Karpaltunnelsyndrom: Behandlung mit Schiene, OP und Übungen
Schlafen die Hände immer wieder ein oder kommt es zu wiederkehrenden Taubheitsgefühlen, kann das Karpaltunnelsyndrom dahinterstecken. Dabei wird der durch das Handgelenk verlaufende Nervus medianus eingeengt oder gereizt. Was genau löst das Karpaltunnelsyndrom aus und wann ist eine OP wirklich sinnvoll?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Karpaltunnelsyndrom: Häufige Fragen und Antworten
Menschen mit Karpaltunnelsyndrom sollten Bewegungen, die im Zusammenhang mit den Beschwerden stehen, vermeiden. In der Regel setzen Fachleute zunächst auf eine konservative Therapie mit Handgelenksschiene und gegebenenfalls Kortisonspritzen. Bei anhaltenden Beschwerden kommt unter Umständen eine OP infrage. Auch verschiedene Übungen können im Anfangsstadium und nach einer OP hilfreich sein, sollten jedoch nur nach ärztlicher Rücksprache durchgeführt werden.
Ja, bei etwa einem Drittel der Betroffenen bessern sich die Symptome ohne Therapie spontan. In jedem Fall ist jedoch eine ärztliche Untersuchung und möglicherweise auch eine Behandlung ratsam.
Erste Anlaufstelle bei Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom ist die hausärztliche Praxis. Unter Umständen erfolgt von dort die Überweisung in eine Fachpraxis für Neurologie.
Was ist das Karpaltunnelsyndrom?
Beim Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist der Karpaltunnel auf der Innenseite des Handgelenks verengt. Der Karpaltunnel (Handwurzelkanal) bildet einen Durchgang zwischen Unterarm und Hand. Er besteht aus dem Karpalband (Retinaculum flexorum), ein Bindegewebsband, und dem Handwurzelknochen. Durch den Karpaltunnel verlaufen Sehnen der Finger, Blutgefäße und der mittlere Armnerv, auch als Nervus medianus, Mittelnerv oder Medianusnerv bezeichnet. Der Mittelnerv ist wesentlich für die Beweglichkeit und den Gefühlssinn von Hand und Fingern.
Kommt es beispielsweise aufgrund einer Schwellung zu einer Verengung im Karpaltunnel, wird Druck auf den Nerv ausgeübt. Fachleute bezeichnen dies als Nervenkompression. Dabei ist das Karpaltunnelsyndrom das häufigste Nervenkompressionssyndrom: Etwa zehn Prozent der Erwachsenen sind betroffen – Frauen rund dreimal häufiger als Männer.
Konservative Behandlung bei Karpaltunnelsyndrom
Die Behandlung eines Karpaltunnelsyndroms richtet sich nach den genauen Beschwerden und wie stark der Nerv beeinträchtigt ist. Wichtig ist, dass Betroffene bestimmte Belastungen und Bewegungen vermeiden, die möglicherweise im Zusammenhang mit den Symptomen stehen. In der Regel wird zunächst mit konservativen Behandlungsmaßnahmen (ohne Operation) versucht, die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms zu lindern.
Karpaltunnel mit Schiene behandeln
Leiden Betroffene mit Karpaltunnelsyndrom insbesondere nachts unter leichten bis mittelstarken Beschwerden, erhalten sie zunächst eine Schiene, die das Handgelenk stützt. Diese Handgelenkschiene muss nachts getragen werden. Vor allem während der Schwangerschaft eignet sich eine derartige Schiene gut, da sie keine Auswirkung auf das Ungeborene hat. Bei rund 70 Prozent der Betroffenen eines Karpaltunnelsyndroms lindert die Handgelenkschiene nach einigen Wochen bis Monate die Symptome.
Therapie mit Kortison und Schmerzmitteln
Bringt die Schiene keine Linderung und sind die Beschwerden stärker ausgeprägt, kann zusätzlich die Behandlung mit Kortison infrage kommen. Diese erzielt jedoch nur eine vorübergehende Linderung und kann lediglich kurzfristig zum Einsatz kommen, da zusätzliche Schädigungen der Nerven als Nebenwirkung möglich sind. Die wissenschaftliche Datenlage ist hier jedoch nicht sehr gut. Betroffene erhalten Kortison entweder
- als Spritze in den Karpaltunnel oder
- in Form von Tabletten (über maximal zwei Wochen).
In manchen Fällen werden weitere Behandlungsmaßnahmen wie Akupunktur, Laser- oder Ultraschalltherapie verordnet. Bislang ist deren Wirksamkeit jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Auch ein lindernder Effekt durch Schmerzmittel (nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen), nervenstärkende Vitamin-B6-Präparate oder Hausmittel wie Leinsamenöl ist derzeit nicht ausreichend belegt.
Karpaltunnelsyndrom mit OP behandeln
Bei einem Karpaltunnelsyndrom wird eine OP empfohlen, wenn:
- konservative Therapiemaßnahmen keinen Erfolg erzielen
- Betroffene unter starken Missempfindungen oder Schmerzen leiden
- funktionelle Einschränkungen der Hand bestehen
- motorische und/oder sensible Ausfallerscheinungen anhalten
- rasch fortschreitende, akute Verläufe vorliegen
Die OP wird entweder minimalinvasiv mithilfe eines endoskopischen Eingriffs oder offen durchgeführt. Dabei trennt das OP-Team das Karpalband, damit der Mittelnerv wieder mehr Raum hat und letztlich der Druck auf diesen reduziert wird. Bei einem Karpaltunnelsyndrom erfolgt die OP in der Regel ambulant.
Karpaltunnelsyndrom: Nach der Operation
Nach der Karpaltunnelsyndrom-OP sollte die Hand kurzfristig geschont werden, weshalb Patient*innen einen Verband erhalten. Erste Bewegungen und Übungen der Finger und Hand sind nach ärztlicher Anordnung oft bereits am Folgetag nach der OP möglich. Nach etwa zwei Wochen werden die Fäden gezogen. Wenn nötig, erhalten Betroffene in der Regel eine Überweisung zur Physiotherapie.
Nach rund drei bis sechs Wochen können Betroffene wieder arbeiten. In manchen Fällen halten die Beschwerden wie Beweglichkeits- oder Sensibilitätsstörungen noch etwa ein Jahr lang an. Selten sind Komplikationen wie eine Infektion oder eine dauerhafte Nervenschädigung möglich.
Karpaltunnelsyndrom: Können Übungen helfen?
In manchen Fällen helfen im Anfangsstadium eines Karpaltunnelsyndroms einfache Übungen, um die Symptome wie Gefühlsstörungen und Schmerzen zu lindern. Derartige Nervengleitübungen können auch nach einer OP hilfreich sei. Diese sollten jedoch nur nach ärztlicher Rücksprache durchgeführt werden.
Symptome: Wie äußert sich ein Karpaltunnelsyndrom?
Bei einem Karpaltunnelsyndrom sind diese Symptome möglich:
- „Einschlafen“ der Hände
- Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl im Daumen, Mittelfinger oder Zeigefinger
- gestörte Feinmotorik
- Schmerzen im Bereich der Hand
- Schwächegefühl etwa beim Greifen von Gegenständen
- Muskelschwund in der Hand, vor allem der Daumenballenmuskulatur
Die Symptome des Karpaltunnelsyndroms sind nachts und morgens am stärksten. Sie können beide Hände betreffen, jedoch meist nicht gleichzeitig. Wenn Betroffene die Hand massieren, ausschütteln oder unter kaltes Wasser halten, reduziert das oft kurzzeitig die Beschwerden. Hingegen verstärken sich Schmerzen oft durch Streck- oder Beugestellungen der Hand wie etwa beim Telefonieren, Tragen von Taschen, Stricken oder Radfahren.
Karpaltunnelsyndrom: Ursachen und Risikofaktoren
Die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms können entstehen, wenn das Gewebe im Karpaltunnel anschwillt und Druck auf den Nervus medianus ausgeübt wird. Dadurch kommt es zu Wassereinlagerungen (Ödeme) in den Nervenfasern, die wiederum anschwellen und so letztlich das umliegende Gewebe schädigen. Nicht immer lässt sich der Grund hierfür bestimmen.
Mögliche Ursachen und Risikofaktoren eines Karpaltunnelsyndroms sind:
Fehl- oder Überlastung: Vor allem bei wiederholenden, manuellen Tätigkeiten steigt das Risiko eines Karpaltunnelsyndroms. Berufe an einer Kasse, in einer Massagepraxis, an einem Fließband oder auf einer Baustelle zählen als risikoreich.
Vererbung: In manchen Familien tritt die Erkrankung gehäuft auf, vor allem bei Frauen.
anatomische Ursachen: Manche Betroffene haben von Geburt an einen verengten Karpaltunnel.
Schwangerschaft: Das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom ist während der Schwangerschaft erhöht, da es häufig zu Ödemen kommt.
Verletzungen wie Frakturen oder Verrenkungen des Handgelenks
Entzündungen wie wiederholte Sehnenscheidenentzündungen
degenerative Erkrankungen, beispielsweise Arthrose
rheumatische Erkrankungen, etwa rheumatoide Arthritis
Stoffwechselkrankheiten, wie Diabetes mellitus oder Gicht
hormonelle Krankheiten, etwa Schilddrüsenunterfunktion
Tumoren, zum Beispiel ein Ganglion im Handgelenksbereich
starkes Übergewicht (Adipositas)
Amyloidose, Ablagerungen von Proteinen
Dialyse: Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz erhalten oft eine Dialysebehandlung, bei der ein dauerhafter Zugang im Arm (Shunt-Arm) das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom erhöht.
Wie lässt sich ein Karpaltunnelsyndrom diagnostizieren?
Zu Beginn der Diagnose stellt die*der Ärztin*Arzt Fragen zu den genauen Beschwerden und möglichen Vorerkrankungen (Anamnese). Oft ergibt sich daraus schon der konkrete Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom. Dann schließt sich die körperliche Untersuchung mit speziellen Tests der Hände an, um die Diagnose zu sichern. Diese sind auch wichtig, um andere krankhafte Veränderungen an der Halswirbelsäule, Krankheiten des Nervensystems wie Polyneuropathie oder etwa ein RSI-Syndrom (Mausarm) auszuschließen.
Weitere zusätzliche Maßnahmen zur Diagnose sind zudem:
- Elektroneurographie: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) des Mittelnervs
- bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall (Sonographie) oder Magnetresonanztomographie (MRT)
Verlauf und Prognose bei Karpaltunnelsyndrom
Das Karpaltunnelsyndrom kann sehr unterschiedlich verlaufen und ist abhängig von der Schädigung der Nerven. Bei etwa einem Drittel der Fälle sind die Beschwerden plötzlich weg oder bessern sich spontan. Ist das Karpaltunnelsyndrom im Zusammenhang einer Schwangerschaft entstanden, verbessern sich die Symptome oft innerhalb weniger Wochen nach der Entbindung.
Die Behandlung mit einer Handgelenkschiene zeigt bei rund 70 Prozent der Fälle nach einigen Wochen bis Monaten Erfolg. Die Kortisonspritze kann kurzfristig Besserung bringen, langfristig sind Schiene und Operation jedoch überlegen. Operationen gehen mit einer Erfolgsquote zwischen 80 und 90 Prozent einher.
Bei rund fünf Prozent der Betroffenen kann es zu einem erneuten Karpaltunnelsyndrom im Verlauf kommen. Ursächlich sind dann mitunter knöcherne Veränderungen, Vernarbungen oder rheumatoide Arthritis.