Syringomyelie
Die Syringomyelie ist eine seltene Erkrankung des Rückenmarks, bei der sich mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume im Rückenmarkskanal innerhalb der Wirbelsäule bilden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Diese Hohlräume verdrängen das umgebende Nervengewebe, was zu verschiedenen Beschwerden führen kann, wie zum Beispiel
- Empfindungsstörungen,
- Schmerzen,
- MuskelschwächeMuskelschwäche oder
- Lähmungen.
In manchen Fällen können die bei der Syringomyelie bestehenden Hohlräume bis zum Gehirn: Aufbau und FunktionGehirn reichen und Nervengewebe verdrängen. Erreichen sie die unteren Gehirnabschnitte, liegt eine sogenannte Syringobulbie vor: Ein häufiges Symptom hierfür ist eine Störung der Augenbewegung, bei der es zu einem seitwärts gerichteten Zittern der Augäpfel (sog. Nystagmus) kommt.
Der bei einer Syringomyelie typische Hohlraum (fachsprachlich Syrinx, Mehrzahl: Syringen) im Rückenmarkskanal entsteht, wenn die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (sog. Liquor) nicht mehr frei zirkulieren kann, sich aufstaut und sich nachfolgend einen anderen Weg sucht. Die Gründe dafür sind vielfältig – angefangen von Fehlbildungen oder Entzündungen des Rückenmarks bis hin zu Tumoren.
Nicht jede Syrinx geht automatisch mit einer Syringomyelie einher. So kann schon von Geburt an eine Erweiterung des Zentralkanals (die Leitungsbahn für die Rückenmarksflüssigkeit) vorliegen, die sich bis zum Lebensende nicht weiter ausdehnt. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang häufig von einer sogenannten Hydromyelie, wobei der Übergang zur Syringomyelie fließend ist.
Die angeborene Syringomyelie ist meist die Folge einer frühen Entwicklungsstörung des sogenannten Neuralrohrs, aus dem sich Wirbelsäule und Rückenmark beim Embryo entwickeln. Dabei entsteht eine knöcherne Fehlbildung am Übergang vom Gehirn zum Rückenmark (sog. Chiari-Malformation).
Die Folge: Einige der hinteren Hirnanteile werden durch die knöchernen Strukturen in den Rückenmarkskanal verdrängt, was zu einer Syringomyelie führt. Typischerweise sind die Hohlräume bei der angeborenen Syringomyelie mit Liquor gefüllt.
Eine erworbene Syringomyelie kann unterschiedliche Ursachen haben – zum Beispiel
- eine Verletzung oder eine Blutung im Wirbelsäulenbereich,
- ein Wirbelsäulentumor,
- schwere Bandscheibenvorfälle
- oder Entzündungen (etwa eine Hirnhautentzündung).
Bei einer erworbenen Syringomyelie enthält der Hohlraum typischerweise eine dem Liquor ähnliche, eiweißreiche Flüssigkeit.
Die Syringomyelie ruft meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr erste Symptome hervor. Dann ist damit zu rechnen, dass die Erkrankung langsam über Jahre bis Jahrzehnte weiter voranschreitet. Wie schnell sich die Hohlräume im Rückenmarkskanal ausdehnen und welche Beschwerden damit einhergehen, lässt sich nicht vorhersagen. Im Endstadium der Syringomyelie weisen die Betroffenen eine inkomplette Querschnittlähmung auf.
Damit die Ausfälle durch die Syringomyelie nicht fortschreiten, ist es nötig, den Druck auf das Nervengewebe zu mindern. Dies kann der Arzt erreichen, indem er das Rückenmark mit einer Operation entlastet oder die Flüssigkeit aus dem Hohlraum ableitet.
Neben den operativen Maßnahmen sind bei einer Syringomyelie zur Therapie auch eine individuell angepasste Schmerzbehandlung sowie hilfreich. Heilen kann dies die Syringomyelie jedoch nicht.
Definition
Der Begriff Syringomyelie leitet sich von den griechischen Wörtern Syrinx (= Rohr, Flöte; Mehrzahl: Syringen) und Myelos (= Mark) ab und bezeichnet eine seltene Rückenmarkserkrankung, die durch sich längs ausbreitende Hohlräume (Syringen) im Rückenmarksbereich gekennzeichnet ist.
Diese Hohlräume verdrängen Nervengewebe und befinden sich häufig im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule – sie können aber auch bis zum Gehirn reichen. Erreichen die Syringen die unteren Gehirnabschnitte, bezeichnet man dies auch als Syringobulbie.
Eine Syringomyelie kann angeboren oder erworben (d.h. sekundär entstanden) sein. Bei der angeborenen Syringomyelie, die insgesamt häufiger vorkommt, sind die Hohlräume mit Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) gefüllt. Bei der erworbenen Syringomyelie enthält der Hohlraum eine eiweißreiche Flüssigkeit, die der Hirnflüssigkeit ähnelt.
Häufigkeit
Die Syringomyelie kommt eher selten vor: Etwa 8 bis 9 von 100.000 Menschen sind betroffen. Dabei ist die Syringomyelie regional unterschiedlich häufig: In Südwestdeutschland und in Österreich ist die Rückenmarkserkrankung häufiger zu finden als in anderen Regionen.
Die angeborene Syringomyelie tritt in manchen Familien überdurchschnittlich häufig auf. Besonders kinderreiche Familien sind betroffen. Mögliche erbliche Ursachen sind bisher jedoch noch nicht bekannt. Bei Männern entwickeln sich Syringomyelien etwa doppelt so häufig wie bei Frauen.
Ursachen
Alle Formen von Syringomyelie haben eine gemeinsame Ursache: Die für eine Syringomyelie kennzeichnenden Hohlräume (= Syringen; Einzahl: Syrinx) im Rückenmark entstehen, weil die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (sog. Liquor) nicht frei zirkulieren kann.
Normalerweise durchfließt der Liquor, den spezielle Zellen im Bereich der Hirnkammern bilden, ungestört das Kammersystem und umspült das sowie das Rückenmark – anschließend nehmen ihn andere Zellen wieder auf. Eine Syringomyelie kann entstehen, wenn – aus unterschiedlichen Ursachen – der Liquorfluss an einer Stelle in diesem System unterbrochen oder blockiert ist: Dadurch staut sich die Flüssigkeit dort zunächst auf.
Wenn sich nun die aufgestaute Flüssigkeit einen anderen Weg sucht und sich mit Liquor gefüllte Hohlräume (Syringen) bilden, entsteht eine Syringomyelie.
Für die Störung der Liquorzirkulation, die jeder Syringomyelie zugrunde liegt, kommen verschiedene Ursachen infrage:
- Bei der angeborenen Syringomyelie ist die Ursache meist eine Fehlbildung am Übergang vom Gehirn zum Rückenmark (sog. Chiari-Malformation). Das Gehirn: Aufbau und FunktionKleinhirn oder das verlängerte Rückenmark (Medulla oblongata) sind nach unten in Richtung Rückenmarkskanal verlagert. Der Auslöser hierfür ist eine sehr frühe Entwicklungsstörung der Organe, die meist schon in der fünften bis sechsten Entwicklungswoche des Embryos erfolgt. Die veränderte Lage der Gehirnteile im Schädelknochen beeinträchtigt den normalerweise freien Fluss des Liquors. Es können viele Jahre vergehen, bis ein Hohlraum entsteht. Am häufigsten bilden sich die Hohlräume bei der angeborenen Syringomyelie im Bereich der Hals- oder Brustwirbelsäule.
- Die sekundäre oder erworbene Syringomyelie kann durch einen Unfall mit verletztem Rückenmark entstehen: In einigen Fällen entwickeln sich in den folgenden Jahren Hohlräume im Rückenmarksbereich aus. Eine weitere mögliche Ursache für erworbene Syringomyelien ist eine Entzündung der Spinnenhaut (Arachnoidea) des Rückenmarks. Diese kann sich aus einer Entzündung anderer Gehirn- oder Rückenmarkshäute (z.B. einer Hirnhautentzündung; Meningitis) entwickeln. Die Spinnenhaut kann infolge der Entzündung mit der Umgebung verkleben, was den normalen Liquorstrom behindert. Eine weitere Ursache für die erworbene Syringomyelie kann ein im Bereich des Rückenmarks sein. Bildet sich etwa eine Engstelle durch den Tumor, kann die Rückenmarksflüssigkeit nicht mehr frei zirkulieren. Sie staut sich und schließlich bildet sich ein Hohlraum. Kombinationen von mehreren Ursachen sind ebenfalls möglich.
Die typischen Symptome einer Syringomyelie hängen mit dem erhöhten Druck zusammen, den die neu gebildeten Höhlen auf die Nerven ausüben: Das Gehirn und das Rückenmark liegen in einem begrenzten, engen knöchernen Raum. Die Schwere der Syringomyelie ist allerdings nicht von der Größe eines Hohlraums abhängig. Vielmehr ist die Lage des Hohlraums innerhalb des Rückenmarks oder der unteren Gehirnanteile ausschlaggebend für die Art der Beschwerden.
Symptome
Eine Syringomyelie kann vielfältige Symptome hervorrufen. Deren Ausmaß hängt unter anderem von der Lage der für Syringomyelien kennzeichnenden Hohlräume (Syringen, Einzahl = Syrinx) im Rückenmark ab.
Die Hohlräume verdrängen das umgebende Nervengewebe und lösen so verschiedene neurologische Ausfallserscheinungen aus. Obwohl die Erkrankung häufig angeboren ist, treten die Symptome einer Syringomyelie in der Regel erstmals im Alter von 20 bis 40 Jahren auf.
Die Syringomyelie verursacht viele, teilweise schmerzhafte Symptome: Häufig kommt es zu zum Beispiel zu:
- Schulterschmerzen
- Armschmerzen
- Nackenschmerzen
- Kopfschmerzen
- Empfindungsstörungen, z.B. Taubheitsgefühle
- gestörte Tiefensensibilität: Dadurch lässt sich etwa die Stellung von Gliedmaßen schwerer kontrollieren.
- Beeinträchtigung der Blasen- und Darmentleerung
- sexuelle Funktionsstörung (z.B. Erektionsstörungen)
- schlaffe oder spastische Lähmungen
- veränderte Schweißsekretion (verstärkt oder vermindert)
- Knochenveränderungen an Wirbelsäule oder Gelenken, dadurch schmerzhafte Bewegungseinschränkung
- Durchblutungsstörungen: Die Haut fühlt sich kühl an, sieht bläulich aus und kann später auch teigig anschwellen.
- schlechtere Wundheilung aufgrund der verminderten Durchblutung
Sind die unteren Hirnbereiche betroffen (Syringobulbie), können zudem folgende Symptome auftreten:
- Nystagmus (zitternde, rasche Seitwärtsbewegung der Augäpfel)
- Abbau von Muskelmasse im Zungenbereich
- Empfindungsstörungen oder Schmerzen im Gesicht, wenn z.B. der Gesichtsnerv (N. trigemninus) betroffen ist.
Diagnose
Bei einer Syringomyelie stehen ein ausführliches Gespräch zur Krankengeschichte (Anamnese) sowie eine körperliche Untersuchung am Anfang der Diagnostik.
Dabei fragt der Arzt nach möglichen Beschwerden wie
- dauerhaften Schmerzen in den oberen Abschnitten des Körpers oder
- häufigen Verbrennungen als Zeichen eines herabgesetzten Temperaturempfindens.
Bei der körperlichen Untersuchung prüft der Arzt vor allem die Reflexe und achtet auf die Muskelkraft. Ergibt sich aus diesen anfänglichen Schritten der Verdacht auf eine Syringomyelie, gelingt die Diagnose meist mithilfe der (MRT): In den MRT-Aufnahmen des Rückenmarkkanals und der angrenzenden Gehirnteile ist der für eine Syringomyelie kennzeichnende Hohlraum (Syrinx) und seine Ausdehnung entlang der Der RückenWirbelsäule deutlich zu sehen.
Durch eine speziellere MRT-Untersuchung kann der Arzt auch die Zirkulation der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (sog. Liquor) darstellen: Dies ermöglicht es, auch geringe Störungen in der Liquorzirkulation durch minimale Verklebungen der Rückenmarkshäute festzustellen.
Um bei der Untersuchung eine Entzündung auszuschließen, ist außerdem die Entnahme einer Liquorprobe im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (sog. Lumbalpunktion) ratsam.
Zur weiteren Diagnose kann vor einer möglichen Operation auch eine sogenannte Myelographie zum Einsatz kommen: Dabei sticht der Arzt den Liquorraum mit einer Hohlnadel (Kanüle) an und gibt ein Kontrastmittel hinein, um auf RöntgenRöntgenaufnahmen sichtbar zu machen, wie weit sich der Liquorraum bei der Syringomyelie ausdehnt. Anhand der anschließend angefertigten Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule kann der Arzt genau feststellen, ob der Hohlraum direkt mit dem Liquorraum verbunden und ob er Kammern enthält.
Therapie
Die bei einer Syringomyelie eingesetzte Therapie zielt zum einen darauf ab, die Symptome zu lindern: Hierzu ist eine angepasste Schmerztherapie wichtig, wobei es ratsam ist, frühzeitig mit Physiotherapie (Krankengymnastik)Krankengymnastik zu beginnen. Zum anderen hat die Behandlung zum Ziel, das Fortschreiten der Syringomyelie aufzuhalten oder zu verlangsamen.
Gegen die im Verlauf häufig auftretende, unkontrollierbare Verkrampfung der Beinmuskulatur (spastische Paraparese) helfen teilweise Medikamente, die zur Entspannung der Muskulatur beitragen.
Bei einer Syringomyelie kann eine Operation erforderlich sein: Dadurch lässt sich der Druck verringern, den die liquorgefüllten Hohlräume (Syringen) im Rückenmark auf das Nervengewebe ausüben. Heilbar ist die Syringomyelie durch diese Maßnahme jedoch nicht.
Zur operativen Syringomyelie-Therapie stehen spezielle neurochirurgische Verfahren zur Verfügung. So kann der Operateur beispielsweise ein Röhrchen (sog. Shunt) in den flüssigkeitsgefüllten Hohlraum einsetzen, um die Flüssigkeit abzuleiten. Diese Methode birgt jedoch Risiken: Der im Rückenmark verbleibende Fremdkörper kann dazu führen, dass sich ein weiterer Hohlraum ausbildet. Ferner kann eine Infektion oder ein Shuntverschluss auftreten. Aufgrund der Risiken legen Ärzte nur dann einen Shunt, wenn es keine andere Behandlungsmöglichkeit der Syringomyelie gibt.
Ein weiteres chirurgisches Verfahren ist die sogenannte Foramen-magnum-Dekompressions-Operation (FMD): Hierbei erweitert der Chirurg die Schädelöffnung hin zum Rückenmark (Foramen magnum, Hinterhauptsloch) einschließlich des ersten Wirbelbogens.
Ist die Syringomyelie nicht angeboren, sondern erworben (z.B. durch einen Unfall), entfernt er oft nur die Wirbelbögen auf der Höhe der Verletzung. Wenn die Spinnenhaut des Rückenmarks infolge einer Entzündung verklebt ist und so die Syringomyelie ausgelöst hat, ist es hilfreich, diese Verklebung operativ zu lösen.
Verlauf & Vorbeugen
Die Syringomyelie verläuft individuell sehr unterschiedlich. Typisch ist jedoch ein langsam fortschreitender Verlauf – in einigen Fällen kommt die Rückenmarkserkrankung sogar vollständig zum Stillstand. Bei manchen Betroffenen verstärken sich die Symptome der Syringomyelie zunehmend, wobei auch eine Operation den Verlauf kaum verlangsamen kann.
Besonders die erworbene Syringomyelie, die durch einen Unfall mit verletztem Rückenmark entstanden ist, schreitet zunehmend fort.
Bilden sich Hohlräume (Syringen) durch KrebsTumoren des Rückenmarks, hängt die Prognose der Syringomyelie im Wesentlichen von der Grunderkrankung ab. Eine rechtzeitige Operation kann die Lebensqualität der Betroffenen oft erheblich steigern. Im fortgeschrittenen Stadium der Syringomyelie ist aufgrund der eingeschränkten Blutversorgung häufig zusätzlich das Rückenmark geschädigt. Durch wucherndes Bindegewebe können sich Trennwände innerhalb des Hohlraums bilden oder die Syrinx vollständig ausfüllen.
Vorbeugen
Einer Syringomyelie können Sie nicht vorbeugen: Bisher sind keine Maßnahmen bekannt, mit denen Sie die Bildung gefüllter Hohlräume (Syringen) im Rückenmarkskanal wirksam verhindern können.