Polycythaemia vera: Symptome, Therapie und Prognose im Endstadium
Polycythaemia vera (auch Polyzythämie vera oder kurz PV) ist eine seltene, aber ernsthafte Blutkrankheit, die oft durch Symptome wie Kopfschmerzen und Juckreiz auffällt. Erfahren Sie, wie Polycythaemia vera diagnostiziert wird und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten rund um Polycythaemia vera
Die Prognose bei Polycythaemia vera ist individuell unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Kann die Erkrankung therapeutisch gut kontrolliert werden, ist die Prognose günstig. Die mittlere Überlebenswahrscheinlichkeit von Betroffenen betrug in einer Untersuchung knapp 19 Jahre.
Ja, Polycythaemia vera ist eine seltene, bösartige Bluterkrankung.
Aktuell kann die Erkrankung nur durch eine Stammzellentransplantation geheilt werden, die jedoch nur in seltenen Fällen Anwendung findet. Dennoch lässt sich Polycythaemia vera gut behandeln, was sich positiv auf das Komplikationsrisiko und die Lebensqualität Betroffener auswirkt.
Was ist Polycythaemia vera?
Polycythaemia vera ist eine seltene, chronische Erkrankung des blutbildenden Systems, bei der es zu einer Vermehrung der Blutzellen (inbesondere Erythrozyten, aber auch Leuko- und Thrombozyten) kommt. Sie wird in Fachkreisen auch als chronische myeloproliferative Neoplasie bezeichnet.
Diese übermäßige Zellproduktion führt zu einer Verdickung des Blutes und erhöht das Risiko für ernsthafte Komplikationen wie Blutgerinnsel, die Herzinfarkte oder Schlaganfälle verursachen können. Obwohl PV eine meist lebenslange Erkrankung ist, kann sie mit modernen Therapien kontrolliert werden. Die richtige Behandlung verbessert nicht nur die Lebensqualität, sondern verringert auch das Risiko schwerer Komplikationen.
Häufigkeit
Polycythaemia vera zählt zu den seltenen Erkrankungen, wobei etwa 1,57 pro 100.000 Menschen betroffen sind. Die Erkrankung tritt eher im höheren Alter auf, wobei Betroffene im Mittel etwa 65 Jahre alt sind. Bei Männern ist die PV etwas häufiger als bei Frauen.
Symptome von Polycythaemia vera
Die Symptome von Polycythaemia vera können vielfältig sein und variieren oft in ihrer Ausprägung.
Zu den Beschwerden zählen:
- Kopfschmerzen und Schwindel
- Juckreiz: Viele Patienten berichten über intensiven Juckreiz, besonders nach dem Kontakt mit warmem Wasser (zum Beispiel nach dem Duschen oder Baden).
- Rötung der Haut
- Durchblutungsstörungen: können zu weniger durchbluteten, also blass erscheinenden, Fingerspitzen (Raynaud-Syndrom) führen. Es kann auch sein, dass größere Gehstrecken nur etappenweise und nicht auf einmal zurückgelegt werden können (Claudicatio intermittens).
Schreitet die Krankheit fort, können auch Symptome auftreten wie:
- Müdigkeit und Schwäche
- Fieber
- Nachtschweiß
- ungewollter Gewichtsverlust
- Vergrößerung der Milz (Splenomegalie) und folglich Schmerzen im linken Oberbauch
Welche Ursachen hat Polycythaemia vera?
Die primäre Ursache von Polycythaemia vera ist eine genetische Mutation im Janus-Kinase-2-Gen (JAK2). Diese Mutation führt zu einer unkontrollierten Aktivierung des JAK2-Proteins, das eine Schlüsselrolle bei der Regulation der Blutbildung im Knochenmark spielt. Durch diese Fehlregulation produziert das Knochenmark übermäßig viele rote Blutkörperchen. Aber auch weiße Blutkörperchen und Blutplättchen können vermehrt gebildet werden.
Die genauen Gründe für das Auftreten der JAK2-Mutation sind nicht vollständig geklärt, und in den meisten Fällen wird PV nicht vererbt, sondern die Mutation tritt spontan auf.
Polycythaemia vera: Diagnose und Untersuchungen
Generell verläuft PV langsam und wird manchmal bei routinemäßigen Blutuntersuchungen entdeckt. Die Erstuntersuchung erfolgt vorrangig in der hausärztlichen Praxis oder bei der*dem Hämatolog*in. Das ärztliche Personal wird die Krankengeschichte erheben und nach Symptomen fragen. Während der körperlichen Untersuchung werden Hautbereiche kontrolliert, die Milz abgetastet und weitere Körperstellen, die Hinweise auf eine PV geben können, begutachtet.
Für die Diagnose sind folgende Kriterien ausschlaggebend:
Blutwerte: Erhöhte Hämoglobin- und Hämatokrit-Werte sind bei PV typisch. Auch die weißen Blutkörperchen und die Blutplättchen sind häufig erhöht.
genetische Tests: Bei fast allen Patient*innen mit PV findet man eine Veränderung im JAK2-Gen. Diese Mutation ist ein starker Hinweis auf die Krankheit.
Knochenmarkuntersuchung: Es wird untersucht, ob im Knochenmark mehr Blutzellen als normal produziert werden.
Ein niedriger Erythropoetinspiegel, ein Hormon, das die Produktion roter Blutkörperchen steuert, kann ein Hinweis auf PV sein. Nicht jede Erhöhung von roten Blutkörperchen (Erythrozytose) muss eine Polycythaemia vera als Ursache haben. Es gibt zahlreiche weitere Gründe, warum die Erythrozytenproduktion im Körper gesteigert wird.
Polycythaemia vera: Wie erfolgt die Therapie?
Welche Therapie zum Einsatz kommt, entscheiden Ärzt*innen gemeinsam mit den Betroffenen und berücksichtigen individuelle gesundheitliche Aspekte sowie die Risiko-Klassifikation der PV. Die Hauptziele der Therapie sind es, das Thromboembolie-Risiko zu reduzieren, Symptome zu lindern und spätere Komplikationen zu vermindern.
Aktuelle medizinische Leitlinien empfehlen folgende Therapiemöglichkeiten der Polycythaemia vera:
Blutabnahme (Aderlass): Dadurch soll die Anzahl roter Blutkörperchen reduziert werden. Ähnlich wie bei einer Blutspende wird regelmäßig Blut abgenommen. Dies hilft, das Blut zu verdünnen und die Durchblutung zu verbessern.
Thrombozytenaggregationshemmer: Durch die Medikamente soll einem Blutgerinnsel vorgebeugt und das Risiko von Thrombosen reduziert werden.
Bei manchen Patient*innen kann die Kombination dieser Behandlung ausreichend sein.
Manchmal greifen Ärzt*innen jedoch auf weitere Maßnahmen zurück. Bestimmte Medikamente helfen, die Produktion von roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen und Blutplättchen zu verringern. Diese Medikamente werden oft bei Patient*innen eingesetzt, die zum Beispiel den Aderlass schlechter tolerieren oder bei denen bisherige Therapien unzureichend waren.
Stammzellentransplantation
Durch eine Stammzelltransplantation kann Polycythaemia vera geheilt werden. Diese kommt jedoch nur selten infrage, da die Erkrankung in der Regel eine günstige Prognose hat und eine Stammzelltransplantation mit starken Nebenwirkungen einhergeht.
Verlauf und Prognose bei Polycythaemia vera
Grundsätzlich hat Polycythaemia vera eine günstige Prognose, kann unbehandelt jedoch tödlich enden. PV verläuft in der Regel in zwei Hauptphasen: Der chronischen Phase und der Spätphase, auch als fortgeschrittene Phase oder myelofibrotische Phase bekannt.
Chronische Phase
Die chronische Phase erstreckt sich meist über Jahre. Hier stehen die Beschwerden der gesteigerten Zellproduktion im Vordergrund, die zu den charakteristischen Symptomen der PV führen kann, aber auch zur Milzvergrößerung und einem erhöhten Risiko für Blutgerinnsel. Durch die erhöhte Anzahl an Zellen im Blut wird das Blut dickflüssiger und kann so Thrombosen fördern. Die Blutgerinnsel können sich als arterieller Verschluss oder Venenthrombose äußern und betreffen etwa 40 Prozent der Patient*innen mit Polycythaemia vera.
Spätphase
Die Spätphase von PV, oft auch als Post-Polycythaemia-Vera-Myelofibrose (PPV-MF) bezeichnet, tritt auf, wenn das Knochenmark beginnt zu vernarben (Knochenmarksfibrose) und durch faseriges Gewebe ersetzt wird. Dies beeinträchtigt die Blutproduktion erheblich, weshalb diese Phase von Mediziner*innen auch als "spent Phase" bezeichnet wird – das Knochenmark ist also verbraucht.
In dieser Phase nimmt die Bildung der Blutzellen stark ab, weshalb es zur Blutarmut (Anämie) kommen kann. Im Mittel gehen etwa 15 Prozent der Betroffenen in die PPV-MF über, nach 20 Jahren sind es etwa 50 Prozent. Auch ein Übergang in eine Leukämie, die sogenannte akute myeloische Leukämie, ist möglich. Ein direkter Übergang betrifft rund 4 von 100 Betroffenen und etwa 20 von 100 Patient*innen mit PPV-MF.
Polycythaemia vera: Vorbeugen und Früherkennung
Aktuell gibt es keine spezifischen Empfehlungen oder Tests zur Früherkennung von Polycythaemia vera. Menschen mit familiärer Vorbelastung können sich jedoch humangenetisch beraten lassen.
Es gibt keine bekannten Maßnahmen zur Vorbeugung von PV, da die genauen Ursachen der Erkrankung noch nicht vollständig geklärt sind. Die meisten Fälle sind mit einer Mutation im JAK2-Gen verbunden, die nach derzeitigem Wissen, nicht durch Lebensstiländerungen oder vorbeugende Maßnahmen beeinflusst werden kann.