Das Bild zeigt den Kopf eines Mannes von hinten, der sich gerade das Hörgerät  aus dem Ohr nimmt
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Schwerhörigkeit: Ab wann ein Hörgerät?

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 29.06.2023

Wer schwerhörig ist, hat ein verringertes Hörvermögen, kann also Töne erst ab einer bestimmten Lautstärke wahrnehmen. Eine Schwerhörigkeit kann plötzlich auftreten und wieder verschwinden oder chronisch verlaufen. Lesen Sie, welche Ursachen Schwerhörigkeit hat und ab wann ein Hörgerät nötig ist.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zur Schwerhörigkeit

Von einer hochgradigen Schwerhörigkeit spricht man bei einem Hörverlust ab 61 Dezibel (dB). Dann ist es nicht mehr möglich, Gesprächen in normaler Lautstärke zu folgen. 

Ärztlich verschrieben werden kann ein Hörgerät, wenn das bessere der beiden Ohren einen Hörverlust von mindestens 30 dB aufweist. Es ist sinnvoll, dem ärztlichen Rat zu einem Hörgerät folgen, denn unbehandelt schreitet die Schwerhörigkeit schneller voran.

Die möglichen Ursachen für Schwerhörigkeit sind vielfältig. Zu den häufigsten gehören neben der Altersschwerhörigkeit Fremdkörper oder Ohrenschmalz im Ohr, eine Mittelohrentzündung und eine Otosklerose, eine Erkrankung der Gehörknöchelchen.

Was ist Schwerhörigkeit?

Als Schwerhörigkeit (Hypakusis) bezeichnet man eine eingeschränkte Hörfähigkeit, die angeboren sein oder plötzlich im Laufe des Lebens auftreten kann. Dabei können sowohl nur ein Ohr als auch beide Ohren betroffen sein. Schwerhörigkeit stellt keine eigene Erkrankung dar, sondern ist das Symptom einer bestehenden Erkrankung des Hörorgans. In Deutschland ist etwa jede fünfte Person über 14 Jahren von einer behandlungsbedürftigen Schwerhörigkeit betroffen.

Altersschwerhörigkeit besonders häufig

Schwerhörigkeit tritt vor allem bei älteren Menschen als typische Alterserscheinung auf (Presbyakusis). Zunächst verschlechtert sich dabei das Hören der hohen Frequenzen, sodass Betroffene beispielsweise das Zirpen der Grillen nicht mehr wahrnehmen. Schließlich nimmt das Sprachverständnis ab, besonders bei starken Hintergrundgeräuschen (Cocktailparty-Effekt). Altersschwerhörigkeit gilt als ein Risikofaktor für Demenz und Altersdepressionen. Daher sollte sie nicht hingenommen, sondern beispielsweise ein Hörgerät verwendet werden.

Doch auch junge Menschen sind als Folge einer hohen Lärmbelastung von Schwerhörigkeit betroffen. Oft tritt sie nur vorübergehend auf, zum Beispiel beim Fliegen oder im Gebirge, nach einem Konzert mit lauter Musik oder bei einer Mittelohrentzündung.

In einigen Fällen bemerken Betroffene mit zunehmendem Hörverlust oder nach einem Hörsturz Ohrgeräusche (Tinnitus). Da das Innenohr auch das Gleichgewichtsorgan enthält, kann es bei Veränderungen des Innenohrs zu Schwindelanfällen und Übelkeit kommen.

Einschränkung der Lebensqualität

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört die Schwerhörigkeit in den Industrienationen zu den sechs häufigsten Erkrankungen, welche die Lebensqualität der Betroffenen deutlich einschränken. Besonders die alltägliche Kommunikation stellt für schwerhörige Menschen häufig ein Problem dar. Das wirkt sich negativ auf Alltag und Sozialleben aus.

Kinder: Folgen für Sprachentwicklung

Bleibt eine Schwerhörigkeit bei Neugeborenen oder Kindern unerkannt, kann dies die Entwicklung beeinträchtigen. So sind Schallreize für Babys und Kleinkinder wichtig, damit sich das Gehör optimal ausbilden kann. Auch ist das Hören für Kinder notwendig, um das Sprechen zu erlernen – bei schwerhörigen Säuglingen und Kleinkindern ist deshalb die normale Sprachentwicklung gefährdet.

Ein plötzlicher Hörverlust ist eine medizinische Notfallsituation und sollte ärztlich abgeklärt werden!

Grade der Schwerhörigkeit

Je nachdem, welche Lautstärke und Tonhöhe eine Person nicht mehr hört, unterscheiden Fachleute verschiedene Grade der Schwerhörigkeit:

  • Normalhörigkeit: Bis zu einem Hörverlust von 20 Dezibel (dB) sprechen Fachleute von Normalhörigkeit. 
  • geringgradige Schwerhörigkeit: Die Person hört z. B. Flüstern oder das Ticken einer Armbanduhr nicht mehr (Hörverlust von 26 bis 40 dB).
  • mittelgradige Schwerhörigkeit: Die Person nimmt keine Umgebungsgeräusche mehr wahr, z. B. Vogelgezwitscher (Hörverlust von 41 bis 60 dB).
  • hochgradige Schwerhörigkeit: Die Person kann normalen Gesprächen nicht mehr folgen (Hörverlust von 61 bis 80 dB).
  • Resthörigkeit oder Taubheit: Die Person nimmt auch sehr laute Geräusche nur noch als Vibrationen wahr, z. B. Discomusik (Hörverlust über 81 dB).

Wie hoch ist der Grad der Behinderung bei Schwerhörigkeit?

Bei Schwerhörigkeit ist es möglich, den Schwerbehinderten-Status zu erlangen. Bei einer Gesundheitsprüfung wird dafür der Grad der Behinderung (GdB) je nach Grad des Hörverlustes festgestellt. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn beide Ohren betroffen sind und mindestens eine hochgradige Schwerhörigkeit vorliegt. 

Schwerhörigkeit: Diese Ursachen kommen infrage

Für eine Schwerhörigkeit gibt es unterschiedliche Ursachen – je nachdem, um welche Form es sich handelt. Fachleute unterscheiden drei verschiedene Formen der Schwerhörigkeit:

  • Schallleitungsschwerhörigkeit
  • Schallempfindungsstörung
  • Schallverarbeitungsstörung

Schallleitungsschwerhörigkeit

Bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit gelangt der Schall nicht mehr ausreichend vom Außenohr über das Mittelohr bis ins Innenohr

Sie kann akut eintreten durch:

  • die vermehrte Bildung von Ohrenschmalz (Cerumen) oder wenn Ohrenschmalz beim Reinigen mit Ohrenstäbchen nach innen geschoben wird,
  • Fremdkörper im Gehörgang, z. B. Staub oder bei Kindern auch kleine Gegenstände, die sie sich beim Spielen in den Gehörgang einführen,
  • Wasser im Ohr
  • eine Entzündung der Haut des Gehörgangs (Otitis externa) oder eine lokal begrenzte Entzündung ausgehend von den Haarwurzeln im Gehörgang (Ohrfurunkel)
  • Durchstechen oder Zerreißen des Trommelfells, z. B. bei der Ohrreinigung oder durch einen Schlag auf das Ohr
  • Verschluss oder Verletzung der Ohrtrompete, die durch entzündliche Veränderungen, etwa bei einem Schnupfen, verengt oder verschlossen sein kann,
  • Verletzungen im Mittelohr oder Schädelbruch, wodurch die Verbindung zwischen den Gehörknöchelchen unterbrochen ist,
  • Mittelohrentzündung (Otitis media).

Mögliche Ursachen für eine chronische Schallleitungsschwerhörigkeit:

  • angeborene Schallleitungsstörungen aufgrund von fehlentwickelter oder vollständig fehlender Ohrmuschel (Mikrotie), fehlentwickeltem Gehörgang oder angeborenen Fehlbildungen des Mittelohrs
  • vermehrtes Knochenwachstum im Gehörgang (Exostosen)
  • Verengungen des Gehörgangs (Stenosen) durch Narben und Entzündungen
  • chronische Mittelohrentzündung
  • chronische Belüftungsstörung der Ohrtrompete (Tubenventilationsstörung), bei der die Tube dauerhaft verschlossen ist. Besonders bei Kindern kann sich Flüssigkeit im Mittelohr ansammeln (Paukenerguss). Heilt die Erkrankung nicht aus, verändert sich die Mittelohrschleimhaut (Tympanosklerose) und es entsteht eine hochgradige Schwerhörigkeit.
  • Otosklerose: Entzündliche Umbauprozesse des Knochens machen den Steigbügel (Gehörknöchel) unbeweglich – der Schall kann nicht mehr richtig an das Innenohr übertragen werden.
  • Tumoren im Gehörgang und im Mittelohr 

Schallempfindungsschwerhörigkeit

Die Schallempfindungsschwerhörigkeit ist eine Form der Schwerhörigkeit, bei der das Innenohr den Schall nicht mehr richtig verarbeiten kann.

Sie kann akut eintreten durch folgende Umstände:

  • Hörsturz: plötzliche, meist einseitige Hörverschlechterung
  • starker Lärm über 140 dB
  • übermäßiger Gebrauch bzw. Missbrauch von Sucht- oder Genussmitteln wie Alkohol, Drogen, Tabak
  • akute Infektionen, die auch das Innenohr betreffen wie HirnhautentzündungMumpSyphilisToxoplasmoseBorreliose
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • akute und chronische Vergiftungen durch Stoffe wie Lösungsmittel, Schwermetalle, Fluor, Kohlenmonoxid und Schwefelkohlenstoff
  • Gewalteinwirkung auf den Schädel, auch wenn der Schlag nicht direkt auf das Ohr trifft. Dabei können die Schädelknochen die Druckwelle auf das Innenohr weiterleiten (Knochenleitung)
  • Schädelbruch: Bei einem Schädelbruch kann die Bruchlinie durch alle Strukturen des Ohrs gehen. Geht die Bruchlinie durch das Innenohr (Pyramidenquerbruch), kann es zu plötzlichem Hörverlust kommen.
  • Riss der Membranen zwischen Mittelohr und Innenohr (Fensterruptur) durch operative Eingriffe, Gewalteinwirkung, Lärmschäden oder Druckverletzung (Barotrauma), zum Beispiel beim Tauchen
  • Stresssituationen (psychogene Schwerhörigkeit)

Die chronische Schallempfindungsstörung kann entstehen durch:

  • angeborene anatomische Fehlbildungen, beispielsweise unvollständig ausgebildete Hörschnecke
  • tägliche mehrstündige Lärmbelastung über 85 dB über lange Zeit, z. B. bei Personen, die im Straßenbau arbeiten oder Disk Jockeys (DJs) ohne entsprechenden Gehörschutz
  • verschiedene Alterungsprozesse im fünften bis sechsten Lebensjahrzehnt
  • Erkrankungen wie Nieren- und Schilddrüsenfunktionsstörungen, Diabetes mellitus, Gefäßveränderungen (Arteriosklerose) sowie eine Reihe von Immunerkrankungen
  • Druckerhöhung und damit Schädigung der Sinneszellen im Innenohr (Morbus Menière)
  • Schwerhörigkeit aufgrundeiner Autoimmunerkrankungz. B. bei Lupus erythematodes. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper.

Schallverarbeitungsstörung

Eine Schwerhörigkeit kann auch mit einer Schallverarbeitungsstörung zusammenhängen. Je nachdem, an welcher Stelle die Schallverarbeitung gestört ist, unterscheidet man eine neurale und zentrale Schwerhörigkeit. Die neurale Schwerhörigkeit betrifft den Hörnerv, die zentrale Schwerhörigkeit die Hörbahn und Hörrinde im Gehirn.

Ursachen einer neuralen Schwerhörigkeit sind beispielsweise:

  • Tumoren des Felsenbeins (Knochen, der das Innenohr umgibt) oder des Kleinhirnbrückenwinkels (Bereich hinter dem Felsenbein, in dem sich viele Hirnnerven befinden)
  • Akustikusneurinom, eine langsam wachsende gutartige Geschwulst am Gleichgewichts- beziehungsweise Hörnerv
  • entzündlich bedingte Schäden am Felsenbein

Für eine zentrale Schwerhörigkeit kommen folgende Ursachen in Betracht:

Diagnose der Schwerhörigkeit

Wer glaubt, schwerhörig zu sein, sollte eine HNO-Praxis aufsuchen.  Dort kann die Schwerhörigkeit mit einer Reihe von Tests festgestellt werden. Vor allem bei Kindern ist es wichtig, angeborene sowie erworbene Hörfehler so früh wie möglich festzustellen, da sich durch die Schwerhörigkeit Sprach- und Entwicklungsschwierigkeiten entwickeln können.

  • Stimmgabelprüfung: Hierbei wird eine schwingende Stimmgabel auf verschiedene Stellen des Kopfs gesetzt. Der Test kann Aufschluss über die Art der Schwerhörigkeit geben (Schallleitung, Schallempfindung).

  • Otoskopie: Bei der Ohrspiegelung können körperliche Veränderungen im Ohr erkannt werden, etwa einen Riss im Trommelfell.

  • Hörtests: Mithilfe verschiedener Hörtests lässt sich die Hörfähigkeit für die einzelnen Tonhöhen (Frequenzen) feststellen. Dabei werden die Töne ermittelt, die die betroffene Person gerade noch hören kann. Eingetragen in ein Diagramm ergibt das die Hörkurve, anhand derer die Schwerhörigkeit beurteilt und der Hörverlust in Dezibel errechnet wird.

  • Tympanometrie und Stapedius-Reflexmessung: Dabei werden die Funktion des Trommelfells und die Schallweiterleitung über die Gehörknöchelchen geprüft.

  • Elektrische Reaktionsaudiometrie: Die Messung der sogenannten otoakustischen Emissionen ist aufschlussreich, um der Ursache einer Schwerhörigkeit auf den Grund zu gehen. Das gesunde Ohr sendet einen empfangenen Ton ähnlich eines Echos zurück. 

  • Blutuntersuchung: Besteht der Verdacht auf stoffwechselbedingte Ursachen für die Schwerhörigkeit, kann dies durch eine Blutuntersuchung bestätigt oder widerlegt werden.

Schwerhörigkeit: Ab wann ist ein Hörgerät nötig?

Bei einer Schwerhörigkeit hängt die Therapie entscheidend von den Ursachen ab. Besteht die Ursache der Schwerhörigkeit lediglich darin, dass das Ohr durch einen Fremdkörper oder Ohrenschmalz verlegt ist, wird das Ohr gereinigt. Ist eine Erkrankung wie eine Mittelohrentzündung die Ursache, lässt sich diese mit Medikamenten wie Antibiotika behandeln. In anderen Fällen können operative Maßnahmen die Schwerhörigkeit heilen. 

Hörgerät oder Cochlea-Implantat?

Vor allem bei älteren Menschen bleibt die Schwerhörigkeit jedoch häufig dauerhaft bestehen. Dann kann ein Hörgerät eine Lösung sein. Es verstärkt zu leise Schallwellen und leitet diese ins Innenohr. Wenn die*der Ärztin*Arzt zu einem Hörgerät rät, ist es wichtig, diesem Rat zu folgen, um das Voranschreiten der Schwerhörigkeit aufzuhalten. Bleibt sie unbehandelt, werden die Nervenimpulse immer schlechter an das Gehirn weitergeleitet.

Hörgeräte lassen sich hinter dem Ohr tragen oder sind als dezente In-Ohr-Geräte erhältlich. 

Verordnet werden kann eine Hörhilfe, wenn

  • auf dem besseren Ohr eine Hörminderung von mindestens 30 Dezibel (dB) vorhanden ist oder
  • beim Sprachverstehen bei einer Lautstärke von 96 dB rund 20 Prozent nicht verstanden wird.

Falls ein normales Hörgerät nicht ausreicht, kommt unter bestimmten Umständen eine Innenohr-Prothese infrage, ein sogenanntes Cochlea-Implantat. Bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit kommt sie in der Regel jedoch nicht zum Einsatz.

Manchmal sinnvoll: Psychotherapie

Eine psychotherapeutische Behandlung ist bei Schwerhörigkeit als ergänzende Therapie sinnvoll, wenn die Hörminderung durch Stress bedingt ist oder die*der Betroffene durch die Einschränkungen im sozialen Leben zum Beispiel unter depressiven Verstimmungen leidet.

Der Schwerhörigkeit vorbeugen

Einer Hörschädigung lässt sich teilweise vorbeugen, wenn folgende Tipps beachtet werden:

  • Die Ohren nicht dauerhaft übermäßigem Lärm aussetzen
  • Bei einem Lärmpegel von mehr als 85 Dezibel einen Gehörschutz tragen (auch auf Konzerten, in der Disco)
  • Musik über Kopfhörer nicht in voller Lautstärke hören

Auch einem chronischen Verlauf einer Schwerhörigkeit lässt sich vorbeugen. Wer das Gefühl hat, nicht mehr richtig hören zu können, sollte möglichst zügig eine HNO-Praxis aufsuchen.