Hodentorsion: Warum Betroffene schnell handeln sollten
Mit Hodentorsion oder Hodenverdrehung wird eine Verdrehung der männlichen Keimdrüse bezeichnet. Typisches Anzeichen sind starke Schmerzen. Weil das Gewebe absterben kann, muss medizinisch rasch gehandelt werden. Welche Symptome sind typisch? Wie erfolgt die Diagnose und wie läuft die Behandlung ab?
Was ist eine Hodentorsion?
Die Hodentorsion (Hodenverdrehung, Hodendrehung) gehört zu den häufigsten Erkrankungen des männlichen Genitals. Sie kann durch Einwirkung von außen geschehen, genauso aber auch durch anatomische Besonderheiten. Meist tritt die Hodentorsion im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter auf. Am häufigsten sind Jungen zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr betroffen. Doch auch bei erwachsene Männer kann es zu einer Hodentorsion kommen.
Die männlichen Keimdrüsen, die Hoden, sind etwa drei Zentimeter breite und vier Zentimeter lange Bindegewebskapseln, in denen lebenslang Samenzellen (Spermien) und Hormone gebildet werden. Die Hodenkugeln hängen frei beweglich jeweils an einem Samenstrang im Hodensack. Auch die versorgenden Blut- und Lymphgefäße verlaufen am Samenstrang entlang. Bei einer Hodentorsion verdreht sich der Hoden und schnürt dabei den Samenstrang und die Gefäße ab. Die Blutversorgung wird unterbrochen. Wird jetzt nicht rasch gehandelt, stirbt das Hodengewebe ab.
In einigen Fällen wird durch die Hodentorsion lediglich die Vene (Vena testicularis) abgeschnürt. In diesem Fall sprechen Fachleute von einer inkompletten Torsion.
Typische Symptome einer Hodentorsion
Bei einer Hodentorsion treten plötzlich starke Schmerzen im Hodenbereich auf, die auch nicht aufhören oder schwächer werden. Zu den weiteren Symptomen einer Hodenverdrehung zählen:
- Schmerzen an den Hoden
- angeschwollener Hodensack
- Unterbauchschmerzen
- Herzrasen (Tachykardie)
- übermäßiges Schwitzen (Hyperhidrose)
- Schockzustand
- Übelkeit und Erbrechen.
Die Hodentorsion ist ein medizinischer Notfall. Gerade bei Jungen in der Pubertät ist eine aufmerksame Beobachtung wichtig, weil sie ihre Beschwerden möglicherweise aus Scham verschweigen. Wenn Sie eines der beschriebenen Symptome beobachten, sollten Sie sofort medizinische Hilfe suchen, am besten in einem Krankenhaus, wo auch der kleine operative Eingriff zur Lösung der Verdrehung stattfinden kann. Bleibt die Hodentorsion unbehandelt, ist das unterversorgte Gewebe nach vier bis sechs Stunden nachhaltig geschädigt. Mögliche Folgen sind unter anderem eine hämorrhagische Hodennekrose, Unfruchtbarkeit und eine Hodenatrophie ("Schrumpfhoden").
Symptome einer Hodentorsion bei Kindern und Jugendlichen
Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Hoden oft noch nicht im Hodensack fixiert, was eine Hodendrehung begünstigen kann. Weil kleine Kinder noch nicht präzise artikulieren können, sind Schreien und Nahrungsverweigerung mögliche erste Anzeichen.
Kontrollieren Sie im Verdachtsfall bei einem Kind, ob
- der Hoden rötlich oder blassblau verfärbt ist,
- der Hoden angeschwollen ist,
- die typische Hautfältelung verschwunden ist,
- ein Hoden im Stehen höher liegt,
- sich das Kind übergibt und blass ist.
Keinesfalls sollte die Hodentorsion selbst behoben werden. Beruhigen Sie das Kind, lagern Sie es in zusammengekrümmter Position auf der Seite und rufen Sie den Rettungsdienst oder fahren Sie mit dem Kind in die nächste Kinderklinik oder in ein Krankenhaus.
Ursachen für eine Hodentorsion
Eine Hodentorsion kommt am häufigsten im Alter unter 20 Jahren vor. Fachleuten zufolge scheint es eine Veranlagung für eine hohe Beweglichkeit der Hoden innerhalb ihrer Hüllen und an ihrer Aufhängung zu geben. Zudem scheinen Torsionen vermehrt bei Hoden aufzutreten, die erst im späteren Entwicklungsverlauf aus der Bauchhöhle in den Hodensack abgestiegen sind. Grundsätzlich ist das Risiko einer Hodentorsion erhöht, wenn
- die Bänder, mit denen der Hoden am Hodensack befestigt ist, nicht gut fixiert sind oder sogar ganz fehlen,
- der Hodensack nicht straff genug aufgehängt ist,
- eine besondere Anatomie vorliegt, wie beispielsweise die Bell-Clapper-Anomalie, bei der die Hoden eher quer als längs liegen.
Hodentorsionen können spontan auftreten, sie können aber auch durch ein Bewegungs- oder Stoßereignis ausgelöst werden. Je nachdem, wie die Drehung ausfällt, unterscheiden Fachleute zwischen zwei Formen:
- extravaginale Torsion: meist bei Säuglingen und Kleinkindern, die Drehung findet oberhalb der Hodenhülle statt.
- intravaginale Torsion: häufigste Form, meist nach dem 10. Lebensjahr, Hoden verdreht sich innerhalb der Hodenhülle
Bei beiden Phänomenen wird der Samenstrang gedreht, was eine unzureichende oder fehlende Durchblutung zur Folge hat. Eine Verdrehung findet – nach rechts oder links – in der Längsachse statt. Sie kann auch mehrmals erfolgen.
Wie wird eine Hodentorsion diagnostiziert?
Zur Diagnose der Hodendrehung wird der Patient im Stehen und Liegen untersucht. Der*die Arzt*Ärztin erkundigt sich nach kürzlich zurückliegenden Ereignissen, die die Verdrehung ausgelöst haben könnten. Gerade bei Jugendlichen müssen Gespräch und Untersuchung sehr behutsam und diskret gehandhabt werden.
Die Schwellung und Rötung der Haut gibt erste Aufschlüsse, eine vorsichtige Tastuntersuchung ergänzt die Diagnose. Fehlt zum Beispiel der Reflex, die Hoden hochzuziehen, sobald die Innenseite des Oberschenkels berührt wird, ist von einer Hodentorsion auszugehen. Durch die Drehung ist der betroffene Hoden meist ohnehin unbeweglich und steht optisch höher als der andere. In der Regel wird auch eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) durchgeführt. Diese kann deutliche Bilder liefern, die eine Torsion bestätigen oder ausschließen.
Wie wird eine Hodentorsion behandelt?
Eine Hodentorsion ist ein medizinischer Notfall, die Betroffenen sollten nicht abwarten, sondern sich möglichst schnell in ärztliche Behandlung begeben. Dass sich der Hoden von allein zurückdreht, ist sehr unwahrscheinlich. Die Torsion als medizinischer Laie selbst zu beheben, ist ebenfalls keine Option. Um die Verdrehung zu lösen, muss eine operative Hodenfreilegung erfolgen. Dabei ist zwar eine Vollnarkose notwendig, der Eingriff selbst ist jedoch nicht aufwendig.
Die Operation sollte zwischen vier und sechs Stunden nach dem ersten Auftreten der Schmerzen erfolgen. Andernfalls stirbt das Gewebe durch die Unterversorgung ab (hämorrhagische Hodennekrose). Eine mögliche Folge ist Unfruchtbarkeit. Geschieht der Eingriff rechtzeitig, kann der verdrehte Hoden mit 80- bis 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit gerettet werden.
Hodenfreilegung und Detorquierung: So läuft die Operation ab
Zunächst wird der Hodensack per Schnitt geöffnet. Dann wird der betroffene Hoden freigelegt und zurückgedreht (Detorquierung). Wenn die Gefäße wieder durchgängig sind, erholt sich der abgeklemmte Hoden innerhalb von etwa 30 Minuten. So lange warten die Operierenden ab und beobachten das Gewebe. Um einer erneuten Torsion vorzubeugen, werden dann in der Regel beide Hoden an ihren Außenhüllen mit einer kleinen Naht am Hodensack befestigt (Orchidopexie).
Anschließend wird die Operationswunde wieder verschlossen. Betroffene sollten sich körperlich schonen, bis die Wunde gut abgeheilt ist.
Kann man einer Hodentorsion vorbeugen?
Einer Hodentorsion vorzubeugen, ist kaum möglich. Bei manchen Sportarten – etwa im Kampfsport oder beim Eishockey – kann ein sogenannter Hodenschutz sinnvoll sein. Bei Hodenhochstand im Kindesalter ist eine aufmerksame Beobachtung anzuraten.
Schmerzen, Druck oder Schwellungen am Hodensack sind immer ernst zu nehmen. Nur schnelle ärztliche Hilfe innerhalb der nächsten Stunden nach Auftreten der ersten Beschwerden kann eine drohende Unfruchtbarkeit verhindern. Mit einer kleinen Operation wird die Torsion behoben und das Hodengewebe gerettet.