Eine Frau sitzt auf einem Hocker und hält ihr rechtes Bein umfasst.
© Getty Images

Lymphödem

Von: Onmeda-Redaktion, Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 22.12.2021

Bei einem Lymphödem kommt es zu einer sichtbaren und tastbaren Schwellung, meist am Bein oder Arm. In den Anfangsstadien kann sich die Schwellung wieder zurückbilden.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Lymphödem

Wenn sich Lymphe in den Lymphbahnen staut, können Wassereinlagerungen entstehen und zu Schwellungen führen. Je nach Ursache für den Lymphstau unterscheidet man das primäre vom sekundären Lymphödem.

Primäres Lymphödem: Ursachen

Ein primäres Lymphödem ist angeboren. Es kommt insgesamt selten vor. Ursache für den Lymphstau ist typischerweise eine erbliche Entwicklungsstörung, die zu einer Fehlbildung des Lymphsystems führt. Als Folge sind

  • zu wenig Lymphgefäße vorhanden (wie meist auch die Lymphknoten),
  • die Lymphgefäße zu schmal oder
  • zu weit.

In seltenen Fällen ist die Ursache auch eine veränderte Zusammensetzung der Lymphflüssigkeit.

Ein primäres Lymphödem zeigt sich in manchen Fällen bereits von Geburt an. Meist entwickelt es sich jedoch bei jüngeren Menschen vor dem 35. Lebensjahr.

Sekundäres Lymphödem: Ursachen

Entsteht eine Lymphödem erst infolge einer Erkrankung, Verletzung oder durch Therapiemaßnahmen (z. B. Operation), handelt es sich um ein erworbenes (sekundäres) Lymphödem.

Lymphödem als Folge von Operationen

Häufigste Ursache für ein sekundäres Lymphödem sind Operationen, meist im Rahmen einer Krebsbehandlung, in deren Folge auch Lymphknoten entfernt wurden.

Oft bildet sich nach einer Brustkrebsoperation ein Lymphödem am Arm, wenn Lymphknoten in der Achselhöhle entfernt wurden.

Nach einer Operation zur Behandlung von Gebärmutterkrebs oder Gebärmutterhalskrebs können Lymphödeme an den Beinen auftreten, wenn im Bauchraum viele Lymphknoten entfernt werden mussten.

Übergewicht belastet das Lymphsystem zusätzlich und kann das Risiko für ein sekundäres Lymphödem erhöhen. Nach einer Brustkrebstherapie beispielsweise ist das Risiko für ein sekundäres Lymphödem ohnehin zeitlebens erhöht. Durch Übergewicht steigt das Risiko um weitere 40 bis 60 Prozent.

Lymphödem als Folge einer Strahlenbehandlung

Ein sekundäres Lymphödem kann auch nach einer Strahlenbehandlung auftreten. Werden zum Beispiel bei einer Strahlentherapie gegen Brustkrebs die Abflusswege der Lymphe mitbestrahlt, weil sich in den Lymphknoten der Achselhöhle Tochter­geschwulste (Metastasen) finden, erhöht sich das Risiko für einen Lymphstau mit Lymphödem in der Brust oder im Arm. Bei Gebärmutterkrebs hingegen kann eine ausgedehnte Bestrahlung der Eierstöcke ein chronisches Lymphödem im Bein zur Folge haben.

Lymphödem als Folge einer Krebserkrankung

Auch verschiedene Krebserkrankungen können einen Lymphstau hervorrufen – etwa bei bösartigen Lymphknotenerkrankungen wie Morbus Hodgkin oder bei Leukämie.

Weitere mögliche Ursachen

Daneben gibt es für ein sekundäres Lymphödem weitere mögliche Ursachen, wie etwa:

  • aufgestautes venöses Blut
  • Entzündung der Lymphbahnen (Lymphangitis)
  • Befall mit Parasiten (wie Fadenwürmern)

Lymphödem: Häufigkeit

Am häufigsten entwickelt sich ein Lymphödem sekundär, also infolge einer erworbenen Schädigung der Lymphbahnen oder Lymphknoten, zum Beispiel nach Operationen.

Ein primäres, also angeborenes Lymphödem kommt relativ selten vor. Schätzungen zufolge ist das bei etwa einer von 6.000 bis einer von 10.000 Lebendgeburten der Fall.

Lymphödem: Symptome

Unabhängig von der Ursache haben Lymphödeme folgende Symptome gemeinsam:

  • Der vom Lymphstau betroffene Körperteil (meist Beine oder Arme) fühlt sich anfangs oft erst schwer an. Später schwillt er an und ist sichtlich prall mit Flüssigkeit gefüllt. Die Schwellung erinnert von der Beschaffenheit her an Teig.
  • Zusätzlich sind Hauteinziehungen möglich.
  • Anfangs verursacht ein Lymphödem keine Schmerzen.

Daneben können weitere Symptome auftreten, die darauf hinweisen, ob es sich um ein primäres oder sekundäres Lymphödem handelt.

Primäres Lymphödem: Typische Symptome

Ein primäres Lymphödem breitet sich oft beidseitig von Zehen und Fußrücken über die Knöchelregion zum Unterschenkel und schließlich Oberschenkel aus. Es steigt also auf. Die Schwellung verstärkt sich in der warmen Jahreszeit sowie bei Frauen während der Menstruation.

Typische frühe Symptome sind:

  • sog. Kastenzehen: Die Zehen nehmen bei Druck eine viereckige Form an.
  • das Stemmer-Zeichen: Die Haut am Fußrücken lässt sich bei einem Lymphödem nicht greifen und als Falte abheben.

Unbehandelt breitet sich das primäre Lymphödem im weiteren Verlauf auf die Beine aus. Dabei kann in schweren Fällen das gesamte Bein seine Form verändern (sog. Elephantiasis).

Die Haut in den angeschwollenen Bereichen neigt zu Infektionen. Die Unterseite der Zehen kann warzig und rau sein (sog. Papillomatosis cutis). Weitere Anzeichen sind tief einschneidende Querfalten an den Zehen.

Sekundäres Lymphödem: Typische Symptome

Bei einem sekundären Lymphödem breitet sich der Lymphstau dagegen meist von der Achsel in Richtung Hand oder von der Leiste über das Bein in Richtung Fuß aus. Es wandert also nach unten, wobei Vorfuß und Zehen nicht betroffen sind. Außerdem treten sekundäre Lymphödeme in aller Regel einseitig auf – und zwar auf der Seite, auf der die Ursache liegt.

Lymphödem: Diagnose

Ein Lymphödem erkennt der Arzt vor allem anhand der vorliegenden Beschwerden. Mithilfe der Symptome kann der Arzt das Lymphödem eventuell schon von einem venösen Ödem abgrenzen und feststellen, ob ein primäres oder sekundäres Lymphödem vorliegt.

Ein primäres Lymphödem am Bein lässt sich durch eine Untersuchung der Zehen feststellen. Anders als beim venösen Ödem sind die Zehen mitbetroffen und quaderförmig angeschwollen (sog. Kastenzeichen).

Besonders wichtig für die Diagnose im Beinbereich ist das sogenannte Stemmer-Zeichen: Lässt sich die Haut auf den Zehen infolge der Schwellung nicht mehr als Falte abheben, gilt das als Hinweis auf ein primäres Lymphödem.

Im Unterschied zum primären Lymphödem und zum venösen Ödem steht ein sekundäres Lymphödem zeitlich und örtlich mit einer Erkrankung oder Verletzung des Körpers in Zusammenhang. Bei der Diagnose ist es daher wichtig, auch die eigentliche Ursache für das Lymphödem zu finden.

Dazu eignen sich verschiedene Untersuchungen, wie:

Die Lymphabflussszintigraphie ist eine nuklearmedizinische Untersuchung, bei der man ein Kontrastmittel in die "Schwimmhäute" zwischen den Fingern beziehungsweise Zehen gespritzt bekommt. Anschließend zeigt eine Gammakamera, wie sich die radioaktiv markierte Substanz in den Beinen oder Armen verteilt.

Stadieneinteilung beim Lymphödem

Im Rahmen der Diagnose stellt der Arzt auch fest, welches Stadium das Lymphödem hat. In den Stadien 1 und 2 ist das Lymphödem noch reversibel. Die Schwellung kann also durch Maßnahmen wie Hochlagern wieder vollständig zurückgehen. In Stadium 3 und 4 ist das nicht mehr möglich.

Tabelle: Stadien beim Lymphödem

Lymphödem-StadiumBeschreibung
Stadium 0: Übergangs- oder LatenzstadiumÄußerlich ist keine Schwellung zu sehen. Die Transportkapazität des Lymphsystems ist bereits herabgesetzt.
Stadium 1: Weiche SchwellungMeist abends stark geschwollenes Lymphödem. Bei entsprechenden Maßnahmen geht die Schwellung noch vollständig zurück.
Stadium 2: Beginnende Bindegewebsvermehrung (Fibrose)Hartes, nicht eindrückbares Lymphödem. Das Lymphödem und die Bindegewebsvermehrung gehen nur bei intensiver Behandlung zurück.
Stadium 3: Unförmiges Anschwellen von Körperteilen (lymphostatische Elephantiasis)Infolge der chronischen Lymphstauung (Lymphostase) schwellen besonders die Beine stark an (sog. Elephantiasis). Das Ödem und die Gewebeveränderungen sind nicht mehr vollständig rückgängig zu machen, die Haut ist verdickt und verhärtet.

Lymphödem: Therapie

Das primäre Lymphödem ist erblich bedingt und kann nicht ursächlich behandelt werden. Abhängig vom Stadium der Erkrankung lässt es sich teilweise oder weitestgehend lindern.

Beim sekundären Lymphödem spielt die Behandlung der eigentlichen Ursache eine wichtige Rolle. Ist beispielsweise eine Krebserkrankung für das Lymphödem verantwortlich, muss diese behandelt werden. Ansonsten gleicht die Therapie eines sekundären Lymphödems im Prinzip der eines primären Lymphödems.

Wichtig zu wissen: Das Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die sich mit der passenden Behandlung zwar bessern kann, aber nicht vollständig heilen lässt. Ziel der Therapie ist es vor allem, den Lymphstau weitestgehend zu beseitigen und Beschwerden zu lindern.

Allgemeine Tipps bei Lymphödem

  • Geschwollene Körperteile hochlagern, das erleichtert den Lymphabfluss.
  • Vermeiden Sie langes Sitzen oder Stehen sowie Überkreuzen der Beine.
  • Tragen Sie keine engen oder einschnürenden Kleider bzw. Schuhe.
  • Vermeiden Sie Verletzungen soweit wie möglich.
  • Bei Übergewicht kann es ratsam sein, dieses zu verringern, um das Lymphsystem zu entlasten.
  • Auf ausgiebige Sonnenbäder, Sauna-Besuche oder warme Wannenbäder sollten Sie eher verzichten. Diese können die Gefäße erweitern und ein Lymphödem verschlimmern.
  • Gehen Sie bei den ersten Anzeichen einer Entzündung (wie Hautrötung, Fieber) zum Arzt.

Komplexe physikalische Entstauungstherapie

Bei der Behandlung eines Lymphödems spielt vor allem die sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) eine wichtige Rolle. Diese setzt sich aus vier Säulen zusammen:

  1. Lymphdrainage durch Gewebemassage
  2. Kompressionstherapie durch spezielle Verbände bzw. langfristig Kompressionsstrümpfe
  3. entstauende Bewegungstherapie in Form von gymnastischen Übungen
  4. Haut- und Fußpflege, um Hautrisse bzw. Verletzungen und nachfolgende Infektionen zu vermeiden

Die manuelle Lymphdrainage ist eine Form der Streichmassage. Ziel der Behandlung ist es, den Abtransport der angesammelten Lymphe zu erleichtern. Mit den Fingerkuppen übt man auf der Haut in Richtung der Lymphbahnen Druck aus, um die gestauten Lymphbahnen zu entleeren. Betroffene sollten geschwollene Bereiche allerdings nicht einfach selbst massieren, sondern nur, wenn sie eine entsprechende Schulung erhalten haben.

Begleitend kommt eine Kompressionstherapie zum Einsatz. Dazu gehören unter anderem auch Kompressionsstrümpfe. Durch einen dauerhaften, mäßigen Druck auf das darunterliegende Gewebe entstauen Kompressionsstrümpfe die Lymphgefäße.

Daneben kann die sogenannte intermittierende pneumatische Kompressionsbehandlung mit Druckstiefeln bei einem Lymphödem helfen. Hierbei üben spezielle medizinische Stiefel einen dosierten Druck auf das Lymphödem aus und fördern so das Entstauen.

Außerdem ist es manchmal möglich, Lymphgefäße chirurgisch wiederherzustellen. Diese Methode ist jedoch sehr umfassend längst nicht immer möglich. Sie sollte daher nur zum Einsatz kommen, wenn ein besonders schweres Lymphödem vorliegt.

Medikamente

Bislang gibt es keine Medikamente, die gegen eine Lymphödem helfen. Dennoch können in manchen Fällen bestimmte Medikamente zum Einsatz kommen. Bei wiederkehrenden Entzündungen der Haut etwa kann eine langfristige Behandlung mit Antibiotika notwendig sein.

Ist ein Parasitenbefall die Ursache des Lymphödems, kommen Mittel wie Ivermectin infrage.

Entwässernde Mittel (sog. Diuretika) können bei einem Lymphödem hingegen schädlich sein und die Ödembildung fördern. Sie dürfen deshalb nur in Ausnahmenfällen dauerhaft gegeben werden. Etwa, wenn andere Erkrankungen vorliegen, die eine Einnahme von Diuretika erfordern (z. B. bei Niereninsuffizienz, akuter Herzinsuffizienz).

Lymphödem: Ernährung

Eine gezielte Ernährung, die gegen Lymphödeme hilft, gibt es nicht. Dennoch ist es wahrscheinlich ratsam, auf eine ausgewogene, salzarme Ernährung zu achten, die auch Gemüse und Obst enthält. Bei einem Lymphödem bestehen chronische entzündliche Prozesse im Körper. Eine gesunde Ernährung kann sich womöglich günstig darauf auswirken. Sicher belegt ist das beim Lymphödem jedoch nicht.

Bei entzündlichen Prozessen sind insbesondere Lebensmittel ratsam, in denen Nährstoffe mit entzündungshemmendem Einfluss vorkommen. Dazu zählen beispielsweise mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Omega-3-Fettsäuren (u. a. in Fisch oder Walnüssen) oder Antioxidantien (v. a. in frischem Obst und Gemüse). Nahrungsmittel, die einen entzündungsförderndem Einfluss haben (wie Fleisch und tierische Fette), sollte man dagegen seltener verzehren.