Schmerzen
Schmerzen können den Alltag stark beeinträchtigen. Während akute Schmerzen meist verschwinden, sobald die Ursache beseitigt ist, können chronische Schmerzen monate- bis jahrelang bestehen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Schmerzen
Was sind Schmerzen?
Schmerzen sind eine unangenehme Sinneswahrnehmung. Ähnlich wie der Mensch Hitze, Kälte oder Berührungen empfindet, nimmt er auch Schmerzen wahr.
Die Internationale Schmerzgesellschaft (International Association for the Study of Pain) definiert Schmerzen folgendermaßen: "An unpleasant sensory and emotional experience associated with actual or potential tissue damage, or described in terms of such damage." Übersetzt bedeutet das so viel wie: Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder möglicher Gewebeschädigung verbunden ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.
Schmerzen können
- plötzlich auftreten (akuter Schmerz)
- oder sich stetig entwickeln und dabei länger anhalten und wiederkehren (chronischer Schmerz).
Schmerzen haben eine wichtige Aufgabe: Akute Schmerzen sind ein Signal des Körpers, dass im Moment irgendetwas nicht stimmt, dass zum Beispiel Verletzungen bestehen oder Erkrankungen (wie eine Blinddarmentzündung oder Zahnprobleme). Bei akuten Schmerzen ist die Ursache meist eindeutig erkennbar und der Betroffene selbst oder ein Arzt können gezielt etwas dagegen tun. Hierbei kann es sich um Schmerzen durch einen aktuellen Vorfall handeln, etwa eine Verletzung. Akute Schmerzen können aber auch ohne ersichtliche Ursache plötzlich und kurzzeitig auftreten, zum Beispiel Kopfschmerzen.
In Gefahrensituationen lösen Schmerzen einen Schutzreflex aus. Fasst man beispielsweise mit der Hand auf eine heiße Herdplatte, aktiviert das nicht nur die Wärmerezeptoren der Haut, sondern auch die Schmerzrezeptoren. Diese signalisieren, die Hand von der heißen Herdplatte zu entfernen, um schwerere Verletzungen zu vermeiden.
Hält der Schmerz jedoch über einen längeren Zeitraum an, kann er seinen Warncharakter verlieren und sich zu einer eigenständigen Erkrankung entwickeln, dem chronischen Schmerz. Hierbei bildet der Körper über die Zeit ein Schmerzgedächtnis aus und trägt so dazu bei, dass Betroffene dauerhaft Schmerzen empfinden.
Mediziner bezeichnen Schmerzen dann als chronisch, wenn sie länger als drei bis sechs Monate bestehen. Etwa jeder fünfte Patient, der einen Hausarzt aufsucht, leidet unter chronischen Schmerzen. Rückenschmerzen und Gelenkschmerzen zählen dabei zu den häufigsten Schmerzen.
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Schmerzen: Ursachen
Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben. Denn es gibt unterschiedliche Mechanismen, die das Körpergewebe schädigen und so Schmerzen auslösen können, etwa zu niedrige oder zu hohe Temperaturen (z.B. Erfrierungen oder Verbrennungen), Gewalteinwirkung (z.B. Stich- und Schnittverletzungen) oder schädliche Substanzen (z.B. Säure).
Das Schmerzempfinden ist allerdings nicht allein eine Reaktion auf Gewebeschäden, sondern an eine komplexe Verarbeitung durch das Nervensystem geknüpft. So können Schmerzen auch psychische Ursachen haben. Und jede Art von Schmerz kann sich zum chronischen Schmerz entwickeln. Schmerzen gelten dann als chronisch, wenn sie länger als drei bis sechs Monate bestehen. Häufig treten sie begleitend zu einer Erkrankung auf, bestehen jedoch noch über diese hinaus weiter. Auch Schmerzen ohne klare Ursachen kommen häufig vor.
Schmerzen lassen sich je nach Dauer und Ursache unterteilen in
- akute Schmerzen,
- chronische Schmerzen,
- neuropathische Schmerzen und
- psychosomatische Schmerzen.
Schmerzleitung
Schmerzrezeptoren (Fachbegriff: Nozizeptoren) leiten Reize an das zentrale Nervensystem (ZNS, also Gehirn und Rückenmark) weiter. Die Rezeptoren reagieren dabei auf Temperaturreize (Hitze und Kälte) sowie chemische und mechanische Reize (z.B. Druck, Verletzungen).
Die erste Verarbeitung der Signale erfolgt im Rückenmark und löst häufig einen Reflex aus, der eine schnelle Reaktion möglich macht. Dies dient als Schutz, um den Körper aus der Gefahrensituation zu entfernen. So zieht man etwa bei Verbrennungen automatisch die Hand von der heißen Gefahrenquelle zurück. Die von den Schmerzrezeptoren kommenden Informationen gelangen über Nervenbahnen zum Gehirn, welches sie weiterverarbeitet. Auf diese Weise entsteht ein individuelles Schmerzempfinden.
Schmerzempfindung (Nozizeption)
Die Empfindung von Schmerz (sog. Nozizeption) ist immer individuell ausgeprägt. Über körpereigene Botenstoffe – zum Beispiel durch sogenannte Endorphine – ist der Körper in bestimmten Situationen in der Lage, das Schmerzempfinden zu dämpfen. Auch einige Schmerzmittel machen sich diesen Mechanismus zunutze.
Schmerz kann auf vier unterschiedliche Arten entstehen:
- physiologisch/nozizeptiv
- peripher neuropathisch
- zentral neuropathisch
- psychosomatisch
Tabelle: Schmerzentstehung
Art des Schmerzes | Wahrnehmung | Ursache |
physiologisch/nozizeptiv | Wahrnehmung über Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) | thermische, chemische und mechanische Reize |
peripher neuropathisch | Nervenschmerz, Nervenschädigungen außerhalb des zentralen Nervensystems (ZNS) | Amputation, Viren, Diabetes mellitus |
zentral neuropathisch | Nervenschmerz, Nervenschädigungen innerhalb des ZNS, also im Gehirn oder Rückenmark | Querschnittslähmung, Viren, multiple Sklerose, Hirnschlag |
psychosomatisch | Ausdruck psychischer Belastung | keine organische Ursache |
Akute Schmerzen
Akute, also plötzlich auftretende Schmerzen signalisieren dem Körper, dass eine Gefahr besteht, beispielsweise eine Verletzung. Bei akuten Schmerzen ist die Ursache daher meist eindeutig erkennbar und lässt sich entsprechend gezielt behandeln.
Chronische Schmerzen
Chronische Schmerzen, also Schmerzen, die länger als drei bis sechs Monate bestehen, können im Unterschied zum akuten Schmerz mit der Zeit die Form eines eigenen Krankheitsbildes annehmen. Die Ursache der Schmerzen lässt sich hier unter Umständen nicht mehr feststellen oder besteht nicht mehr, sodass eine ursächliche Behandlung meist nicht möglich ist. Die Nerven senden anhaltend Schmerzimpulse an das Gehirn, obwohl kein Reiz mehr vorhanden ist. Die Nervenzellen haben in solch einem Fall ein sogenanntes Schmerzgedächtnis entwickelt.
Neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen)
Neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) entstehen als Folge einer Schädigung oder Erkrankung von Nervenstrukturen. Je nach Ursache kann diese Schädigung das periphere Nervensystem (Nerven in Armen und Beinen) oder auch das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betreffen.
Eine der häufigsten Ursachen für periphere neuropathische Schmerzen ist zum Beispiel Diabetes mellitus. Mediziner sprechen in so einem Fall auch von diabetischer Polyneuropathie. Auch andere Ursachen können zu einer Polyneuropathie führen, so zum Beispiel ein übermäßiger Alkoholkonsum, bestimmte Medikamente (z.B. bei Chemotherapie) oder ein Vitamin-B12-Mangel.
Entstehen die neuropathischen Schmerzen durch geschädigte oder verletzte Nerven im Gehirn oder im Rückenmark, sprechen Mediziner von sogenannten zentralen neuropathischen Schmerzen. Beispiele hierfür sind etwa Erkrankungen wie multiple Sklerose (MS) oder Schlaganfall.
Psychosomatische Ursachen
Der Begriff "psychosomatisch" umfasst die Wörter psyche (Seele) und soma (Körper). Psychosomatische Erkrankungen sind damit die Äußerung psychischer Probleme oder Krankheiten, die sich durch körperlichen Beschwerden zeigen. Im Verlauf psychischer Erkrankungen, beispielsweise einer Depression, kommt es bei einigen Betroffenen zu Schmerzempfindungen. Die Ursache der Schmerzen liegt hier jedoch nicht im Körper, sondern ist eher auf psychische Faktoren zurückzuführen. Umgekehrt können anhaltende Schmerzen aber auch selbst eine Depression verursachen.
Das vegetative Nervensystem bildet eine Brücke zwischen Psyche und Körper. So kann es bei Angst- oder Stresssituationen beispielsweise zu erhöhtem Herzschlag und gesteigerter Durchblutung kommen. Dauert die Überlastung zu lange an, können psychosomatische (somatoforme) Störungen auftreten. Äußern sich diese in dauerhaften Schmerzen, so entsteht wiederum eine Stresssituation und der Teufelskreis schließt sich.
Unabhängig von der Ursache führt Schmerz zu einer reflexhaften Spannung in der jeweiligen Muskelpartie. Diese wiederum verursacht erneuten Schmerz, der weitere Muskelanspannung nach sich zieht. Abgesehen davon bewirkt Stress grundsätzlich eine erhöhte Muskelspannung.
Bei Schmerzpatienten reagiert der Körper auf Stress häufig rascher mit Muskelspannung und braucht auch längere Zeit, um diese Anspannung abzubauen. Betroffene zeigen also eine besondere Anfälligkeit für diese Spirale aus Muskelspannung und Schmerzen.
Schmerzen: Symptome
An der Verarbeitung von Schmerzreizen sind verschiedene Nervenstrukturen beteiligt, sodass sich Schmerzen und ihre Symptome in mehrere Bestandteile unterteilen lassen:
- Auf der sogenannten sensorischen (wahrnehmenden) Ebene registriert der Körper Ort, Dauer und Stärke der Schmerzen.
- Das durch den Schmerz hervorgerufene Unwohlsein bezeichnet man als affektive Komponente: Das Nervensystem reagiert reflexhaft und hat zur Folge, dass körperliche Symptome, wie etwa Schwitzen und Übelkeit, auftreten.
- Schmerzen lösen aber auch motorische Reaktionen, also Reaktionen in Form von Muskelbewegung aus. Diese äußern sich zum Beispiel durch Muskelverspannungen.
- Akute Schmerzen führen mitunter auch zu plötzlich veränderter Mimik und Gestik, beispielsweise wenn jemand das Gesicht vor Schmerzen verzieht, weil er sich den Fuß anstößt. Vor allem chronische Schmerzen sieht man den Betroffenen allerdings oft nicht an, selbst wenn die Schmerzen stark sind.
Schonverhalten: Nur kurzfristig sinnvoll
Viele Menschen mit Schmerzen beginnen sich zu schonen, um weitere Schmerzen zu vermeiden. Solch ein Schonverhalten kann bei akuten Schmerzen für eine kurze Zeit auch durchaus sinnvoll sind. Auf Dauer können durch das Schonverhalten jedoch weitere Schmerzen entstehen.
Sozialer Rückzug bei chronischen Schmerzen
Chronische Schmerzen können den Alltag stark belasten. Viele Betroffene ziehen sich deshalb allmählich immer mehr aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis zurück, weil sie sich nicht in der Lage sehen, am sozialen Leben teilzunehmen. Als Folge kann es jedoch zu weiteren Gesundheitsproblemen kommen, etwa zu Ängsten und Depressionen. Zudem besteht die Gefahr einer Medikamentenabhängigkeit, da Menschen mit chronischen Schmerzen oft höhere Dosen an Schmerzmitteln brauchen, um (annähernd) schmerzfrei zu sein und am Alltag teilnehmen zu können.
Schmerzen: Diagnose
Damit der Arzt bei Schmerzen eine Diagnose stellen kann, benötigt er vom Betroffenen verschiedene Informationen, wie zum Beispiel:
- Krankheitsgeschichte, z.B. Vorerkrankungen, Unfälle, Verletzungen
- psychosoziales Umfeld
- belastende Faktoren, z.B. Stress, Trauer
Im Anschluss an das Gespräch führt der Arzt möglicherweise einige körperliche, neurologische und orthopädische Untersuchungen durch. Mithilfe von sogenannten bildgebenden Verfahren kann er außerdem organische Ursachen der Schmerzen erkennen beziehungsweise ausschließen. Zu den bildgebenden Verfahren, die im Rahmen der Schmerz-Diagnose häufig zum Einsatz kommen, zählen unter anderem
- Röntgenuntersuchungen,
- Ultraschalluntersuchungen (Sonographie),
- Computertomographie (CT),
- Magnetresonanztomographie (MRT),
- Elektroenzephalogramm (EEG) und
- Elektrokardiogramm (EKG).
Schmerzen sind nur in begrenztem Ausmaß messbar. Bei bestimmten Schmerzformen (z.B. Spannungskopfschmerz) kann man objektive Daten gewinnen – etwa durch die Messung der Muskelspannung. Allerdings lassen diese Daten nur begrenzt Aussagen über den Schmerz zu, da dieser eine subjektive und damit individuell unterschiedliche Empfindung ist.
Bei Schmerzen stützt sich die Diagnose deshalb auf subjektive Aussagen: Der Arzt bittet den Betroffenen dazu in der Regel, die Schmerzstärke anhand einer Skala anzugeben (zum Beispiel mit einer Zahl zwischen "0 = kein Schmerz" und "10 = stärkster vorstellbarer Schmerz").
Auch ein Schmerztagebuch kann bei der Diagnose helfen. Hierbei notiert der Betroffene einige Wochen lang mehrmals täglich den Ort, die Stärke und die Dauer der Schmerzen. Außerdem soll er Angaben dazu machen, wie viel und welche Schmerzmittel er eingenommen hat und wie stark ihn die Schmerzen im Alltag beeinträchtigt haben.
Um neben der Schmerzintensität auch die Qualität des Schmerzempfindens einzuschätzen, können eine genaue Beschreibung der Schmerzen (brennend, ziehend, klopfend etc.), der allgemeinen emotionalen Stimmung und eine Bewertung der Schmerzen sinnvoll sein. All diese Angaben helfen dabei, den individuellen Verlauf der Schmerzen und der zugrundeliegenden Erkrankung sowie den Behandlungserfolg zu beurteilen.
Schmerztherapie
Schmerz ist ein Zusammenspiel aus körperlichen und psychischen Faktoren. Aus diesem Grund gibt es in der Schmerztherapie verschiedene Ansätze, die oft auch in Kombination zum Einsatz kommen.
Das vorrangige Therapie-Ziel bei akuten Schmerzen ist es, die Schmerzursache rasch zu beseitigen. Bei chronischen Schmerzen zielt die Schmerztherapie dagegen auf die Schmerzen selbst ab. Hauptanliegen ist es, den Prozess der Chronifizierung – also den Übergang von vorübergehenden Schmerzen hin zu länger andauernden Schmerzen – zu verlangsamen beziehungsweise zu stoppen.
Hierbei kommen neben Schmerzmedikamenten auch verschiedene psychologische und psychotherapeutische Methoden zum Einsatz. Diese Verfahren werden unabhängig davon eingesetzt, ob eine nachgewiesene organische Schmerzursache vorliegt oder es sich um sogenannte psychogene Schmerzen handelt, also um Schmerzen, die auf psychische Probleme oder Erkrankungen zurückgehen.
Entspannungstechniken, Hypnotherapie & Biofeedback
Entspannend wirkende Verfahren wie das autogene Training, insbesondere aber die progressive Muskelentspannung kommen bei der Behandlung von Schmerzen häufiger zum Einsatz. Denn sie steigern das allgemeine Wohlbefinden und können den Kreislauf aus Schmerzen und Muskelspannung durchbrechen. Häufig kombiniert man Entspannungstechniken dabei mit Vorstellungsübungen (wie z.B. der "Reise in den Körper", die Betroffenen sollen sich die Schmerzen bildlich vorstellen).
Solche Entspannungstechniken zeigen Ähnlichkeit mit der in der Schmerztherapie mittlerweile häufig eingesetzten Hypnotherapie, die dazu dient, die Schmerzwahrnehmung positiv zu beeinflussen.
Mithilfe von Biofeedback erhalten die Betroffenen optische oder akustische Rückmeldungen zu körperlichen Veränderungen (wie Atemfrequenz, Muskelspannung usw.) und lernen dadurch, Veränderungsprozesse in ihrem Körper aktiv zu steuern.
Beeinflussung des Schmerzverhaltens
Um die Einnahme von Schmerzmitteln zu reduzieren, sollten Betroffene mit chronischen Schmerzen Schmerzmittelnicht nach Bedarf, sondern nach einem ärztlich festgelegtenZeitschema einnehmen. Dafür gibt der Betroffene zunächst an, wie lange bei ihm der kürzeste schmerzfreie Zeitraum dauert. Zu Beginn der Schmerztherapie erhält er dann immer nach diesem Zeitabschnitt Schmerzmittel, unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt Schmerzen vorliegen. Nach und nach wird dieser Zeitraum langsam gestreckt. Die Idee hinter dieser Art von Schmerztherapie: Nimmt der Betroffene die Schmerzmedikamente immer bei Bedarf ein, wird er durch die Schmerzfreiheit "belohnt" – es besteht die Gefahr einer Abhängigkeit.
Manchmal setzen Ärzte auch einen "Schmerzcocktail" als Schmerztherapie ein. Hierbei mischt man die Medikamente zum Beispiel mit Kirschsirup. Der Medikamentenanteil wird dann bei gleichbleibendem Kirschgeschmack langsam verringert, sodass der Betroffene nicht weiß, wie hoch die gegenwärtige Dosierung ist.
Um dem Schon- und Rückzugsverhalten entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, neben der eigentlichen Schmerztherapie allmählich körperliche Aktivitäten in den Alltag einzubauen. Zu diesem Zweck werden Aktivitäten in überschaubare Arbeitseinheiten eingeteilt und schrittweise gesteigert. Der Betroffene soll hierbei die Aktivitäten protokollieren und die Arbeitseinheiten möglichst zu Ende führen, auch wenn vorher Schmerzen auftreten. So soll er lernen, realistische Arbeitsabschnitte und Pausen zu planen.
Ärzte und Angehörige sollten Fortschritte in der Behandlung dabei würdigen und den Betroffenen entsprechend bestärken. Allerdings ist es wichtig, darauf zu achten, das Schmerzverhalten nicht durch gesteigerte Aufmerksamkeit zu verstärken.
Generell ist es also sinnvoll, wenn Ärzte Angehörige des Patienten mit einbinden und die Behandlungsfortschritte der Schmerztherapie so auch in den Alltag übertragen. Die Erfolgsaussichten sinken hingegen möglicherweise, wenn ein Patient in der Therapie zwar für seine Aktivitätssteigerung belohnt wird, er zuhause aber weiterhin an seiner Schonhaltung festhält, weil seine Umgebung ihn aufgrund seiner Schmerzen von unangenehmen Pflichten entlastet.
Strategien zur Schmerzbewältigung
Je nach Art und Dauer der Schmerzen können gezielte Strategien zur Schmerzbewältigung sinnvoll sein. Hierbei sollen Betroffene lernen, hinderliche schmerzbezogene "Kognitionen" zu erkennen und zu kontrollieren. Darunter versteht man negative Gedanken und Bewertungen der Schmerzen, die ein Gefühl der Machtlosigkeit hervorrufen.
Gelingt es, den Schmerz als herausfordernde Belastung anzusehen, steigt die eigene Überzeugung, das Leid kontrollieren zu können. Als Folge sinkt die Angst vor den Schmerzen und Betroffene meiden schmerzverursachende Situationen möglicherweise seltener.
Um den Umgang mit den Schmerzen zu erleichtern, sollen Betroffene sich auf die objektive Schmerzwahrnehmung konzentrieren und die emotionale Komponente dabei zurückstellen. Die genaue Beschreibung von Ort, Dauer und Stärke der Schmerzen ermöglicht es, zumindest vorübergehend die Rolle eines unbeteiligten Beobachters einzunehmen.
Im Rahmen der Therapie lernt der Betroffene, in welcher Form sein Körper auf Stress reagiert und inwiefern diese Stressreaktionen das Schmerzgeschehen beeinflussen und zum Beispiel verstärken. Können diese ausgemacht werden, lässt sich zum Beispiel frühzeitig mit Entspannungsmethoden gegensteuern.
Als weitere Strategie kann der Betroffene individuell verfügbare innere und äußere Ablenkungsmöglichkeiten sammeln und üben (z.B. angenehme innere Bilder oder Aktivitäten). Dies soll die erhöhte Aufmerksamkeit für Schmerzreize (und die dadurch bedingte verstärkte Schmerzwahrnehmung) verringern. Zudem verändert sich die Bewertung der Schmerzen positiv, wenn der Betroffene gelernt hat, schon den ersten Schmerzimpuls als einen Hinweis zu sehen und sich eine angenehme Ablenkung als Bewältigungsstrategie zu suchen.
Treten chronische Schmerzen als Folge einer psychischen Erkrankung auf (z.B. einer Depression), steht die Therapie dieser Erkrankung im Vordergrund. Dennoch können ergänzend Methoden der Schmerztherapie zum Einsatz kommen.
Schmerzmittel in der Schmerztherapie
Schmerzmittel spielen bei akuten Schmerzen eine wichtige Rolle, ebenso wie in der Therapie vieler chronischer Erkrankungen die mit Schmerzen einhergehen können (wie Arthrose) oder auch bei Krebserkrankungen. Generell sollte ein Arzt die medikamentöse Schmerztherapie begleiten, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und eine Medikamentenabhängigkeit zu verhindern.
Bei schwachen chronischen Schmerzen besteht die Basismedikation einer Schmerztherapie in der Regel aus nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR, z.B. Wirkstoffe wie Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol, Naproxen oder Acetylsalicylsäure). Bei mittleren bis schweren Schmerzen verschreibt der Arzt auch Schmerzmittel, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen (z.B. Opioide wie die Wirkstoffe Tilidin, Tramadol oder Buprenorphin).
Besonders bei neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen) können Wirkstoffe wie Amitriptylin helfen. Diese wurden ursprünglich als Mittel gegen Depressionen entwickelt, haben sich aber auch in der Behandlung neuropathischer Schmerzen als hilfreich erwiesen.
Um bei chronischen Schmerzen den Schmerzkreislauf kurzzeitig zu unterbrechen, kann der Arzt zum Beispiel einen Wirkstoff wie Lidocain (ein örtliches Betäubungsmittel) in den Schmerzbereich spritzen oder die Schmerzen mittels Vereisung (Kryoanalgesie) stoppen.
Schmerzmittel lindern zwar die Schmerzen, an der Ursache der Schmerzen ändern sie jedoch in der Regel nichts. Dennoch können die Medikamente dafür sorgen, dass der Betroffene schmerzfrei ist und sich so etwa die verkrampfte Muskulatur bei Rückenschmerzen wieder lockert.
Eine Langzeiteinnahme von Schmerzmitteln kann mit verschiedenen Nebenwirkungen einhergehen, etwa einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Magenproblemen. Besprechen Sie die Dosierung und Anwendungsdauer von Schmerzmitteln daher immer mit Ihrem Arzt. Nehmen Sie Schmerzmittel auf eigene Faust nicht länger als vier Tage ein beziehungsweise halten Sie sich an die Empfehlungen im Beipackzettel.
Nicht-medikamentöse Therapie
Um Stresszustände und Muskelverspannungen zu lindern und so in den Schmerzkreislauf einzugreifen, empfehlen sich je nach Art und Auftreten des Schmerzes
Ergänzend zur Schmerztherapie kann in manchen Fällen außerdem eine Psychotherapie wie die Verhaltenstherapie empfehlenswert sein. Ein wichtiges Ziel dabei ist, die Lebensumstände zu analysieren und möglicherweise zu ändern.
Schmerzen: Verlauf
Schmerzen können einen langfristigen, also chronischen Verlauf nehmen. Akute Schmerzen entstehen unmittelbar infolge eines auslösenden Ereignisses und verschwinden in der Regel wieder, sobald die Ursache behoben ist. Chronische Schmerzen dauern dagegen über mehrere Monate an und stellen dann möglicherweise ein eigenes Krankheitsbild dar. Die Schmerzen haben sich in solch einem Fall gewissermaßen verselbstständigt. Mediziner verwenden hierfür den Begriff Schmerzchronifizierung.
Chronische Schmerzen können im weiteren Verlauf schwerwiegende Folgen haben. Häufig dauert es lange, bis Schmerzpatienten den richtigen Arzt finden. Wiederholt erfolglose Behandlungsversuche verursachen oft erhebliche Kosten für den Betroffenen. Zudem unterziehen sich Schmerzpatienten zum Teil unnötigen Operationen, die – abgesehen davon, dass der gewünschte Erfolg ausbleibt – auch weitere Schmerzen verursachen können. Außerdem besteht bei dauerhafter Selbstmedikation die Gefahr einer Medikamentenabhängigkeit.
Menschen, die bei chronischen Schmerzen keine oder keine ausreichende Schmerztherapie erhalten, werden häufiger krankgeschrieben und in vielen Fällen frühzeitig berentet. Die Erkrankung und ihre Folgen belasten Betroffene oft sehr, häufig kommt es auch zu Angstzuständen und Depressionen.
Liegt eine somatoforme Störung vor, gibt es also keine organischen Ursachen für die chronischen Schmerzen, führt das bei vielen Betroffene zu einem großen Leidensdruck. Dass es für die bestehenden Schmerzen keine greifbaren körperlichen Auslöser gibt, kann Ängste fördern.
Komplikationen
Schmerzen können bei langfristigem Verlauf auch zu Komplikationen führen. Als Schmerzverhalten bezeichnet man jede Reaktion, durch die Betroffene ihre Erkrankung mitteilen (wie Äußerungen, Mimik, Schonhaltung, Rückzug, Schmerzmitteleinnahme). Dieses Verhalten ist sinnvoll, wenn es dazu dient, die Schmerzen zu verringern. Andererseits kann dieses Verhalten aber auch dazu beitragen, dass Schmerzen chronisch werden. So kann eine dauerhafte Schonhaltung die Muskulatur schwächen und dadurch Bewegungen noch schmerzhafter machen – was wiederum stärkeres Schonverhalten nach sich ziehen und der Beginn eines Teufelskreises sein kann.
Bei einer Dauermedikation mit Schmerzmitteln können zudem Nebenwirkungen auftreten, zum Beispiel Magenprobleme. Manchmal können Schmerzmittel auch selbst Schmerzen hervorrufen (sog. schmerzmittelinduzierter Kopfschmerz).
Außerdem reagiert die Umwelt häufig einfühlsam, wenn der Schmerz des Betroffenen für sie sichtbar wird. Familienmitglieder, Freunde oder Kollegen schenken ihm Aufmerksamkeit und entlasten ihn, um ihm schmerzhafte Bewegungen oder Situationen zu ersparen. Diese Anteilnahme tut einerseits gut. Andererseits wirkt sie in gewisser Weise belohnend, da der Betroffene für seine Erkrankung Zuwendung erhält und das soziale Umfeld ihn vielleicht von manchen Pflichten befreit. Zeigt er hingegen weniger Schmerzverhalten und allmählich wieder aktiver, wird er für diesen Fortschritt quasi bestraft, da nun die Unterstützung wegfällt.