Kompartmentsyndrom: Symptome, Ursachen und Behandlung
Beim Kompartmentsyndrom sammelt sich Flüssigkeit in Muskelgruppen (Kompartimenten). In der Folge erhöht sich der Druck im Gewebe, wodurch die Blutversorgung im betroffenen Körperteil beeinträchtigt wird. Dies zieht Symptome wie starke Schmerzen und Schwellungen nach sich. Oft tritt das Kompartmentsyndrom am Unterschenkel beziehungsweise an der Wade und am Unterarm auf. Welche Ursachen gibt es und wie erfolgt die Behandlung?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Zusammenfassung
- Definition: Es handelt sich um einen krankhaften Anstieg des Gewebedrucks innerhalb einer Muskelgruppe. Das betroffene Körperteil kann in der Folge nicht mehr ausreichend durchblutet werden. Häufig tritt die Krankheit am Unterschenkel und Unterarm auf.
- Symptome: Bei einem akuten Kompartmentsyndrom ist die betroffene Region geschwollen und es entstehen starke Schmerzen. Weitere Symptome sind oft ein Spannungsgefühl in der Muskulatur, zudem sind Gefühlsstörungen und Lähmungserscheinungen möglich. Ein funktionelles Kompartmentsyndrom löst nur bei sportlicher Betätigung Schmerzen aus, die bei Ruhe meist von selbst abklingen.
- Ursachen: Häufige Auslöser sind Knochenbrüche. Selten kommt neben einem zu straff angelegten Verband oder einer zu engen Naht nach einer Operation auch eine Überlastung der Muskeln infrage: Ein solches funktionelles oder chronisches Kompartmentsyndrom haben oft Personen, die intensiven Sport betreiben.
- Diagnose: Um die Krankheit zu diagnostizieren, erfolgt eine Überprüfung der Motorik, Durchblutung und des Empfindungsvermögens im betroffenen Körperteil sowie eine Druckmessung mithilfe einer in das Gewebe eingeführten Kanüle.
- Therapie: Das akute Kompartmentsyndrom ist immer als Notfall zu behandeln. Um Folgeschäden zu vermeiden, erfolgt in der Regel eine Operation.
- Prognose: Rechtzeitig und richtig behandelt hat das Kompartmentsyndrom eine gute Prognose. Ohne Therapie sind bleibende Funktionseinschränkungen von Muskeln und Gelenken möglich.
Was ist ein Kompartmentsyndrom?
Mit dem Begriff Kompartmentsyndrom (Logensyndrom) sind in der Regel Durchblutungsstörungen von Muskellogen (Kompartimenten) infolge einer krankhaften Druckerhöhung gemeint. Bei einer Loge handelt es sich um eine Muskelgruppe, die durch eine straffe Bindegewebsschicht (Faszie) begrenzt ist. Mehrere Muskelstränge liegen hier dicht an dicht und arbeiten zusammen, um spezifische Bewegungen auszuführen.
Häufig tritt ein Kompartmentsyndrom an der Wade beziehungsweise am Unterschenkel auf. Auch der Unterarm ist oft von der Krankheit betroffen.
Grundsätzlich kann aber jeder von Muskelbinden (Faszien) umschlossene Muskel ein akutes Kompartmentsyndrom entwickeln. Somit kann die Krankheit auch in folgenden Körperteilen auftreten:
- Füße
- Hände und Finger
- Gesäß
- Unterleib beziehungsweise Bauchraum
- Brustkorb
Der krankhaft erhöhte Druck im Bauchraum (Abdomen) ist als lebensbedrohliche Komplikation von großer Bedeutung: Durch ein solches abdominelles Kompartmentsyndrom kann nach und nach die Funktion aller Bauchorgane ausfallen.
Kompartmentsyndrom: Mögliche Symptome
Ein Kompartmentsyndrom verursacht meist akute Symptome, kann aber (je nach Ursache für den krankhaften Druckanstieg in der betroffenen Muskelloge) auch chronisch auftreten.
Akutes Kompartmentsyndrom: Symptome
Die für ein akutes Kompartmentsyndrom typischen Symptome sind:
- starke Schmerzen in Verbindung mit einem Spannungsgefühl
- Schwellung der betroffenen Region
- Gefühlsstörungen (etwa Taubheitsgefühle und Kribbeln)
- unbehandelt: Lähmungen und Absterben der Muskulatur
Verursacht ein akutes Kompartmentsyndrom Gefühlsstörungen, betreffen diese Symptome beim Tibialis-Anterior-Syndrom vor allem die Haut über dem Fußrücken in Höhe der Großzehe und deren benachbarter Zehe. Kommt es infolge des Syndroms im Unterschenkel zu Lähmungen, sind die Betroffenen häufig nicht mehr in der Lage, aktiv den Fuß oder die Zehen zu heben.
Chronisches Kompartmentsyndrom
Bei einem durch Muskelüberanstrengung entstandenen Kompartmentsyndrom machen sich die Symptome nicht ununterbrochen bemerkbar: Ein solches chronisches (oder auch funktionelles) Kompartmentsyndrom verursacht typischerweise Schmerzen während sportlicher Betätigung. In Ruhe klingen die Symptome von selbst wieder ab.
Ursachen: Wie kommt es zu einem Kompartmentsyndrom?
Infolge einer Verletzung wie einer Fraktur schwillt das Muskelgewebe in einem Kompartiment schnell an. Aufgrund der umgebenden straffen Faszie kann es sich jedoch nicht weiter ausdehnen. Der Druck auf die Muskeln steigt und führt so zum Logensyndrom: Ursachen hierfür sind eine nur noch mangelhafte Durchblutung der Muskeln und eine Schädigung der Nerven, da der erhöhte Gewebedruck die versorgenden Blutgefäße und die ebenfalls in der Kammer verlaufenden Nerven zusammenpresst.
Kompartmentsyndrom entsteht meist durch Verletzungen
In der Regel hat das Kompartmentsyndrom seine Ursachen in Gewalteinwirkungen: Etwa 70 Prozent aller Fälle entstehen durch Verletzungen – wie zum Beispiel Knochenbrüche. Doch auch andere Gründe kommen infrage:
In selteneren Fällen kann ein Logensyndrom auch ein Zeichen dafür sein, dass die Muskeln überlastet sind: Ein solches funktionelles Kompartmentsyndrom tritt zunehmend bei Personen auf, die viel Sport betreiben, vor allem bei Langstreckenläufer*innen.
Ein übermäßiges Muskelwachstum bei Personen, die viel Kraftsport ausüben, kann ebenfalls den Blutfluss in den kleinen Venen der betroffenen Muskeln stören und auf diese Weise ein Kompartmentsyndrom hervorrufen.
Als weitere seltene Ursachen für das Syndrom kommen zu straff angelegte Verbände oder eine zu enge Naht nach operativer Behandlung einer Muskelloge infrage.
Wie erfolgt die Diagnose beim Kompartmentsyndrom?
Beim Kompartmentsyndrom ergibt sich eine erste Diagnose in der Regel aus den bestehenden Beschwerden in Verbindung mit der Vorgeschichte: Wenn einer schmerzhaften, prallen Schwellung mit Spannungsgefühl (z.B. am Unterschenkel oder Unterarm) eine Unfallverletzung oder Operation vorausging, kann dies auf einen krankhaft erhöhten Gewebedruck auf
- Muskeln,
- Blutgefäße
- und Nerven
hinweisen. Bei Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom werden zunächst die Motorik, Durchblutung und das Empfindungsvermögen in der betroffenen Region überprüft. So lässt sich die Verdachtsdiagnose erhärten und das Ausmaß des Schadens feststellen. Im Rahmen der Diagnostik bietet sich auch eine Druckmessung mithilfe einer in das betroffene Gewebe eingeführten Kanüle an.
Therapie: Wie wird ein Kompartmentsyndrom behandelt?
Gegen ein funktionelles Kompartmentsyndrom reichen zur Therapie konservative (nicht-operative) Maßnahmen oft aus. Ein beispielsweise durch ungewohnte Muskelanstrengung (vor allem beim Langstreckenlauf) entstandenes Kompartmentsyndrom können Betroffene wirksam behandeln, indem sie:
- die betroffene Extremität vor allem hoch lagern und kühlen
- Belastung der betroffenen Muskulatur meiden beziehungsweise zeitweise auf Sport verzichten
Akutes Kompartmentsyndrom ist ein Notfall
Treten nach einer Verletzung oder einem chirurgischen Eingriff akute Beschwerden auf, die auf ein Kompartmentsyndrom hindeuten, ist rasches Handeln wichtig: Die betroffene Region ist sofort auf Herzhöhe zu lagern und von allem zu befreien, was äußerlich Druck aufbaut – zum Beispiel Verbände.
Dann gilt es, so schnell wie möglich in einer Operation für eine Druckentlastung zu sorgen: Bei der sogenannten Faszienspaltung (Fasziotomie) wird die Muskelbinde (Faszie) der betroffenen Muskelgruppe operativ aufgeschnitten und dadurch der Druck im Kompartiment gesenkt. Gegebenenfalls muss abgestorbenes Muskel- und Nervengewebe entfernt werden.
Kompartmentsyndrom: Verlauf und Prognose
Bei einem Kompartmentsyndrom hängt der Verlauf neben dem Ausmaß der Schädigung vor allem von einer schnellen Behandlung ab: Wenn es gelingt, den erhöhten Druck im Gewebe rechtzeitig zu mindern und so die Durchblutungsstörung zu beheben, ist die Prognose gut: Die Muskulatur erholt sich nach einem rechtzeitig behandelten Kompartmentsyndrom normalerweise vollständig. Je nach Schweregrad kann die vollständige Heilungszeit mehrere Wochen und Monate andauern.
Unbehandeltes Kompartmentsyndrom hat schwere Folgen
Gelingt es nicht, die Blutversorgung innerhalb einiger Stunden wiederherzustellen, sterben das Muskel- und das Nervengewebe rasch ab (Nekrose) – dann hinterlässt das Kompartmentsyndrom bleibende Störungen.
Die Schädigung verursacht einen narbigen Umbau des Gewebes – nachfolgend verkürzen sich die betroffenen Muskeln und Gelenke und verlieren ihre Funktion. Möglich sind unter anderem Gelenkversteifungen. Im Bereich des Unterarms ist hiervon meist die Beugemuskulatur der Hand- und Finger betroffen. In diesem Fall führt das Kompartmentsyndrom zu einer krankhaften Beugestellung der Gelenke von Hand und Finger (Volkmannsche Kontraktur).
Bleiben bei einem Kompartmentsyndrom die Nerven über einen längeren Zeitraum zusammengedrückt, kann dies zu ihrer dauerhaften Schädigung führen. Als Folge hiervon kommt es zu Lähmungserscheinungen, wie zum Beispiel der Lähmung der Fuß- und Zehenhebemuskulatur beim Tibialis-anterior-Syndrom.
Wenn durch zu späte oder unzureichende Behandlung beim Kompartmentsyndrom bereits eine Gelenkversteifung oder Lähmung besteht, ist es nicht mehr möglich, diese vollständig zu heilen. Krankengymnastik und Operationen können dann lediglich die Beweglichkeit der Betroffenen verbessern.
Kompartmentsyndrom lässt sich vorbeugen
Einem Kompartmentsyndrom kann man wirksam vorbeugen: Voraussetzung hierfür ist eine angemessene und rechtzeitige Versorgung von Durchblutungsstörungen bei Muskeln, die in Muskellogen liegen:
So ist es bei schwerwiegenderen Verletzungen an den Extremitäten ratsam, den Arm beziehungsweise das Bein hoch zu lagern, damit das Blut leichter aus dem Gewebe abfließen kann.
Eine sorgfältige Stillung der Blutung und eine regelmäßige Kontrolle der Gefäß- und Nervenfunktion helfen, ein Kompartmentsyndrom zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen.
Wenn viel Blut oder größere Mengen entzündlicher Flüssigkeit in das Gewebe eintreten, ist es mitunter sinnvoll, diese Flüssigkeit aus dem Wundgebiet über einen operativ angelegten Schlauch (Drainage) abzuleiten.
Beim Anlegen von Verbänden ist darauf zu achten, dass sie die Muskulatur nicht einschnüren.
Wichtig: Wer nach einer Verletzung oder Operation bei sich oder anderen Personen Anzeichen für ein Kompartmentsyndrom bemerkt, sollte umgehend den Notruf verständigen (112).