kann nun Beschwerden bekommen. 

  • Gewitter und Sturm: Wetterlagen, die zu mehr Staub in der Luft führen (wie Gewitter oder Sturm), können Menschen mit Atemproblemen belasten.

  • Luftdruck: Bei sinkendem Luftdruck scheinen sich die Gelenke auszudehnen, was bei Menschen mit entzündlichen Gelenkerkrankungen wie Rheuma und Arthritis Schmerzen verursachen oder verstärken kann.

Zudem vermuten einige Fachleute, dass Wetterwechsel allgemein die Aktivität des vegetativen Nervensystems verändern und dieses wiederum die Schmerzwahrnehmung negativ beeinflusst.

Manche Meteorolog*innen sind der Ansicht, dass Wetterempfindlichkeit zum Teil ein Zivilisationsproblem ist: Während man früher mehr Zeit im Freien verbracht hat, sitzen die meisten Menschen heutzutage überwiegend in Räumen, bei denen sich Temperatur und Licht steuern lassen. Möglicherweise hat der Körper also "verlernt", sich optimal an Wetterveränderungen anzupassen. 

Dass viele Menschen ihre Beschwerden dem Wetter zuschreiben, könnte Fachleuten zufolge auch auf den sogenannten "Nocebo"-Effekt zurückgehen – analog zum Placebo-Effekt: Allein die Überzeugung, dass bestimmte Wetterfaktoren Symptome auslösen, kann dazu führen, dass diese tatsächlich auftreten.

Wetter und Psyche

Nicht nur der Körper, auch die Psyche kann durch Wetterumschwünge beeinträchtigt werden. Folgende Zusammenhänge sind bislang bekannt:

  • Sonnenlicht und Serotonin: Sonnenlicht kann die Produktion von Serotonin im Gehirn erhöhen, einem Neurotransmitter, der das Gefühl von Wohlbefinden und Glück fördert. Weniger Tageslicht in den Wintermonaten kann daher zu einer Verringerung der Serotoninproduktion und somit zu depressiven Symptomen führen.

  • Temperatur und Stimmung: Extreme Temperaturen, ob heiß oder kalt, können Stress und Unbehagen verursachen, was sich negativ auf die Stimmung auswirkt. Angenehme Temperaturen dagegen fördern oft positive Gefühle und Aktivität.

  • Feuchtigkeit und Energielevel: Hohe Luftfeuchtigkeit kann dazu führen, dass sich Menschen müde und träge fühlen, was ihre Energie und Stimmung negativ beeinflussen kann.

  • Wetter und Aktivitäten: Das Wetter beeinflusst auch die Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten. Sonniges Wetter kann Menschen dazu ermutigen, nach draußen zu gehen und aktiv zu sein, was sich bei vielen positiv auf die Stimmung auswirkt. Schlechtes Wetter kann dagegen zu weniger Bewegung und sozialer Isolation führen, was mitunter depressive Gefühle verstärkt.

Saisonal-affektive Störung (SAD)

Nehmen depressive Verstimmungen in den Wintermonaten so stark zu, dass Betroffene einen hohen Leidensdruck haben und in ihrem Alltag eingeschränkt sind, sprechen Fachleute von einer saisonal-affektiven Störung (SAD), umgangssprachlich auch als Winterdepressionen bekannt. Diese Form der Depression beginnt in der Regel im Herbst und dauert den Winter über an, wenn die Tage kürzer und das Licht weniger intensiv ist.

Als Ursache werden

  • ein Überschuss an Melatonin ("Schlafhormon") sowie ein
  • Mangel an Serotonin ("Glückshormon") und gegebenenfalls an Vitamin D

vermutet. 

Typische Symptome einer Winterdepression sind unter anderem Stimmungsschwankungen, Interessenverlust, Schlafstörungen sowie Heißhunger oder Appetitlosigkeit und daraus resultierende Gewichtsveränderungen. Im Frühjahr bessern sich die Symptome in der Regel wieder. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Lichttherapie effektiv gegen die psychischen Beschwerden helfen kann.

Was hilft bei Wetterfühligkeit?

Wetterwechsel lassen sich nicht vermeiden. Um Temperaturumschwünge gut zu überstehen, können wetterfühlige Menschen folgende Tipps ausprobieren:

  • Zeit an der frischen Luft verbringen: Tägliche Spaziergänge im Freien – bei jeder Wetterbedingung – sind hilfreich, um den Körper auf die natürlichen Temperaturwechsel einzustellen. 

  • Wechselduschen: Abwechselnd mit kaltem und warmem Wasser zu duschen, soll den Körper abhärten, das Immunsystem stärken und die Durchblutung fördern – und so auch gegen Wetterfühligkeit helfen. Wissenschaftlich belegt sind die Effekte bislang jedoch nicht. 

  • Ausreichend Bewegung: Sport kann Wetterfühligkeit womöglich entgegenwirken. Denn körperliche Aktivität fördert die Durchblutung und stärkt das Immunsystem, was den Körper widerstandsfähiger gegen äußere Reize macht. Nicht zuletzt werden Endorphine ausgeschüttet, die psychischen Problemen bei trübem oder wechselhaftem Wetter gegensteuern.

  • Stressmanagement: Reagiert der Körper auf Wetterwechsel mit Stress, können Entspannungsübungen helfen. Auch Yoga, Pilates oder Meditation sind empfehlenswert, um zur Ruhe zu kommen.

  • Gesunder Schlaf: Erholsamer Schlaf ist entscheidend für die körperliche und geistige Gesundheit. Ein regelmäßiger Schlafrhythmus kann helfen, wetterbedingte Müdigkeit und Reizbarkeit zu minimieren. Tipps für eine gesunde Schlafhygiene sind etwa regelmäßige Zubettgeh- und Aufstehzeiten, das Schlafzimmer zu lüften und abzudunkeln sowie eine passende Matratze zu verwenden. 

  • Technische Hilfsmittel: Es gibt verschiedene Apps und Informationsangebote des Wetterdienstes, die helfen können, sich auf bevorstehende Wetterumschwünge vorzubereiten. So kann man frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um sich mental auf Veränderungen einzustellen.