Haarausfall: Formen, Ursachen und Behandlung
In den meisten Fällen ist Haarausfall genetisch bedingt: Rund 95 Prozent der Betroffenen leiden an erblich bedingtem Haarausfall. Die lichter werdenden Haare stellen für viele eine große Belastung dar. Aber was kann den Haarausfall stoppen?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Haarausfall
Haarausfall kann ein Symptom von Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes mellitus, Eisenmangel oder eine Nebenwirkung von Medikamenten sein. Es ist auch möglich, dass Haarausfall zeitweise nach schweren Infektion auftritt.
Der kontinuierliche Verlust an Haaren, der zu einem immer lichter werdenden Scheitel führt, ist bei Frauen als Haarausfall definiert.
Der Mensch verliert pro Tag bis zu 100 Haare.
Ein Mangel mit Vitamin D, Vitamin B12 und Biotin wird mit Haarausfall in Verbindung gebracht. Eine ausgewogene Ernährung kann zu gesunder Haut und gesunden Haaren beitragen.
Haarausfall: Was ist Alopezie?
In der Medizin spricht man von Haarausfall (Effluvium capillorum), wenn über mehrere Wochen hinweg täglich mehr als 100 Haare ausfallen. Führt dieser Verlust dazu, dass das Haar sichtbar dünner wird oder kahle Stellen entstehen, wird dies als Alopezie bezeichnet. Die häufigste Form des nicht krankheitsbedingten Haarausfalls ist der erblich bedingte Haarausfall, auch androgenetische Alopezie genannt.
Die Abgrenzung zwischen natürlichem und behandlungsbedürftigem Haarausfall ist oft unscharf. Ein gewisses Maß an Haarverlust ist völlig normal, da jedes Haar einem kontinuierlichen Zyklus unterliegt, der drei Phasen umfasst:
- Wachstumsphase (Anagenphase)
- Übergangsphase (Katagenphase)
- Ruhephase (Telogenphase), an deren Ende das Haar ausfällt
In der Wachstumsphase wird das Haar über die Wurzel mit Nährstoffen versorgt und wächst heran. Bei gesunden Menschen dauert dieser Abschnitt des Zyklus zwei bis sechs Jahre. Während dieser Phase sind die Zellen besonders anfällig für Störungen.
In der Übergangsphase, die etwa zwei Wochen dauert, stoppt die Nährstoffzufuhr und die Zellteilung endet. Anschließend geht das Haar in die Telogenphase über, eine Ruhephase von zwei bis vier Monaten. Nach dieser Zeit fällt das Haar aus, und ein neuer Zyklus beginnt.
Kommt es zu einer Störung dieses natürlichen Wachstumszyklus, kann dies zu Haarausfall führen.
Video: Haarausfall: Formen & Behandlung
Formen von Haarausfall
Es werden verschiedene Formen von Haarausfall unterschieden. Dazu gehören unter anderem:
- Erblich bedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie, Alopecia androgenetica, anlagebedingter Haarausfall)
- Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata, Pelade)
- Diffuser Haarausfall (diffuse Alopezie, symptomatische Alopezie)
- Hormoneller Haarausfall
Diese Formen zählen zu den sogenannten nicht-vernarbenden Alopezien. Die Haarfollikel an sich bleiben intakt. Haarfollikel sind die kleinen Hauteinstülpungen, in denen die Haare verankert sind.
In Gegensatz dazu sind die vernarbenden Alopezie irreversibel: Die Haarfollikel sind dauerhaft zerstört und es bleiben Narben zurück. Vernarbende Alopezien treten zum Beispiel nach Verätzungen, bestimmten Hautkrankheiten oder Tumoren der Haut auf.
Wie häufig ist Haarausfall?
Die mit Abstand häufigste Form des Haarausfalls ist der erblich bedingte Haarausfall. Vor allem Männer haben mit dieser Form des Haarverlusts zu tun:
- 80 Prozent der Männer sind im Laufe ihres Lebens mehr oder weniger stark betroffen.
- 50 Prozent der Frauen verlieren mit dem Alter aufgrund des erblich bedingten Haarausfalls zu viele Haare.
Andere Formen des Haarausfalls kommen weitaus seltener vor. Etwa ein bis zwei von hundert Personen bekommen im Laufe ihres Lebens einen kreisrunden Haarausfall. Männer und Frauen sind etwa gleich oft betroffen. Und auch der diffuse Haarausfall ist im Vergleich zum erblich bedingten Haarausfall ein eher seltenes Phänomen. Frauen leiden daran häufiger als Männer.
Haarausfall: Ursachen des Haarverlusts
Ob Veranlagung, Infektionen oder Eisenmangel: Haarausfall kann viele verschiedene Ursachen haben. Bei starkem, anhaltenden Haarausfall sollte daher immer ärztlicher Rat eingeholt werden.
erblich bedingter Haarausfall: Beim erblich bedingten Haarausfall spielt vor allem die Genetik eine tragende Rolle. Die Haarfollikel der Betroffenen reagieren aufgrund einer genetischen Veranlagung überempfindlich auf männliche Hormone, die sogenannten Androgene.
erblich bedingter Haarausfall bei Frauen: Zusätzlich zur genetisch bedingten Empfindlichkeit der Haarfollikel können weitere Faktoren den Haarausfall bei Frauen begünstigen. Dazu zählen beispielsweise das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), bestimmte Tumorerkrankungen oder das androgenitale Syndrom, bei dem eine Störung der Hormonproduktion in der Nebennierenrinde vorliegt.
kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata): Die genauen Ursachen der Alopecia areata sind noch nicht vollständig geklärt. Aktuellen Erkenntnissen zufolge handelt es sich um eine Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem aus bisher unbekannten Gründen körpereigene Strukturen angreift. Dabei attackieren Immunzellen die Haarfollikel und stoppen das Haarwachstum, was zum Ausfall der Haare führt. Kreisrunder Haarausfall tritt zudem in manchen Familien gehäuft auf, was darauf hindeutet, dass erbliche Faktoren eine Rolle bei der Entstehung spielen könnten.
- diffuser Haarausfalls (diffuse Alopezie): Bei diffusem Haarausfall werden die Haare meist gleichmäßig über die gesamte Kopfhaut hinweg dünner. Die Ursachen sind vielfältig. Dazu zählen unter anderem Krankheiten wie eine gestörte Schilddrüsenfunktion oder Diabetes mellitus sowie Eisenmangel oder Stress. Auch die Medikamente, die im Rahmen einer Chemotherapie zum Einsatz kommen, führen häufig zu Haarausfall. Die Inhaltsstoffe schädigen vor allem die Zellen, die schnell wachsen und sich häufig teilen. Dazu gehören Krebszellen, aber auch bestimmte gesunde körpereigene Zellen, wie die Zellen der Haarfollikel.
Haarausfall bei Kindern
Haarausfall bei Kindern und Jugendlichen ist nicht so selten. Neben einer unausgewogenen Ernährung und psychischen Problemen ist kreisrunder Haarausfall eine häufige Ursache.
Kreisrunder Haarausfall bei Kindern
Die häufigste Form ist bei Kindern der kreisrunde Haarausfall, der sich meist recht schnell erkennen lässt. Dabei fallen plötzlich viele Haare aus, sodass sich am Kopf runde kahle Stellen bilden. An deren Rand finden sich kürzere, abgebrochene Haare – sogenannte Ausrufezeichen-Haare.
Ausreißen der Haare bei Kindern
Ein rein psychisches Problem ist dagegen die sogenannte Trichotillomanie, nämlich das krankhafte Ziehen, Drehen und Ausreißen der Haare. Offenbar reagieren Kinder und Jugendliche damit auf Anspannung. Das Phänomen, das Psychiater*innen als Impulsstörung einordnen, betrifft Schätzungen zufolge etwa ein Prozent der Kinder.
Wann bei Haarausfall ärztliche Hilfe holen?
Auch bei Kindern gilt: Bis zu 100 Haare am Tag zu verlieren, ist normal. Wird diese Grenze überschritten, kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass etwas nicht stimmt. Deshalb ist es im Zweifelsfall sinnvoll, die ausgefallenen Haare zu zählen – also zum Beispiel die Bürste zu untersuchen. Man sollte aber aufpassen, dass vollständige Haare erwischt werden und nicht einzelne Bruchstücke. Sicherer ist das Ergebnis, wenn die Zählung über mehrere Tage erfolgt.
Erste Anlaufstelle bei Fragen ist der*die Kinderarzt*Kinderärztin. Wenn sich größere Probleme abzeichnen oder Haaruntersuchungen notwendig sind, wird in der Regel ein*e Hautarzt*Hautärztin zu Rate gezogen.
Haarausfall nach Corona
Nach einer Corona-Infektion kann es mitunter zu Haarausfall kommen. Dieser tritt in der Regel erst sechs Monate nach der Erkrankung auf. Das liegt daran, dass es sich um ein Telogenes Effluvium handelt. Das Haar verliert dabei die Blutversorgung und löst sich von der Verankerung ab.
Diese Art von Haarausfall kann auch durch andere Infektionen, Medikamente oder Mangelerscheinungen ausgelöst werden. Der Haarfollikel bleibt dabei intakt, es wachsen also neue Haare nach. Wie es scheint, wachsen auch bei einem coronabedingten Haarausfall die Haare normal wieder nach. Allerdings fehlen noch Studien, um dies sicher zu bestätigen.
Symptome bei Haarausfall
Haarausfall ist nicht gleich Haarausfall: Bei manchen Menschen ist der Haarverlust über den ganzen Kopf verteilt. Bei anderen sind es bestimmte Stellen am Kopf, die plötzlich kahl werden. Und auch die Intensität des Haarausfalls schwankt stark. Sie reicht von einem kaum sichtbaren Haarverlust bis hin zur Vollglatze.
- erblich bedingter Haarausfall beim Mann: Der erblich bedingte Haarausfall macht sich bei Männern und Frauen unterschiedlich bemerkbar. Bei Männern beginnt der genetisch bedingte Haarausfall oft mit Haarverlust in der Stirn- und Schläfenregion – es entstehen die sogenannten Geheimratsecken. Mit fortschreitender androgenetischer Alopezie fallen häufig auch Haare im Bereich des oberen Hinterkopfs (Wirbel- oder Vertexregion) und an der Stirn aus. Schließlich verbinden sich die kahlen Stellen beider Bereiche schrittweise, sodass eine Scheitelglatze entsteht.
- erblich bedingter Haarausfall bei Frauen: Bei Frauen tritt Haarausfall typischerweise entlang des Mittelscheitels auf. Es entstehen nur selten kahle Stellen. Vielmehr werden die Haare allmählich dünner, sodass die Kopfhaut zunehmend zu sehen ist.
kreisrunder Haarausfall: Kreisrunder Haarausfall beginnt meist abrupt und führt zu kreisrunden bis ovalen, kahlen Stellen am Kopf, die nicht entzündlich sind. Diese kahlen Herde können sich schnell vergrößern und in manchen Fällen zur vollständigen Kahlheit führen. Neben dem Kopfhaar können auch Augenbrauen, Wimpern, Achsel- und Schambehaarung sowie bei Männern die Bartbehaarung betroffen sein.
diffuser Haarausfall: Diffuser Haarausfall ist meist nicht auf bestimmte Stellen des Kopfs beschränkt. Vielmehr wird das Kopfhaar insgesamt dünn. Die Haarlichtungen verteilen sich dabei relativ gleichmäßig.
Haarausfall: So erfolgt die Diagnose
Von Haarausfall spricht man erst, wenn eine Person regelmäßig über mehrere Wochen pro Tag mehr als 100 Haare verliert.
Bei länger andauerndem Haarverlust kann ein*e Hautarzt*Hautärztin weiterhelfen. Zunächst wird der Grund des Haarausfalls untersucht. Haarausfall ist zwar meist erblich bedingt, es können aber auch andere Ursachen dahinterstecken – etwa eine bestimmte Erkrankung.
Im Gespräch wird sich nach der Dauer und dem genauen Verlauf des Haarausfalls erkundigt. Zudem werden mögliche Ereignisse der letzten Monate erfragt, die mit dem Haarausfall zusammenhängen könnten (zum Beispiel Krankheiten, begonnene Diäten). Ebenfalls von Interesse ist, ob Medikamente eingenommen werden und ob bereits wegen Haarausfall eine Behandlung stattfand.
Auch Angaben über
- bekannte internistische Erkrankungen
- die Häufigkeit der Haarwäsche und
- die verwendeten Haarwaschmittel
können hilfreich sein, um eine genaue Diagnose zu stellen. Bei Frauen können darüber hinaus Fragen zu Geburten, Fehlgeburten, Zyklusunregelmäßigkeiten oder zu den Wechseljahren aufschlussreich sein.
Nach dem Gespräch erfolgt eine Prüfung der Haare auf Struktur und Menge. Außerdem werden
- die Kopfhaut,
- die Verankerung der Haare mit dem Zupf-Test (Pull-Test) und
- die Kopfhaut mit einem speziellen Vergrößerungsinstrument (sog. Dermatoskop)
genauer untersucht. In einigen Fällen kann eine mikroskopische Analyse der Haarwurzeln, das sogenannte Trichogramm, sinnvoll sein. Dabei werden 50 bis 100 ausgerissene Haare unter einem Lichtmikroskop untersucht, um die Zyklusphasen der Haare zu bestimmen. Daraus kann abgeleitet werden, wie viele Haare insgesamt gerade in der Wachstumsphase sind. Bei Menschen ohne krankhaften Haarausfall sollten es rund 80 Prozent sein.
Haarausfall stoppen: Was hilft?
In den meisten Fällen ist eine Therapie bei Haarausfall aus medizinischer Sicht nicht erforderlich. Nur selten steckt eine behandlungsbedürftige Erkrankung dahinter – dann ist es wichtig, die Ursache zu beseitigen.
Unabhängig vom Krankheitswert leiden jedoch viele Menschen erheblich unter dem Verlust ihrer Haare.
Erblich bedingten Haarausfall stoppen: Mittel mit den Wirkstoffen Minoxidil und Finasterid können zum Einsatz kommen. Sie sollen weiteren Haarausfall verhindern oder das erneute Wachstum anregen. Finasterid ist für Frauen jedoch nicht geeignet.
Hormonpräparate bei Frauen: Hormonpräparate zum Einnehmen sind nur selten zur Therapie des weiblichen, erblich bedingten Haarausfalls geeignet. Eine Ausnahme stellen bestimmte hormonelle Erkrankungen dar, die den Haarausfall auslösen. Ist die natürliche Hormonproduktion aus der Balance geraten, kann daher eine Therapie mit Hormontabletten in Erwägung gezogen werden.
Mittel gegen kreisrunden Haarausfall: Kreisrunder Haarausfall kann nicht geheilt werden. Bei der Mehrzahl der Betroffenen tritt jedoch nach einiger Zeit eine Besserung ein oder die kahlen Stellen wachsen wieder nach. Medikamente können dem Haarverlust ein Stück weit entgegenwirken. Sie helfen aber häufig nur kurzfristig oder begrenzt, sodass der Haarverlust nach dem Absetzen erneut einsetzt.
Diffusen Haarausfall stoppen: Die Therapie des diffusen Haarausfalls richtet sich nach der jeweiligen Ursache. Dies kann zum Beispiel eine Krankheit, eine Nebenwirkung eines Medikaments oder ein Mangelzustand sein (zum Beispiel Eisenmangel). Unterstützend können Mittel mit Wirkstoffen wie Minoxidil (zweiprozentige Lösung zum Auftragen auf die Kopfhaut) ärztlich verordnet werden.
Haarausfall: Verlauf und Vorbeugen
Haarausfall kann sich unterschiedlich entwickeln:
- Bei erblichem Haarausfall gilt: Je später der Haarverlust einsetzt, desto langsamer schreitet er voran.
- Der Verlauf des diffusen Haarausfalls hängt von der zugrunde liegenden Krankheit ab. Lässt sie sich gut behandeln, lässt auch der Haarverlust meist recht schnell nach.
- Der Verlauf des kreisrunden Haarausfalls ist individuell. Bei manchen Patient*innen verschwindet der Haarausfall innerhalb einiger Wochen wieder. Bei anderen können die Haare über Jahre hinweg ausfallen.