Eine Person steht auf der Waage, vor ihr liegt ein Maßband.
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Magersucht: Symptome, Ursachen und Behandlung von Anorexie

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 09.03.2025

Magersucht ist eine psychische Erkrankung mit tiefgreifenden Auswirkungen auf Körper und Seele. Betroffene haben extreme Angst vor einer Gewichtszunahme und entwickeln dadurch ein gestörtes Essverhalten, das schwere gesundheitliche – im schlimmsten Fall lebensbedrohliche – Folgen haben kann. Lesen Sie, woran sich Anorexie erkennen lässt, was die möglichen Auslöser sind und welche Therapieoptionen bestehen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Magersucht

Atypische Anorexie ist eine Form der Magersucht, bei der kein Untergewicht vorliegt, alle anderen diagnostischen Kriterien aber erfüllt sind. Betroffene können trotz normalem oder höherem Gewicht erhebliche gesundheitliche Risiken und psychische Belastungen haben.

Charakteristisch sind ein stark reduziertes Essverhalten, eine erhebliche Gewichtsabnahme, intensive Angst vor Gewichtszunahme und eine gestörte Körperwahrnehmung. Körperliche Symptome sind unter anderem Kreislaufprobleme, Hormonstörungen und Muskelschwund.

Typisch für Anorexie sind unter anderem exzessives Kalorienzählen, zwanghafter Sport, Vermeidung von Mahlzeiten und sozialer Rückzug. Oft entwickeln Betroffene strenge Essrituale oder verstecken ihr Essverhalten vor anderen.

Grundsätzlich ja, jedoch ist hierfür in den meisten Fällen eine frühzeitige und intensive Therapie erforderlich.

Was ist Magersucht?

Magersucht (Anorexia nervosa, Anorexie) ist eine Essstörung, die mit einem stark kontrollierten Essverhalten und einer intensiven Angst vor einer Gewichtszunahme einhergeht. Betroffene setzen extreme Maßnahmen ein, um ihr Körperbild zu beeinflussen, was ernste gesundheitliche Folgen haben kann. Neben den körperlichen Risiken verursacht die Krankheit oft erheblichen psychischen Leidensdruck.

Übrigens: Anorexia bedeutet Appetitverlust oder Appetitverminderung. Das ist jedoch irreführend, da ein Mangel an Appetit nicht die Ursache der Magersucht ist.

Magersucht überschneidet sich häufig mit anderen Essstörungen. Viele Betroffene wechseln zwischen

  • restriktivem Essverhalten, 
  • Essanfällen und 
  • kompensatorischen Maßnahmen wie Erbrechen oder exzessivem Sport. 

Solche Mischformen zeigen, dass die Diagnostik der Essstörung komplex ist. Gerade deshalb ist es für Fachleute wichtig, sich nicht nur auf das Körpergewicht und den Body-Mass-Index (BMI) Betroffener zu fokussieren, sondern die psychischen und verhaltensbezogenen Aspekte der Erkrankung in den Mittelpunkt zu stellen.

Wer ist betroffen?

Meist beginnt Magersucht in der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter (Adoleszenz). Die Mehrheit der Betroffenen ist zwischen 15 und 35 Jahre alt. Es können aber auch Kinder an einer Anorexie erkranken.

Die Angaben zur Häufigkeit variieren stark und können Fachleuten zufolge ungenau sein, da von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird. Aktuellen Studien zufolge entwickeln in Deutschland rund 1,1 Prozent der Frauen und 0,3 Prozent der Männer im Laufe ihres Lebens eine Magersucht.

Typische Symptome einer Magersucht

Eine Magersucht beginnt, lange bevor sie für Außenstehende sichtbar wird. Die ersten Symptome sind psychischer Natur:

  • zwanghafte Gedanken über Abnehmen und Essen
  • irrationale Angst vor Gewichtszunahme, häufige Gewichtskontrollen
  • seelisches Befinden abhängig vom Körpergewicht
  • psychische Krisen durch minimale Gewichtszunahmen, bis hin zu depressiven Verstimmungen
  • starke Schuldgefühle nach dem Essen, mitunter Panik
  • extremer Hunger wird als Erfolgserlebnis und bestandene Willensleistung betrachtet

Sozialer Rückzug: Typisches Anzeichen bei Magersucht

Viele Menschen mit Magersucht ziehen sich zunehmend aus dem sozialen Leben zurück – oft, um Essenssituationen zu vermeiden. Gleichzeitig fehlt ihnen durch die körperliche und mentale Erschöpfung vermehrt Energie für soziale Kontakte. Auch ein körperliches Vermeidungsverhalten in Beziehungen ist typisch. Betroffene distanzieren sich emotional von dem*der Partner*in, was oft zu einem Libidoverlust führt.

Das Umfeld wird in der Regel erst auf die Erkrankung aufmerksam, wenn sie schon zu offensichtlichen körperlichen Veränderungen geführt hat – oder wenn Betroffene durch ein verändertes Essverhalten auffallen.

Folgende Warnsignale können für eine Anorexie sprechen:

  • selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme, etwa durch strenge Ernährungsregeln wie den Verzicht auf bestimmte Lebensmittelgruppen (z. B. Kohlenhydrate)
  • akribisches Abwiegen von Lebensmitteln und Kalorienzählen
  • auffallend großes Interesse für Lebensmittel, Rezepte und Diäten
  • stunden- oder tagelanges Fasten
  • Bewegungsdrang und exzessives Sporttreiben
  • Essrituale (z. B. extrem langsames Essen, Nahrungsmittel in sehr kleine Stücke zerschneiden)
  • Zubereitung von Essen für andere, ohne selbst mitzuessen
  • exzessives Trinken von Wasser, Tee oder Kaffee, um Hunger zu unterdrücken
  • Missbrauch von Abführmitteln oder Entwässerungstabletten, um Gewichtszunahme zu verhindern

Körperliche Anzeichen einer Magersucht

Die Essstörung kann mit verschiedenen körperlichen Symptomen einhergehen. Neben einem rapiden Gewichtsverlust in kurzer Zeit sind folgende Beschwerden möglich: 

  • Kälteempfindlichkeit – kalte Hände und Füße, oft trotz normaler Raumtemperatur
  • Haarausfall oder dünner werdendes Haar sowie brüchige Nägel als Folge von Nährstoffmangel
  • blasse, schuppige und/oder trockene Haut 
  • flaumartige Behaarung (Lanugobehaarung) an Körperstellen wie Armen und Beinen
  • hormonelle Veränderungen, z. B. unregelmäßige oder ausbleibende Periode (Amenorrhoe)
  • Schwindel, Ohnmachtsanfälle und niedriger Blutdruck
  • langsamer Herzschlag (Bradykardie
  • Muskelschwäche und Erschöpfung
  • Wassereinlagerungen (Ödeme) aufgrund von Eiweißmangel, Kreislaufproblemen oder Nierenfunktionsstörungen
  • Verzögerung der pubertären Entwicklung, z. B. fehlende Brustentwicklung (bei Frauen) oder Wachstumsstopp (falls die Magersucht während oder vor der Pubertät auftritt)

Gesundheitliche Folgen von Magersucht

Je länger die Magersucht besteht und je ausgeprägter das Untergewicht ist, desto größer ist das Risiko für gesundheitliche Folgen. Da es den Betroffenen meist an bestimmten Mineralstoffen mangelt, gerät ihr Elektrolythaushalt aus dem Gleichgewicht. Das wiederum kann sich in Herzrhythmusstörungen äußern. 

Außerdem wirkt sich die Unterversorgung auf den Hormonhaushalt aus. Mögliche Folgen sind:

Komorbide Störungen: Mögliche Begleiterkrankungen bei Magersucht

Häufig geht eine Magersucht auch mit Symptomen anderer Essstörungen einher. Fachleuten zufolge liegt in den meisten Fällen eine Mischform vor, die verschiedenen Essstörungen lassen sich also nicht immer klar voneinander abgrenzen. 

Mögliche komorbide Störungen sind:

  • Bulimie (Bulimia nervosa): Betroffene leiden unter unkontrollierten Essanfällen (Binge Eating), gefolgt von starken Schuldgefühlen und gegenregulierenden Maßnahmen wie selbst herbeigeführtem Erbrechen, exzessivem Sport oder Abführmitteln.

  • Sportsucht (Anorexia athletica): Betroffene verspüren einen starken inneren Zwang, exzessiv und über ein gesundes Maß hinaus Sport zu treiben. 

  • Orthorexie: Fachleute verstehen darunter eine zwanghaft gesunde Ernährungsweise und die strikte Vermeidung vermeintlich ungesunder Lebensmittel.

  • Dysmorphophobie (Körperschemastörung): Betroffene leiden an einer verzerrten Wahrnehmung ihres Körperbilds und fokussieren sich auf einen oder mehrere vermeintliche "Defekte". Einige Menschen nehmen sich im Spiegel beispielsweise als dick wahr, obwohl sie eine schlanke Figur haben. 

Welche Ursachen hat Magersucht?

Eine Magersucht lässt sich nie auf eine einzige Ursache zurückführen. Fachleute vermuten, dass Anorexie aus einem Zusammenspiel genetischer, psychischer und soziokultureller Einflüsse entsteht. 

Zu den möglichen Auslösern zählen:

  • genetische Veranlagung
  • Störungen im Belohnungssystem des Gehirns
  • bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Ängstlichkeit, Zwanghaftigkeit, Perfektionismus)
  • geringes Selbstwertgefühl
  • Schwierigkeiten im Umgang mit negativen Gefühlen
  • Unsicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen (unsichere Bindungsmuster)
  • starke Verdauungsprobleme im Säuglings- und Kleinkindalter
  • Essstörung oder andere psychische Erkrankung eines Elternteils
  • Ausdauersport, Sportarten mit Gewichtsklassen wie Kampfsport sowie Sportarten, die mit bestimmten ästhetischen Idealen verknüpft sind (z. B. Turnen, Tanzen und Bodybuilding)
  • häufige Konfrontationen mit gängigen Schönheitsidealen (z. B. durch soziale Medien)

Wie wird Magersucht diagnostiziert?

Eine erste Anlaufstelle bei Verdacht auf Anorexia nervosa kann die hausärztliche Praxis sein. Hier finden ein ausführliches ärztliches Gespräch (Anamnese) sowie eine gründliche körperliche Untersuchung statt. Letztere ist wichtig, um – im Falle von Untergewicht oder einer starken Gewichtsabnahme – mögliche körperliche Ursachen auszuschließen. 

Erhärtet sich der Verdacht auf Magersucht, erfolgt eine Überweisung zu einem*einer Facharzt*Fachärztin. Optionen sind etwa eine psychosomatische Klinik oder eine psychotherapeutische Praxis.

Für Magersucht gelten folgende Diagnosekriterien:

  • Der Body-Mass-Index (BMI) beträgt 17,5 oder weniger. Das entspricht einem Körpergewicht von mindestens 15 Prozent unter dem bei der Körpergröße zu erwartenden Wert.

  • Das Untergewicht wurde von der erkrankten Person selbst und absichtlich herbeigeführt. 

Atypische Anorexie

Liegt kein Untergewicht vor, andere Kriterien sind aber erfüllt, kann die Diagnose atypische Anorexie gestellt werden. Doch ein Normal- oder Übergewicht bedeutet nicht, dass die Magersucht weniger gefährlich ist: Nimmt etwa eine stark übergewichtige Person innerhalb kurzer Zeit sehr viel ab, kann dieses Verhalten mit Unterernährung und entsprechenden körperlichen Folgen einhergehen. 

Betroffene trauen sich mitunter nicht, professionellen Rat einzuholen. Sie befürchten, aufgrund des fehlenden Untergewichts nicht ernst genommen zu werden. Ein "krank genug" gibt es jedoch nicht. Der Leidensdruck lässt sich nicht an der Zahl auf der Waage festmachen.

Wie wird Magersucht behandelt?

Die erste Anlaufstelle bei Magersucht ist in der Regel die hausärztliche Praxis oder ein*e Facharzt*Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Auch spezialisierte Beratungsstellen bieten Unterstützung und können an geeignete Therapiemöglichkeiten vermitteln. 

Eine wichtige Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die Bereitschaft und Krankheitseinsicht der betroffenen Person, Hilfe anzunehmen – ohne diese ist eine nachhaltige Genesung schwierig.

Ist der körperliche Zustand bereits lebensbedrohlich, kann eine sofortige Krankenhausaufnahme erforderlich sein. Bei starkem Untergewicht, Mangelernährung oder schweren Kreislaufproblemen wird die Ernährung möglicherweise über eine Magensonde sichergestellt, um den Körper zu stabilisieren.

Welche therapeutischen Behandlungsformen gibt es?

Langfristig hat die Therapie nur Erfolg, wenn sie an den Ursachen der Krankheit ansetzt. Je eher die Psychotherapie beginnt, umso geringer ist das Risiko, dass sich die mit der Essstörung einhergehenden Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen dauerhaft festigen.

Es gibt verschiedene psychotherapeutische Verfahren, die bei einer Magersucht helfen können. Bewährt haben sich bislang vor allem die

Grundsätzlich geht es in der Therapie darum, die seelischen Konflikte und zwischenmenschlichen Probleme zu ergründen, die zur Entstehung der Erkrankung geführt oder beigetragen haben könnten. Zugleich werden Methoden erarbeitet, auf gesündere Weise mit den Gefühlen und Konflikten umzugehen.

Therapie bei Magersucht: Stationär oder ambulant?

Je nach Schwere der Erkrankung kann die Therapie entweder ambulant, stationär oder teilstationär stattfinden.

  • ambulante Therapie: Der*die Betroffene wohnt weiterhin zu Hause, geht aber regelmäßig zur ärztlichen Praxis und zu den Therapiestunden. Ambulante Behandlungen sind möglich, wenn der Zustand der zu behandelnden Person noch relativ stabil ist. 

  • stationäre Behandlung: In schwereren Fällen oder bei wiederholten Rückfällen kann die Therapie im Rahmen eines stationären Aufenthalts sinnvoll sein. In spezialisierten Kliniken wird eine umfassende Betreuung geboten, die neben medizinischer Versorgung auch Psychotherapie, Verhaltenstherapie und unterstützende Maßnahmen wie Körperwahrnehmungstraining oder Gruppentherapien umfasst. 

  • Tagesklinik: In einigen Fällen ist eine Tagesklinik eine gute Alternative: Betroffene werden dort tagsüber betreut und verbringen die Nächte zu Hause. 

Familienbasierte Therapie (FBT)

Anorexie ist auch für das Umfeld der betroffenen Person belastend. Häufig wissen Eltern und andere Angehörige nicht, wie sie mit der Essstörung umgehen sollen. Sozialer Rückhalt ist jedoch eine wichtige Komponente auf dem Weg der Heilung. 

Vor allem für erkrankte Kinder und Jugendliche kann daher auch eine familienbasierte Therapie hilfreich sein, auch bekannt als Maudsley-Methode. Dabei handelt es sich um einen evidenzbasierten Ansatz zur Behandlung von Essstörungen, bei dem die Familie eine zentrale Rolle in der Wiederherstellung eines gesunden Essverhaltens übernimmt. Die FBT läuft in mehreren Phasen ab:

  1. Zunächst unterstützen die Eltern ihr Kind aktiv bei der Nahrungsaufnahme, um eine Gewichtszunahme zu erreichen. 

  2. Später gibt die Familie die Verantwortung für das Essen schrittweise wieder an die betroffene Person ab. 

  3. In der letzten Phase wird der Fokus auf die Wiedererlangung der normalen Entwicklungsprozesse und den Umgang mit der Essstörung gelegt. 

Studien zeigen, dass FBT eine hohe Erfolgsquote hat, insbesondere wenn die Behandlung früh beginnt.

Kontaktadressen finden betroffene Familien zum Beispiel hier: Beratung für Betroffene und Angehörige

Wie ist die Prognose bei Magersucht?

Magersucht ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die im schlimmsten Fall tödlich endet. Einige Betroffene erkranken im Verlauf ihrer Erkrankung an einer Depression, die aufgrund der Suizidalität ebenfalls lebensbedrohliche Folgen haben kann. Die Sterblichkeitsrate bei Anorexia nervosa ist hoch, sie liegt zwischen zehn und 15 Prozent. Auch die Rückfallrate ist alarmierend: Bei rund einem Drittel aller anorektischen Patient*innen tritt die Magersucht erneut auf.

Deshalb ist es wichtig, dass Erkrankte rasch professionelle Hilfe bekommen. Die besten Heilungschancen bestehen bei Menschen, die in einem jungen Alter an Magersucht erkranken und eine frühzeitige Behandlung erhalten.