Suizidabsichten: Selbsthilfegruppe
© GettyImages/Halfpoint Images

Suizid: Definition, Anzeichen und Hilfsangebote

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 09.02.2023

Suizid ist ein Thema, über das niemand gern spricht. Dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, scheint Suizidgefährdeten der einzige Ausweg zu sein. Mit professioneller Hilfe lassen sich jedoch auch unlösbar wirkende Situationen überstehen. Wie es zu Suizidgedanken kommt, welche Warnsignale Angehörige kennen sollten und wo Betroffene Hilfe finden.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Hilfe bei Suizidgedanken

Wenn Sie in letzter Zeit öfter über Suizid nachdenken, zögern Sie nicht, sich Hilfe zu holen. Die Telefonseelsorge steht Ihnen anonym und kostenlos rund um die Uhr zur Verfügung: 0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222.

Definition: Was ist Suizid?

Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland rund 10.000 Menschen das Leben. Im Jahr 2021 waren es 9.215. Damit kommt Suizid hierzulande fast dreimal so häufig vor wie ein tödlicher Verkehrsunfall.

Von Suizid (lat. sui caedere = sich töten) ist die Rede, wenn sich eine Person gezielt und mit bewusster Absicht das Leben nimmt. Einem Suizid geht in der Regel der Wunsch voraus, dem eigenen Dasein ein Ende zu setzen. Personen mit Selbstmordgedanken möchten einer belastenden Situation entkommen oder glauben, dass es keinen anderen Ausweg als den Suizid für sie gibt. Diese Absicht zur Selbsttötung, die mit entsprechenden Fantasien einhergeht, bezeichnen Fachleute auch als Suizidalität oder Suizidgefährdung.

Übrigens: Alltagssprachlich werden die Begriffe Suizid und Selbstmord synonym verwendet. Da der Akt der Selbsttötung strafrechtlich nicht relevant ist, wird in Fachkreisen von der Verwendung des Selbstmordbegriffs abgesehen.

Suizid: Was sind die Ursachen?

Ein Suizid oder Suizidversuch kann viele Ursachen haben. Betroffene befinden sich etwa in einer belastenden Situation, aus der sie keinen Ausweg mehr finden. Der Selbstmord erscheint dann die einzig mögliche Alternative. Ein Selbstmordversuch kann auch ein verzweifelter Hilferuf sein.

Suizidalität kann grundsätzlich jeden Menschen treffen, sie kommt in allen sozialen Schichten vor. Bestimmte Personengruppen haben jedoch ein erhöhtes Risiko für Suizidalität.

Menschen mit psychischen Vorerkrankungen

Folgende seelische Störungen gehen mit einer deutlich erhöhten Suizidrate einher:

Biologische Faktoren

Untersuchungen haben gezeigt, dass Suizidalität häufig mit einem niedrigen Serotoninspiegel einhergeht. Serotonin ist ein Nervenbotenstoff, der umgangssprachlich auch als Glückshormon bekannt ist. Ein Mangel kann sich entsprechend negativ auf die Stimmung auswirken und etwa zu Angstzuständen führen.

Auch Eigenschaften wie eine hohe Impulsivität oder emotional-instabile Persönlichkeitszüge sind mögliche Risikofaktoren – ebenso wie eine erbliche Vorbelastung. Statistiken zeigen, dass bei rund der Hälfte aller Suizident*innen ein Familienmitglied ersten Grades ebenfalls Selbstmord begangen hat. Hier ist jedoch nicht eindeutig geklärt, in welchem Ausmaß die Genetik oder aber ein Nachahmungseffekt beziehungsweise ein durch den Verlust ausgelöstes Trauma ausschlaggebend sind.

Psychosoziales Umfeld

Ein instabiles soziales Umfeld kann insbesondere für Kinder und Jugendliche eine große Belastung darstellen. Dazu zählen unter anderem häufige Streitigkeiten der Eltern und eine fehlende Unterstützung. Kommt es etwa zu schulischer Überforderung und in der Folge zu schlechten Leistungen, können Versagensängste entstehen.

Ohne eine verlässliche Bezugsperson kann eine solche Situation schwere Krisen auslösen. Dazu trägt auch bei, dass Kinder ohne familiäre Zuneigung und Unterstützung kaum ein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen. Ein häufiges Merkmal suizidaler Personen sind Selbstzweifel oder sogar Selbsthass.

Sind Betroffenen in ihrem Umfeld zusätzlich Suchtmittel und/oder Waffen zugänglich, kann sich das ebenfalls verstärkend auf mögliche Suizidgedanken auswirken.

Belastende Lebensereignisse

Konkrete Ereignisse wie traumatische Erlebnisse, Schicksalsschläge oder Krisen, können das Suizidrisiko erhöhen. Dazu zählen unter anderem:

  • finanzielle Probleme (Verschuldung)
  • berufliche Probleme (Kündigung, Überforderung)
  • Liebeskummer (z. B. durch das Ende einer Partnerschaft oder nicht erwiderte Gefühle)
  • Verlust einer nahestehenden Person
  • Suizid oder Suizidversuche im familiären Umfeld
  • Gewalterfahrungen (seelische oder körperliche Gewalt, sexueller Missbrauch)
  • Begangene Straftat, die starke Schuldgefühle auslöst oder eine hohe Strafe (etwa eine Gefängnisstrafe) nach sich zieht

Auch die Diagnose einer schweren und/oder unheilbaren Erkrankung, die mit starken Schmerzen verbunden ist und Betroffene stark einschränkt, kann ein auslösendes Ereignis sein.

Suizid durch Nachahmung

Studien zeigen, dass nicht nur Suizidhandlungen im direkten Umfeld das Selbstmordrisiko erhöht – auch auf Suizide prominenter Menschen folgt meist ein Anstieg der allgemeinen Suizidrate, insbesondere bei Jugendlichen. Fachleute sprechen hier vom Imitationseffekt.

Suizidrate: Daten & Fakten

Suizid ist eine häufige Todesursache. Circa 800.000 Menschen nehmen sich weltweit pro Jahr das Leben – demnach begeht im Durchschnitt alle 40 Sekunden eine Person Selbstmord. In Deutschland nehmen sich rund 10.000 Menschen jährlich das Leben. Damit ist die Zahl der Selbstmorde hierzulande innerhalb der letzten Jahrzehnte deutlich gesunken: Mitte der 1970er Jahre waren es etwa noch rund 20.000 Suizident*innen pro Jahr.

Dennoch: In Deutschland sterben fast dreimal mehr Menschen durch Selbstmord als durch einen Verkehrsunfall. Nicht zu unterschätzen ist die mögliche Dunkelziffer. Beim Tod nach einem Autounfall oder nach Drogenkonsum beispielsweise kann es sich auch um einen Suizid handeln.  

Die Statistiken der Selbstmordversuche unterscheiden sich stark von den tatsächlich begangenen Suiziden.

  • Die meisten Selbstmordversuche unternehmen Jugendliche und junge Erwachsene – und hauptsächlich Frauen. Schätzungen zufolge liegt die Zahl der Suizidversuche um ein Zehnfaches höher als die des vollendeten Suizids.

  • Einen tatsächlichen Suizid begehen dagegen Personen mit einem Durchschnittsalter von 55 bis 63. Dabei handelt es sich zu 75 Prozent um Männer

Rechtliche Lage: Assistierter Suizid und Sterbehilfe

Die "Suizidbeihilfe" oder auch "assistierte Sterbehilfe" bedeutet, dass bei einem Suizid unterstützt wird – allerdings passiv, etwa durch das Bereitstellen eines tödlichen Mittels. Einnehmen muss der*die Patient*in dieses selbst – anders als bei der aktiven Sterbehilfe.

Bis Ende Februar 2020 war der assistierte Suizid in Deutschland strafbar. Nachdem Betroffene, Vereine und Mediziner*innen dagegen geklagt hatten, hob das Bundesverfassungsgericht dieses Strafgesetz auf. Das Recht auf assistierten Freitod soll sich nicht auf körperlich Erkrankte beschränken, sondern für alle Menschen mit einem Sterbewunsch gelten. Jedoch muss ein ausführliches psychiatrisches Gutachten vorliegen. Eine entsprechende neue Regelung im Bundestag hat es bislang jedoch nicht gegeben, weshalb assistierte Suizide derzeit eine rechtliche Grauzone sind.

Suizid: Anzeichen erkennen

Suizidabsichten kündigen sich häufig an – in einigen Fällen auch ganz konkret, in anderen eher als subtile Hinweise. Möglicherweise sprechen Betroffene etwa davon, dass

  • ihnen ihr Leben sinnlos vorkommt,
  • sie für andere nur eine Last darstellen oder sie
  • "nicht mehr können".

Auch Sätze, die darauf hindeuten, dass man sich womöglich zum letzten Mal sieht, sollten unbedingt ernstgenommen werden!

Wichtig: Die Annahme, dass ein angekündigter Selbstmord doch nicht begangen wird, ist ein Irrglaube! In acht von zehn Fällen haben Betroffene ihre Suizidabsichten im Vorfeld geäußert.

Doch auch, wenn der Sterbewunsch nicht verbalisiert wird, können bestimmte Anzeichen und Verhaltensweisen ein Hinweis sein. Einige mögliche Beispiele: Die betroffene Person…

  • zeigt sich resigniert, niedergeschlagen und hoffnungslos.
  • hat an nichts mehr Freude und kann auch keine Vorfreude empfinden.
  • zieht sich zunehmend zurück und bricht soziale Kontakte ab.
  • legt keinen Wert mehr auf ihr Äußeres, wirkt ungepflegter oder zeigt ein verändertes Essverhalten.
  • hat auf einmal das Bedürfnis, Familienangelegenheiten zu klären.
  • beschäftigt sich plötzlich intensiv mit den Themen Tod, Sterben oder auch Sterbehilfe.
  • begeht Selbstverletzung.
  • bereitet einen Selbstmord vor, zum Beispiel durch das Sammeln von Tabletten.
  • verabschiedet sich von nahestehenden Personen oder verschenkt persönliche Dinge.
  • zeigt ein riskantes Verhalten, etwa in Form von Alkohol- oder Drogenkonsum oder rasantem Autofahren.

Insbesondere, wenn der*die potenzielle Suizident*in eine starke Wesensveränderung zeigt, kann dies ein Hinweis sein. Wer eigentlich besonders kommunikativ und extrovertiert ist und auf einmal ungewöhnlich ruhig wird, könnte sich in einer Krise befinden.

Auch, wenn von Suizidgefährdeten eine plötzliche und unerwartete Euphorie ausgeht, sollten Angehörige hellhörig werden. Dieser Zustand kann sich bei Betroffenen einstellen, wenn sie den Entschluss zum Selbstmord gefasst haben: Die Aussicht, nun endlich eine vermeintliche Lösung gefunden zu haben, kann zu Gefühlen der Gelöstheit und Zufriedenheit führen.

Suizid: Hilfe holen

Beachten Sie: Handelt es sich um einen Notfall, müssen Sie sofort Hilfe holen! Rufen Sie umgehend den Notarzt (112) und teilen Sie mit, dass die betroffene Person selbstmordgefährdet ist!

Wer mögliche Anzeichen für einen bevorstehenden Suizid erkennt und rechtzeitig handelt, kann möglicherweise Leben retten. Scheuen Sie sich nicht, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, wenn Sie glauben, dass eine Person in Ihrem Umfeld suizidgefährdet ist! Der Großteil der Menschen mit Suizidabsichten ist im Nachhinein froh, Hilfe erhalten zu haben.

Was können Angehörige tun?

Auch, wenn es schwierig erscheint: Wenn Sie den Verdacht haben, dass eine Person ernsthaft darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen, sollten Sie sie konkret darauf ansprechen und fragen, ob solche Gedanken bestehen.

Vermeiden Sie in einem solchen Gespräch Vorwürfe oder moralische Vorhaltungen. Zudem sollten Sie die Situation nicht herunterspielen oder bagatellisieren ("Das wird schon wieder"), sondern die betroffene Person ernst nehmen und ihr aufmerksam zuhören. Auch wenn sie vielleicht abweisend reagiert: Lassen Sie sie nicht allein, wenn sie eine akute Gefährdung vermuten.

Dennoch gilt immer: Holen Sie sich in einer solchen Lage Hilfe. Der Kontakt zu einer suizidalen Person ist eine große psychische Belastung. Bieten Sie zum Beispiel an, Hilfsangebote herauszusuchen und die betroffene Person zu einer Beratungsstelle zu begleiten. Bei starker Selbstmordgefährdung müssen Sterbewillige zu ihrem eigenen Schutz in einer Klinik untergebracht werden.

Wichtig: Acht von zehn aller Suizidversuche werden vorher angekündigt – daher sollten Sie entsprechende Äußerungen niemals auf die leichte Schulter nehmen.

Wenn Angehörige trauern

Ein Suizid oder Selbstmordversuch betrifft immer auch die Menschen, die der Person nahe sind oder waren. Angehörige, Lebenspartner*innen, Freund*innen und Bekannte werden durch den Suizid eines geliebten Menschen aus der Bahn geworfen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jeder Suizid beziehungsweise Suizidversuch das Leben von mindestens sechs weiteren Menschen beeinträchtigt.

Wenn ein für Sie nahestehender Mensch Suizid begangen hat oder versucht hat, sich umzubringen: Suchen Sie sich Unterstützung, um mit Ihrer Situation fertig zu werden! Seelsorger*innen und Psycholog*innen können Ihnen zur Seite stehen und dabei helfen, die schwierige Lebenslage zu meistern. Manche Menschen erleichtert es auch, wenn Sie in einer Selbsthilfegruppe über ihren Kummer sprechen können.

Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige

Wenn Sie in letzter Zeit Suizidgedanken haben oder einen Menschen kennen, bei dem Sie eine Selbsttötungsabsicht vermuten, sollten Sie nicht zögern, Hilfe zu holen.

Es gibt viele Möglichkeiten, um mit professioneller Unterstützung eine scheinbar ausweglose Situation zu beleuchten und zu lösen – bei Bedarf auch anonym. Wenden können Sie sich zum Beispiel an:

  • niedergelassene psychiatrische und psychotherapeutische Praxen
  • Institutsambulanzen
  • die hausärztliche Praxis
  • die Telefonseelsorge oder andere Notrufeinrichtungen
  • Beratungsstellen und spezielle Einrichtungen für Suizidgefährdete
  • Seelsorger*innen 

Adressen und Telefonnummern

Rufen Sie in einem Notfall immer den Rettungsdienst (112) und teilen Sie mit, dass die betroffene Person selbstmordgefährdet ist!

Telefonseelsorge
Die Telefonseelsorge steht Ihnen anonym und kostenlos rund um die Uhr zur Verfügung: 0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222
www.telefonseelsorge.de

Wenn Sie in Österreich leben, erreichen Sie die Telefonseelsorge unter der Telefonnummer 142.
www.telefonseelsorge.at

Nummer gegen Kummer
Elterntelefon: 0800 1110550
Kinder- und Jugendtelefon: 0800 1110333
www.nummer-gegen-kummer.de

AGUS – Angehörige um Suizid e.V.
www.agus-selbsthilfe.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS)
www.suizidprophylaxe.de

Frankfurter Netzwerk Suizidprävention (Frans)
https://frans-hilft.de/fuer-angehoerige-und-freunde/