Thalassämie: Formen, Behandlung und Ursache
Thalassämien sind erblich bedingte Erkrankungen der roten Blutkörperchen. Deren Hauptbestandteil Hämoglobin wird bei Betroffenen fehlerhaft gebildet. Dadurch tritt eine Anämie auf. Woher kommen Thalassämien und welche Therapie ist notwendig?
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Thalassämie
Die Bildung von Hämoglobin, dem Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen, ist gestört. Abhängig von der vorliegenden Form kann die Erkrankung symptomlos verlaufen oder es treten Beschwerden wie Erschöpfung und Schwäche auf. Schlimmstenfalls kann die Krankheit tödlich verlaufen.
Nein. Zwar haben beide Erkrankungen eine Anämie (Blutarmut) zur Folge. Bei Thalassämie ist jedoch ausreichend Eisen im Körper vorhanden. Die Herstellung des Hämoglobins, für die Eisen benötigt wird, ist aufgrund einer genetischen Veranlagung gestört.
Die Lebenserwartung hängt von der vorliegenden Form sowie der Behandlung ab. Bei leichten Formen kann sie vergleichbar mit der gesunder Menschen sein. Schwere Formen können zu einer stark verkürzten Lebenserwartung führen.
Das ist grundsätzlich möglich. Das Risiko für Komplikationen in der Schwangerschaft ist jedoch erhöht. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Erkrankung an das Kind vererbt wird.
Was ist Thalassämie?
Thalassämie ist eine sogenannte quantitative Hämoglobinopathie. Das bedeutet, dass nicht ausreichend Hämoglobin im Organismus vorhanden ist. Der Blutfarbstoff ist Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Diese erscheinen bei Thalassämie unter dem Mikroskop oft nur schwach gefärbt (hypochrom) und zu klein (mikrozytär).
Verschiedene Genmutationen führen dazu, dass zu wenige Hämoglobinketten gebildet werden. Dadurch werden die Vorläuferzellen im Knochenmark geschädigt, die Blutbildung läuft nicht ordnungsgemäß ab und rote Blutkörperchen werden zerstört. So kommt es zur Anämie (Blutarmut).
Synonyme für die Krankheit sind Thalassaemia, Mittelmeeranämie und Leptozytose.
Alpha- und Beta-Thalassämie: Verschiedene Schweregrade
Je nachdem, welche Mutation vorliegt, stellt der Organismus eine Form der Globinketten in zu geringer Menge her. Daher wird die Krankheit in Alpha- und Beta-Thalassämien unterteilt, diese wiederum nach Schweregrad:
Alpha-Thalassaemia minima: Diese Verlaufsform ist so leicht, dass sie sich nicht einmal bemerkbar macht.
Alpha-Thalassaemia minor: Hier tritt eine leichte Anämie auf.
Alpha-Thalassaemia intermedia (Hämoglobin-H-Krankheit/HbH-Krankheit): Es tritt eine mäßig schwere Anämie auf, die zumeist erst im Erwachsenenalter behandelt werden muss.
Hb-Barts-Krankheit: Die schwerste Form der Alpha-Thalassämie kann ohne Behandlung bereits vor der Geburt zum Tod des Kindes führen. Das Risiko für Komplikationen bei Mutter und Kind ist hoch.
Beta-Thalassämie minor: Es handelt sich um eine milde Verlaufsform mit Anämie, die jedoch auch ohne Symptome verlaufen kann.
Beta-Thalassämie intermedia: Diese Form kann bis ins Erwachsenenalter symptomlos bleiben, im weiteren Verlauf aber sowohl leichte als auch stärkere Beschwerden auslösen.
Beta-Thalassämie major: Die schwere Verlaufsform führt bereits im Säuglingsalter zu starken Symptomen und muss zwingend behandelt werden.
Thalassämie: Symptome der Hämoglobinkrankheit
Die Symptome der Alpha- und Beta-Thalassämie sind einander sehr ähnlich, da beide Formen zu einer Anämie führen. Zu den möglichen Beschwerden gehören:
- Schwäche
- Kurzatmigkeit, vor allem bei Belastung
- Müdigkeit
- Herzrasen (Tachykardie)
- Kopfschmerzen
- Schwindel
Bei den schwereren Verlaufsformen können zusätzlich ernsthafte Beschwerden auftreten, beispielsweise
- Milzvergrößerung (Splenomegalie)
- Lebervergrößerung (Hepatomegalie)
- Veränderungen am Skelett, beispielsweise Knochenveränderungen am Schädel (Bürstenschädel), Deformationen, Knochenbrüche
- Wachstumsverzögerung
Die Hb-Barts-Krankheit führt bei betroffenen Kindern bereits vor der Geburt zu schwerwiegenden Problemen, etwa einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und/oder einer verzögerten Entwicklung des Gehirns. Zudem besteht das Risiko von Komplikationen wie einer Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie) sowie einer Frühgeburt. Viele Kinder sterben noch vor der Geburt.
Ursachen: Woher kommt Thalassämie?
Thalassämien treten aufgrund einer erblichen Veranlagung auf. Im menschlichen Organismus liegen die Erbanlagen paarweise vor. Jedes Gen wird somit jeweils einmal von der biologischen Mutter und einmal vom biologischen Vater an das Kind weitergegeben. Abhängig davon, wie viele defekte Gene Betroffene tragen, ist die Ausprägung der Erkrankung schwächer oder stärker. Dabei können verschiedene Defekte vorliegen:
- Mutationen: Hierbei handelt es sich um Veränderungen bestimmter Abschnitte eines Gens.
- Deletionen: Hier fehlt der betroffene Abschnitt gänzlich.
Sind alle relevanten Gene betroffen, sprechen Fachleute von einer Homozygotie. Da es hier kein intaktes Gen gibt, sind die Verläufe besonders schwer. Bei Heterozygotie, also wenn auch intakte Gene vorliegen, sind die Verläufe leichter oder sogar symptomfrei.
Menschen, die zwar die Veranlagung für eine Erkrankung in ihren Genen tragen, bei denen diese aber nicht auftritt werden auch als Anlageträger*innen bezeichnet.
Diagnose bei Verdacht auf Thalassämie
Bei Verdacht auf Thalassämie finden zunächst ein ärztliches Gespräch und eine körperliche Untersuchung statt. Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, spielt die Erhebung der familiären Krankheitsgeschichte eine wichtige Rolle.
Entscheidend bei der Diagnostik sind ein Blutbild und ein sogenannter Blutausstrich. Bei Letzterem handelt es sich um die Untersuchung einer Blutprobe unter dem Mikroskop. Zudem kann eine Hämoglobinelektrophorese zum Einsatz kommen, bei der das Hämoglobin aus einer Blutprobe in einem elektrischen Feld untersucht wird.
Welche Behandlung bei Thalassämie?
Die Therapie hängt von der vorliegenden Form und der Ausprägung der Symptome ab. Personen mit Alpha-Thalassemia minima und minor sowie mit Beta-Thalassemia minor benötigen in der Regel keine Behandlung.
Ist die Anämie stärker ausgeprägt, sind Bluttransfusionen notwendig. Die Häufigkeit der Transfusionen kann variieren. Manche Patient*innen benötigen sie nur gelegentlich, andere sehr regelmäßig. Bei der Hb-Barts-Krankheit sind bereits Bluttransfusionen im Mutterleib (intrauterin) notwendig, bei denen das Blut in den Kreislauf des Fötus eingeschleust wird.
Je häufiger die Transfusionen erfolgen, desto größer ist auch die Gefahr von Komplikationen und Folgeerkrankungen. So kann es beispielsweise zu einer Eisenüberladung kommen, die auf Dauer zu schwerwiegenden Organschäden führt.
Zusätzlich ist daher die Einnahme von Medikamenten notwendig, die das überschüssige Eisen aus dem Körper schleusen, sogenannte Chelatbildner. Diese wiederum können ebenfalls Nebenwirkungen auslösen, darunter:
- Fieber
- Muskelschmerzen
- Durchfall
- Schwerhörigkeit
- Nierenschäden
Zudem kann eine Milzvergrößerung auftreten, sodass das Organ gegebenenfalls entfernt werden muss. Da bei einer vollständigen Milzentfernung das Infektionsrisiko steigt, versuchen Ärzt*innen, etwa ein Drittel des Organs zu erhalten.
Alternativen zur Behandlung mit Transfusionen
Bei einem hohen Transfusionsbedarf kann alternativ eine Stammzelltransplantation erfolgen. Das ist die einzige Möglichkeit, Thalassämie zu heilen. Jedoch ist diese Behandlung mit erheblichen Risiken verbunden. So besteht beispielsweise eine erhöhte Infektionsgefahr sowie das Risiko einer Abstoßungsreaktion. Patient*innen müssen in der Regel ihr Leben lang Immunsuppressiva einnehmen, die das körpereigene Immunsystem herunterfahren.
Unter bestimmten Voraussetzungen ist mittlerweile bei einigen Betroffenen auch eine Gentherapie möglich, bei der das gesunde Gen in die Blutstammzellen eingeschleust wird. Ein Großteil der so behandelten Patient*innen benötigt im Anschluss daran keine Bluttransfusionen mehr.
Verlauf von Thalassämien
Der Verlauf ist sehr individuell und hängt zudem von der vorliegenden Form, der Symptomlast und einem rechtzeitigen Therapiebeginn ab. Liegt die Hb-Barts-Krankheit vor, kann die Thalassämie noch während der Schwangerschaft zum Tod des betroffenen Kindes führen. Wer lediglich die Anlage trägt, aber keine Symptome aufweist, hat hingegen eine ganz normale Lebenserwartung.
Durch die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten werden Patient*innen heute deutlich älter als früher. Jedoch besteht die Gefahr signifikanter Folgeerkrankungen. Ihre Lebensqualität ist zudem oft eingeschränkt.
In vielen Fällen sind lebenslang Kontrolluntersuchungen notwendig. Regelmäßige Bluttransfusionen können zu einer Eisenüberladung der Organe führen. Insbesondere Eisenablagerungen im Herzen sind eine häufige Todesursache bereits im frühen Erwachsenenalter bei Personen mit schwerer Thalassämie. Auch Diabetes, Knochenschmerzen, Frakturen und Infektionen können als Folge der Krankheit oder der Therapie auftreten.
Liegt ein Kinderwunsch vor, besteht die Gefahr, dass defekte Gene an das Kind weitergegeben werden. Abhängig davon, ob der andere Elternteil ebenfalls Anlageträger*in ist, kann die Krankheit beim Kind leichter oder schwerer ausfallen. Zudem ist bei Schwangeren mit der Erbkrankheit das Risiko für Komplikationen erhöht.