Syphilis (Lues): Ansteckung, Verlauf und Behandlung
Syphilis ist eine chronische Infektionskrankheit, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen wird und weltweit vorkommt. Unbehandelt kann Syphilis schwere Organschäden verursachen und zum Tod führen. Umso wichtiger ist es, die Symptome richtig zu deuten. Welche das sind, in welchen Stadien die Erkrankung verläuft und wie die Behandlung aussieht, lesen Sie hier.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufige Fragen zu Syphilis
Seit 2010 steigt die Zahl der Syphilis-Meldungen in Deutschland. 2022 wurde mit 8.318 Fällen die höchste Fallzahl seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes gemeldet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO ging im Jahr 2020 weltweit von etwa 7 Millionen Syphilis-Neuinfektionen aus. Betroffen sind zu rund 90 Prozent Männer.
In einigen Fällen heilt Syphilis von selbst aus. Darauf sollten sich Betroffene aber nicht verlassen und bei Verdacht auf eine Infektion unbedingt ärztlichen Rat aufsuchen. Bei frühzeitiger Behandlung mit Antibiotika ist die Geschlechtskrankheit gut behandelbar. Bleibt Syphilis unbehandelt, entstehen mitunter ernste Folgeschäden, die einen tödlichen Verlauf nehmen können.
Im Endstadium kann Syphilis schwerwiegende und irreversible Komplikationen verursachen, die zum Tod führen können. Möglich sind etwa Störungen des Herzens und der Blutgefäße, neurologische Erkrankungen wie Demenz, krebsartige Wucherungen und Augenerkrankungen bis hin zur Erblindung.
Was ist Syphilis?
Syphilis ist eine weltweit verbreitete Geschlechtskrankheit, die durch das Bakterium Treponema pallidum ausgelöst wird. Der ebenfalls gebräuchliche Name Lues ist das lateinische Wort für "ansteckende Krankheit". Der Erreger wird hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Betroffen sind vor allem homosexuelle Männer, die Sexualverkehr mit anderen Männern haben (kurz MSM). Doch auch Frauen können an Syphilis erkranken.
Syphilis wirkt sich auf den gesamten Körper aus und verläuft in verschiedenen Stadien. Gerade zu Beginn treten nicht zwangsläufig Symptome auf, weshalb die Erkrankung oft erst spät erkannt wird. Unbehandelt kann Syphilis jedoch zu schweren Folgeschäden führen. Frühzeitig erkannt stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung hingegen gut.
Der Begriff Syphilis wurde 1530 im italienischen Verona ins Leben gerufen. Er entstammt einer Art Lehrgedicht des Arztes Girolamo Fracastoro, in dem ein Hirte namens Syphilis als Strafe für sein "gotteslästerliches Leben" erkrankte. Denn Homosexualität galt zur damaligen Zeit als Blasphemie.
Syphilis: Was sind die Ursachen?
Fast immer wird Syphilis durch ungeschützten sexuellen Kontakt mit einer bereits infizierten Person übertragen, in der Regel durch Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr. Erreger der Syphilis ist die Bakterienart Treponema pallidum aus der Familie der Spirochäten. Treponema pallidum befällt nur den Menschen. Die Erreger gelangen beim Geschlechtsverkehr über kleinste Verletzungen der Schleimhaut oder der Haut – etwa an Penis oder Scheide, im Analbereich oder im Mund – in den Körper.
Syphilis ist eine leicht übertragbare Erkrankung: Das Risiko, sich bei einer infizierten Person anzustecken, beträgt bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr etwa 30 Prozent. Auch bei einem symptomlosen Verlauf besteht ein Infektionsrisiko.
Neben einer Ansteckung über Geschlechtsverkehr sind auch folgende Übertragungswege möglich:
Angeborene Syphilis: In seltenen Fällen überträgt eine werdende Mutter das Bakterium über den Mutterkuchen oder während der Geburt auf das Kind. Eine Syphilis, die schon von Geburt an besteht, nennen Fachleute auch konnatale Syphilis oder Lues connata. In Deutschland kommt die angeborene Syphilis nur rund ein- bis sechsmal jährlich vor.
Gemeinsam benutze Spritzen: Syphilis kann beim Drogenkonsum übertragen werden, etwa wenn sich eine infizierte Person mit anderen eine Spritze teilt.
Bluttransfusionen: Theoretisch ist auch eine Übertragung durch verunreinigte Blutkonserven möglich. Dank umfangreicher Tests ist dieses Risiko in Deutschland aber sehr selten – seit über 20 Jahren ist kein solcher Fall bekannt.
Syphilis: Symptome der Stadien
Syphilis ruft viele unterschiedliche Symptome hervor. Sie reichen von schmerzlosen Hautveränderungen bis hin zu schweren körperlichen und geistigen Einschränkungen.
Fachleute unterscheiden zwischen verschiedenen Stadien der Erkrankung:
- Frühsyphilis: Anfangsphase der Erkrankung, die in Primärstadium und Sekundärstadium unterteilt ist
- Lantenzphase: Symptomfreies Stadium, in dem die Infektiosität abnimmt
- Spätsyphilis: Tertiärphase, die sich entwickeln kann, wenn die Frühsyphilis unbehandelt bleibt
- Endstadium
Primärstadium der Frühsyphilis
Unmittelbar nach Ansteckung treten oft noch keine Symptome auf. Durchschnittlich 14 bis 24 Tage nach der Infektion bildet sich an der Stelle, wo die Erreger eingedrungen sind, ein schmerzloses, hartes Knötchen. Da die meisten Syphilis-Infektionen durch ungeschützten Sexualkontakt entstehen, befindet sich dieses Knötchen in der Regel
Das Knötchen verhärtet sich im Laufe der Zeit. Es verändert sich rasch zu einem Geschwür mit einem geschwollenen, eingerollten Rand und eingesunkener Mitte. Gleichzeitig schwellen die benachbarten Lymphknoten innerhalb einer Woche an.
Das Geschwür, das im Primärstadium der Frühsyphilis auftritt, nennen Fachleute harter Schanker, Primäraffekt oder Ulcus durum. Weil es in der Regel keine Schmerzen bereitet, bleibt es oft unbemerkt. Da es außerdem nach vier bis sechs Wochen von allein abheilt, suchen Betroffene mitunter keinen ärztlichen Rat auf, sodass die Syphilis in diesem Stadium noch unbehandelt bleibt.
Sekundärstadium der Frühsyphilis
Ohne Behandlung geht die Syphilis etwa zwei bis drei Monate nach der Ansteckung in das Sekundärstadium über. In diesem Stadium breiten sich die Erreger über die Lymphbahnen und das Blut im gesamten Körper aus. Selten sind bereits die inneren Organe befallen.
Typisch ist eine Schwellung der Lymphknoten. Darüber hinaus treten allgemeine, grippeähnliche Symptome auf wie
- Fieber,
- Appetitlosigkeit,
- Rachenentzündung,
- Kehlkopfentzündung,
- Gewichtsverlust und
- Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen.
Ein weiteres charakteristisches Krankheitszeichen für eine Syphilis im Sekundärstadium ist Hautausschlag: In symmetrischen und fleckigen Formen können sich schuppige und/oder eitrige Bläschen bilden. Besonders an Stellen mit starker Schweißbildung und in Hautfalten entstehen nässende Pusteln (Condylomata lata), die sehr ansteckend sind.
Auch Schleimhautveränderungen treten im Sekundärstadium der Frühsyphilis häufig auf. Befallene Schleimhautbereiche, meist in der Mundhöhle, sind rot oder grauweiß mit einem geröteten Hof. Gelegentlich kommt es zu einem mottenfraßartigen Haarausfall. Darüber hinaus können Organe betroffen sein, zum Beispiel in Form von Entzündungen der Leber, der Augen oder der Nieren.
Die Symptome der sekundären Syphilis können über Jahre bestehen bleiben oder in verschiedener Ausprägung immer wieder aufflammen. Bei etwa 30 von 100 Erkrankten heilt die Syphilis im Sekundärstadium spontan aus.
Lantente Syphilis
Nach dem Sekundärstadium können Erkrankte viele Jahre – oder auch lebenslang – symptomfrei bleiben. Fachleute sprechen dann von latenter Syphilis, Latenzphase oder Latenzstadium. Im ersten Jahr der Latenzphase sind die Betroffenen ansteckend. Mit der Zeit nimmt die Infektiosität aber ab. Die latente Syphilis kann schließlich in das Stadium der Spätsyphilis übergehen.
Tertiärstadium der Spätsyphilis
Bleibt die Syphilis im Frühstadium unbehandelt, entwickelt sich bei etwa jeder vierten infizierten Person das sogenannte Tertiärstadium. Dieses Stadium ist meist ein bis zehn Jahre nach der Ansteckung erreicht, kann aber auch deutlich später auftreten.
Das Tertiärstadium kann sich durch zahlreiche Symptome bemerkbar machen. Die Erreger befallen die Organe, zerstören Muskeln und Haut. Sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch die Knochen und das Nervensystem können betroffen sein. Zahlreiche neurologische und psychische Ausfälle wie Wesensveränderungen, Gefühlsstörungen und Symptome von Demenz sind möglich.
Mögliche weitere Symptome im Tertiärstadium sind:
Gummen: Gummen sind gummiartige Geschwulste, die sowohl äußerlich auf der Haut auftreten als auch Organe befallen. Hautgummen sind Knötchen, die mehrere Zentimeter groß werden können. Sie treten vorwiegend im Gesicht, an Armen und Beinen und am Körperstamm auf und vergrößern sich nur langsam. Gummen der Knochen befallen vorwiegend den harten Gaumen, den Nasenknochen und die Nasenscheidewand. Fachleute vermuten, dass Gummen eine allergische Spätreaktion auf den Erreger darstellen.
Schäden an den Blutgefäßen: Bei Syphilis können sich kleine Blutgefäße entzünden. Sind diese in ihrer Funktion beeinträchtigt, wirkt sich das auch auf die großen Blutgefäße aus. Besonders im Bereich des in der Brust gelegenen Aortenbogens kann es zu Aussackungen der Gefäßwand kommen, die aufbrechen können. In diesem Fall können Erkrankte verbluten. Eine ausgesackte Aorta kann zudem die Herzklappenfunktion beeinträchtigen und Spätfolgen wie eine Angina pectoris oder einen Herzinfarkt nach sich ziehen.
Schäden an den Knochen: Insbesondere an den langen Röhrenknochen der Extremitäten kann sich eine Entzündung der Knochenhaut bilden. Der betroffene Bereich schwillt schmerzhaft an und die entzündete Knochenhaut verknöchert schalenartig um den Knochen. Auch im Inneren des Knochens (Markhöhle) können Schäden entstehen.
Neurosyphilis: Spätschäden im zentralen Nervensystem
Wenn die Bakterien ins zentrale Nervensystem eingedrungen sind, sprechen Ärztinnen*Ärzte von einer Neurosyphilis (auch: quartäre Syphilis). In etwa der Hälfte aller Fälle verläuft die Neurosyphilis symptomlos.
Treten Beschwerden auf, sind zunächst Augen und Ohren betroffen. Neben einer Sehschwäche und zunehmenden Schwerhörigkeit kann die Neurosyphilis unbehandelt auch die Hirnhäute angreifen. Bei dieser sogenannten parenchymatösen Form der Syphilis geht das Hirngewebe zugrunde. Lebensbedrohlich wird es, wenn die Bakterien eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) auslösen. Fachleute sprechen dann von der sogenannten Progressiven Paralyse. Unbehandelt führt sie innerhalb weniger Jahre zum Tod.
Endstadium der Syphilis
Nach 25 bis 30 Jahren entsteht als Endstadium die sogenannte Tabes dorsalis. Dabei werden Nervenscheiden, Nervenwurzeln und Nervenknoten (Ganglien) zerstört. Dieses Stadium ist gekennzeichnet durch ein gestörtes Schmerz- und Temperaturempfinden. Weitere mögliche Symptome sind
- Gangstörungen,
- fahrige Bewegungen,
- Verlust der Reflexe,
- Impotenz sowie
- Stuhl- und Harninkontinenz.
Im Endstadium der Syphilis sind Betroffene meist pflegebedürftig. Eine typische Komplikation im Syphilis-Endstadium ist das Malum perforans pedis. Dabei handelt es sich um ein Geschwür, das an Druckstellen des Fußes entsteht. Da die Betroffenen durch die Nervenschäden oft kein Gefühl mehr in den Füßen haben, bleibt das Geschwür lange unbemerkt.
Eine weitere mögliche Komplikation im Syphilis-Endstadium ist die sogenannte Argyll-Robertson-Pupille: Die Pupille ist klein und unregelmäßig, reagiert nicht auf Licht, aber auf den Reiz zum Scharfsehen (Akkomodation).
Syphilis: Wie erfolgt die Diagnose?
Eine Syphilis lässt sich durch einen direkten Erregernachweis diagnostizieren. Dazu wird eine Probe von einer nässenden Hautveränderung entnommen und das Serum unter dem Mikroskop untersucht. Dazu kommt der sogenannte TPHA-Test (Treponema-pallidum-Antikörper-HA) infrage. Mit diesem lassen sich Treponemen, also die Syphilis-Erreger, auf direktem Weg nachweisen.
Eine weitere Methode zur Diagnose von Syphilis ist, nicht den Krankheitserreger selbst nachzuweisen, sondern zu prüfen, ob das Immunsystem Antikörper gegen die infektiösen Bakterien bildet. Das geschieht mithilfe eines Bluttests. Hierfür kommen zwei verschiedene Techniken infrage:
- TPPA-Tests (Treponema pallidum Partikel-Agglutinationstest)
- FTA-abs-Igm-Test (FTAM)
Auch die angeborene Syphilis kann durch einen Antikörperbefund festgestellt werden. Die für Syphilis relevanten Antikörper lassen sich allerdings erst drei Wochen nach einer Infektion nachweisen.
Besteht der Verdacht, dass die Erreger das zentrale Nervensystem geschädigt haben (Neurosyphilis), wird Hirnwasser aus dem Rückenmark entnommen und untersucht (sog. Liquorpunktion).
Wie wird Syphilis behandelt?
Ist der Antikörperbefund positiv, wird eine Antibiotikatherapie eingeleitet. Infrage kommen etwa
- Penicillin (Benzathin-Benzylpenicillin) oder
- Ceftriaxon.
Besteht eine Penicillin-Allergie, können andere Antibiotika verschrieben werden, zum Beispiel die Wirkstoffe Doxycyclin oder Erythromycin. Welche Dosis erforderlich ist und wie lange die Therapie dauert, richtet sich nach dem Krankheitsstadium.
Besonders bei länger bestehender Syphilis kann zu Beginn der Antibiotika-Therapie die sogenannte Herxheimer-Reaktion entstehen: Durch das massenhafte Absterben der Bakterien werden viele Endotoxine (Zellgifte) frei, was kann unter anderem zu grippeähnlichen Beschwerden führen kann. Um diese Reaktion zu vermeiden, bekommen Patient*innen im Sekundärstadium vor der ersten Antibiotikagabe ein Kortisonpräparat.
Behandlung von Folgeschäden
Wenn Folgeschäden wie Neurosyphilis, kardiovaskuläre Probleme oder andere Komplikationen auftreten, kann das eine spezielle Behandlung erfordern. Dies kann die Gabe von höheren Dosen von Penicillin oder anderen Antibiotika umfassen, die in der Lage sind, das zentrale Nervensystem zu durchdringen.
Der Heilungserfolg wird anhand der Negativierung der Antiköperantwort oder des sogenannten Titerabfalls gemessen: Die Antikörper, die sich zur Bekämpfung der Infektion gebildet haben, erhöhen sich nach wirksamer Therapie in der Regel um das Vierfache. Nach der Behandlung ist eine regelmäßige Nachsorge wichtig, um sicherzustellen, dass die Infektion vollständig beseitigt wurde und um mögliche Rückfälle schnellstmöglich zu erkennen.
Wichtig: Nicht nur die betroffene Person, auch der*die Partner*in sollte sich einer Antibiotika-Therapie unterziehen, wenn sexueller Kontakt stattgefunden hat.
Syphilis: Verlauf und Prognose
Bei einer konsequenten und kontrollierten Behandlung sind Verlauf und Prognose der Syphilis gut bis sehr gut. Je nach Zeitpunkt der Diagnose und bereits entstandenen Folgeschäden kann die Infektionskrankheit aber unterschiedlich verlaufen.
Ist die Syphilis bei Behandlungsbeginn bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, verschlechtert das die Prognose erheblich. In vielen Fällen bleiben Spätschäden, die eine lebenslange Pflege erfordern. Einige davon, wie Entzündungen der Organe oder eine Gehirnentzündung, können zum Tod führen.
Syphilis vorbeugen
Derzeit gibt es keine Impfung gegen Syphilis. Dennoch lässt sich das Risiko für eine Infektion gering halten – vor allem durch die Verwendung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr. Das gilt auch für Anal- und Oralverkehr. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Verhütung schützt nicht nur vor einer Ansteckung mit Syphilis, sondern auch vor vielen anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.
Um zu verhindern, dass schwangere Frauen Syphilis auf ihr ungeborenes Kind übertragen, können entsprechende Tests (Screening-Untersuchungen) im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge zum Einsatz kommen.