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Neurofibromatose

Von: Onmeda-Redaktion, Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 10.12.2021

Die Neurofibromatose Typ 1 (auch: Morbus Recklinghausen) macht sich vor allem durch verschiedene Hautveränderungen bemerkbar. Bei der selteneren Neurofibromatose Typ 2 bilden sich dagegen immer wieder gutartige Tumoren des Nervensystems.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Neurofibromatose

Was ist Neurofibromatose?

Unter Neurofibromatose versteht man eine Gruppe von genetisch bedingten Krankheiten, die sehr unterschiedliche Symptome hervorrufen können. Insbesondere die Haut und das Nervensystem sind betroffen. Die zwei bedeutsamsten Formen der Neurofibromatose sind die

  • Neurofibromatose Typ 1 und die
  • Neurofibromatose Typ 2.

Beide Formen gehen mit ganz unterschiedlichen Symptomen einher:

  • Typisch für die Neurofibromatose Typ 1 (Neurofibromatosis generalisata) sind Pigmentveränderungen und gutartige Geschwulste, die vor allem auf der Haut auftreten – die Neurinome.
  • Neurofibromatose Typ 2 zeichnet sich vorwiegend durch Tumorendes Nervensystems aus, was unter anderem zu Hör- und Gleichgewichtsstörungen führen kann.

Neurofibromatose Typ 1 ist auch als Recklinghausen-Krankheit oder Morbus Recklinghausen bekannt. Die Bezeichnung geht auf den deutschen Pathologen Friedrich Daniel von Recklinghausen (1833-1910) zurück. Er beschrieb als erster die für die Krankheit typischen Hauttumoren und wies nach, dass sie aus Nerven- und Bindegewebszellen bestehen.

Wie häufig ist Neurofibromatose?

Etwa 1 von 3.000 Neugeborenen erkrankt in Deutschland an Neurofibromatose Typ 1. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen.

Die Neurofibromatose Typ 2 tritt wesentlich seltener auf als der Typ 1. Etwa neun von zehn Menschen mit Neurofibromatose leiden am Typ 1.

Neurofibromatose: Symptome

Die Symptome einer Neurofibromatose sind zum einen davon abhängig, ob es sich um eine Neurofibromatose vom Typ 1 oder eine vom Typ 2 handelt. Zum anderen können die Beschwerden von Person zu Person sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Symptome der Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen)

Typische Symptome von Morbus Recklinghausen sind:

  • übermäßige Pigmentierung (Hyperpigmentierung):
    • Café-au-lait-Flecken (milchkaffeefarbene Hautflecken, mindestens sechs)
    • Sprenkelungen in den Achselhöhlen oder der Leistengegend
  • gutartige Geschwulste oder Knötchen (Neurofibrome)
  • Neurofibrome an der Iris (sog. Lisch-Knötchen)

Übermäßige Pigmentierung

Die ersten Symptome einer Neurofibromatose Typ 1 zeigen sich oft schon bei der Geburt oder im Lauf des ersten Lebensjahrs: Es bilden sich Pigmentflecken. Diese sind oval geformt und ihre Farbe erinnert an Milchkaffee, weshalb man sie Café-au-lait-Flecken nennt.

Hinzu kommen sommersprossenartige Sprenkelungen, die vor allem in den Achselhöhlen oder der Leistengegend auftreten. Auch die Mundschleimhaut kann pigmentiert sein.

Neurofibrome

Im weiteren Verlauf einer Neurofibromatose Typ 1 entstehen gutartige Geschwülste oder Knötchen, die sich aus Nerven- und Bindegewebszellen zusammensetzen. Diese heißen Neurofibrome. Sie entwickeln sich oft ab dem zehnten Lebensjahr und häufen sich mit der Pubertät. Während einer Schwangerschaft treten sie ebenfalls vermehrt auf.

Die Neurofibrome können am ganzen Körper auf der Haut sichtbar sein. Sie können aber auch innerhalb des Körpers entlang von Nerven auftreten. Die Knötchen sind meist nicht schmerzhaft und in der Regel hautfarben bis bräunlich gefärbt und weich. Manchmal schimmern sie bläulich durch die Haut.

Die Größe eines Neurofibroms kann erheblich variieren: Während einige Neurofibrome nur wenige Millimeter groß sind, können andere einen Umfang von mehreren Zentimetern annehmen.

Kleine Neurofibrome bilden sich sehr häufig im Bereich des vorderen Auges an der Iris: Dann bezeichnen Ärzte sie als Lisch-Knötchen.

Weitere mögliche Symptome

Im weiteren Verlauf von Morbus Recklinghausen können Knochenveränderungen auftreten. Hierzu zählen insbesondere Wirbelsäulenverkrümmungen (Skoliose). Seltener kommen Verbiegungen oder Falschgelenkbildungen an den Unterschenkelknochen vor.

Weitere mögliche Symptome bei Neurofibromatose Typ 1 sind:

Symptome der Neurofibromatose Typ 2

Neurofibromatose Typ 2 geht im Gegensatz zum Morbus Recklinghausen nur selten mit Pigmentveränderungen oder Hautknötchen einher.

Typisch sind hingegen Nerventumoren, die vorwiegend im Inneren des Körpers wachsen. Da sie meist eher langsam wachsen, kann viel Zeit vergehen, bis eindeutige Symptome auftreten. Diese Tumoren entwickeln sich aus bestimmten Zellen, welche die Nervenzellen schützen: den Schwannschen Zellen. Daher werden diese Tumoren Schwannome genannt. Insbesondere im Bereich der Hörnerven, des Gehirns und der Wirbelsäule treten sie häufig auf. Welche Symptome sie hervorrufen, hängt vor allem davon ab, wo sie sich genau befinden und wie groß sie sind.

Mögliche Symptome der Neurofibromatose Typ 2 sind:

Nerventumoren

Bei nahezu allen Menschen mit Neurofibromatose Typ 2 bilden sich Tumoren am rechten und linken Hörnerv: sogenannte Akustikusneurinome(auch: Vestibularis-Schwannome). Diese Tumoren machen sich oft nach der Pubertät bemerkbar.

Da der Hörnerv sowohl Signale des Ohrs als auch des Gleichgewichtsorgans an das Gehirn weiterleitet, beeinträchtigt ein Akustikusneuronom sowohl das Hörvermögen als auch den Gleichgewichtssinn. Typisch sind Beschwerden wie

  • eine Minderung oder der Verlust des Gehörs,
  • "Klingeln" im Ohr (Tinnitus) oder
  • Probleme mit dem Gleichgewicht.

Nicht nur an den Hörnerven, auch an anderen Nerven können sich Tumoren entwickeln. Vor allem im Gehirn, an der Wirbelsäule und an Nerven, die Arme und Beine versorgen, treten solche Schwannome auf.

Neben den Schwannomen kommen bei einer Neurofibromatose Typ 2 auch andere Tumoren des zentralen Nervensystems häufiger vor, so zum Beispiel Meningeome oder Gliome.

Weitere Symptome

Auch Veränderungen an den Augen können auf Neurofibromatose Typ 2 hinweisen. Viele Betroffene entwickeln eine Trübung der Augenlinse (sog. Katarakt). Die Sehfähigkeit kann dadurch eingeschränkt werden. Zudem können ähnliche Symptome wie bei der Neurofibromatose Typ 1 auftreten. Manche Patienten haben etwa kleine gutartige Tumoren auf der Haut. Die für die Neurofibromatose Typ 1 typischen Lisch-Knötchen am Auge sind bei der Neurofibromatose Typ 2 hingegen nicht zu finden.

Neurofibromatose: Ursachen

Eine Neurofibromatose entsteht durch eine bestimmte Genmutation:

  • Bei der Neurofibromatose Typ 1 Morbus Recklinghausen) ist das sog. Neurofibromatose-1-Gen (NF1-Gen) auf dem Chromosom 17 mutiert.
  • Die Neurofibromatose Typ 2 entsteht durch eine Mutation des NF2-Gens auf dem Chromosom 22.

Beide Neurofibromatose-Formen können autosomal-dominant vererbt werden:

  • Autosomal wird eine Erbkrankheit weitergegeben, wenn das betroffene Gen nicht auf einem Geschlechtschromosom, sondern auf einem sogenannten Autosom.Die Krankheit wird dann unabhängig vom Geschlecht der Eltern an das Kind weitergegeben.
  • Dominant bedeutet, dass man auch dann erkrankt, wenn man von einem Elternteil ein gesundes Gen und vom anderen das kranke Gen vererbt bekommen hat. Das kranke Gen ist sozusagen "stärker" als das gesunde.

Neurofibromatose muss aber nicht zwangsläufig vererbt sein. In etwa der Hälfte der Fälle ist die Mutation nicht von einem Elternteil geerbt worden, sondern bei der Person spontan neu entstanden (Neumutation). Es muss also nicht in jedem Fall eine familiäre Vorgeschichte bestehen.

Neurofibromatose: Diagnose

Welche Untersuchungen für eine Diagnose nötig sind, ist abhängig vom Typ der Neurofibromatose.

Diagnose der Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen, Recklinghausen-Krankheit)

Eine Neurofibromatose Typ 1 erkennt der Arzt meist an den charakteristischen Symptomen. Wenn

  • milchkaffeefarbene Pigmentflecken (Café-au-lait-Flecken, sechs oder mehr)
  • gutartige Geschwülste oder Knötchen, die aus Nerven- und Bindegewebszellen bestehen (Neurofibrome) und
  • Sommersprossen-Sprenkelungen in den Achselhöhlen

zusammen auftreten, gilt die Diagnose als gesichert. Allerdings gibt es auch Verläufe, deren Symptome nicht so eindeutig sind.

Sind Verwandte ersten Grades (Vater oder Mutter) an Neurofibromatose Typ 1 erkrankt, kann dies ebenfalls ein Hinweis auf Morbus Recklinghausen sein.

Der Arzt wird seinen Patienten gründlich untersuchen. So wird er zum Beispiel die Haut begutachten und die Wirbelsäule betrachten, etwa mithilfe einer Computertomographie. Zudem sollten eine neurologische und eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. Bei Bedarf kann auch eine Magnetresonanztomographie sinnvoll sein.

Sind die Symptome nur schwach ausgeprägt, kann der Arzt unter Umständen mithilfe einer DNA-Untersuchung die Diagnose sichern. Eine solche Diagnostik kann – wenn die spezifische Mutation in der Familie identifiziert wurde – auch schon vor der Geburt während einer Schwangerschaft aus kindlichen Zellen (Chorionzotten oder Fruchtwasser) erfolgen (Pränataldiagnostik). Damit kann man allerdings nicht vorhersagen, wie schwer die Erkrankung ausfallen wird.

Diagnose der Neurofibromatose Typ 2

Bis die Neurofibromatose Typ 2 diagnostiziert wird, kann einige Zeit vergehen – denn die Symptome zeigen sich oft erst, wenn ein Tumor eine gewisse Größe erreicht hat.

Ein möglicher Hinweis auf Neurofibromatose Typ 2 können Akustikusneurinome sein, gutartige Tumoren der Hörnerven, die meist beidseitig auftreten. Sie machen sich meist erst nach der Pubertät mit Hörproblemen oder Gleichgewichtsstörungen bemerkbar.

Um herauszufinden, ob solche Neurinome vorliegen und wie stark sie ausgeprägt sind, sind verschiedene Untersuchungen notwendig. Hierzu zählen etwa

Auch andere Tumoren des zentralen Nervensystems, wie Gliome oder Meningeome, können auf Neurofibromatose Typ 2 hinweisen, ebenso wie eine Linsentrübung am Auge.

Zudem wird der Arzt wissen wollen, ob Verwandte ersten Grades an Neurofibromatose erkrankt sind. Ist das der Fall, ist die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls erkrankt zu sein, erhöht.

Neurofibromatose: Therapie

Heilbar ist die Neurofibromatose nicht. Daher zielt die Behandlung darauf ab, einzelne Symptome zu lindern.

Störende und schmerzende Geschwülste und Knötchen der Haut (Neurofibrome), wie sie insbesondere bei der Neurofibromatose Typ 1 auftreten, kann der Chirurg entfernen. Dies ist vor allem dann nötig, wenn ein Neurofibrom Beschwerden verursacht oder wenn der Verdacht besteht, dass es entartet sein könnte. Die für Neurofibromatose Typ 2 typischen Akustikusneurinome müssen neurochirurgisch entfernt werden.

Um rechtzeitig neue Tumoren zu erkennen, empfiehlt es sich, mindestens einmal im Jahr eine ärztliche Kontrolle in Anspruch zu nehmen. Dabei beobachtet der Arzt nicht nur die Neurofibrome der Haut. Er untersucht außerdem gezielt innere Organe, die Augen sowie die Ohren auf Neurofibrome.

Für eine optimale Versorgung kann es sinnvoll und hilfreich sein, sich fachübergreifend beraten zu lassen. Je nachdem, wie stark die Symptome ausgeprägt sind und welchen Verlauf die Neurofibromatose nimmt, empfiehlt es sich beispielsweise, einen Hautarzt, einen Neurologen und Neurochirurgen sowie einen Kinderarzt zu Rate zu ziehen.

Mancherorts werden auch Sprechstunden angeboten, die sich auf eine derart vielschichtige Beratung spezialisiert haben.

Neurofibromatose: Verlauf

Die Neurofibromatose kann sich sehr unterschiedlich entwickeln, auch innerhalb einer Familie. So haben manche Personen mit Neurofibromatose Typ 1 lediglich einige Pigmentflecken und Neurofibrome, die sie mitunter nicht als Krankheitszeichen wahrnehmen. Andere weisen hingegen bereits bei der Geburt Tumoren der Sehnerven oder milchkaffeeartige Pigmentflecken (Café-au-lait-Flecken) auf.

Auch bei der Neurofibromatose vom Typ 2 ist der Verlauf schwer vorherzusagen. In der Regel nimmt die Zahl der Geschwulste im Laufe des Lebens zu.

Komplikationen

Durch gezielte und regelmäßige Kontrolluntersuchungen kann der Arzt die meisten Komplikationen früh erkennen und behandeln. Daher sind solche Untersuchungen besonders wichtig.

Zu möglichen Komplikationen zählen zum Beispiel

  • Wirbelsäulenverkrümmungen (Skoliose),
  • Tumoren des Sehnervs (Optikusgliome) oder
  • andere Hirntumoren.

Unter der Haut gelegene Geschwulste (Neurofibrome) können je nach Lage mit Schmerzen oder neurologischen Störungen einhergehen. Eine weitere Komplikation stellen epileptische Anfälle dar, die im Rahmen einer Neurofibromatose Typ 1 auftreten können.

Ein wichtiger Aspekt bei der Betreuung von Kindern sind Teilleistungsstörungen, die im Zusammenhang mit der Neurofibromatose Typ 1 in Erscheinung treten können. Von Teilleistungsstörungen spricht man, wenn Kinder mit einer an sich normalen Intelligenz Lernprobleme haben. Für die Entwicklung dieser Kinder ist es wichtig, dass sie schon vor der Einschulung speziell gefördert werden.

Das Risiko, bösartige Tumoren zu entwickeln, ist gegenüber der restlichen Bevölkerung sowohl bei Neurofibromatose Typ 1 als auch bei Typ 2 erhöht, da Neurofibrome entarten können.

Je früher erkannt, desto besser

Vorbeugen kann man einer Neurofibromatose nicht. Eine wichtige Rolle spielt jedoch die Früherkennung: Je eher die Erkrankung erkannt wird, desto besser können mögliche Komplikationen vermieden werden.

Suchen Sie bei möglichen Anzeichen zeitnah einen Arzt auf. So können etwa milchkaffeefarbene Pigmentflecken, die bereits bei Neugeborenen oder im Laufe des ersten Lebensjahrs auftreten, auf Neurofibromatose Typ 1 hinweisen. Die Neurofibromatose Typ 2 macht sich dagegen erst nach der Pubertät bemerkbar – mit Symptomen wie Hörstörungen oder Gleichgewichtsproblemen.