Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch)
Eine Humeruskopffraktur – also ein Bruch am oberen Ende des Oberarmknochens (Humerus) – entsteht meist durch Stürze auf die Hand, den Ellenbogen oder die Schulter: Dann kann der Oberarmkopf an mehreren Stellen in unterschiedlich viele Bruchstücke zerspringen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Der Oberarmkopfbruch ist eine sogenannte proximale Humerusfraktur: Das bedeutet, der Bruch befindet sich an dem Teil des Oberarmknochens, der nahe zum Körper hin (= proximal) liegt – also am schulternahen Ende des Oberarmknochens. Zu den proximalen Humerusfrakturen zählen neben der Humeruskopffraktur auch Brüche direkt unterhalb des Oberarmkopfs – die sogenannte subkapitale Humerusfraktur. Zusammen machen die proximalen Humerusfrakturen etwa 5 von 100 Knochenbrüchen aus. Im höheren Alter sind sie besonders häufig, denn: Ältere Menschen haben oft ein höheres Sturzrisiko und die Knochen sind weniger stabil (z.B. durch Osteoporose). Bei jüngeren Patienten kommt eine Oberarmkopfbruch meist durch Sport- oder Verkehrsunfälle zustande.
Typische Symptome einer Humeruskopffraktur sind:
- Schulterschmerzen
- schmerzbedingte Bewegungseinschränkung in der Schulter
- Schwellung im Bereich über dem Oberarmkopf
- Druckschmerz
- Bluterguss (Hämatom) in der Achselgegend, der sich seitlich am Brustkorb und an der Innenseite des Arms ausbreitet
- typische Schonhaltung, bei der die Betroffenen den jeweiligen Arm eng am Brustkorb halten und mit dem anderen Arm stützen
Zur Diagnose einer Humeruskopffraktur sind Röntgenaufnahmen erforderlich, um festzustellen, ob und wie die Bruchstücke verschoben und eingestaucht sind. Zusätzliche Informationen kann eine Computertomographie (CT) liefern. Diese Untersuchungen ermöglichen es, das genaue Ausmaß der Fraktur – zum Beispiel die Anzahl der Bruchstücke und den Grad ihrer Verschiebung – einzuschätzen. Das ist wichtig, da vor allem das Ausmaß der Verletzung die geeignete Therapie bestimmt:
Häufig kann man Humeruskopffrakturen ohne Operation behandeln. Stark verschobene und instabile Bruchstücke machen jedoch eine Operation notwendig. Meist heilt ein Oberarmkopfbruch gut. Um die größtmögliche Chance zu erzielen, die Funktion des verletzten Arms vollständig wiederherzustellen, ist jedoch eine konsequente Nachbehandlung mit Physiotherapie wichtig: Es kann bis zu zwölf Monate dauern, bis der Arm wieder wie gewünscht bewegungsfähig ist.
Definition
Die Humeruskopffraktur ist ein Bruch am sogenannten Kopf des Oberarmknochens (Humerus).
Damit ist die Humeruskopffraktur eine sogenannte proximale Humerusfraktur, also eine knöcherne Verletzung an dem Teil des Oberarmknochens, der nahe zum Körper hin (= proximal) liegt. Zu den proximalen Humerusfrakturen gehören sowohl jede direkt unter dem Humeruskopf liegende Oberarmfraktur (sog. subkapitale Humerusfraktur) als auch die Humeruskopffraktur selbst.
Anatomie des Oberarmknochens
Bei einer Humeruskopffraktur kann der Oberarmkopf an unterschiedlichen Stellen in zahlreiche Bruchstücke zerspringen, da er sehr anfällig für komplizierte Bruchverletzungen ist.
Um das mögliche Ausmaß der Fraktur zu verstehen, sind zunächst ein paar grundlegende Informationen zur Anatomie des Oberarmknochens nötig: Der Oberarm besteht aus einem einen einzelnen Knochen, dessen beide Enden jeweils Teil eines Gelenks sind. Der einzige Bereich, der nicht von einer proximalen Humerusfraktur oder Humeruskopffraktur betroffen sein kann, ist das untere Ende des Oberarmknochens (sog. Condylus humeri). An ihm finden sich die Gelenkflächen für das Ellenbogengelenk. Kommt es hier zu einem Bruch, spricht man von einer distalen (weiter vom Körper entfernten) Humerusfraktur.
An allen anderen Anteilen des Oberarmknochens kann eine Humeruskopffraktur beziehungsweise eine proximale Humerusfraktur auftreten. Dies sind:
- der Schaft des Oberarmknochens (Corpus humeri)
- der Oberarmkopf (Caput humeri): Dieser Teil gehört zum Schultergelenk.
- der Hals des Oberarmknochens (Collum): Auf diesem Teil sitzt der Oberarmkopf; Mediziner unterscheiden
- den anatomischen Hals (Collum anatomicum) und
- den chirurgischen Hals (Collum chirurgicum).
- die Tuberkel des Oberarmknochens (Tuberculum majus und Tuberculum minus): Diese zwei Knochenvorsprünge liegen seitlich des Oberarmkopfs und dienen als Ansatzhöcker für die Muskulatur
Einteilung
Der Oberarmkopf kann bei einer Humeruskopffraktur an verschiedenen Stellen in viele Bruchstücke zerspringen. Es können auch nur die Knochenvorsprünge abreißen. Je nach Ausmaß der Verletzung teilen Mediziner einen Oberarmkopfbruch in verschiedene Typen ein. Die Einteilung der Humeruskopffraktur nach Neer beispielsweise richtet sich nach der Anzahl der Bruchstücke und dem Grad ihrer Verschiebung:
- Typ I: unverschobene Humeruskopffraktur, unabhängig davon, in wie viele Stücke der Knochen zersprungen ist
- Typ II: Fraktur mit Verschiebung, 2 Bruchstücke, im anatomischen Hals des Oberarmknochens (Collum anatomicum)
- Typ III: Fraktur mit Verschiebung, 2 Bruchstücke oder Trümmerzone mit vielen kleineren Bruchstücken, im chirurgischen Hals des Oberarmknochens (Collum chirurgicum)
- Typ IV: Fraktur mit Verschiebung, 2 bis 4 Bruchstücke, der größere Ansatzhöcker für die Muskulatur seitlich des Oberarmkopfs (Tuberculum majus) ist mitbeteiligt
- Typ V: Fraktur mit Verschiebung, 2 bis 4 Bruchstücke, der kleinere Ansatzhöcker für die Muskulatur seitlich des Oberarmkopfs (Tuberculum minus) ist mitbeteiligt
- Typ VI: zusätzlich zum Oberarmkopfbruch ist das Schultergelenk ausgerenkt (sog. Luxationsfraktur)
Häufigkeit
Die Humeruskopffraktur tritt mit zunehmendem Alter immer häufiger auf: Besonders oft sehen Ärzte diesen Knochenbruch bei Senioren über 70 Jahren. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Gleiches gilt für den direkt unter dem Humeruskopf liegenden Oberarmbruch (sog. subkapitale Humerusfraktur), den man wie die Humeruskopffraktur als proximale Humerusfraktur bezeichnet. Insgesamt ist etwa jeder zwanzigste Knochenbruch eine proximale Humerusfraktur..
Ursachen
Ursache einer Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch) sind meist Stürze: In der Regel führt ein Sturz auf die Hand, auf den ausgestreckten Arm oder auf die Schulter zu einer solchen Verletzung am Oberarmknochen.
Der Oberarmkopf ist recht anfällig für komplizierte Bruchverletzungen. Bestimmte Risikofaktoren können einen Oberarmkopfbruch begünstigen. So erhöhen etwa Erkrankungen, welche die innere Knochenstruktur krankhaft verändern (z.B. Osteoporose) und ein höheres Lebensalter das Risiko für eine Humeruskopffraktur. Denn ältere Menschen stürzen häufiger, während ihre Knochen gleichzeitig weniger stabil sind, sodass sie bei Krafteinwirkung schneller brechen. Bei jüngeren Menschen sind dagegen oft größere Krafteinwirkungen im Spiel, das heißt, die Humeruskopffraktur geht bei ihnen in der Regel auf einen Sport- oder Verkehrsunfall zurück.
typische Symptome
Bei einer Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch) treten typischerweise folgende Symptome auf:
- Die Humeruskopffraktur löst eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung in der Schulter aus.
- Der Bereich über dem Oberarmkopf ist geschwollen und reagiert schmerzhaft auf Druck (sog. Druckschmerz).
- In der Achselgegend kann der Oberarmkopfbruch zu einem Bluterguss (Hämatom) führen, der sich seitlich am Brustkorb und an der Innenseite des Arms ausbreitet.
Menschen mit Humeruskopffraktur tragen wegen der schmerzhaften Symptome den betroffenen Arm meistens in einer auffälligen Schonhaltung nah am Körper und stützen ihn mit dem anderen Arm. Wenn zusätzlich zum Oberarmkopfbruch der Oberarmkopf aus der Schulterpfanne gesprungen ist (sog. Luxationsfraktur), kann man ihn unter der Haut möglicherweise deutlich ertasten.
Diagnose
Einen Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch) stellt der Arzt meist bereits anhand der Beschreibung des Unfallhergangs und der typischen Beschwerden fest: In der Mehrzahl der Fälle ist ein Oberarmkopfbruch die Folge eines Sturzes auf die Hand, auf den Ellbogen oder auf die Schulter. Bei der körperlichen Untersuchung prüft der Arzt die Schulter und den betroffenen Arm auf Schwellungen und Bewegungseinschränkungen. Zudem achtet er auf Blutergüsse, Begleitverletzungen sowie die Nervenfunktion und Durchblutung des betroffenen Arms.
Der Oberarmkopf kann bei einer Humeruskopffraktur an unterschiedlichen Stellen in zahlreiche Bruchstücke zerspringen. Daher ist es wichtig, festzustellen, wie kompliziert die vorliegende Bruchverletzung ist: Nur so kann der Arzt die richtige Behandlung festlegen. Wie schwer die Humeruskopffraktur ist, kann der Arzt beispielsweise anhand der Anzahl der Bruchstücke und deren Verschiebung beurteilen.
Um das Ausmaß der Humeruskopffraktur zu untersuchen, eignen sich zum Beispiel Röntgenaufnahmen oder eine Computertomographie (CT). Neben dem Oberarmkopfbruch möglicherweise bestehende Weichteilverletzungen kann der Arzt im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) beurteilen.
Therapie
Bei einer Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch) zielt die Therapie darauf ab, die Schmerzen schnell zu lindern und die Funktion des Schultergelenks nach Möglichkeit wiederherzustellen. Grundsätzlich kann die Behandlung einer Humeruskopffraktur nicht-operativ oder operativ erfolgen.
Welche Maßnahmen für Sie am besten geeignet sind, hängt davon ab, wie die Bruchfragmente verschoben und eingestaucht sind. Für den dauerhaften Erfolg der Behandlung jeder Humeruskopffraktur ist außerdem eine konsequente und langfristige Nachbehandlung einschließlich Physiotherapie von großer Bedeutung. Den bis zu zwölf Monate nach dem Oberarmkopfbruch können Sie die Funktion des betroffenen Schultergelenks noch durch entsprechende Maßnahmen verbessern.
Konservative Therapie
Eine Humeruskopffraktur lässt sich mit nicht-operativen (konservativen) Maßnahmen behandeln, wenn die Bruchstücke nicht oder kaum verschoben sind. Bei der konservativen Therapie stellt man den Oberarm für circa acht Tage im sogenannten Gilchrist-Verband oder Desault-Verband ruhig. Damit der Arm beweglich bleibt, ist es wichtig, danach so früh wie möglich mit einer intensiven Physiotherapie zu beginnen.
Operation
Bei einer Humeruskopffraktur ist eine Operation nötig, wenn die Bruchstücke stark verschoben und instabil sind, sodass durch nicht-operative Behandlungsmaßnahmen kein Heilungserfolg zu erwarten ist. Die operative Behandlung kommt beim Oberarmkopfbruch zum Einsatz, wenn:
- die Bruchstücke stark gegeneinander verschoben sind.
- parallel zum Bruch der Oberarmkopf ausgerenkt ist (Luxation).
- Abrissfrakturen an einem Knochenvorsprung seitlich des Oberarmkopfs vorliegen.
- Brüche mit mehreren Bruchstücken (Mehrfragmentfrakturen) vorliegen.
Die Humeruskopffraktur kann grundsätzlich auf zwei Arten operiert werden:
- Meist erfolgt die Operation so, dass das Gelenk erhalten bleibt: Dann richtet der Operateur die Bruchstücke und fixiert sie zum Beispiel mit Platten und Nägeln. Heute kommen oft sogenannte winkelstabile Implantate zum Einsatz. Auch mit der Fixierung sind nach der Operation krankengymnastische Übungen möglich und notwendig, um die Beweglichkeit des betroffenen Arms zu erhalten.
- Vor allem wenn die gelenkerhaltende Operation bei einer komplizierten Humeruskopffraktur wenig Erfolg verspricht, kann es notwendig sein, einen künstlichen Gelenkersatz (Schulterprothese) zu implantieren. Um die Funktion der SchulterDie Schulter wiederherzustellen, ist es auch bei dieser Methode wichtig, so bald wie möglich mit Physiotherapie an der Beweglichkeit des Schultergelenks zu arbeiten und die Übungen mindestens ein Jahr lang konsequent weiterzuführen.
Verlauf
Bei einer fachgerecht behandelten Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch) mit intensiver Nachbehandlung (einschließlich Physiotherapie) ist es in der Regel möglich, die Funktion des Schultergelenks am betroffenen Oberarm vollständig wiederherzustellen – wenn keine begleitenden Risiken bestehen und die Verletzung nicht zu schwer ist.
Je nach Behandlungform ist es bei einem Oberarmkopfbruch meist nach vier bis sechs Wochen wieder möglich, mit den Händen zu greifen und einfache Tätigkeiten auszuführen. Während die Humeruskopffraktur verheilt – und auch im weiteren Verlauf – ist es allerdings ratsam, den betroffenen Arm nicht übermäßig zu belasten und ruckartige, ungedämpfte Belastungen zu vermeiden.
Prognose
Bei einer Humeruskopffraktur hängen Verlauf und Prognose in erster Linie von der Art der Fraktur und vom Alter der Betroffenen ab. Allgemein gilt: Je weniger freie Bruchstücke bei einer Humeruskopffraktur vorliegen, desto besser ist die Prognose. Mit zunehmender Bruchstückzahl – ebenso wie mit zunehmendem Alter – ist die Chance, die Armfunktion vollständig wiederherstellen zu können, demnach geringer. Bei älteren Menschen beeinflussen Osteoporose, Arthrose sowie weitere Alterserkrankungen den Behandlungserfolg.
Komplikationen
Bei einer Humeruskopffraktur können im weiteren Verlauf folgende Komplikationen auftreten:
- erneute Frakturfehlstellung
- die Knochenstücke wachsen nicht richtig zu einem Gelenk zusammen (Pseudarthrose)
- Absterben (Nekrose) des Oberarmkopfs
- Schrumpfung der Rotatorenmanschette, einer Gruppe von 4 Muskeln, die an Bewegungen der Schulter beteiligt sind
- Verletzungen von Nerven, Gefäßen und Sehnen
- fortbestehende Achsenfehlstellung
- Schultersteife
Dadurch kann es zu einem Funktionsverlust der Schulter und zu chronischen Schmerzen kommen. Eine rasche Therapie und eine sorgfältige Nachbehandlung verringern jedoch das Komplikationsrisiko.
Vorbeugen
Einer Humeruskopffraktur (Oberarmkopfbruch) können Sie nur vorbeugen, indem Sie nach Möglichkeit Stürze vermeiden und sich beim Sport mit angemessenen Protektoren schützen.
Außerdem ist es zum Vorbeugen einer Humeruskopffraktur sowie anderer knöchernen Verletzungen wichtig, eine gegebenenfalls bestehende Osteoporose frühzeitig zu erkennen und nach Möglichkeit zu behandeln: Die proximale Humerusfraktur, also eine direkt unter dem Oberarmkopf liegende Fraktur des Oberarmknochens, ist im höheren Alter einer der häufigsten Knochenbrüche. Ein Grund: die im höheren Alter häufige Osteoporose.