Korsakow-Syndrom: Hirnschädigung durch Alkohol
Das Korsakow-Syndrom ist meist die Folge eines jahrelangen, exzessiven Alkoholkonsums. Es kommt zu einer Hirnschädigung, die mit Symptomen wie Gedächtnis- und Orientierungsproblemen einhergehen kann. Wie entsteht das Korsakow-Syndrom, welche Symptome sind möglich und wie ist die Prognose?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Korsakow-Syndrom
Charakteristisch sind insbesondere Gedächtnisstörungen, Desorientierung und Verhaltensauffälligkeiten wie Lügen. Auch Gangstörungen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Passivität und Apathie können weitere Symptome sein.
Da es zu irreversiblen Hirnschädigungen kommt, lässt sich die Erkrankung nicht heilen. Das Fortschreiten kann jedoch durch eine entsprechende Therapie mit Vitaminpräparaten und einer strikten Alkoholabstinenz aufgehalten werden.
Grundsätzlich hängt die Lebenserwartung vom Grad der Schädigung des Hirns und der konsequenten Alkoholabstinenz Betroffener ab. Insbesondere bei fehlender Behandlung ist die Prognose schlecht. Schlimmstenfalls verläuft die Krankheit tödlich.
Was ist das Korsakow-Syndrom?
Beim Korsakow-Syndrom (auch Morbus Korsakow) liegt eine Hirnschädigung vor, die durch einen Vitamin-B1-Mangel (Thiaminmangel) entsteht. Dieser Mangel ist typischerweise Folge eines langjährigen, exzessiven Alkoholkonsums. Doch auch andere Ursachen können Auslöser sein. Teilweise sterben ganze Hirnregionen ab. Betroffenen fehlt die Erinnerung an viele Ereignisse aus der Vergangenheit. Zudem können sie sich keine neuen Informationen merken. Daher wird die Erkrankung auch als amnestisches Syndrom bezeichnet.
Benannt ist die Krankheit nach dem russischen Psychiater und Neurologen Sergei Korsakow, der das Krankheitsbild Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb.
Vorläufer Wernicke-Enzephalopathie
Oft geht dem Korsakow-Syndrom die Wernicke-Enzephalopathie voraus. Darunter verstehen Fachleute einen degenerativen Zustand, der mit Schäden im Gehirn einhergeht. Dabei sind dieselben Strukturen betroffen wie beim Korsakow-Syndrom.
Wird die Wernicke-Enzephalopathie nicht rechtzeitig behandelt, kann sie in ein Korsakow-Syndrom münden, was als Wernicke-Korsakow-Syndrom bezeichnet wird. Die Wernicke-Enzephalopathie ist benannt nach ihrem Entdecker, dem Neurologen Carl Wernicke.
Korsakow-Syndrom: Ursachen und Risikofaktoren
Das Korsakow-Syndrom entsteht aufgrund eines Mangels an Vitamin B1 (Thiamin). Insbesondere ein langjähriger Alkoholmissbrauch geht oft mit einem Vitaminmangel einher: Zum einen kommt es bei Menschen mit Alkoholsucht oft zu einer Mangelernährung. Zum anderen führt Alkoholismus dazu, dass der Magen-Darm-Trakt das Vitamin schlechter aufnehmen kann. Aber auch andere Risikofaktoren und Erkrankungen können die Krankheit begünstigen.
Morbus Korsakow durch Vitamin-B1-Mangel
Fehlt es dem Körper an Vitamin B1, kann dies auf Dauer das Gehirn beeinträchtigen. Insbesondere Regionen im Zwischenhirn, die unter anderem für die Gedächtnisbildung und den Abruf von Informationen zuständig sind, nehmen Schaden. Dazu zählen etwa die sogenannten Mamillarkörper und weitere Bereiche des Zwischenhirns wie der Thalamus.
Korsakow-Syndrom: Nicht immer ist Alkohol der Auslöser
Nicht nur Alkoholmissbrauch kann zu einem Vitamin-B1-Mangel führen. Seltener kommen auch andere Ursachen für ein Korsakow-Syndrom infrage:
- Mangel- oder Fehlernährungen durch Essstörungen, künstliche Ernährung oder schwere Infektionen
- Magenkrebs
- Speiseröhrenkrebs
- teilweise oder vollständige Magenentfernung
- chronisches Erbrechen
- Chemotherapie
- Schlaganfall
- schwere Kopfverletzungen
- Entzündungen des Gehirns durch Infektion mit Viren
Korsakow-Syndrom: Symptome der Hirnschädigung
Besonders typisch sind beim Korsakow-Syndrom Störungen des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis wird in Mitleidenschaft gezogen. Betroffene leiden mitunter an verschiedenen Formen des Gedächtnisverlustes (Amnesie):
anterograde Amnesie: Neue Informationen, die nach der Hirnschädigung hinzukommen, können sich Betroffene nur schlecht merken. So wissen sie beispielsweise nicht mehr, was sie vor fünf Minuten gegessen oder wen sie letzte Woche getroffen haben. Die Merkfähigkeit kann so sehr gestört sein, dass sich Betroffene selbst an Ereignisse, die erst Sekunden zurückliegen, nicht erinnern können.
retrograde Amnesie: Auch viele Dinge aus der Zeit vor der Hirnschädigung fallen Patient*innen nicht mehr ein. An manche Ereignisse aus der Vergangenheit können sie sich dagegen oft problemlos erinnern. Die Betroffenen sind jedoch nicht immer in der Lage, das Geschehene in einen Zusammenhang zu bringen und zeitlich richtig einzuordnen.
Größtenteils fallen die Gedächtnislücken bei oberflächlichen Gesprächen zunächst gar nicht auf. So kann die Person beispielsweise fehlerlos Schach spielen und richtige Schlussfolgerungen ziehen, sodass sie geistig völlig gesund wirkt.
Aufgrund der Gedächtnisstörungen kommt es bei Betroffenen oft zu weiteren Verhaltensänderungen und Symptomen:
Konfabulationen: Betroffene erinnern sich oft nicht mehr an bestimmte Ereignisse, weshalb sie dazu neigen, die Lücken spontan durch eigene Fantasien aufzufüllen und so zu kaschieren. Auf Fragen antworten sie dann beispielsweise mit frei erfundenen Antworten. Patient*innen sind sich normalerweise nicht im Klaren darüber, dass ihr Gedächtnis gestört ist. Deshalb täuschen oder lügen sie nicht bewusst.
Orientierungsstörungen: Auch Störungen der Orientierung und Vergesslichkeit sind typisch. Beispielsweise wissen Betroffene während eines Krankenhausaufenthaltes oft weder ihre Zimmernummer, noch wie lange sie schon im Krankenhaus sind oder wer sie zuletzt besucht hat.
Weitere Symptome beim Korsakow-Syndrom
Häufig geht die Schädigung des Gehirns mit weiteren Symptomen einher, zum Beispiel mit:
- Antriebslosigkeit
- Müdigkeit
- Passivität und Apathie
- Störungen des peripheren Nervensystems (Polyneuropathie)
- Gangstörungen
- Depressionen
Korsakow-Syndrom: Verlauf und Prognose
In den meisten Fällen verläuft das Korsakow-Syndrom chronisch. Die Symptome bleiben dann dauerhaft bestehen und die Betroffenen sind lebenslang beeinträchtigt. Verbesserungen können nur bedingt und im Einzelfall erzielt werden.
Insgesamt ist die Prognose ungünstig. Viele Menschen mit Korsakow-Syndrom können ihren Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen und sind auf Betreuung angewiesen. Unbehandelt kann die Erkrankung tödlich verlaufen.
Wie wird das Korsakow-Syndrom diagnostiziert?
In vielen Fällen erfolgt die Diagnose anhand der typischen Symptome in Kombination mit einigen Untersuchungen. Insbesondere chronischer Alkoholmissbrauch gibt einen Hinweis auf die Erkrankung.
Zunächst prüft die*der Ärztin*Arzt, inwieweit das Gedächtnis der zu untersuchenden Person beeinträchtigt ist. Auffällig können etwa
- ein gestörtes Kurzzeitgedächtnis,
- die fehlende Orientierung und
- die mangelnde Merkfähigkeit sein.
Auch Gespräche mit Angehörigen oder Pflegepersonal können bei der Diagnosestellung helfen. Wichtig ist zudem eine gründliche körperliche Untersuchung. Viele Betroffene leiden unter weiteren Folgeerkrankungen durch Alkoholkonsum, wie etwa einer Leberzirrhose. Anhand des Blutbilds lässt sich zudem feststellen, ob tatsächlich ein Vitamin-B1-Mangel vorliegt.
Darüber hinaus liegt die Diagnose nahe, wenn bereits eine Wernicke-Enzephalopathie vorliegt oder in der Vergangenheit bestand. Da der Übergang zwischen der Wernicke-Enzephalopathie und dem Korsakow-Syndrom fließend sein kann, wird die*der Ärztin*Arzt unter Umständen prüfen, ob die Enzephalopathie noch vorhanden ist.
Andere Erkrankungen ausschließen
Bestimmte andere Erkrankungen können mit ähnlichen Symptomen einhergehen. Hierzu zählen etwa Infarkte des Hirnstamms oder auch eine Demenz. Um derartige Krankheiten auszuschließen, werden meist weitere Untersuchungen veranlasst, wie etwa eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT).
Korsakow-Syndrom: Beschränkte Maßnahmen zur Behandlung
Ist das Korsakow-Syndrom voll ausgeprägt, geht es in der Therapie vor allem darum, die Symptome zu lindern. Durch die Gabe von Vitamin B1 und strikter Alkoholabstinenz kann sich der Zustand einiger Patient*innen leicht verbessern. Ein voll ausgeprägtes Korsakow-Syndrom führt jedoch in der Regel zu bleibenden Hirnschäden. Mithilfe eines neuropsychologischen Trainings und psychotherapeutischer Behandlung können Betroffene zusätzlich unterstützt werden.
Darüber hinaus ist es wichtig, eine mögliche andere zugrunde liegende Erkrankung, die zum Vitamin-B1-Mangel führt, zu behandeln.
Bei der Wernicke-Enzephalopathie kann die frühzeitige, hochdosierte Gabe von Vitamin B1 eine Besserung der Symptome erzielen. Ist der Vitamin-B1-Mangel ausgeglichen, lässt sich die Entwicklung zum Korsakow-Syndrom möglicherweise aufhalten. Schon bei einem bloßen Verdacht der beiden Erkrankungen verordnen Fachleute Vitamin-B1-Präparate.
Korsakow-Syndrom: Vorbeugen durch rechtzeitiges Handeln
Hauptrisikofaktor für die Erkrankung ist ein chronischer Alkoholismus. Daher gilt: Wer dem Korsakow-Syndrom vorbeugen möchte, sollte auf regelmäßigen, übermäßigen Alkoholkonsum verzichten.
Das ist für manche Menschen leichter gesagt als getan. Wer das Gefühl hat, alkoholabhängig zu sein, sollte sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen können eine erste Anlaufstelle sein.
Menschen, die zu Alkoholmissbrauch neigen, können den Schädigungen des Gehirns durch die Zufuhr von Vitamin B1 ein Stück weit vorbeugen. Ein Ersatz für Abstinenz ist das allerdings nicht.