Lipödem: Symptome und Behandlung der Fettverteilungsstörung
Bei einem Lipödem nimmt das Fettgewebe der Unterhaut an beiden Beinen symmetrisch zu und lagert Wasser ein. Im Verlauf reagiert es schmerzhaft auf Druck. Die Erkrankung tritt fast ausschließlich bei Frauen auf. Erfahren Sie, was ein Lipödem ist, welche Symptome typisch sind und welche Behandlung hilft.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Lipödem: Häufige Fragen
Die konservative Therapie zielt darauf ab, Beschwerden zu lindern, durch:
- Lymphdrainage (1-2 x/Woche)
- Tragen von Kompressionsstrumpfhosen (Flachstrick)
- Bewegung wie Schwimmen
- Hautpflege
Nur durch eine Liposuktion (Fettabsaugung) kann das krankhaft veränderte Gewebe entfernt werden.
Um ein mögliches Lipödem abzuklären, sind Praxen für Phlebologie, Lymphologie oder Angiologie die richtige Anlaufstelle. Es gibt auch spezielle Lipödem-Ambulanzen, vor allem in Unikliniken. Es ist sinnvoll, vorher abzuklären, ob eine fachliche Spezialisierung auf das Lipödem vorliegt, da es für viele Mediziner*innen immer noch unbekannt ist.
Ein Lipödem ist relativ häufig: Schätzungsweise 500.000 bis eine Million Frauen sind in Deutschland betroffen – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Vielen Betroffenen ist gar nicht klar, dass ihre Beschwerden nicht normal sind oder sie werden ärztlicherseits mit dem Rat nach Gewichtsabnahme abgespeist.
Was ist ein Lipödem?
Bei einem Lipödem (wörtlich: Fettschwellung) handelt es sich um eine Fettverteilungsstörung, bei der das Unterhautfettgewebe an Beinen und Po und seltener auch an den Armen krankhaft vermehrt ist.
An Füßen und Händen nimmt das Fettgewebe bei einem Lipödem dagegen nicht zu. Auch der Körperrumpf bleibt vom Lipödem meistens unbeeinträchtigt, sodass ein deutliches Missverhältnis bei den Proportionen von Ober- und Unterkörper besteht.
Ein Lipödem entwickelt sich fast ausschließlich bei Frauen. In der Regel beginnt es in jüngerem Alter, meist nach der Pubertät, nach einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren. Dass ein Lipödem bei Frauen erst im mittleren Lebensalter neu auftritt, ist eher selten.
Frauen mit Lipödem haben einen großen Leidensdruck, da sich im Laufe der Zeit unter anderem starke Schmerzen entwickeln. Obwohl die Erkrankung relativ häufig ist, haben viele Betroffene eine längere Ärzte-Odyssee hinter sich. In vielen Fällen lautet die Diagnose erst einmal fälschlicherweise Übergewicht und ihnen wird zu mehr Bewegung und Gewichtsabnahme geraten. Maßnahmen wie eine gewichtsreduzierende Diät und Sport bleiben jedoch wirkungslos. Dabei lässt sich die Erkrankung im Prinzip früh erkennen, wenn die behandelnden Ärzt*innen sich mit dem Krankheitsbild auskennen.
In etwa 70 Prozent der Fälle zeigt sich die Erkrankung nur an den Beinen, in 30 Prozent der Fälle zusätzlich auch an den Armen.
Die Krankheit betrifft fast ausschließlich Frauen. Nur in Einzelfällen sind Männer mit hormonellen Störungen betroffen.
Wie kann man ein Lipödem behandeln?
Bislang gibt es für das Lipödem keine ursächliche Therapie und keine Heilung, weshalb nur die Symptome behandelt werden können. Die Beschwerden sollen gelindert und ein Fortschreiten der Erkrankung mit einer weiteren Bildung von Lipödemfett verhindert werden. Eine Behandlung des Lipödems ist deshalb bereits im Stadium 1 sinnvoll.
Bei einem Lipödem ist das erste Ziel der Therapie, das im Gewebe gespeicherte Wasser so weit wie möglich zu verringern – und dadurch das Gewebe zu entstauen. Das lässt sich mit der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE) erreichen. Die KPE ist eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen:
- manuelle Lymphdrainage (ca. ein- bis zweimal pro Woche)
- Kompressionstherapie (Flachstrick-Strumpfhose oder Leggings)
- intensive Hautpflege
Laut Empfehlungen sollte man die komplexe physikalische Entstauungstherapie möglichst lebenslang fortführen, da sich die Ödeme sonst erneut bilden. Zusätzlich ist moderate Bewegung sinnvoll, um den Wassereinlagerungen und weiterer Gewichtszunahme entgegenzuwirken.
Fettabsaugung (Liposuktion)
Nach einer erfolgreichen Entwässerung des Lipödems kann eine Fettabsaugung (Liposuktion) infrage kommen, bei der übermäßige, kranke Fettzellen entfernt werden. Der Eingriff führt meist zur Beschwerdefreiheit der betroffenen Frauen. Allerdings kann sich ein Lipödem in einigen Fällen erneut bilden.
Obwohl eine Kombination aus komplexer physikalischer Entstauungstherapie und Fettabsaugung als Behandlung von Fachleuten bereits in frühen Stadien empfohlen wird, zählt die Fettabsaugung noch nicht zu den Standardtherapien beim Lipödem. In der Regel werden erst im Stadium 3 die Kosten von den Krankenkassen übernommen. Aus diesem Grund müssen viele Betroffene die Kosten für eine Liposuktion in der Regel selbst tragen.
Eine Behandlung mit entwässernden Medikamenten (Diuretika) gilt als nicht empfehlenswert, da sich bei längerer Einnahme das Gewebe verhärten kann. Außerdem sind sie in der Regel wirkungslos.
Ernährung
Eine Ernährungsumstellung bringt nicht im eigentlichen Sinne einen Erfolg, da das vermehrte Fettgewebe bei einem Lipödem nicht die Folge einer übermäßigen Kalorienzufuhr ist.
Bei vorhandenem Lipödem sollten Betroffene jedoch auf eine ausgewogene Ernährung achten, damit das Gewicht durch ungünstige Ernährungsweisen nicht noch zunimmt.
Viele Frauen mit Lipödem hatten oder haben Essstörungen. Kurzfristige Diäten sollten vermieden werden und stattdessen eine gesunde, ausgewogene Ernährung angestrebt werden.
Sport
Es gibt keine speziellen Sportübungen, die dabei helfen, ein Lipödem zu verringern. Auch ein Bauch-Beine-Po-Training bleibt wirkungslos. Sportarten im Wasser können die Beschwerden jedoch insofern lindern, als durch den Wasserdruck eine Art Lymphdrainage entsteht. Empfehlenswert sind hierfür zum Beispiel Wassersportarten wie
- Schwimmen
- Aqua-Jogging
Weitere Sportarten wie Radfahren und Nordic Walking sind empfehlenswert. Dabei muss immer die Kompression getragen werden.
Lipödem: Typische Symptome
Bei einem Lipödem treten unterschiedliche Symptome auf. Das Unterhautfettgewebe im Bereich der Beine (oder/und der Arme) nimmt langsam, aber stetig zu. Füße und Hände bleiben dagegen normal, ebenso wie der Rumpf des Körpers.
Bei Betroffenen stimmen die Proportionen zwischen Ober- und Unterkörper nicht. Die Oberschenkel sind meist sehr kräftig und ausladend (Reiterhosen). Das fällt umso mehr auf, wenn die Frauen schlank und normalgewichtig sind. Ein Lipödem geht unweigerlich mit Schmerzen an den Beinen oder auch Armen einher. Sind keine Schmerzen vorhanden, sprechen Fachleute von einer Lipohypertrophie.
Typische Symptome sind:
- Druckempfindlichkeit: Anfangs sind die betroffenen Gewebebereiche oft "nur" druckempfindlich. Möglicherweise liegt ein Spannungsgefühl vor. In fortgeschrittenen Stadien verstärken sich die Symptome: Die Bereiche reagieren dann sehr schmerzhaft auf Druck, können unter Umständen aber auch in Ruhe schmerzen.
- Schwere Beine: Im Unterschied zu einem normalen Ödem lässt sich das Gewebe beim Lipödem kaum oder gar nicht eindrücken beziehungsweise der Druck hinterlässt keine Delle. Die Beine fühlen sich durch das Lipödem oft schwer und gespannt ("als würden sie platzen") an.
- Häufig blaue Flecken: Im Bereich des Lipödems fühlt sich die Haut insgesamt weich an und wirkt eher zart und fein. Unter der Haut lassen sich häufig feinste verzweigte Blutgefäße erkennen. Blaue Flecken (Blutergüsse) bilden sich leicht.
- Ernährung und Sport ohne Effekt: Das Lipödem lässt sich nicht im eigentlichen Sinne durch Ernährung oder Sport beeinflussen und reagiert nicht auf Diäten oder Ernährungsumstellungen. Dennoch kann der Körperrumpf bei bestehendem Übergewicht durch Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung an Umfang verlieren.
Häufig verstärken sich Symptome wie Schmerzen oder Schweregefühl bei warmem Wetter, langem Stehen, langem Sitzen und abends. In den Beinen entsteht zudem oft ein Hitzegefühl, obwohl sich die Gliedmaßen von außen kühl anfühlen.
Weitere Begleitsymptome, die bei Frauen mit Lipödem zusätzlich häufig auftreten:
- Müdigkeit oder Erschöpfung
- Schlafstörungen
- Gedächtnisstörungen
- Depressionen
- Kurzatmigkeit
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Myome, Endometriose und/oder unerfüllter Kinderwunsch
- Blutzuckerschwankungen
- Schilddrüsenerkrankungen
Bei einem stark ausgeprägten Lipödem kann es unter Umständen zu Problemen beim Gehen oder bei anderen Bewegungsabläufen kommen. Auch wunde Hautstellen sind möglich, wenn die Gliedmaßen durch ihren Umfangszuwachs aneinander scheuern. Es kann auch zu einem veränderten Gangbild, Fehlstellungen der Gelenke und Gelenkverschleiß (Arthrose) kommen.
Fettverteilung bei Lipödem nach Typen
Die Fettverteilung an den Beinen (bzw. Armen) kann bei betroffenen Frauen individuell verschieden sein. Es werden vier Typen unterschieden:
- Typ 1: Fettgewebsvermehrung an Gesäß und Hüften (Reiterhosen-Typ)
- Typ 2: Das Lipödemfett reicht von der Hüfte bis zu den Knien
- Typ 3: Das Lipödem betrifft das gesamte Bein von den Hüften bis zu den Knöcheln (Säulenbein)
- Typ 4: Arme und Beine sind komplett (ohne Hände und Füße) betroffen
Lipödem-Stadien
Fachleute unterscheiden beim Lipödem drei verschiedene Stadien.
- Stadium 1: Im ersten Stadium ist die Fettverteilung in der Unterhaut noch gleichmäßig, die Haut ist glatt. Das Bindegewebe wird jedoch bereits überschwemmt und erweicht.
- Stadium 2: Bei Stadium 2 bilden sich erste Knötchen im Unterhautfettgewebe. Auf der Haut zeigen sich unebene, ähnliche Stellen wie bei Cellulite (Orangenhaut).
- Stadium 3: Im Stadium 3 bildet sich im Gewebe der Unterhaut vermehrt Bindegewebe. Dadurch verhärtet sich der betroffene Bereich. An Oberschenkeln und Knien entstehen deutliche Fettwülste ("Wammenbildung").
Beim Lipödem handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die fortschreitet. Ohne konsequente Behandlung kann sich über die Jahre zusätzlich ein Lymphödem bilden. Das heißt, die Lymphflüssigkeit kann nicht richtig aus dem Gewebe abfließen und staut sich auf. Dadurch schwellen die betroffenen Gewebebereiche zusätzlich an.
Übrigens: Die Stadien sind unabhängig von der Schwere der Schmerzen. Diese können bereits im ersten Stadium den Alltag der Patientinnen stark beeinträchtigen.
Wie ist der Verlauf und die Prognose bei Lipödem?
Ein Lipödem ist eine chronisch-fortschreitende Erkrankung und entwickelt sich meist langsam, über viele Jahre hinweg, sodass sie sich nicht sofort bemerkbar macht. Das Fettgewebe der Unterhaut nimmt im Bereich der Beine (oder Arme) langsam, aber stetig zu. Allerdings ist der Verlauf sehr individuell.
Wird ein Lipödem bereits im Frühstadium erkannt, kann die Behandlung rechtzeitig beginnen und den Verlauf günstig beeinflussen. Werden Betroffene bereits im Anfangsstadium mit Kompression versorgt und tragen diese konsequent, lässt sich die Erkrankung oft aufhalten. Entscheidend ist dabei auch, regelmäßig Sport zu treiben (zwei bis drei Mal pro Woche) und das Gewicht zu halten.
Auch nach einer Liposuktion ist das konsequente Fortführen von regelmäßigem Sport wichtig. Zudem muss auch hier darauf geachtet werden, das Gewicht zu halten, um einem erneuten Auftreten von Lipödemfett entgegenzuwirken.
Eine geeignete Behandlung im Stadium 3 entwässert das Lipödem und lindert dadurch die Schmerzen und andere mit der Erkrankung einhergehende Beschwerden. Die Lebensqualität der Betroffenen lässt sich auf diese Weise oft deutlich verbessern.
Wie wird die Diagnose Lipödem gestellt?
Häufig kann der*die Arzt*Ärztin bereits anhand des typischen Aussehens der voluminösen Beine im Verhältnis zum (meist) schlanken Oberkörper die Diagnose Lipödem stellen. Ein deutlicher Hinweis auf die Erkrankung ist zudem, wenn die betroffenen Bereiche schmerzhaft auf Druck reagieren und Patientinnen berichten, dass sie sehr schnell blaue Flecken bekommen.
Beim Abtasten der Haut fühlt man eine Struktur, die kleinen Styroporkügelchen oder in späteren Stadien auch walnussgroßen Kugeln ähnelt. Die Haut fühlt sich außerdem eher weich an. Drückt man in das Gewebe, bleibt keine Delle zurück.
Kneiftest
Beim sogenannten paradoxen Kneiftest wird in die Haut des Oberschenkels gekniffen – einmal an der Beininnenseite und einmal an der Beinaußenseite. Bei Lipödem empfinden Betroffene den Schmerz außen am Bein stärker als innen. Gesunde Menschen empfinden dies genau umgekehrt.
Stemmer-Test
Der sogenannte Stemmer-Test kann dabei helfen, zu unterscheiden, ob es sich um ein Lipödem oder ein Lymphödem handelt. Hierfür wird die Haut am zweiten Zeh gegriffen und versucht, diese anzuheben. Bei einem Lipödem sollte das möglich sein ("negativer Stemmer-Test"). Bei einem Lymphödem funktioniert dies dagegen meist nicht ("positiver Stemmer-Test").
Sofern die Erkrankung weiter fortgeschritten ist und zusätzlich ein Lymphödem besteht, kann der Stemmer-Test aber auch bei Lipödem positiv ausfallen.
Einige wichtige Parameter werden erfasst:
- BMI
- Waist-Hip-Ratio (Verhältnis Taille zu Hüfte)
- Waist-Height-Ratio (Verhältnis Taille zu Körpergröße)
- Umfangsmessungen an Hüfte, Beinen und Armen
Bildgebende Verfahren
Eine Ultraschalluntersuchung der Beine (und Arme) kann zum Beispiel weitere typische Anzeichen eines Lipödems zeigen: Hier lässt sich in der Regel erkennen, dass das Unterhautfettgewebe zugenommen hat und diffus eingelagertes Wasser aufweist.
Theoretisch sind keine diagnostischen Apparate notwendig, um die Diagnose Lipödem zu stellen. Dennoch können weitere Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren zum Einsatz kommen.
Weitere Hinweise und Ausschluss anderer Erkrankungen
Weitere Anzeichen für ein Lipödem sind:
- Umfang der Beine nimmt trotz Sport oder Diät zu
- keine sichtbaren Kniegelenke oder Knöchel
Um sicherzugehen, dass es sich um ein Lipödem handelt, werden außerdem Erkrankungen ausgeschlossen, die zu einem ähnlichen Beschwerdebild führen können. Zu diesen Erkrankungen zählen unter anderem:
- Adipositas
- Lipohypertrophie
- primäres Lymphödem
- Phlebödem
- Morbus Dercum (Adipositas dolorosa)
- Morbus Madelung (betrifft vorwiegend Männer)
Was sind Ursachen für ein Lipödem?
Das Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung. Welche Ursachen genau dahinterstecken, ist noch nicht vollständig geklärt. Eine erbliche Komponente wird angenommen, da bei etwa 60 Prozent der Patientinnen eine direkte Verwandte (Mutter, Schwester, Tante, Großmutter) ebenfalls betroffen ist.
Da das Lipödem fast immer in der Pubertät beginnt, manchmal aber auch nach einer Schwangerschaft oder den Wechseljahren, wird von einem Einfluss von Veränderungen im weiblichen Hormonhaushalt ausgegangen.
Forschende haben außerdem im kranken Gewebe eines Lipödems vermehrte Entzündungszellen und weitere Hinweise auf Entzündungen gefunden, wodurch die Schmerzen, die Neigung zu Schwellungen und zu blauen Flecken zu erklären sind.
Keinen ursächlichen Einfluss auf die Entstehung eines Lipödems hat dagegen die Ernährung. Die übermäßigen Fettzellen sind nicht die Folge einer kalorienreichen Ernährung. Die Krankheit kann aber unter Umständen durch diese verstärkt werden.