Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung)
Eine Osteomyelitis geht oft mit starken Schmerzen einher. Frühzeitig behandelt sind die Heilungsaussichten meist gut und Schäden am Knochen eher unwahrscheinlich.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung)
Was ist eine Osteomyelitis?
Eine Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) ist eine entzündliche Erkrankung des Knochens, die durch eine Infektion des Knochenmarks beginnt und sich häufig auf weitere Knochenbestandteile und die Knochenhaut ausbreitet.
Osteitis
Knochenentzündung
Osteomyelitis: Ursachen
Auslöser einer Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) ist meist eine Infektion des Knochenmarks mit Bakterien, in der Regel mit Staphylokokken.
Eine Osteomyelitis ist nicht ansteckend. Die Bakterien, die eine Knochenmarkentzündung hervorrufen, finden sich häufig auch in der Hautflora gesunder Menschen. Damit sich eine Osteomyelitis entwickelt, sind weitere Faktoren nötig.
Je nachdem, wie die Erreger in das Knochenmark gelangen, unterscheidet man exogene und endogeneKnochenmarkentzündungen (griech. endo = innen, exo = außen, genes = entstanden aus).
Exogene Osteomyelitis
Dringen die Erreger der Osteomyelitis von außen in den Knochen ein, sprechen Ärzte von einer exogenen Osteomyelitis. Sie kann entstehen, wenn Bakterien nach einem Unfall (posttraumatisch) oder bei einem operativen Eingriff (postoperativ) über eine offene Wunde ins Knochenmark gelangen. Die Keime breiten sich hauptsächlich im Wundgebiet aus, sodass eine exogene Osteomyelitis in erster Linie örtlich begrenzt auftritt.
Mögliche Risikofaktoren
Verschiedene Risikofaktorenkönnen begünstigen, dass sich eine exogene Knochenmarkentzündung entwickelt, zum Beispiel:
- schlechte Durchblutung
- abgesplitterte Knochenteile
- Fremdkörper (z.B. auch Material zur Versorgung eines Knochenschadens)
- geschwächte Immunabwehr
- chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Arteriosklerose
Daneben können weitere Faktoren die Wund- und Knochenheilung beeinträchtigen und so nach einer Verletzung oder Operation das Risiko für eine exogene Osteomyelitis erhöhen, wie zum Beispiel:
- Mangelernährung
- sehr hohes oder sehr geringes Alter
- Rauchen
- Nierenschwäche
- Lebererkrankungen
- ungenügende Atemfunktion
- geschwächtes oder medikamentös unterdrücktes Immunsystem
- bösartige Tumoren (Krebs)
- örtliche Risikofaktoren wie
- chronisches Lymphödem
- chronische Venenschwäche
- Veränderungen an großen Blutgefäßen (Makroangiopathie)
- starke Narbenbildung
- Fibrose infolge einer Strahlenbehandlung
- Gefäßentzündung der kleinen Gefäße
- Neuropathie (= Erkrankung des peripheren Nervensystems, d.h. der Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark)
Endogene Osteomyelitis
Bei einer endogenen Osteomyelitis stammen die ursächlichen Bakterien aus einem Infektionsherd im Körper. Von dort gelangen die Erreger über das Blut (hämatogen) ins Knochenmark. Das passiert vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen.
Infektionen, die einer endogenen Osteomyelitis häufig vorausgehen, sind zum Beispiel:
- Mandelentzündung
- Nasennebenhöhlenentzündung
- Entzündungen im Zahn- und Kieferbereich, z.B. an Weisheitszähnen oder infolge von Zahnextraktionen, Implantationen oder Wurzelbehandlungen
- entzündete Talgdrüse der Haut (sog. Furunkel)
- Nagelbettentzündungen
Ob sich eine endogene Osteomyelitis entwickelt beziehungsweise wie stark diese ausgeprägt ist, hängt davon ab, wie aggressiv der Erreger ist und wie gut das Immunsystem arbeitet.
Lebensalter
Je nach Alter des Betroffenen kann eine Osteomyelitis unterschiedliche Regionen betreffen. Denn bei der Entstehung einer Osteomyelitis sind vor allem die Röhrenknochen von Bedeutung, also die langen Knochen der Arme und Beine. Diese sehen bei Kindern anders aus als bei Erwachsenen. Das in der Kindheit stattfindende Längenwachstum des Körpers ist unter anderem eine Folge der Verlängerung der Röhrenknochen. Deren wachstumsaktive Zone heißt Metaphyse und liegt zwischen Knochenende und Knochenschaft. Sie ist durch einen Spalt – die Wachstumsfuge – vom Knochenende getrennt. In der Kindheit besteht die Wachstumsfuge aus Knorpel; sie verknöchert, wenn der Jugendliche ausgewachsen ist.
Osteomyelitis bei Säuglingen
Beim Säugling besitzen die Knochenenden noch keine eigene Blutversorgung. Sie erhalten die notwendigen Nährstoffe noch über die Blutgefäße der wachstumsaktiven Zone (Metaphyse), die durch die Wachstumsfuge laufen. Daher können bei Neugeborenen auch das Knochenende sowie das Gelenk von einer Osteomyelitis betroffen sein (akute hämatogene Säuglingsmyelitis). Dann bildet sich zusätzlich zur Knochenmarkentzündung ein eitriger Gelenkerguss, der negative Folgen für das Gelenk haben kann. Es kann sich zum Beispiel verformen und nicht mehr richtig wachsen.
Osteomyelitis bei Kindern
Nach dem zweiten Lebensjahr besitzt das Knochenende eigene Blutgefäße, die Wachstumsfuge ist nicht durchblutet und stellt eine Barriere zwischen Metaphyse und Knochenende dar, über die sich Infektionen nicht mehr so leicht ausbreiten können. Die Gelenke sind dadurch bis auf einige Ausnahmen, bei denen anatomische Besonderheiten vorliegen (z.B. Hüftgelenk), vor der Beteiligung an einer Knochenmarkentzündung geschützt.
Osteomyelitis bei Erwachsenen
Wenn das Wachstum abgeschlossen und die Wachstumsfuge verknöchert ist, verbindet sich die Blutversorgung von Knochenende und Metaphyse wieder miteinander. Durch die fehlende Barriere kann die Osteomyelitis dann wieder auf das Knochenende und das Gelenk übergreifen. Die Erreger der ursprünglichen Knochenmarkentzündung breiten sich bei der akuten hämatogenen Osteomyelitis bei Erwachsenen außerdem oft über die Knochenhaut in die knöcherne Umgebung aus und bilden eitrige Verbindungsgänge – sogenannte Fisteln – vom Knochen in andere Körperhöhlen oder zur Körperoberfläche.
Osteomyelitis: Häufigkeit
Exogene Osteomyelitis
In den Industrieländern entsteht eine Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) vor allem nach einer Verletzung oder Operation, bei der die ursächlichen Erreger von außen ins Knochenmark gelangen. Diese sogenannte exogene Osteomyelitis macht etwa 80 Prozent aller Knochenentzündungen aus.
Welche Knochen infiziert sind, hängt dabei von der ursächlichen Verletzung oder Operation ab: Bei einem Oberschenkelhalsbruch wird beispielsweise der Oberschenkelknochen betroffen sein. Etwa 10 bis 30 Prozent der Fälle einer akuten Osteomyelitis gehen in eine chronische Form über.
Endogene Osteomyelitis
Die seltenere endogene Osteomyelitis, deren Erreger von einem Infektionsherd im Inneren des Körpers über das Blut ins Knochenmark gelangen, tritt überwiegend bei Kindern und Jugendlichen auf. Im Erwachsenenalter kommt die endogene Osteomyelitis eher selten vor.
Am häufigsten entzündet sich das Knochenmark im Oberschenkel- (Femur) oder Schienbeinknochen (Tibia).
Osteomyelitis: Symptome
Welche Symptome bei einer Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) auftreten, hängt von der Form der Knochenerkrankung und dem Alter des Betroffenen ab.
Akute Osteomyelitis
Eine akute Osteomyelitis entwickelt sich rasch, meist innerhalb weniger Tagen bis Wochen. In der Regel kommt es dabei zu verschiedenen Beschwerden, wie:
- hohem Fieber und Schüttelfrost
- allgemeinem Schwäche- und Krankheitsgefühl
- Schmerzen im Entzündungsbereich, oft auch Druckschmerz und Schwellung
- Rötung und Überwärmung der Region
Häufig nehmen Betroffene eine Schonhaltung ein, um Schmerzen zu vermeiden.
Chronische Osteomyelitis
Dauert die Knochenmarkentzündung länger an, kann sich über Monate bis Jahre eine chronische Osteomyelitis entwickeln. Bei der chronischen Form treten Allgemeinbeschwerden seltener auf als bei der akuten Form. Typisch sind vor allem wiederkehrende, eher dumpfe Schmerzen in der Entzündungsregion. Die betroffenen Knochenabschnitte verdicken sich im Laufe der Entzündung. In manchen Fällen entstehen Verbindungsgänge vom Ort der Infektion zu anderen Organen oder an die Hautoberfläche – sogenannte Fisteln. Diese sondern unter Umständen auch Eiter ab.
Ist ein Gelenk an der Knochenmarkentzündung beteiligt, treten Schmerzen bei bestimmten Bewegungen auf.
Osteomyelitis: Diagnose
Bei einer Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) erhält der Arzt in der Regel erste Hinweise durch die geschilderten Beschwerden, die Krankengeschichte und eine körperliche Untersuchung.
Ging den Beschwerden eine Infektion voraus (z.B. Mandelentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung, Zahnentzündung, Furunkel), liegt der Verdacht einer endogenen Osteomyelitis nahe. Treten nach einer Operation oder einer Verletzung Symptome einer akuten Knochenentzündung auf, deutet das auf eine mögliche exogene Osteomyelitis hin. Bei Hinweisen auf eine Osteomyelitis wird der Arzt weitere Untersuchungen veranlassen.
Laboruntersuchungen
Verschiedene Laboruntersuchungen können bei der Diagnose einer Osteomyelitis helfen. Eine Blutuntersuchung zeigt, ob die sogenannten Entzündungsmarker (als Zeichen der Immunantwort des Körpers) erhöht sind:
- Anstieg der weißen Blutkörperchen (Leukozytose)
- stark beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
- Erhöhung des sog. C-reaktiven Proteins (CRP)
Mithilfe einer Blut- oder Gewebeprobe lässt sich außerdem eine Erregerkultur anlegen und so der auslösende Erreger genau bestimmen. Das ist wichtig, um das passende Antibiotikum für die Behandlung zu wählen.
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren können eine Osteomyelitis sichtbar machen. Bei einer akuten Osteomyelitis sind Veränderungen in der Knochenstruktur allerdings erst nach etwa ein bis zwei Wochen sichtbar.
Im späteren Verlauf einer Knochenmarkentzündung zeigen sich im Röntgenbild fleckige Aufhellungen, Abhebungen der Knochenhaut vom Knochen und Verkalkungen (sog. Ossifikationen). Wenn durch eine chronische Osteomyelitis Teile des Knochens absterben und als Restkörper im Infektionsbereich zurückbleiben, bildet sich in der Umgebung dieser Knochenteile neues Knochengewebe. Dabei entsteht als Rand um die Restkörper Bindegewebe, das im Röntgenbild als heller Saum zu sehen ist.
Eine Ultraschalluntersuchung zeigt dem Arzt, ob sich in einem Gelenk Flüssigkeit sammelt (Gelenkerguss). Außerdem sind einige der entzündlichen Prozesse bei einer Knochenmarkentzündung mittels Ultraschall früher sichtbar als im Röntgenbild – zum Beispiel die sich durch Abszessbildung vom Knochen abhebende Knochenhaut.
Eine weitere Untersuchungsmethode bei Verdacht auf eine Osteomyelitis ist die sogenannte Skelettszintigraphie. Dazu verabreicht der Arzt schwach radioaktive Präparate. Anhand der anschließenden Verteilung dieser Substanzen im Knochen ist es möglich, entzündliche Prozesse nachzuweisen.
Osteomyelitis: Therapie
Akute Osteomyelitis
Bei einer akuten endogenen Osteomyelitis verordnet der Arzt Antibiotika, die über die Vene verabreicht werden (intravenös), ), und Schmerzmittel. Außerdem ist es sinnvoll, den betroffenen Knochen ruhig zu halten.
Bei einer exogenen Osteomyelitis und einer fortgeschrittenen endogenen Osteomyelitis reicht dies jedoch meist nicht aus. Sind die Erreger der Knochenmarkentzündung von außen ins Knochenmark gelangt, lassen die schlechten Durchblutungsverhältnisse des geschädigten Knochens und seiner Umgebung meist nicht zu, dass die verabreichten Antibiotika in ausreichender Menge am Entzündungsort ankommen.
Deshalb ist bei der exogenen Osteomyelitis zusätzlich eine chirurgische Therapie sinnvoll. Dabei entfernt der Arzt das eitrige und abgestorbene Gewebe. Bei Bedarf füllt er den betroffenen Knochen mit sogenannten Spongiosaplastiken (eine Art Knochentransplantation) auf. Hierfür verpflanzt der Arzt aus dem gesunden Skelett entnommene Knochensubstanz in den erkrankten Knochen. Es ist ratsam, gegebenenfalls im Knochen vorhandene Implantate zu entfernen und dadurch eine mögliche Infektionsquelle zu beseitigen.
Chronische Osteomyelitis
Wenn bei einer chronischen Osteomyelitis ausgedehnte Operationen nicht möglich sind, beschränkt sich die Therapie darauf, die Beschwerden zu lindern. Der Arzt versucht, mit Medikamenten den Infekt zu kontrollieren und die Schmerzen zu verringern. Hierzu kann der Arzt zum Beispiel infiziertes Gewebe entfernen und den Eiter mit Drainagen ableiten. Zusätzlich verschreibt er auf den Erreger der Knochenmarkentzündung abgestimmte Antibiotika und Schmerzmittel.
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Osteomyelitis: Verlauf
Eine Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung) kann einen akut oder chronisch verlaufen und unterschiedlich schwer ausfallen. Eine akute Osteomyelitis entwickelt sich in der Regel innerhalb weniger Tage bis Wochen und verursacht ausgeprägte allgemeine Krankheitssymptome.
Meist heilt eine akute Osteomyelitis vollständig aus, wenn sie rechtzeitig behandelt wird. In etwa einem bis drei von zehn Fällen entwickelt sich aus einer akuten Knochenmarkentzündung eine chronische Osteomyelitis.
Eine chronische Osteomyelitis entwickelt sich dagegen innerhalb von mehreren Monaten und verläuft zum Teil äußerst wechselhaft: So kann die Knocheninfektion nach einer langen Phase der Ruhe plötzlich wieder aufflackern und alle Symptome einer akuten Knochenmarkentzündung zeigen.
Besonders im Erwachsenenalter verläuft eine Knochenmarkentzündung häufiger chronisch. Dies geht oft mit erheblichen Umbauprozessen im Knochen einher. Der betroffene Knochen ist weniger belastbar und kann leichter brechen. Eine chronische Osteomyelitis spricht häufiger nicht gut auf die Behandlung an.
Exogene Osteomyelitis
Wie eine exogene Osteomyelitis verläuft, hängt in hohem Maß von einer frühzeitigen und konsequenten Therapie ab: Mithilfe eines operativen Eingriffs ist eine Heilung der Knochenmarkentzündung ohne bleibende Schäden möglich. Häufig geht die exogene Osteomyelitis allerdings in eine schwer behandelbare chronische Form über und führt zu ausgeprägten Umbauprozessen im Knochen. Der Knochen ist dann weniger stabil und nur noch eingeschränkt beweglich. Breitet sich die Entzündung auf das benachbarte Gelenk aus, kann es versteifen; außerdem kann sich die betroffene Gliedmaße verkürzen.
Endogene Osteomyelitis
Auch bei einer endogenen Osteomyelitis kann man den Verlauf durch eine frühzeitige und konsequente Therapie positiv beeinflussen In vielen Fällen heilt die Knochenmarkentzündung bei einer entsprechenden Behandlung ohne bleibende Schäden wieder aus. Ohne rasch beginnende Therapie kann sie jedoch schwerwiegende Folgen haben.
Mögliche Komplikationen
Beschädigte Wachstumsfuge
Bei Kindern kann eine akute endogene Osteomyelitis zu bleibenden Schäden führen. Wird die Knochenmarkentzündung frühzeitig festgestellt, treten in der Regel keine Spätfolgen auf. Bei einer spät erkannten Osteomyelitis wird jedoch bei etwa der Hälfte der Kinder die Wachstumsfuge beschädigt. Wachstumsstörungen können die Folge sein – dann können operative Eingriffe erforderlich sein, um die Schäden zu reparieren.
Ausbreitung auf umliegende Strukturen
Breitet sich die Knochenmarkentzündung auf benachbarte Gelenke aus, können dort schwere Schäden entstehen.
Blutvergiftung bei Keimausbreitung
Bleibt eine Behandlung erfolglos, kann es als Komplikation zu einer Blutvergiftung (Sepsis) kommen, wenn die Keime in die Blutbahn und dadurch zu anderen Organen gelangen.
Osteomyelitis: Vorbeugen
Einer Osteomyelitis lässt sich nur bedingt vorbeugen: Das Risiko für eine exogene Osteomyelitis konnte in den letzten Jahren auf ein bis zwei Prozent gesenkt werden, indem vor Operationen am Knochen Antibiotika verordnet werden und besonderes Augenmerk auf hygienisches Arbeiten während der OP gelegt wird.