Morbus Addison
Morbus Addison ist eine chronische Erkrankung, die die Nebennierenrinden betrifft und zu einem Mangel an wichtigen Hormonen führt. Dieser bewirkt, dass sich die Betroffenen erschöpft fühlen und sich ihre Haut braun färbt. Deshalb spricht man auch von der "Bronzehaut-Krankheit". Der offizielle Name der Erkrankung geht auf den Entdecker Thomas Addison zurück.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Morbus Addison
Die Addison-Krankheit kommt selten vor: Jährlich erhalten nur fünf von einer Million Menschen die Diagnose Morbus Addison. Bei ihnen können die Zellen der Nebennierenrinde ihre Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen. Diese besteht darin, teils lebenswichtige Botenstoffe (Hormone) zu produzieren. Das Versagen der Nebennierenrinde heißt in der Fachsprache Nebennierenrinden-Insuffizienz.
Der dadurch entstehende Hormonmangel führt nicht nur zu vielerlei Beschwerden, sondern kann auch lebensbedrohliche Folgen haben. Deshalb ist es wichtig, dass die Erkrankung rechtzeitig erkannt und behandelt wird.
Morbus Addison: Ursachen
Die Beschwerden bei Morbus Addison entstehen durch einen Mangel an bestimmten Hormonen, die an zahlreichen Körpervorgängen beteiligt sind. Bei Gesunden werden diese Stoffe von der Nebennierenrinde gebildet. Bei Menschen mit Morbus Addison ist die Nebennierenrinde dazu nicht mehr in der Lage.
Als Morbus Addison im engeren Sinne wird ausschließlich die autoimmun bedingte primäre Nebenniereninsuffizienz bezeichnet. Bei einer Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem irrtümlich körpereigenes Gewebe an. Im Fall von Morbus Addison richtet sich der Angriff gegen Zellen der Nebennierenrinde, die für die Bildung von Hormonen zuständig sind.
Im weiteren Sinne fasst man unter Morbus Addison auch andere Formen der Primären Nebenniereninsuffizienz zusammen. Weitere mögliche Ursachen für Morbus Addison sind:
- infektiöse Erkrankungen (Tuberkulose oder Zytomegalie-Virus, insbesondere bei Menschen mit Aids)
- operative Entfernung der Nebennierenrinde
- Tumor oder Metastasen in der Nebennierenrinde
- Hämochromatose (erbliche Eisenspeicherkrankheit)
- Amyloidose (Ablagerungen von Gewebe außerhalb der Zellen, die die Funktion des Organs einschränken)
- Adrenoleukodystrophie (angeborene Stoffwechselkrankheit, die unter anderem die Nebennieren schädigt)
Was ist die Nebennierenrinde?
Die Nebennieren sitzen den beiden Nieren jeweils oben auf. Sie bestehen aus Niebennierenmark und Nebennierenrinde. Sowohl im Mark als auch in der Rinde werden Hormone produziert. Die Nebennierenrinde bildet sogenannte Steroidhormone. Dazu zählen
- Mineralkortikoide,
- Glukokortikoide und
- Androgene.
Zu den Mineralkortikoiden gehört beispielsweise Aldosteron. Es ist beteiligt am Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt des Körpers und beeinflusst das Blutvolumen und damit den Blutdruck. Wird zu wenig Aldosteron produziert, sinkt das Blutvolumen und damit auch der Blutdruck.
Ein wichtiges Glukokortikoid ist Cortisol. Man bezeichnet es auch als Stresshormon, weil die Nebenniere es vermehrt freisetzt, wenn der Körper hohen Belastungen ausgesetzt ist. Zum Beispiel kann es in Zeiten schwerer körperlicher Anstrengung, psychischem Stress oder Nahrungsmangel Energiereserven mobilisieren und den Blutzuckerspiegel steigen lassen. Es erhöht außerdem den Blutdruck.
Es ist wichtig für unseren Tagesrhythmus und wird insbesondere in den frühen Morgenstunden vermehrt freigesetzt. Nachts werden nur sehr niedrige Werte im Blut gemessen.
Androgene sind männliche Sexualhormone. Dazu gehört beispielsweise Testosteron. Bei der Frau dienen Androgene außerdem als Zwischenprodukt für die Produktion des weiblichen Sexualhormons Östrogen.
Ist Morbus Addison vererbbar?
Wie alle Autoimmunerkrankungen ist Morbus Addison zum Teil erblich bedingt. Wie groß der Einfluss der Gene tatsächlich ist, weiß man noch nicht. Klar ist aber, dass Kinder von Patienten nicht zwangsläufig auch an Morbus Addison erkranken.
"Es gibt eine gewisse genetische Anfälligkeit dafür, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln", sagt Prof. Stefanie Hahner, Endokrinologin an der Uniklinik Würzburg und Mitglied der Sektion "Nebennieren, Steroide und Hypertonie" der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
"Anders als bei anderen Erkrankungen spielen mehrere verschiedene Gene eine Rolle, die das Risiko erhöhen, eine Autoimmunerkrankung wie einen Morbus Addison zu entwickeln. Hinzu kommen oft noch Umweltfaktoren, die dann zum Ausbruch der Erkrankung führen können, aber nicht müssen."
Morbus Addison: Symptome
Da die Nebennierenrinde ganz verschiedene Hormone mit unterschiedlichen Wirkungen produziert, bedeutet ein Mangel dieser Hormone für die Betroffenen von Morbus Addison auch, dass sie häufig unter vielfältigen Symptomen leiden. Diese sind:
- Müdigkeit
- Schwäche
- Übelkeit und Erbrechen
- Gewichtsabnahme
- niedriger Blutdruck
- Herzrhythmusstörungen
- Braunfärbung der Haut ("Bronzehaut-Krankheit")
- Hunger auf Salz
- Potenzstörung bei Männern
- Ausbleiben der Regelblutung und Verlust der Geschlechtsbehaarung bei Frauen
- Atemstörungen
- psychische Störungen wie Verwirrtheit, Depression
- bei Kindern und Jugendlichen Wachstumsstörungen
Ist eine Autoimmunerkrankung die Ursache, geht das Gewebe der Nebennierenrinde im Verlauf der Erkrankung vollständig zugrunde. Symptome machen sich meist erst bemerkbar, wenn bereits rund 85 Prozent des Gewebes zerstört ist. Die meisten der Beschwerden lassen sich dann auf den Cortisolmangel zurückführen.
Warum verfärbt sich die Haut?
Ein typisches Anzeichen für Morbus Addison ist die Braunfärbung der Haut. Dabei verfärben sich auch Stellen, die nicht der Sonne ausgesetzt waren und ungewöhnliche Stellen wie zum Beispiel die Handinnenflächen, Lippen oder die Schleimhaut. Das Phänomen hängt mit dem sogenannten adrenocorticotropen Hormon (ACTH) zusammen. Dieser Botenstoff regt die Haut zur Bildung von Zellen an, die Pigmente bilden (Melanozyten). Bei Cortisolmangel ist der Spiegel von ACTH im Blut erhöht.
Morbus Addison: Diagnose
Der Arzt kann Morbus Addison mit einer Reihe von Blutuntersuchungen feststellen:
- Der Cortisolspiegel im Blut ist erniedrigt.
- Der Elektrolythaushalt ist gestört (Natriummangel, Kaliumüberschuss).
- Die Konzentration des adrenocorticotropen Hormons (ACTH) im Blut ist erhöht.
ACTH spielt für die Diagnose von Morbus Addison eine wichtige Rolle. Mit diesem Hormon signalisiert das Gehirn der Nebennierenrinde, dass sie Cortisol bilden soll. Bei Morbus Addison kann die Nebennierenrinde diesem "Befehl" vom Gehirn jedoch nicht nachkommen, weil sie nicht mehr dazu fähig ist, Cortisol zu bilden. Daher steigt die ACTH-Konzentration im Blut – nicht aber der Cortisolspiegel.
In der Regel versucht der Arzt auch, die Cortisolproduktion durch eine zusätzliche Gabe von ACTH zu stimulieren. Dazu spritzt er dem Betroffenen das Hormon. Zuvor und anschließend wird die Konzentration an Cortisol im Blut gemessen. Bei funktionstüchtigen Nebennierenrinden sollte der Cortisolspiegel nach Gabe von ACTH deutlich steigen. Ist das nicht der Fall, ist das ein Zeichen für eine Nebennierenrinden-Insuffizienz.
Die Ergebnisse der Blutuntersuchung geben jedoch nicht nur Auskunft darüber, ob tatsächlich Morbus Addison vorliegt. Der Arzt kann anhand des Befunds auch feststellen, ob eine Autoimmunerkrankung Ursache der Erkrankung ist. In diesem Fall lassen sich im Blut bestimmte Antikörper nachweisen.
Zur Diagnose führt für viele Patienten jedoch ein langer Weg. "Die im Vordergrund stehenden Symptome wie Müdigkeit und Schlappheit sind leider ziemlich unspezifisch", sagt die Endokrinologin Prof. Stefanie Hahner. "Hinzu kommt, dass Morbus Addison eine sehr seltene Erkrankung ist und damit nicht die naheliegendste Diagnose." Für viele Patienten bedeutet das, dass häufig viele Untersuchungen gemacht werden, bis die richtige Diagnose gestellt wird.
"Die Mehrpigmentierung der Haut auch an untypischen Stellen wie an Narben, an den Handinnenflächen oder an der Mundschleimhaut deutet schon konkreter auf Morbus Addison hin", sagt Hahner. Sie betrifft allerdings nicht jeden Patienten.
Morbus Addison: Therapie
In der Therapie geht es zunächst darum, die Ursache der Erkrankung zu behandeln – sofern dies möglich ist. Liegt dem Morbus Addison zum Beispiel eine infektiöse Erkrankung zugrunde, lässt sich diese meist mit Antibiotika behandeln. Ist die Erkrankung autoimmun bedingt, lässt sich die Ursache nicht beseitigen. In diesem Fall zielt die Behandlung vor allem darauf ab, die Beschwerden zu lindern.
Für die Langzeitbehandlung von Morbus Addison sind in der Regel Endokrinologen zuständig. Sie verschreiben den Patienten Tabletten, die den Hormonmangel ausgleichen (Hormonersatztherapie):
- Glukokortikoide werden durch Hydrocortison ersetzt.
- Mineralkortikoid lässt sich mit Fludrocortison ersetzen.
Hydrocortison wird in der Regel zwei- bis dreimal täglich eingenommen, Fludrocortison einmal täglich. Wichtig ist, dass die Dosis von Hydrocortison bei besonderen Belastungen wie Infekten oder Operationen erhöht wird. Welche Dosis dann angemessen ist, entscheidet der behandelnde Arzt.
Er prüft durch regelmäßige Untersuchungen, ob sich der Hormonhaushalt im Gleichgewicht befindet. Wenn nicht, muss die Dosis der Medikamente entsprechend angepasst werden.
Die Hormonersatztherapie muss ein Leben lang erfolgen, da das zerstörte Gewebe der Nebennierenrinde sich nicht regenerieren kann.
Morbus Addison: Lebenserwartung
Der Verlauf der Erkrankung hängt davon ab, wie schnell die Nebennierenrinde zerstört wird und versagt. Die Beschwerden können sich schleichend entwickeln, jedoch auch plötzlich auftreten.
Ohne Behandlung würde ein fortschreitender Morbus Addison dazu führen, dass der Körper immer schwächer wird – bis hin zum Koma. Bei ausreichender und rechtzeitiger Hormonersatztherapie haben die Betroffenen jedoch eine normale Lebenserwartung und Lebensqualität.
"Es gibt Patienten, die fühlen sich unter der Hormonsubstitution fit und leistungsfähig wie zuvor", sagt die Endokrinologin Prof. Stefanie Hahner. Der berühmte Morbus-Addison-Patient John F. Kennedy beispielsweise hat es trotz der Erkrankung zum amerikanischen Präsidenten geschafft. "Wichtig ist, dass die Hormonersatztherapie so individuell wie möglich angepasst wird."
Es kommt jedoch auch vor, dass sich Patienten trotz Therapie unwohl fühlen. Warum, ist nicht eindeutig geklärt. Eine mögliche Ursache ist, dass die gesunde Nebennierenrinde sehr dynamisch auf Stressituationen reagieren kann und dann entsprechend mehr Hormon produziert. "Die Präparate, die wir haben, schaffen es noch nicht, diese Dynamik nachzuahmen", sagt die Ärztin.
Addison-Krise
Lebensbedrohlich kann die Addison-Krise sein. Die droht zum Beispiel in Belastungssituationen, wenn der Bedarf an Cortisol steigt, die Dosis aber nicht erhöht wird. Oder wenn der Körper das als Tablette verabreichte Hormon nicht ausreichend aufnehmen kann, etwa aufgrund von Durchfall oder Erbrechen. In solchen Fällen muss der Patient den Arzt aufsuchen.
Wichtig: Menschen mit Morbus Addison sollten immer mit sich tragen:
- Notfall-Ausweis: So weiß der Arzt sofort, wie er helfen kann. Auch, wenn der Patient bewusstlos ist.
- Hydrocortison-Notfall-Set mit einer Spritze mit Hydrocortison
Ernährung und Sport bei Morbus Addison
Eine spezielle Diät müssen Menschen mit Morbus Addison nicht einhalten. "Addison-Patienten dürfen erstmal alles, was andere Menschen auch dürfen", sagt die Endokrinologin Prof. Stefanie Hahner. Das gilt auch für Sport. Allerdings bedeutet körperliche Belastung, dass der Patient mehr Kortison benötigt und die Dosis angepasst werden muss.
Ob und wie viel, hängt von der Belastung ab. "Wenn ich eine Bergwanderung plane oder über einen längeren Zeitraum Sport betreibe, dann benötige ich eine höhere Dosis", sagt Hahner.
Morbus Addison und Hashimoto
Wer an einer Autoimmunerkrankung leidet, hat immer auch ein erhöhtes Risiko, an einer weiteren Autoimmunstörung zu erkranken. Im Fall eines autoimmun bedingtem Morbus Addison und der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis hat diese Kombination sogar einen Namen: das Schmidt-Syndrom.
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Erkrankung der Schilddrüse und die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion. Da Hashimoto eine recht häufige Erkrankung ist und Morbus Addison recht selten, erkranken Addison-Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit an Hashimoto als umgekehrt.
In jedem Fall ist es wichtig, dass beide Erkrankungen erkannt und behandelt werden. Denn wer wegen einer Schilddrüsenunterfunktion Hormone einnimmt, benötigt mehr Cortisol. Eine gesunde Nebennierenrinde kann diesen Mehrbedarf problemlos decken. Bei Morbus Addison ist sie dazu jedoch nicht in der Lage.