Nebenhodenentzündung (Epididymitis)
Eine Nebenhodenentzündung (Epididymitis) tritt meist einseitig auf: Dann kommt es zu Schmerzen im Nebenhoden und der Hodensack ist zunehmend geschwollen. Oft besteht gleichzeitig eine Hodenentzündung (Orchitis) – in dem Fall spricht man von einer Orchiepididymitis.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Die Nebenhodenentzündung und ihre Symptome entwickeln sich meist schleichend. Schreitet die Entzündung weiter fort, kommen zur Schwellung und Schmerzhaftigkeit des betroffenen Nebenhodens Allgemeinsymptome wie
- Fieber,
- Schüttelfrost und
- Abgeschlagenheit dazu.
Typisch für die Epididymitis sind auch Beschwerden beim Wasserlassen und ein überwärmter Nebenhoden.
Überwiegend kommen für eine Nebenhodenentzündung zwei Ursachen in Betracht. Zum einen kann ein aufsteigender Infekt dazu führen, dass im Nebenhoden eine Entzündung entsteht: Dabei gelangen die Erreger (meist Bakterien) zum Beispiel von einer Harnröhrenentzündung, einer Prostataentzündung oder über einen Dauerkatheter entlang der Samenwege in den Nebenhoden. Zum anderen kann eine Infektion über die Blutbahn zu einer Nebenhodenentzündung führen: In diesem wesentlich selteneren Fall stammen die Erreger der Epididymitis von einem Infektionsherd, der sich in einer anderen Körperregion befindet, und erreichen den Nebenhoden auf dem Blutweg.
Bei einer akuten Nebenhodenentzündung kommen zur Behandlung möglichst frühzeitig Antibiotika sowie entzündungshemmende und abschwellende Medikamente zum Einsatz. Des Weiteren hilft es, die Entzündung örtlich zu behandeln – das heißt: den Nebenhoden kühlen und hochlagern. In der Regel heilt eine akute Epididymitis unter dieser Therapie gut ab.
Je nach Schwere der Entzündung oder bei unzureichender Behandlung kann allerdings auch eine chronische Nebenhodenentzündung entstehen. Als Komplikation der Epididymitis kann es außerdem zu einer Eiteransammlung (Abszessbildung) bis hin zur Blutvergiftung (Sepsis) kommen. Und die seltene beidseitige Nebenhodenentzündung wirkt sich unter Umständen negativ auf die Zeugungsfähigkeit aus: Durch einen beidseitigen Verschluss der Nebenhodenkanälchen kann eine Unfruchtbarkeit (Verschlussazoospermie) entstehen.
Definition
Eine Nebenhodenentzündung beziehungsweise Epididymitis ist per Definition eine durch Bakterien oder Viren hervorgerufene Infektion des Nebenhodens. Oft breitet sich die Entzündung auf den Hoden aus, sodass zusätzlich eine Hodenentzündung (Orchitis) entsteht: Diese gleichzeitige Entzündung von Hoden und Nebenhoden bezeichnen Mediziner als Orchiepididymitis. Ein schmerzhaft geschwollener Hoden und Nebenhoden ist meistens auf eine akute Entzündung zurückzuführen.
Anatomie
Dass sich im Rahmen einer Nebenhodenentzündung (Epididymitis) häufig auch der Hoden entzündet, hat seine Ursache in der Anatomie: Der bei einer Nebenhodenentzündung betroffene Nebenhoden (Epididymis) gehört wie der Hoden (Testis) zu den inneren männlichen Geschlechtsorganen. Beide liegen im Hodensack (Skrotum). In den Hoden erfolgt die Bildung des männlichen Samens. Von dort gelangt der Samen in die beiden Nebenhoden, die den Hoden hinten oben anliegen. In den Nebenhoden befinden sich geknäuelte Samenkanälchen, die den Samen vom Hoden in einer Art Speicher – dem Nebenhodengang – lagern. Hier kommt es zur vollständigen Reifung der Spermien.
Ursachen
Eine Nebenhodenentzündung (Epididymitis) kann verschiedene Ursachen haben. In der Regel sind die Nebenhoden infolge von Infektionen mit Erregern (Bakterien oder Viren) entzündet. In manchen Fällen ist bei einer Nebenhodenentzündung auch kein Erreger als Ursache auszumachen, sondern die Entzündung entsteht infolge einer schweren Verletzung der Nebenhoden – zum Beispiel durch einen Tritt, Schlag oder Unfall.
Am häufigsten hat eine akute Nebenhodenentzündung ihre Ursachen in einem aufsteigenden Infekt: Hierbei gelangen die Erreger (meist Bakterien) entlang der Samenwege in den Nebenhoden und führen dort zu einer Infektion. Die Erreger können zum Beispiel aus einer Harnröhrenentzündung, Blasenentzündung oder Prostataentzündung stammen; zur Infektion der Nebenhoden kann es aber beispielsweise auch bei einem durch die Harnröhre vorgenommenen operativen Eingriff (z.B. zur Behandlung einer gutartigen Prostatavergrößerung), über einen Dauerkatheter oder durch einen Urinrückstau in den Samenleiter kommen. Bei Männern bis zum mittleren Lebensalter gelten durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragbare Chlamydien (Chlamydia trachomatis) als häufigste bakterielle Auslöser einer Epididymitis; im höheren Alter ist eine Nebenhodenentzündung eher auf andere Bakterien (z.B. Escherichia coli, Proteus, Klebsiella) zurückzuführen.
Wesentlich seltener hat eine Nebenhodenentzündung ihre Ursachen in einer Infektion über die Blutbahn: In diesem Fall gelangen die ursächlichen Erreger auf dem Blutweg von einem Infektionsherd, der sich in einer anderen Körperregion befindet, in den Nebenhoden. Eine akute Epididymitis kann aber auch als Begleiterscheinung rheumatischer Erkrankungen auftreten.
Symptome
Bei einer Nebenhodenentzündung (Epididymitis) setzen die Symptome eher schleichend ein und verstärken sich erst im weiteren Verlauf.
Die für eine akute Nebenhodenentzündung typischen Symptome sind Schmerzen und ein geschwollener Nebenhoden (selten sind beide Nebenhoden gleichzeitig betroffen).
Mit der Zeit kann der Nebenhoden beziehungsweise der Hodensack gerötet und so geschwollen sein, dass die Hautfältelung durch die Schwellung verschwindet. Die Nebenhodenentzündung kann als weitere Symptome schmerzhafte Beschwerden beim Wasserlassen sowie Fieber und Schüttelfrost auslösen. Häufig nehmen die Beschwerden der Epididymitis über den Tag zu. Der betroffene Nebenhoden kann überwärmt sein.
Zunächst sind bei einer akuten Nebenhodenentzündung die Symptome auf den Nebenhoden begrenzt: Nur der Nebenhoden ist geschwollen, erheblich druckschmerzhaft und anfangs noch vom Hoden abgrenzbar. Allerdings breitet sich die Nebenhodenentzündung nach einer Dauer von 24 bis 36 Stunden häufig aus, sodass keine Unterscheidung von Nebenhoden und Hoden mehr möglich ist. In diesem Fall liegt eine sogenannte Epididymo-Orchitis (also eine gleichzeitige Nebenhodenentzündung bzw. Epididymitis und Hodenentzündung bzw. Orchitis) vor.
Diagnose
Bei Verdacht auf eine akute Nebenhodenentzündung (Epididymitis) kann die Diagnose mithilfe verschiedener Verfahren erfolgen:
- Abtasten von Hodensack und Hoden
- hochauflösender Ultraschall
- Urinuntersuchung
- Blutuntersuchung
- Messung der Körpertemperatur
Die Ultraschalluntersuchung kommt bei einer Nebenhodenentzündung zur Diagnose zum Einsatz, da der Arzt mit ihr feststellen kann, ob der Nebenhoden vergrößert ist. Dies ist nicht selten mit einer Hydrozele (Wasserbruch des Hodens) sowie einer unter Umständen bereits eingetretenen Vereiterung (Abszessbildung) kombiniert. Mithilfe einer Blutfluss-Ultraschalluntersuchung (Dopplersonographie) ist es bei einer Epididymitis außerdem möglich, eine verstärkte Durchblutung der betroffenen Seite nachzuweisen.
Bei der akuten Nebenhodenentzündung ist es wichtig, bei der Diagnose eine Hodenverdrehung (Hodentorsion) sicher auszuschließen. Wenn die Epididymitis fortgeschritten ist, kann der Arzt durch eine Blutuntersuchung feststellen, dass die Entzündungsmarker (weiße Blutkörperchen bzw. Leukozyten, c-reaktives Protein) erhöht sind.
Therapie
Gegen eine akute Nebenhodenentzündung (Epididymitis) kommen zur Therapie zunächst nicht-operative Maßnahmen zum Einsatz, die der Behandlung von Harnwegsinfektionen weitgehend entsprechen.
Ebenso wie bei einem Harnwegsinfekt sind meist Bakterien dafür verantwortlich, dass im Nebenhoden eine Entzündung entsteht. In der Regel wirkt daher gegen eine Nebenhodenentzündung eine Behandlung mit Antibiotika (wie Ciprofloxacin).
Außerdem sind bei einer Nebenhodenentzündung zur Behandlung unterstützende Maßnahmen sinnvoll, um die Beschwerden zu lindern: Zum einen hilft es, den Hodensackmithilfe eines speziellen Tragebeutels (Suspensorium) ruhigzustellen und hochzulagern. Kühle Auflagen können die Schmerzen lindern und zum Abschwellen beitragen.
Zum anderen sind zur Behandlung der Entzündung auch entzündungs- und schmerzstillende Medikamente (z.B. Ibuprofen) geeignet. Darüber hinaus ist es bei einer akuten Epididymitis ratsam, während der Therapie körperliche Anstrengung zu vermeiden.
Verlauf
Eine frühzeitig und hinreichend behandelte Nebenhodenentzündung (Epididymitis) nimmt in der Regel einen günstigen Verlauf und heilt vollständig ab. Wenn eine akute Nebenhodenentzündung jedoch sehr schwer oder ihre Behandlung nur unzureichend ist, kann sie in eine chronische Nebenhodenentzündung übergehen.
Auch bei der seltenen beidseitigen Nebenhodenentzündung kann der Verlauf ungünstiger sein: Dann kann ein beidseitiger Verschluss der Nebenhodenkanälchen zu einer Unfruchtbarkeit (Verschlussazoospermie) führen. Die im Hoden weiterhin normal gebildeten Samenzellen (Spermien) gelangen dann nicht mehr auf natürlichem Weg in die Samenflüssigkeit. Der Mann ist in diesem Fall zeugungsunfähig. Um sich dennoch einen Kinderwunsch zu erfüllen, bietet sich in dem Fall nur eine spezielle Form der künstlichen Befruchtung (IVF = In-Vitro-Fertilisation) an.
Komplikationen
Eine akute Nebenhodenentzündung (Epididymitis) kann im weiteren Verlauf mit verschiedenen Komplikationen verbunden sein: So kann sich Eiter ansammeln und eine Eiterhöhle (Abszess) bilden oder eine Blutvergiftung (Sepsis) entstehen. Hat sich ein Abszess gebildet oder sind Zellen im Nebenhoden abgestorben (Nekrosen), ist meist eine Operation erforderlich. In einigen Fällen ist es dann unvermeidlich, Nebenhoden und Hoden zu entfernen. Auch wenn gleichzeitig mit einer stark ausgeprägten Nebenhodenentzündung (Epididymitis) eine Hodenentzündung (Orchitis) auftritt (sog. Epididymo-Orchitis), ist oft die Entfernung von Hoden und Nebenhoden erforderlich.
Wenn gegen die Nebenhodenentzündung schon im frühen Verlauf eine konsequente Behandlung erfolgt, gelingt es jedoch meist, solche schweren Komplikationen zu verhindern.
Vorbeugen
Einer akuten Nebenhodenentzündung (Epididymitis) können Sie nur bedingt vorbeugen: Eine geeignete vorbeugende Maßnahme besteht zum Beispiel darin, Infektionen (wie Harnwegsinfekte und Prostataentzündungen) rechtzeitig zu behandeln, bevor die ursächlichen Erreger entlang der Samenwege in den Nebenhoden gelangen und dort eine Entzündung auslösen können.
Außerdem ist es zur Epididymitis-Prophylaxe wichtig, dass Sie gerade bei wechselnden Sexualpartnern ungeschützten Geschlechtsverkehr vermeiden. Den sichersten Schutz vor einer Infektion mit den am häufigsten für Nebenhodenentzündungen verantwortlichen Bakterien – den Chlamydien (Chlamydia trachomatis) – bieten Kondome.