Ein Mann sitzt nach dem Aufwachen auf dem Bett und hält sich den schmerzenden unteren Rücken
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Morbus Bechterew: Lebenserwartung bei Spondylitis ankylosans 

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 09.09.2024

Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) ist eine entzündliche Erkrankung, die hauptsächlich die Gelenke betrifft – vor allem die der Wirbelsäule. Sie kann jedoch auch auf Organe übergehen. Bislang ist Morbus Bechterew nicht heilbar, die Symptome lassen sich jedoch mildern. Welche Ursachen hat die Erkrankung und schränkt Spondylitis ankylosans die Lebenserwartung ein?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Morbus Bechterew

Morbus Bechterew ist zwar chronisch und beeinflusst die Lebensqualität der Betroffenen häufig, die Lebenserwartung wird dadurch jedoch nur selten eingeschränkt. 

Einen Selbsttest gibt es nicht. Für eine Diagnose ist ein Besuch in der ärztlichen Praxis unerlässlich. Dort kann zum Beispiel der sogenannte Mennell-Test schnell Hinweise auf eine mögliche Spondylitis ankylosans geben.

Morbus Bechterew kann nicht nur die Wirbelsäule und Gelenke betreffen, sondern auch Entzündungen beispielsweise in den Augen, im Darm oder in der Lunge hervorrufen. 

Typisch sind vor allem Morgensteifigkeit im Rücken sowie Schmerzen im unteren Rücken, die sich durch Bewegung bessern.

Was ist Morbus Bechterew?

Morbus Bechterew gehört zu den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und betrifft vor allem die Wirbelsäule und die Gelenke. Die Entzündungen werden durch eine Fehlfunktion des Immunsystems ausgelöst und haben Steifigkeit und Schmerzen zur Folge. Allerdings kann die Immunreaktion auch auf Organe wie Augen und Darm übergreifen. Die Erkrankung verläuft schleichend und in Schüben. Es können symptomfreie Phasen auftreten. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. 

Die Entzündungen an der Wirbelsäule können dazu führen, dass die Ränder der Gelenke zunächst durch Faserknorpel ersetzt werden und anschließend verknöchern. Nach und nach bilden sich Verknöcherungen zwischen den Wirbelkörpern, sodass die gesamte Wirbelsäule zunehmend versteift.

Fachleute bezeichnen Morbus Bechterew auch als Spondylitis ankylosans:

  • Eine Spondylitis ist eine Wirbelentzündung,
  • ankylosans bedeutet versteifend.

Welche Ursachen hat Morbus Bechterew?

Bei Morbus Bechterew handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen den eigenen Organismus richtet. Dadurch entsteht eine dauerhafte Entzündung. Die Ursache für diese Immunreaktion ist noch unklar. Experten vermuten jedoch, dass

  • bestimmte Erbanlagen und
  • vorangegangene Infektionen der Verdauungs- oder Harnwege

eine entscheidende Rolle bei der Entstehung spielen.

Wird Morbus Bechterew vererbt?

Etwa 95 Prozent der Menschen mit Morbus Bechterew besitzen ein bestimmtes Erbmerkmal namens HLA-B27. Dieses lässt sich zwar auch bei etwa 8 Prozent der gesunden Bevölkerung nachweisen – sein gehäuftes Vorkommen bei Menschen mit Morbus Bechterew weist allerdings darauf hin, dass die Krankheit zumindest teilweise auch vererbt wird.

Der Erbfaktor HLA-B27 begünstigt Morbus Bechterew also entweder direkt oder über andere Erbfaktoren, die ebenfalls als Ursachen für die Krankheit in Betracht kommen.

Auch die Darmflora könnte eine Rolle spielen

Eine Rolle bei der Entstehung von Morbus Bechterew scheinen zudem die normalen Keime der Darmflora zu spielen. Das legen zumindest Studien mit Mäusen nahe: Denen zufolge sind Mäuse, die durch gentechnische Methoden ein menschliches HLA-B27-Gen tragen, fast vollständig gesund, solange sie in einer keimfreien Umgebung aufwachsen. Setzt man diese Mäuse jedoch den üblichen Umgebungskeimen aus und bilden sie somit die normale Darmflora aus, entwickeln sie Morbus Bechterew mit allen zugehörigen typischen Symptomen.

Symptome bei Morbus Bechterew

Gerade am Anfang sind die Symptome oft unspezifisch und werden häufig fehlgedeutet. Das Hauptsymptom von Morbus Bechterew ist der Rückenschmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule und Ileosakralgelenke. Morgens sind die Schmerzen besonders stark. Nach dem Aufstehen fühlt sich die Wirbelsäule außerdem steif an, durch Bewegung bessern sich die Beschwerden.

Typisch für die Rückenschmerzen bei Morbus Bechterew ist, dass sie:

  • vor dem 45. Lebensjahr einsetzen
  • langsam beginnen
  • länger als drei Monate am Stück andauern

Neben Steifigkeit zeigt sich das Krankheitsbild vor allem durch Rückenschmerzen, die fast immer als tief sitzende Kreuzschmerzen auftreten, die ins Gesäß und die Beine ausstrahlen können. Denn die ankylosierende Spondylitis beginnt in der Regel mit einer Entzündung der Iliosakralgelenke, welche das Kreuzbein mit dem Darmbein verbinden. Später verursacht der Morbus Bechterew die schmerzhaften Symptome auch an der restlichen Wirbelsäule.

Morbus Bechterew: Rückenschmerzen in Schüben

Die Schmerzen können über eine lange Zeit kommen und gehen – nach einem akuten und schmerzhaften Krankheitsschub bilden sich die Symptome häufig zurück. Während eines akuten Entzündungsschubes kommt es häufig zu allgemeinen Symptomen wie Fieber und Erschöpfung.

Beschwerden sind nicht immer gleich

Die Symptome können sich von Fall zu Fall unterschiedlich entwickeln. Teils bleiben die Beschwerden des Morbus Bechterew ausschließlich auf den Bereich der Wirbelsäule beschränkt. In einigen Fällen herrschen schubweise auftretende
Entzündungsschmerzen vor, während in anderen Fällen die fortschreitende Versteifung der Wirbelsäulengelenke im Vordergrund steht.

Frauen haben zudem häufig andere oder später einsetzende Symptome als Männer: Bei ihnen stehen anstelle der Schmerzen im unteren Rücken mitunter Probleme mit der Halswirbelsäule oder der Hüfte im Vordergrund.

Morbus Bechterew im Endstadium

Im Endstadium der Spondylitis ankylosans kommt es bei manchen Betroffenen im Krankheitsverlauf zur vollständigen Versteifung der Wirbelsäule (Bambusstabwirbelsäule). Die Patient*innen haben dann eine dauerhaft vornübergebeugte Haltung. Mit der zunehmenden Versteifung spüren viele Betroffene auch Atemnot, weil sich der Brustkorb nicht mehr richtig ausdehnen kann.

Morbus Bechterew: Häufige Begleiterkrankungen

Teils wirkt sich die Spondylitis ankylosans auch auf andere Gelenke und Organe aus. Es besteht zudem ein höheres Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen. Zum Beispiel können folgende Beschwerden und Erkrankungen mit Morbus Bechterew auftreten:

  • Gelenkentzündung: In etwa 40 Prozent aller Fälle ruft Morbus Bechterew Symptome einer Arthritis in Gelenken der Gliedmaßen hervor: Dann schmerzen die großen Gelenke wie Knie, Hüften und Schultern und sind entzündet. 

  • entzündete Sehnen: Etwa 20 bis 30 Prozent aller Menschen mit Spondylitis ankylosans entwickeln Enthesiopathien: Sehnen, Sehnenansätze und Schleimbeutel entzünden sich und schmerzen. Beispielsweise reagiert die Achillessehne sehr häufig mit Schmerzen auf Druck (Achillodynie). Oft bildet sich bei Morbus Bechterew auch eine Plantarfasziitis.

  • Entzündung der Augen: In etwa 30 bis 50 Prozent der Fälle verursacht Morbus Bechterew wiederholt eine Uveitis. Diese äußert sich etwa durch gerötete Augen, Schmerzen, Tränenfluss und Lichtempfindlichkeit. Die wiederkehrende Entzündung kann die Sehkraft einschränken. Bei manchen Menschen mit dem Erbmerkmal HLA-B27 tritt die Uveitis immer wieder auf – ohne andere Anzeichen einer Spondylitis ankylosans.

  • Blasenprobleme: Morbus Bechterew kann im Laufe der Zeit zu Beckenbodenfunktionsstörungen und somit zu Blasenstörungen wie Harnverhalt oder häufigem Harndrang führen.

  • Herzprobleme: Die Erkrankung kann auch das Herz betreffen. Häufiger treten Herzrhythmusstörung, vor allem der Vorhöfe, mit anfallartigem Herzrasen und Störungen der Reizleitung (AV-Block) auf. Gefährlich sind diese Rhythmusstörungen jedoch sehr selten.

  • Darmerkrankungen: In etwa 5 bis 10 Prozent der Fälle begleiten die Spondylitis ankylosans entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn.

  • Lungenfibrose: Greifen die entzündlichen Prozesse auf die Lunge über, können sie das Lungengewebe schädigen und zu Vernarbungen und schließlich zu Lungenfibrose führen.

  • Schuppenflechte: Psoriasis und Morbus Bechterew sind Autoimmunerkrankungen, die häufig miteinander in Zusammenhang stehen. 

  • OsteoporoseDa Morbus Bechterew die Knochendichte beeinträchtigt, kommt es bei rund 59 Prozent der Patient*innen zu Osteopenie, der Vorstufe von Osteoporose und bei etwa 18 Prozent schließlich zu Osteoporose und Frakturen.

Morbus Bechterew: So erfolgt die Diagnose

Morbus Bechterew verläuft schleichend und unspezifisch. Daher vergehen zwischen den ersten Symptomen und einer gesicherten Diagnose häufig mehrere Jahre. Schmerzen im Kreuz dienen zwar als erster Anhaltspunkt, zur genauen Diagnostik sind aber mehrere Tests notwendig.

Für die Diagnose von Morbus Bechterew geeignet sind folgende bildgebende Verfahren:

  • Röntgen: Im Röntgenbild lassen sich entzündliche Veränderungen im Iliosakralgelenk und gegebenenfalls verformte Wirbelkörper erkennen.

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Im MRT können bereits Weichteilveränderungen infolge einer Entzündung sichtbar gemacht werden.

Mennell-Test

Ein erster Schritt bei der Diagnose ist es, eine Entzündung der Iliosakralgelenke zwischen Kreuzbein und Becken nachzuweisen. Dazu testet die*der Ärztin*Arzt das sogenannte Mennell-Zeichen. Bei diesem Test wird das Kreuzbein mit der Handfläche fixiert und das Becken durch Überstreckung gegenüber dem Kreuzbein im Iliosakralgelenk bewegt. Wenn die Bewegung im Ilioasakralgelenk schmerzt, ist das Mennell-Zeichen positiv – dies kann auf einen Morbus Bechterew hindeuten.

Laboruntersuchungen

Laboruntersuchungen können die Diagnose von Morbus Bechterew stützen. Festgestellt werden zum Beispiel:

Die beiden Werte sind bei den meisten Patient*innen erhöht. Bei milden Verläufen oder im Anfangsstadium können sie allerdings nicht oder nur gering erhöht sein. 

Daneben kann das Erbmerkmal HLA-B27 bestimmt werden, welches viele Menschen mit Morbus Basedow besitzen.

Obwohl die Spondylitis ankylosans eine rheumatische Erkrankung ist, sind bei den Betroffenen keine Rheumafaktoren festzustellen.

Therapie: Ist Morbus Bechterew heilbar?

Morbus Bechterew lässt sich bislang nicht heilen. Durch eine geeignete Therapie ist es aber möglich, die Erkrankung positiv zu beeinflussen. Von zentraler Bedeutung ist vor allem die Gymnastik im Rahmen einer Physiotherapie. Dort werden Übungen erlernt, die auch zu Hause regelmäßig durchgeführt werden müssen. 

Die Therapie zielt in erster Linie darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten.

Medikamente

Gegen die Schmerzen sind geeignet:

Daneben kommen sogenannte Basismedikamente zum Einsatz, die den Verlauf der Spondylitis ankylosans beeinflussen, etwa die Wirkstoffe Sulfasalazin oder Methotrexat. Sie wirken immunsupprimierend und entzündungshemmend und werden vor allem verordnet, wenn Gelenke außerhalb der Wirbelsäule betroffen sind.

Bei schweren Verläufen: Biologika 

Falls diese Medikamente nicht ausreichen, um die Symptome zu mildern, stehen zusätzlich Biologika wie TNF-Alpha-Blocker zur Verfügung. Sie hemmen entzündungsfördernde Botenstoffe, mindern so die Krankheitsaktivität und verzögern oder verhindern, dass die Spondylitis ankylosans fortschreitet.

Eine Operation ist eher selten Bestandteil der Therapie. Ist das Hüftgelenk mitbetroffen, ist jedoch möglicherweise ein Gelenkersatz nötig.

Morbus Bechterew: Verlauf und Lebenserwartung

Wie die Krankheit genau verläuft, ist sehr unterschiedlich. In einigen Fällen leiden die Betroffenen nur hin und wieder unter Rückenschmerzen und leichten Bewegungseinschränkungen. Bei manchen Menschen heilt Morbus Bechterew spontan aus. Nimmt er einen schweren Verlauf, kann es jedoch zu Schädigungen an mitbetroffenen Gelenken und Organen und zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen kommen.

Eine Arthritis in den Hüftgelenken kann beispielsweise rasch die Gelenke zerstören und damit schon bei jungen Leuten einen Hüftgelenksersatz nötig machen. Eine vollständige Verknöcherung der Wirbelsäule und mögliche Invalidität infolge von Morbus Bechterew ist selten.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei Morbus Bechterew?

Betroffene haben in der Regel eine genauso hohe Lebenserwartung wie Menschen ohne Morbus Bechterew.

Die meisten Betroffenen bleiben erwerbsfähig und können – trotz Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule – ihrem Beruf weiter nachgehen.

Etwa 90 Prozent der Erkrankten sind auch 40 Jahre nach der Diagnosestellung nicht auf fremde Hilfe angewiesen. In manchen Fällen verläuft der Morbus Bechterew sogar so mild, dass er unerkannt bleibt. 

Sind etwa Herz oder Lunge von der Erkrankung betroffen, kann sich das jedoch ungünstig auf die Prognose auswirken. Es ist daher wichtig, regelmäßige ärztliche Kontrollen wahrzunehmen und frühzeitig mit der Behandlung zu starten, um Komplikationen zu verhindern.