Retinitis Pigmentosa: Frau bei augenärztlicher Untersuchung
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Retinitis Pigmentosa: Ursachen und Verlauf der Augenkrankheit

Von: Paula Vradelis (Medizinautorin)

Retinitis pigmentosa ist eine erbliche Netzhauterkrankung, die das Sehvermögen nach und nach einschränkt. Zunächst fällt das Sehen in der Dunkelheit schwer, später verengt sich oft das Gesichtsfeld. Lesen Sie, wie sich die seltene Augenkrankheit entwickelt und welche Behandlungsmaßnahmen ihr Fortschreiten verlangsamen können.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Retinitis Pigmentosa

Bei vielen Betroffenen führt eine Retinitis pigmentosa im Laufe der Zeit zu einer erheblichen Einschränkung des Sehvermögens. In sehr schwerwiegenden Fällen kann es schließlich zur Erblindung kommen.

Menschen mit einer Retinitis pigmentosa erleben oft ein schrittweises Nachlassen der Sehkraft. Sie haben insbesondere Schwierigkeiten, im Dunkeln zu sehen sowie, einen Verlust des peripheren Sichtfelds. Dies kann wie ein "Tunnelblick" wirken.

Der Verlauf der Retinitis pigmentosa ist individuell unterschiedlich. Bei den meisten Betroffenen verschlechtert sich das Sehvermögen langsam über viele Jahre hinweg, wobei sich die ersten Symptome häufig im jungen Erwachsenenalter zeigen.

Was ist eine Retinitits pigmentosa?

Unter einer Retinitis pigmentosa (RP) versteht man eine Gruppe von erblichen Erkrankungen, die alle zu einer fortschreitenden Schädigung der Retina (Netzhaut) des Auges führen. Verschiedene genetische Veränderungen können dabei zu ähnlichen Krankheitsbildern führen, weshalb die Retinitis pigmentosa als Sammelbegriff für diese Erkrankungen verwendet wird.

Bei der Retinitis pigmentosa verlieren die lichtempfindlichen Zellen (Photorezeptoren) im Auge nach und nach ihre Funktion. Dies führt im Verlauf zu einer Verschlechterung des Sehvermögens, beginnend mit Schwierigkeiten beim Sehen im Dunkeln und einer Einschränkung des Gesichtsfelds.

Wie häufig ist Retinitis pigmentosa?

Die Krankheit beginnt oft im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter und schreitet langsam voran. In Deutschland sind etwa 30.000 bis 40.000 Personen betroffen, weltweit sind es rund drei Millionen Menschen. Die Augenkrankheit ist einer der häufigsten Gründe für einen Sehverlust im mittleren Alter.

Interessant zu wissen: Der Name "Retinitis" kann zu Missverständnissen führen, da die Endung "-itis" im medizinischen Kontext häufig für entzündliche Prozesse verwendet wird. Tatsächlich liegt bei der Retinitis pigmentosa allerdings keine Entzündung vor, sondern eine genetisch bedingte Schädigung der Netzhaut. Daher ist heutzutage die Bezeichnung "Retinopathia pigmentosa" ebenfalls gebräuchlich.

Retinitis pigmentosa: Symptome und Verlauf

Retinitis pigmentosa zeigt sich durch eine Vielzahl von Sehstörungen, die sich meist schleichend entwickeln und im Laufe der Zeit verschlimmern können. Die wichtigsten Symptome im Überblick:

  • Nachtblindheit: Eines der frühesten Symptome der RP ist die zunehmende Schwierigkeit, bei schwachem Licht oder in der Dunkelheit zu sehen. Dies liegt am fortschreitenden Absterben der Stäbchen, die für das Sehen bei Dämmerung und Nacht verantwortlich sind.

  • Tunnelblick: Mit fortschreitender Krankheit verlieren Betroffene das periphere Sehvermögen, sodass nur noch ein schmaler Bereich in der Mitte des Sichtfeldes scharf bleibt. Dieses Phänomen wird auch als "röhrenförmige Gesichtsfeldeinengung" oder "Flintenrohrgesichtsfeld" bezeichnet.

  • erhöhte Blendungsempfindlichkeit: Menschen mit Retinitis pigmentosa sind oft empfindlicher gegenüber hellem Licht, was das Sehen bei starkem Lichteinfall oder Sonnenlicht erschweren kann.

  • gestörtes Kontrast- und Farbsehen: Im späteren Krankheitsverlauf wird das Erkennen von Kontrasten und Farben zunehmend schwieriger, da auch die Zapfen, die für das Farbsehen verantwortlich sind, betroffen sind.

  • Visusminderung: In den frühen Stadien der Krankheit bleibt die zentrale Sehschärfe (Visus) häufig noch gut erhalten. Im Verlauf verschlechtert sich jedoch das zentrale Sehvermögen zunehmend. Dies führt dazu, dass alltägliche Tätigkeiten wie zum Beispiel Lesen, Autofahren oder das Erkennen von Gesichtern erschwert werden, da die Fähigkeit, feine Details wahrzunehmen, abnimmt.

  • verlängerte Anpassungszeit an Lichtverhältnisse: Betroffene haben oft Probleme, sich an plötzliche Änderungen von hellen zu dunklen Lichtverhältnissen anzupassen. Diese Anpassungsfähigkeit nimmt mit dem Fortschreiten der Krankheit weiter ab.

  • Makulaödem: Zusätzlich zur allgemeinen Visusminderung kann es im späten Stadium der Erkrankung zu einem Makulaödem kommen. Das ist eine Schwellung der Makula, dem Bereich der Retina, der für das scharfe Sehen verantwortlich ist. Ein Makulaödem stellt eine spezifische Komplikation dar, die das zentrale Sehvermögen weiter beeinträchtigt und durch Flüssigkeitsansammlung in der Makula entsteht. Diese Schwellung kann den Verlust der Sehfähigkeit beschleunigen.

Neben den genannten Sehstörungen können bei Betroffenen auch Veränderungen im Augenhintergrund auftreten. Dazu gehören unter anderem:

  • eine wachsgelbe Färbung des Sehnervenkopfs
  • verengte Blutgefäße
  • Pigmentablagerungen

Welche weiteren Begleiterkrankungen sind möglich?

Im späteren Verlauf können außerdem Linsentrübungen (Grauer Star), Kurzsichtigkeit (Myopie) oder Veränderungen des Glaskörpers auftreten.

Neben den körperlichen Symptomen kann eine Retinitis pigmentosa auch starke psychische Belastungen verursachen. Der schrittweise Verlust des Sehvermögens kann bei Betroffenen zu Stress, Angstzuständen oder Depressionen führen. Daher ist es wichtig, bei der Behandlung den psychologischen Aspekt nicht zu vernachlässigen. Psychologische Betreuung und Beratung können helfen, den emotionalen Umgang mit der Krankheit zu erleichtern und die Lebensqualität zu verbessern.

In einigen Fällen tritt die Retinitis pigmentosa nicht isoliert auf, sondern im Rahmen eines Syndroms, dazu gehören beispielsweise:

  • Usher-Syndrom: neben Sehproblemen treten auch Hörstörungen auf 
  • Alport-Syndrom: genetische Erkrankung, die zu fortschreitenden Nierenproblemen führt
  • Refsum-Syndrom: eine seltene Stoffwechselstörung

Was sind die Ursachen einer Retinitis pigmentosa?

Bisher wurden über 100 verschiedene Gene (Träger der Erbanlagen) identifiziert, die eine Retinitis pigmentosa verursachen können. Dabei reicht es, wenn nur ein einzelnes Gen verändert ist, um die Krankheit auszulösen. Die Erkrankung kann von betroffenen Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden, es kann jedoch ebenfalls passieren, dass die genetische Veränderung plötzlich und ohne familiäre Vorgeschichte auftritt.

Warum sterben die Netzhautzellen ab?

Verschiedene Faktoren wie Energiestoffwechselstörungen oder oxidativer Stress könnten eine Rolle dabei spielen. Allerdings ist dieser Prozess noch nicht vollständig geklärt.

In seltenen Fällen können auch bestimmte Medikamente, wie beispielsweise Chloroquin, ähnliche Symptome wie die einer Retinitis pigmentosa verursachen. In diesen Fällen spricht man von einer sogenannten "Pseudoretinitis", da die Symptome zwar ähnlich sind, aber keine genetische Ursache vorliegt. Sobald das Medikament abgesetzt wird, können sich die Symptome bessern.

Wie kann eine Retinitis pigmentosa diagnostiziert werden?

Die Diagnose einer Retinitis pigmentosa erfolgt durch eine augenärztliche Untersuchung mithilfe eines Ophthalmoskops. Damit können Veränderungen und Auffälligkeiten wie Pigmentablagerungen, Blutungen oder Netzhautveränderungen sichtbar gemacht werden.

 

Ein weiterer wichtiger Test ist das Elektroretinogramm (ERG), das die elektrische Aktivität der Netzhaut misst und Aufschluss über die Funktion der lichtempfindlichen Zellen gibt. Zusätzlich werden Tests zur Sehschärfebestimmung, zum peripheren Sehen und zum Farbsehen durchgeführt, um die Diagnose zu unterstützen. Mitunter wird auch eine genetische Untersuchung veranlasst, um die genaue Ursache der Erkrankung festzustellen.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Obwohl die Retinitis pigmentosa nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Ansätze, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Behandlung konzentriert sich vor allem darauf, den Sehverlust zu verlangsamen und den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern.

  • Vitamin-A-Palmitat: Kann bei einigen Patient*innen das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen. Nahrungsergänzungsmittel wie Lutein und Zeaxanthin könnten ebenfalls unterstützend wirken.

  • Medikamente bei Makulaödem: Medikamente wie Acetazolamid oder Dorzolamid können bei einem Makulaödem (Schwellungen der Netzhautmitte) helfen.

  • Gentherapie: Für bestimmte genetische Formen der Retinitis pigmentosa gibt es Behandlungsansätze mit Voretigen-Neparvovec. Dieser Wirkstoff kann helfen, die Sehkraft teilweise wiederherzustellen, indem ein fehlerhaftes Gen in der Netzhaut ersetzt wird. Die Therapie ist allerdings nur bei speziellen genetischen Mutationen anwendbar.

  • Retinale Implantate: In fortgeschrittenen Fällen können Implantate (Computerchips) helfen, Licht und einfache Formen wieder wahrzunehmen.

  • Hilfsmittel: Spezielle Brillen mit UV-Schutz, Blindenstöcke und Orientierungstrainings können Betroffenen helfen, sich im Alltag besser zurechtzufinden und mit der zunehmenden Einschränkung des Sehvermögens umzugehen.

Unterstützende Maßnahmen für die Augengesundheit

Obwohl eine Anpassung des Lebensstils die Retinitis pigmentosa nicht heilt oder das Fortschreiten der Krankheit direkt aufhalten, können sie dazu beitragen, die allgemeine Augengesundheit zu fördern und das Wohlbefinden zu verbessern.

  • Eine ausgewogene Ernährung, reich an Antioxidantien, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin A kann dabei helfen, die Augen vor schädlichen Einflüssen zu schützen.

  • Das Tragen von Sonnenbrillen mit UV-Schutz hilft, die Augen vor schädlicher Strahlung zu bewahren.

  • Stressmanagement durch Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation können helfen, oxidativen Stress zu verringern, der potenziell auch die Augengesundheit  negativ beeinflusst.

  • Der Verzicht auf Rauchen kann die Augen zudem vor weiteren Schäden schützen.

  • Regelmäßige Kontrollbesuche bei dem*der Augenarzt*ärztin sind wichtig, um den Krankheitsverlauf zu überwachen und Komplikationen wie beispielsweise das Makulaödem oder den Grauen Star rechtzeitig behandeln zu können.