Renale Anämie: Symptome, Lebenserwartung und Therapie
Die renale Anämie ist eine bei Niereninsuffizienz auftretende Blutarmut. Oft verursacht eine leichte renale Anämie keine Symptome. Unter körperlicher Belastung sind dann zum Beispiel eine schnelle Ermüdung und Atemnot kennzeichnend. Was weitere Anzeichen sein können, wie sich eine renale Anämie auf die Lebenserwartung auswirkt und welche Therapie hilft.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Was ist eine renale Anämie?
Die renale Anämie ist per Definition eine Blutarmut (Anämie) im Rahmen einer Niereninsuffizienz (Nierenschwäche). Sie äußert sich durch eine zu geringe Anzahl roter Blutkörperchen (Erythrozyten): Infolge der Nierenerkrankung bilden die Nieren zu wenig Erythropoetin (EPO). Das Hormon regt normalerweise das Knochenmark dazu an, rote Blutkörperchen zu produzieren. Der in den Erythrozyten enthaltene eisenhaltige rote Blutfarbstoff (Hämoglobin) ist wiederum für den Transport des Sauerstoffs zu den Organen, zum Gehirn und zur Muskulatur verantwortlich.
Besteht ein Mangel an roten Blutkörperchen, ist der Organismus nur noch unzureichend mit Sauerstoff versorgt: Diese mangelhafte Sauerstoffversorgung erklärt die für eine renale Anämie typischen Anzeichen.
Renale Anämie: Häufigkeit und Lebenserwartung
Je fortgeschrittener die chronische Nierenerkrankung ist, desto eher tritt eine renale Anämie auf: Macht das Nierenversagen eine Dialyse (Blutwäsche) oder Nierentransplantation notwendig, liegt fast immer auch eine renale Anämie vor. Eine renale Anämie geht mit einer erhöhten Sterblichkeit und somit geringeren Lebenserwartung einher. Die Erkrankung schränkt die Lebensqualität Betroffener in der Regel stark ein.
Renale Anämie: Welche Symptome sind möglich?
Bei einer nur leicht ausgeprägten renalen Anämie kommt es im Ruhezustand meist zu keinen Symptomen. Unter körperlicher Belastung sind dann folgende Beschwerden möglich:
- Leistungsabfall
- Schwäche
- Atemnot
Bei einer stark ausgeprägten, nierenbedingten Blutarmut sind diese Symptome auch im Ruhezustand möglich. Zusätzlich kommt es dann auch zu
- einer erhöhten Herzfrequenz und
- blasser Haut.
Auch die für die renale Anämie verantwortliche Niereninsuffizienz kann Symptome auf der Haut hervorrufen: Durch die gelben Harnfarbstoffe (Urochromen), die sich bei chronischem Nierenversagen in der Haut ablagern können, wirkt die Haut nicht nur blass, sondern nimmt mitunter auch die Farbe von Milchkaffee an.
Begleitende Symptome
Zusätzlich liegen typischerweise Anzeichen der zugrunde liegenden Niereninsuffizienz vor, wie:
- Bluthochdruck
- Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall
- Sensibilitätsstörungen
- Konzentrationsschwäche und Verwirrtheit
- Knochenschmerzen
- Zyklusstörungen
- Impotenz
- Juckreiz
- Wadenkrämpfe
Ursachen einer renalen Anämie
Die Ursachen der renalen Anämie liegen in einer Funktionsstörung der Nieren. Diese bilden aufgrund der Insuffizienz zu wenig Erythrozyten, weshalb es infolge zu einem Erythropoetinmangel kommt.
Dieser nierenbedingte Hormonmangel führt wiederum dazu, dass das Knochenmark zu wenig rote Blutkörperchen bildet – es entsteht eine renale Anämie. Die Blutarmut macht sich relativ schnell bemerkbar, da rote Blutkörperchen eine eingeschränkte Lebenszeit von 120 Tagen haben und der Körper sie deshalb ständig nachbilden muss.
Zusätzliche Ursachen für den Mangel an roten Blutkörperchen bei chronischer Niereninsuffizienz und somit für eine renale Anämie sind:
- verkürzte Lebenszeit der roten Blutkörperchen (statt 120 nur 40 bis 80 Tage)
- gestörter Einbau von Eisen in den roten Blutfarbstoff, der für den Transport von Sauerstoff verantwortlich ist
Begünstigende Faktoren
Zudem gibt es weitere Risikofaktoren, welche die Entstehung einer renalen Anämie begünstigen:
- Eisenmangel
- Vitamin-B12-Mangel
- Folsäuremangel
- Infektionen
- Knochenmarkfibrose (auch Myelofirbose, Erkrankung des Knochenmarks)
- Nebenschilddrüsenüberfunktion (Hyperparathyreoidismus)
- okkulter Blutverlust (unentdeckte Blutungsquelle, meist im Magen-Darm-Trakt)
Renale Anämie: Wie erfolgt die Therapie?
Bei einer renalen Anämie erfolgt die Therapie in der Regel durch die Verabreichung des Hormons Erythropoetin (EPO). Bei dieser EPO-Therapie wird Patient*innen das Hormon, welches gentechnisch hergestellt wurde, unter die Haut gespritzt oder über eine Vene verabreicht. Durch diese sogenannten Erythropoese-stimulierenden Medikamente (ESM) wird die Bildung roter Blutkörperchen angeregt. Dadurch steigt der Eisenbedarf, weshalb Betroffene zusätzlich Eisenpräparate zum Einnehmen oder in Form von Spritzen erhalten (Eisensubstitution).
Die Nebenwirkungen der Erythropoetin-Therapie sind meist gering. In einigen Fällen kann während der ersten zwölf Wochen der Blutdruck ansteigen. Manchmal wird das Blut zähflüssiger, weshalb das Risiko für Blutgerinnsel (Thrombosen) erhöht ist.
Grundsätzlich trägt die Therapie in vielen Fällen zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der Betroffenen einer renalen Anämie bei.
Vor der Zulassung der EPO-Behandlung erhielten Betroffene Bluttransfusionen, die mit Risiken verbunden waren: Sie hemmten die noch vorhandene körpereigene Bildung roter Blutkörperchen und überluden den Organismus mit Eisen. Auch das Risiko für Infektionen mit Hepatitis oder HIV war leicht erhöht. Zudem konnte durch mögliches Fremdeiweiß im Spenderblut eine übersteigerte Reaktion des Immunsystems ausgelöst werden: Bei einer Nierentransplantation erhöhte sich dann die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßung.
Wie lässt sich eine renale Anämie diagnostizieren?
Bei Verdacht auf eine renale Anämie bieten sich zur Diagnostik verschiedene Maßnahmen an. Zunächst stellt die*der Ärztin*Arzt Fragen zu den genauen Beschwerden und möglichen Vorerkrankungen (Anamnese). Dann schließen sich in der Regel körperliche Untersuchungen an, wie etwa eine Blutuntersuchung. Das Blutbild wird dann hinsichtlich folgender Laborwerte kontrolliert:
- Erythrozyt-Wert
- Hämoglobin-Wert (Hb-Wert)
- Eisenwert
- Hämatokritwert
- Messung von Cystatin C oder Kreatinin (Nierenfunktionswerte)
Wichtig ist im Rahmen der Diagnose zudem, dass andere denkbare Ursachen einer Blutarmut ausgeschlossen werden. Möglicherweise folgen deshalb weitere Untersuchungen, um dann eine entsprechende Behandlung veranlassen zu können.
Renale Anämie: Verlauf und Prognose
Welchen Verlauf eine renale Anämie nimmt, hängt vom Ausmaß der zugrunde liegenden Nierenschädigung ab. Je geringer die Einschränkung der Nierenfunktion ist, desto schwächer ist die hierdurch ausgelöste Blutarmut. Eine leicht ausgeprägte renale Anämie verursacht oft nur leichte Beschwerden. In den meisten Fällen gelingt es, sie durch Medikamente zu beheben.
Unbehandelt wirkt sich eine renale Anämie negativ auf die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit aus und kann im weiteren Verlauf die Lebenserwartung verkürzen.
Lässt sich einer renalen Anämie vorbeugen?
Einer renalen Anämie lässt sich vorbeugen, indem die Entstehung einer Nierenschädigung nach Möglichkeit verhindert wird. Diese Maßnahmen und Tipps können dabei helfen:
- ausgewogene, vitaminreiche Ernährung
- regelmäßige Bewegung und Sport
- Verzicht auf Alkohol, Nikotin und Drogen
- Behandlung von Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck
Außerdem können bestimmte Schmerzmittel die Nieren schädigen, weshalb vor der Einnahme ärztliche Rücksprache erfolgen sollte. Bei einer bereits bestehenden chronischen Nierenkrankheit sollten Blutwerte regelmäßig kontrolliert werden. So lässt sich eine nierenbedingte Blutarmut frühzeitig erkennen und beheben.