Nervenzusammenbruch: Anzeichen und was tun?
Eine Trennung, der Tod einer nahestehenden Person oder Gewalterfahrungen: Derlei traumatische Erlebnisse können zu einem Nervenzusammenbruch führen. Ab wann sprechen Fachleute von einer solchen akuten Belastungsreaktion? Und was können Betroffene und Angehörige selbst tun?
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Nervenzusammenbruch
Es ist wichtig, Verständnis und Mitgefühl zu zeigen, etwa mit Sätzen wie: "Ich bin für dich da." oder "Wir schaffen das gemeinsam." Ratschläge und Bewertungen sollten vermieden werden; Zuhören und Beruhigung stehen im Vordergrund.
Nein, es handelt sich nicht um eine Psychose, sondern um eine vorübergehende Reaktion auf extreme Belastung. Eine Psychose hingegen ist eine tiefgreifende Störung der Wahrnehmung und Realität, die meist länger andauert und andere Ursachen hat.
Ein Burnout bahnt sich meist über längere Zeit an und kann Betroffene bis zu mehreren Monaten außer Gefecht setzen. Ein Nervenzusammenbruch tritt dagegen unmittelbar nach dem auslösenden Ereignis auf und verschwindet in der Regel innerhalb einiger Stunden bis weniger Tage.
Davon spricht man, wenn sich eine extreme emotionale Belastung nicht durch sichtbare Reaktionen äußert, sondern durch Rückzug, innere Unruhe oder körperliche Symptome wie Erschöpfung und Schlaflosigkeit. Betroffene wirken äußerlich ruhig, sind innerlich aber stark angespannt.
Was ist ein Nervenzusammenbruch?
Bei einem Nervenzusammenbruch handelt es sich um eine vorübergehende, meist unmittelbare psychische Ausnahmereaktion auf ein belastendes oder traumatisches Ereignis.
Nervenzusammenbruch ist die umgangssprachliche Bezeichnung für eine akute Belastungsreaktion (ABR). Andere Begriffe sind:
- akute Belastungsstörung
- Nervenschock
- akute Krisenreaktion
Die akute Belastungsreaktion zählt zu den Belastungs- und Anpassungsstörungen. Dass ein belastendes Erlebnis bei Betroffenen Spuren hinterlässt und zu Traurigkeit, Ängsten oder körperlichen Beschwerden führt, ist verständlich und normal. Von einem Trauma mit ABR sprechen Fachleute daher erst, wenn die Reaktion
- das erwartbare Maß seelischen Leids deutlich übersteigt und
- die betroffene Person erheblich in ihrem Alltag beeinträchtigt sind.
Ursachen eines Nervenzusammenbruchs
Ein Nervenzusammenbruch wird durch eine für Betroffene sehr schwere Belastung ausgelöst. Dabei kann es sich um ein einmaliges oder länger andauerndes Erlebnis handeln.
Mögliche Auslöser sind:
- Schicksalsschläge wie der Tod einer nahestehenden Person
- schwere Unfälle
- Gewalterfahrungen, etwa sexueller Missbrauch
- die Diagnose einer schweren Erkrankung
- Naturkatastrophen
- finanzielle Probleme, Schulden
- plötzliche Veränderungen im Leben, etwa ausgelöst durch eine Trennung oder einen Umzug
- chronischer Stress
Risikofaktoren
Grundsätzlich kann jeder Mensch traumatische Erfahrungen machen und in der Folge einen Nervenzusammenbruch erleiden. Einige Personen haben beispielsweise berufsbedingt ein höheres Risiko für belastende Ereignisse. Dazu zählen etwa Rettungskräfte, Soldat*innen oder Polizist*innen.
Zudem neigen Menschen mit psychischen Vorerkrankungen eher zu akuten Belastungsreaktionen. Bei ihnen können schon objektiv kleinere Krisen zu einem Nervenzusammenbruch führen.
Wie äußert sich ein Nervenzusammenbruch?
Ein Nervenzusammenbruch tritt in der Regel unmittelbar nach dem belastenden Ereignis auf und kann wenige Minuten bis hin zu mehreren Tagen andauern. Verschwinden die Symptome nach vier Wochen nicht, sprechen Fachleute von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Eine akute Belastungsreaktion kann also in einen chronischen Zustand übergehen.
Ein Nervenzusammenbruch äußert sich von Person zu Person verschieden. Typisch ist, dass die Beschwerden häufig wechseln. Mögliche Symptome sind etwa:
- innere Leere und das Gefühl, betäubt zu sein (insbesondere zu Beginn)
- unkontrollierbare Ängste, Verzweiflung, Gereiztheit und Wut
- Traurigkeit und depressive Verstimmungen bis hin zu Suizidgedanken
- Desorientierung, Benommenheit und veränderter Realitätssinn (Derealisation)
- innere Unruhe und Rastlosigkeit
- übertriebene Wachsamkeit
- Konzentrationsstörungen und verminderte Leistungsfähigkeit
Mitunter treten Erinnerungslücken (Amnesie) auf. Einige Betroffene haben Flashbacks, also plötzlich auftretende Erinnerungen, die meist mit Sinneswahrnehmungen einhergehen. Auch wiederkehrende Albträume, in denen das traumatische Ereignis erneut erlebt wird, können vorkommen.
Körperliche Symptome eines Nervenzusammenbruchs
Eine akute Belastungsreaktion äußert sich meist nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Typische Beschwerden sind:
- starkes Schwitzen
- Herzrasen (Tachykardie) und Brustschmerzen
- Übelkeit und Schwindel
- Kopfschmerzen
- Mundtrockenheit
- Schlafstörungen
Je nachdem, wie schwer die Symptome ausgeprägt sind, beeinträchtigt ein Nervenzusammenbruch den Alltag der Betroffenen stark. Sie ziehen sich etwa sozial zurück oder können ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen.
Was kann man gegen einen Nervenzusammenbruch tun?
Zwar ist ein Nervenzusammenbruch ein vorübergehender Zustand, der in den meisten Fällen nach bis zu 48 Stunden abklingt. Trotzdem ist medizinische Hilfe ratsam – sowohl im Akutfall als auch darüber hinaus.
Was können Angehörige tun?
Während eines akuten Zusammenbruchs ist es wichtig, dass Betroffene möglichst nicht allein sind, da im schlimmsten Fall Suizidgefahr besteht. Angehörige, die den Nervenzusammenbruch miterleben, sollten bei der betroffenen Person bleiben, Verständnis zeigen und zuhören. Häufig hilft es Betroffenen schon, über ihre Erfahrungen und Gefühle zu sprechen.
Krisenintervention: Erste Maßnahme bei akuter Belastungsreaktion
Angehörige, die sich der Situation nicht gewachsen fühlen und merken, dass der*die Betroffene sich auch nach mehreren Stunden nicht beruhigt, können im nächsten Schritt eine Krisenintervention in die Wege leiten.
Eine Krisenintervention ist eine kurzfristige, psychologische Unterstützung, die Menschen in akuten seelischen Notlagen hilft. Ziel ist es,
- die erste emotionale Belastung abzufangen,
- Stabilität zu schaffen und
- gemeinsam erste Lösungsansätze zu entwickeln.
Der Ablauf umfasst in der Regel ein klärendes Gespräch, bei dem die Situation erfasst und konkrete Schritte zur Bewältigung besprochen werden. Ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik ist nötig, wenn Suizidgefahr besteht.
Betroffene oder deren Angehörige können sich direkt an Notrufnummern wie die Telefonseelsorge (116 123) oder den psychiatrischen Krisendienst in ihrer Region wenden. Auch die hausärztliche Praxis oder die Notaufnahme eines Krankenhauses können als erste Anlaufstelle dienen und Behandlungsangebote vermitteln.
Medikamentöse Behandlung
In einigen Fällen können kurzzeitig Psychopharmaka verabreicht werden, etwa, um starke Angstzustände zu lösen. Dazu zählen Medikamente, die beruhigend wirken, wie Benzodiazepine und Z-Substanzen.
Psychotherapie, um PTBS vorzubeugen
Im Anschluss an die Erstversorgung kann es sinnvoll sein, eine Therapie einzuleiten – auch, wenn die akute Belastungsreaktion bereits abgeklungen ist. Denn wenn belastende Lebensereignisse nicht aufgearbeitet werden, können sich auf lange Sicht eine posttraumatische Belastungsstörung oder Depressionen entwickeln. Professionelle Hilfe sollten sich Betroffene suchen, wenn:
- auch nach dem Nervenzusammenbruch noch Flashbacks und Albträume auftreten
- starke Ängste bestehen, die zu einem Leidensdruck führen
- das Trauma zu einem Vermeidungsverhalten führt
- als Reaktion auf das traumatische Erlebnis auf Suchtmittel wie Drogen oder Alkohol zurückgegriffen wird
Nervenzusammenbruch: Was kann man selbst tun?
Bei einer akuten Belastungsreaktion verlieren Betroffene die Kontrolle über ihr Denken, Fühlen und Handeln. Das kann sehr beängstigend sein. Umso wichtiger ist es, schrittweise wieder die Beherrschung zurückzugewinnen.
Folgende Tipps können dabei helfen:
Gefühle annehmen: Angst, Verzweiflung, Wut und auch körperliche Beschwerden sind verständliche Reaktionen auf eine traumatische Erfahrung.
Entspannungs- und Atemübungen: Einigen Personen hilft es, die Atemfrequenz bewusst zu senken und langsam und tief ein- und auszuatmen. Weitere beruhigende Maßnahmen können leichte Dehnübungen oder Meditation sein.
um Hilfe bitten: Auch, wenn dies mitunter Überwindung kostet – bereits die Anwesenheit vertrauter Angehöriger kann eine beruhigende Wirkung haben.
dem Alltag nachgehen: Ob duschen, anziehen, das Bett machen oder regelmäßig essen – Normale Aktivitäten wie diese können Betroffene ablenken und ihnen ein Stück weit Kontrolle zurückgeben.
auf Rauschmittel verzichten: Alkohol oder Drogen mögen auf den ersten Blick verlockend sein, um mit der belastenden Situation klarzukommen. Davon ist jedoch abzuraten, da Suchtmittel negative Gefühle wie Ängste verstärken können.
Wie wird ein Nervenzusammenbruch diagnostiziert?
Erste Anlaufstelle kann die hausärztliche Praxis sein. Von hier aus erfolgt eine Überweisung an psychiatrische oder psychotherapeutische Praxis.
Eine ABR äußert sich durch eine Reihe verschiedener Symptome, die auch auf andere psychische Störungen hindeuten können. Eine trennscharfe Diagnose ist daher oft schwierig zu stellen. Entsprechend wichtig ist es, andere Krankheitsbilder auszuschließen.
Mögliche Differentialdiagnosen sind:
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Anpassungsstörung
Zur Diagnosestellung wird die betroffene Person zunächst gebeten, ihre Situation zu schildern. Die*der Ärztin*Arzt wird psychische und körperliche Symptome erfragen und klären, ob und welche Vorerkrankungen bestehen. Auch die Einnahme von Medikamenten ist von Interesse. Um körperliche Ursachen auszuschließen, folgen unter Umständen diverse Untersuchungen wie eine Blutuntersuchung oder ein Elektrokardiogramm (EKG).
Die Diagnose einer akuten Belastungsreaktion wird gestellt, wenn Betroffene
- direkt oder indirekt einem traumatischen Ereignis ausgesetzt waren,
- mindestens neun typische Symptome aufweisen und
- einen starken seelischen Leidensdruck verspüren.
Wichtig ist dabei, dass die Beschwerden noch nicht länger als einen Monat anhalten. In diesem Fall würde die Diagnose PTBS gestellt.
Wie lässt sich einem Nervenzusammenbruch vorbeugen?
Ein Nervenzusammenbruch lässt sich kaum vermeiden, da traumatische oder belastende Ereignisse jeden Menschen treffen können. Dennoch gibt es Maßnahmen, um die eigene seelische Widerstandskraft, auch Resilienz genannt, zu stärken.
Resilienz lässt sich gezielt aufbauen, etwa durch regelmäßige Stressbewältigungsstrategien wie:
- Routinen und Struktur im Alltag schaffen
- Stressmanagement durch regelmäßige Pausen und Entspannungsübungen
- gesunder Lebensstil (regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf)
- sich seiner Stärken und Ressourcen bewusst sein und sich diese aktiv in Erinnerung rufen
Wichtig ist zudem, soziale Kontakte zu stärken: Ein gutes Unterstützernetzwerk aus engen Freund*innen, Familie oder auch Selbsthilfegruppen bietet Rückhalt in schwierigen Zeiten. Ebenso ist es ratsam, frühzeitig psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man merkt, dass die mentale Belastung zunimmt. Im Rahmen einer Psychotherapie lassen sich beispielsweise Stressoren identifizieren und Strategien zur Bewältigung entwickeln.
Letztlich gilt: Sich selbst ernst zu nehmen und stets auf die eigene seelische Gesundheit zu achten, ist der beste Schritt, um vorzubeugen.