Vulvodynie – eine weitgehend unbekannte Erkrankung
Als Vulvodynie wird ein Schmerzphänomen bezeichnet, das den gesamten äußeren Bereich des weiblichen Genitals, den Scheidenvorhof, die Schamlippen und die Klitoris betrifft. Schätzungsweise fünf Prozent der Frauen leiden mindestens einmal im Leben daran, wobei die Ursache meist unklar ist. Welche Symptome sind bei Vulvodynie möglich und wie lässt sie sich behandeln?
Was ist Vulvodynie?
Vulvodynie kann Frauen im gebärfähigen Alter, seltener auch ältere Frauen betreffen. Da viele Fachleute sich mit dem Krankheitsbild nicht auskennen, dauert es oft lange, bis betroffene Frauen eine entsprechende Therapie erhalten. Zwar tauchte der Schmerz rund um die Scheide bereits in den 1880er Jahren in der medizinischen Literatur auf, doch erst 2015 einigten sich internationale Fachgesellschaften auf eine einheitliche Terminologie und Klassifizierung der Vulvodynie.
Seit 2017 gibt es das ehrenamtliche Netzwerk Vulvodynie, das sich um mehr Aufklärung für Patientinnen und medizinische Fachkreise bemüht. In den 2022 erschienen ICD 11 (internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) ist die Vulvodynie erstmals als Diagnose beschrieben.
Da die Erkrankung nicht mit sichtbaren krankhaften Veränderungen einhergeht, ist die Diagnose schwierig. Auch hinsichtlich der Ursachen tappt die Medizin weitgehend im Dunkeln. Bei der Therapie hat sich gezeigt, dass ein individueller Ansatz und die Kombination verschiedener Strategien am erfolgversprechendsten sind. Eine Selbstheilung wurde bisher nicht beobachtet, das Schmerzphänomen kann aber für einige Zeit verschwinden und dann wieder auftauchen.
Symptome bei Vulvodynie
Die Symptome bei Vulvodynie können ganz unterschiedlich sein, meist klagen Frauen über Juckreiz und brennende, schneidende bis stechende Schmerzen in Teilen oder im gesamten Bereich der Vulva. Stärke, Dauer und Auftreten der Schmerzen variieren. Während des Menstruationszyklus können die Beschwerden zu- und abnehmen.
Mechanische Reize, wie sie beim Radfahren, durch das Einführen eines Tampons oder beim Geschlechtsverkehr entstehen, werden von vielen Betroffenen als sehr unangenehm bis unerträglich empfunden. Für eine Partnerschaft kann das zur großen Belastungsprobe werden. Für manche Frauen ist selbst das Tragen von Unterwäsche mit erheblichen Missempfindungen verbunden.
Die Lebensqualität der Betroffenen nimmt ab, viele scheuen sich lange, ärztlichen Rat einzuholen. Sie versuchen stattdessen, sich selbst zu therapieren oder hoffen auf eine Selbstheilung.
Formen von Vulvodynie
Medizinisch wird zwischen zwei Formen der Vulvodynie unterschieden:
- Provozierte Vulvodynie: Der Schmerz entsteht durch mechanische Provokation oder Berührung der Vulva.
- Generalisierte Vulvodynie: Der gesamte Bereich der Vulva ist betroffen, die Schmerzen bestehen dauerhaft, auch ohne mechanischen Auslöser.
Sichtbare Hautveränderungen tauchen als Symptom nicht auf, manchmal kann der Bereich jedoch leicht gerötet sein.
Vulvodynie: Welche Ursachen sind möglich?
Eine eindeutige Ursache für die Vulvodynie ist bisher nicht gefunden, in der Literatur ist daher von einem multifaktoriellen Geschehen die Rede. Fachleute diskutieren verschiedene Erklärungsansätze:
- Infektionen mit Pilzen oder HPV-Viren
- Schädigung des Pudendusnervs, der die Geschlechtsorgane versorgt
- Gewebstrauma durch eine Geburt, einen Sturz oder eine Verletzung
- Hyperaktive Mastzellen (Zellen der Körperabwehr), die Entzündungsstoffe abgeben
- Hypersensibilität auf Reizstoffe wie Medikamente, Cremes, Seifen
- Hormonelle Zusammenhänge mit Zyklus oder Verhütungsmitteln
- Psychosexuelle Ursachen wie beispielsweise Gewalterfahrungen
- Psychosoziale Probleme mit Abgrenzungsthematik oder emotionale Belastungen
Es kann vorkommen, dass die Vulvodynie erstmals zusammen mit einem Scheidenpilz auftritt, jedoch bestehen bleibt, nachdem die Infektion abgeheilt ist. Ob es eine familiäre Veranlagung für die Schmerzen an der Vulva gibt, ist bisher nicht ausreichend belegt.
Wie lässt sich Vulvodynie diagnostizieren?
Da eine Vulvodynie nicht mit deutlich sichtbaren, pathologischen Veränderungen einhergeht, erfolgt die Diagnose nach dem Ausschlussverfahren. Zunächst steht ein ausführliches Anamnesegespräch an, bei dem etwa Fragen zu den genauen Beschwerden und Sexualität geklärt werden. Dann folgen eine Reihe von Untersuchungen, gegebenenfalls folgt die Überweisung von der gynäkologischen Praxis an andere Fachpraxen.
Mithilfe eines Scheidenabstrichs untersuchen Ärzt*innen, ob eine bakterielle Infektion, ein Pilz, Feigwarzen, eine Virusinfektion oder eine Hautreizung beispielsweise durch Cremes oder Waschlotionen vorliegt. Zudem wird überprüft, ob Harnleiter oder Blase entzündet sind.
Geht die Vulvodynie mit Hautveränderungen einher, sollte in einer dermatologischen Fachpraxis abgeklärt werden, ob es sich eventuell um Lichen sclerosus handeln könnte, eine Erkrankung, die gut behandelt werden kann.
Hormonelle Ursachen, die mit den Wechseljahren oder Verhütungsmitteln zusammenhängen können, müssen ebenfalls abgeklärt werden. Psychische Auslöser, wie nicht bewältigter Stress oder Ängste bei sexueller Betätigung, können die Schmerzen hervorrufen oder verstärken.
Behandlung der Vulvodynie
Zur Behandlung der Vulvodynie wird heute ein multimodales Konzept vorgeschlagen, das sich aus mehreren Maßnahmen zusammensetzt. Dabei steht im Fokus, dass Psyche und Körper gleichermaßen behandelt werden.
Bei akuten Schmerzen helfen Schmerzmittel, möglicherweise können phasenweise Antidepressiva hilfreich sein. Weiterhin können
- Antikonsulviva (Medikamente bei epilipetischen Erkrankungen)
- Lokalansästhetika (lokale Betäubungsmittel)
- Botulinumtoxin (kurz Botox, wird in schmerzende Region gespritzt) oder
- hormonhaltige Cremes
verabreicht werden. Darüber hinaus kommen unter Umständen folgende Therapiemaßnahmen zum Einsatz:
- Physiotherapie
- Triggerpunktmassage
- Lasertherapie
- Stoßwellentherapie
- Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Biofeedback oder Muskelentspannung nach Jacobsen
Bei einigen Frauen zeigen sich zudem regelmäßiges Schwimmen und Yoga als hilfreich, da dies die Beckenbodenmuskulatur lockert und zugleich trainiert.
Vulvodynie: Verlauf und Prognose
Verlauf und Prognose einer Vulvodynie können sehr individuell sein. Von einer Selbstheilung ist nicht auszugehen. Aber die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen, bringen Erleichterung und eine Verbesserung der Lebensqualität. Wertschätzung, Verständnis und die Erklärung, dass Vulvodynie als eigene Erkrankung zunehmend erforscht wird, helfen Patientinnen mitunter. Mit dem multimodalen Behandlungskonzept lassen sich zudem gute Erfolge erzielen. Da die Ursachen nach wie vor unklar sind, lässt sich zu einer Vorbeugung nichts sagen.