Gestose (Schwangerschaftsvergiftung)
Der Begriff Gestose (Schwangerschaftsvergiftung) umfasst alle Erkrankungen während einer Schwangerschaft, die mit einem erhöhten Blutdruck einhergehen (hypertensive Schwangerschaftserkrankungen). Eine Gestose tritt frühestens in der 20. Schwangerschaftswoche auf. Meist sind Frauen im letzten Drittel der Schwangerschaft betroffen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Gestose: Überblick
Mediziner unterscheiden folgende Typen von Gestosen:
- schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck (Gestationshypertonie)
- Präeklampsie
- HELLP-Syndrom
- Eklampsie
- Pfropfgestose (Propfpräeklampsie)
Der Laienbegriff "Schwangerschaftsvergiftung" fasst die unterschiedlichen Formen der Gestose zusammen. Schwangerschaftsvergiftung kann sowohl für eine Präeklampsie als auch für eine Eklampsie oder Propfgestose stehen. Die Bezeichnung Schwangerschaftsvergiftung ist verbreitet, jedoch irreführend, da es sich bei diesem Krankheitsbild nicht um eine Vergiftung handelt.
Eine Gestose liegt vor, wenn die Schwangere einen Bluthochdruck hat und über den Urin vermehrt Eiweiß ausscheidet (Proteinurie). Von Bluthochdruck sprechen Mediziner, wenn der erste Messwert (systolischer Blutdruck) mehrmals in Ruhe gemessen höher als 140 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) und / oder der zweite Wert (diastolischer Bludruck) 90 mmHg übersteigt.
Von einer Proteinurie sprechen Ärzte, wenn die Schwangere mehr als 300 Milligramm Eiweiß pro Tag ausscheidet ( gemessen im 24-Stunden-Sammelurin). Die Gestose gehört zu den häufigsten Komplikationen einer Schwangerschaft: Etwa jede 10. bis 20. Schwangere ist von Bluthochdruck betroffen, bei ungefähr 3 bis 5 von 100 Schwangerschaften kommt es zu einer Präeklampsie.
Gestosen kann der Arzt mithilfe der Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft meist rechtzeitig erkennen und behandeln. In einigen sehr schweren Fällen von Gestosen ist es nötig, die Geburt vorzeitig einzuleiten und das Kind zu entbinden. Dies geschieht jedoch nur selten vor der 28. Schwangerschaftswoche – ab diesem Zeitpunkt wäre das Neugeborene in der Regel bereits lebensfähig.
Es gibt einige Risikofaktoren für eine Gestose, dazu zählen unter anderem:
- eine Gestose in einer vorherigen Schwangerschaft
- starkes Übergewicht (Fettleibigkeit, Adipositas)
- Mehrlingsschwangerschaften
- vorbestehender Diabetes mellitus
- Auffälligkeiten der Gefäße des Mutterkuchens (Plazenta) und des Kindes in einer Ultraschalluntersuchung
Die genauen Ursachen von Gestosen sind bislang unbekannt. Es gibt jedoch mehrere Hypothesen, die davon ausgehen, dass der Mutterkuchen (Plazenta) eine wichtige Rolle für die Entstehung spielt. Vermutlich beteiligen sich mehrere Faktoren ursächlich an einer Gestose.
Bei der Therapie einer Gestose kontrolliert der Arzt regelmäßig den Blutdruck der Schwangeren; ab einem gewissen Schwellenwert senkt er erhöhte Blutdruckwerte mit Hilfe von Medikamenten. Die Therapie erfolgt meist stationär, also während eines Klinikaufenthaltes. Dort können die Ärzte den Verlauf der Gestose besser beobachten und den Blutdruck mit Medikamenten auf die gewünschten Werte senken.
Definition und Arten der Gestose
Im Lauf der Zeit hat sich die Definition einer Gestose mehrfach geändert. Früher umfasste eine Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") alle Erkrankungen, die durch eine Schwangerschaft ausgelöst oder verstärkt wurden. Schwangerschaftserkrankungen wurden eingeteilt in Frühgestosen (Morgenübelkeit, übermäßiges Schwangerschaftserbrechen) und Spätgestosen (Bluthochdruck, Präeklampsie).
Nach mancher Definition steht der Begriff "Gestose" auch als Synonym für die sogenannte Präeklampsie, eine Unterform der Schwangerschaftserkrankungen, die zu hohem Blutdruck, vermehrter Eiweißaussscheidung im Urin und Wasseransammlungen (Ödemen) im Gewebe führt.
Aufgrund der typischen Symptome wie Ödemen (engl. Edema), einer erhöhten Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie) und Bluthochdruck (Hypertonie) war früher auch der Begriff EPH-Gestose gängig.
Bluthochdruck liegt vor, wenn der erste Messwert (sogenannter systolischer Druck) bei wiederholter Messung in Ruhe höher als 140 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) und / oder der zweite, sogenannte diastolische Wert, höher als 90 mmHg ist.
Man unterscheidet folgende Formen der Gestose:
- schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck (Gestationshypertonie)
- Präeklampsie
- HELLP-Syndrom
- Eklampsie
- Pfropfgestose (Pfropfpräeklampsie)
Schwangerschaftsvergiftung
Häufig wird für eine Gestose der missverständliche Begriff Schwangerschaftsvergiftungverwendet. Allerdings ist die Bezeichnung Schwangerschaftsvergiftung irreführend, da es sich bei keiner der Gestose-Formen um eine Vergiftung handelt.
Schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck
Von einem schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck (Gestationshypertonie) sprechen Ärzte, wenn die Blutdruckwerte nach der abgeschlossenen 20. Schwangerschaftswoche 140 zu 90 mmHg übersteigen beziehungsweise der erste (systolische) Wert im Vergleich zu Werten vor der Schwangerschaft um mehr als 30 mmHg und der zweite (diastolische) Wert um mehr als 15 mmHg steigt.
Die Gestationshypertonie ist nicht von einer vermehrten Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie) begleitet. Von ihr sprechen Mediziner nur dann, wenn die Blutdruckwerte vor der Schwangerschaft im Normalbereich lagen, also vorher kein Bluthochdruck bestand. Die Gestationshypertonie kann in eine Präeklampsie übergehen.
Schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck kann um die 20. Schwangerschaftswoche (SSW) herum auftreten und bleibt bis etwa sechs Wochen nach der Geburt bestehen. Spätestens zwölf Wochen nach der Geburt sollten die Blutdruckwerte wieder im normalen Bereich (unter 140 zu 90 mmHg) liegen.
Präeklampsie
Typische Kennzeichen einer Präeklampsie (veraltet: EPH-Gestose) sind laut Definition:
- zu hohe Blutdruckwerte (Hypertonie: der Blutdruck steigt über den Grenzwert von 140 zu 90 mmHg) und
- eine vermehrte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin (Proteinurie: im Urin finden sich über einen Zeitraum von 24 Stunden gemessen (Sammelurin) mehr als 300 Milligramm Eiweiß).
- Zusätzlich können sich Wassereinlagerungen (Ödeme) bilden, die vor allem an Händen, Füßen oder im Gesicht sichtbar sind.
Eine Präeklampsie kann in schweren Fällen schwangerschaftsbedingten Krämpfen (Eklampsie) vorausgehen. Die Präeklampsie betrifft etwa 3 bis 5 von 100 Schwangeren. In einigen Definitionen werden die Begriffe Präeklampsie und Gestose synonym gebraucht.
Eine Präeklampsie kann auch dann vorliegen, wenn die Proteinurie fehlt, dafür aber zumindest eines der folgenden Kriterien erstmals nach der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) zutrifft:
- Der Fötus wächst zu langsam, er ist zu klein für die entsprechende SSW.
- Die Leber ist in Mitleidenschaft gezogen.
- Die Nierenfunktion ist gestört.
- Es treten neurologische Probleme auf, z.B. in Form von Sehstörungen oder Kopfschmerzen.
- Die Blutwerte zeigen Auffälligkeiten.
Eine schwere Präeklampsie liegt vor, wenn zusätzlich zu den Kriterien einer Präeklampsie mindestens eines der folgenden erfüllt wird:
- Die Funktion der Niere ist stärker eingeschränkt: Die Schwangere scheidet weniger als 400 Milliliter Urin pro 24 Stunden aus oder der sog. Kreatininwert im Sammelurin steigt über den Wert von 0,9 Gramm pro Liter.
- Die Leberbeteiligung führt zu Schmerzen im Oberbauch und erhöhten Werten bestimmter Leberenzyme (Transaminasen).
- Die Zahl der Blutplättchen ist erniedrigt (Thrombozytopenie) und es finden sich Zeichen einer Auflösung roter Blutkörperchen (Hämolyse).
- Die Betroffene leidet unter starken Kopfschmerzen und beklagt Sehstörungen.
- Die Blutdruckwerte sind höher als 160 zu 110 mmHg.
- Die Eiweißausscheidung beträgt mehr als 5 Gramm in 24 Stunden.
Proteinurie
Eine Proteinurie liegt vor, wenn mehr als 300 Milligramm Eiweiß pro Tag mit dem Urin ausgeschieden werden. Die Messung erfolgt im 24-Stunden-Sammelurin. Die Proteinurie weist auf eine Nierenfunktionsstörung hin.
HELLP-Syndrom
Der Begriff HELLP-Syndrom leitet sich von den englischen Wörtern für die drei Hauptsymptome ab – er bezeichnet eine besonders schwere Variante der Präeklampsie:
- H = Hemolysis, Hämolyse (rote Blutkörperchen zerfallen)
- EL = Elevated Liver Enzymes (erhöhte Leberwerte)
- LP = Low Platelets (niedrige Zahl an Blutplättchen = Thrombozyten)
Von 1.000 Schwangeren sind etwa 1 bis 3 Frauen vom HELLP-Syndrom betroffen.
Treten bei einer Schwangeren nicht alle Veränderungen der genannten Laborwerte auf, sprechen Ärzte auch von einem partiellen (teilweisen) HELLP-Syndrom.
Eklampsie
Die Eklampsie stellt die schwerste Ausprägung einer Gestose dar. Sie bezeichnet einen Krampfanfall oder eine tiefe Bewusstlosigkeit (Koma) während der Schwangerschaft oder während der Geburt. Die Krämpfe sind sehr charakteristisch und werden fachsprachlich als "tonisch-klonische" Krämpfe bezeichnet. Die Schwangere verliert dabei oft das Bewusstsein. Bei einer Eklampsie haben die Krämpfe keine anderen neurologischen Ursachen.
Eine Eklampsie tritt vorwiegend bei Erstgebärenden mit Präeklampsie auf und kommt bei Mehrlingsschwangerschaften sechsmal häufiger vor als bei Schwangerschaften mit einem Kind (Einlingsschwangerschaft).
Bei einer Eklampsie können die typischen Vorboten, wie Bluthochdruck und vermehrte Eiweißausscheidung, auch fehlen. Nur bei jeder zweiten Frau mit Eklampsie erhöht sich der Blutdruck deutlich. Eine Eklampsie ist auch dann möglich, wenn der Blutdruck normal ist und die Schwangere nicht vermehrt Eiweiß im Urin ausscheidet, also die typischen Zeichen der Präeklampsie fehlen.
Bei etwa 10 von 100 Schwangeren mit einer Präeklampsie kommt es zu einer Eklampsie.
Pfropfgestose (Pfropfpräeklampsie)
Von einer Pfropfgestose oder Propfpräeklampsie sprechen Ärzte, wenn:
- eine Frau bereits vor Eintritt der Schwangerschaft Bluthochdruck (chronische Hypertonie) oder eine Nierenerkrankung hatte
- und sich zusätzlich im Rahmen der Schwangerschaft Symptome einer Gestose ausbilden
Folgende Konstellation ist für eine Pfropfgestose typisch:
- Bei der Frau besteht schon vor der Schwangerschaft Bluthochdruck (chronische Hypertonie) und während der Schwangerschaft scheidet sie vermehrt Eiweiß im Urin aus (Gestationsproteinurie),
- zusätzlich kommt es nach der 20. Schwangerschaftswoche zu
- einem plötzlichen Anstieg der Proteinurie oder
- einem plötzlichen Blutdruckanstieg oder
- Symptomen oder Laborwerten einer schweren Präeklampsie.
Ursachen einer Schwangerschaftsvergiftung
Die einer Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") zugrunde liegenden Ursachen sind nicht eindeutig geklärt. Die Ursachen der Präeklampsie, die bei etwa jeder 20. Schwangeren auftritt, sind unbekannt. Sicher scheint nur, dass die Erkrankung durch Prozesse in der Plazenta entsteht. Von dort geht ein Signal aus, das den Blutdruck der Schwangeren erhöht und in schweren Fällen die Nieren schädigt.
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Theorien über die Ursachen einer Gestose. Was genau dazu führt, dass der Blutdruck steigt, ist unklar. Die Erklärungsmodelle sind sehr komplex, zusammengefasst und stark verkürzt gibt es drei davon:
- Neigung zu Gefäßkrämpfen (Vasospasmus): Möglicherweise reagieren die Gefäße bei Frauen mit einer Präeklampsie empfindlicher auf Stoffe, die die Gefäßweite beeinflussen können.
- Immunologische Faktoren spielen eine Rolle, d.h. das Abwehrsystem betroffener Frauen reagiert in besonderer Weise auf die Schwangerschaft.
- Faktoren, die die Gefäßweite beeinflussen: Bestimmte Substanzen, wie s-Flt-1 (soluble fms-like tyrosine kinase 1) sind bei Schwangeren mit einer Präeklampsie erhöht, während andere, wie PIGF (Placental growth factor) in niedrigeren Konzentrationen als normal vorliegen. Dadurch beeinflussen sie die Nierendurchblutung und den Blutdruck.
Keines dieser Modelle kann die genauen Ursachen der Gestose hinreichend erklären. Letztlich scheint eine Gestose eine Anpassungsstörung des mütterlichen Körpers auf die vielfältigen körperlichen Anforderungen während der Schwangerschaft zu sein. Es kommt zu Zirkulationsstörungen, die wiederum Funktionsstörungen in verschiedenen Organen der Schwangeren nach sich ziehen können:
- in der Leber (HELLP-Syndrom)
- in den Nieren (vermehrte Eiweißausscheidung = Proteinurie)
- im Gehirn (Krämpfe = Eklampsie)
- in der Plazenta (Plazentainsuffizienz = beeinträchtigter Stoffaustausch zwischen Mutter und Kind)
Risikofaktoren für eine Schwangerschaftsvergiftung
Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren für Bluthochdruck in der Schwangerschaft:
- Antiphospholipid-Syndrom, ein Krankheitsbild, das zu Blutgerinnungsstörungen führt (Betroffene neigen zur Thrombosebildung)
- Präeklampsie in einer vorherigen Schwangerschaft
- ausgeprägte Fettleibigkeit (Body-Mass-Index > 35)
- vorbestehender Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Vorkommen von Gestosen in der Familie
- Mehrlingsschwangerschaft
- vorbestehende Nierenerkrankung
- Erstschwangerschaft
- Alter über 40 Jahre
- Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Schwangerschaftsvergiftung: Symptome
Eine Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") zeigt Symptome wie Blutdruckerhöhungen, die meist nach der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) auftreten. Bluthochdruck besteht, wenn der erste, sogenannte systolische Wert bei zwei aufeinanderfolgenden Messungen im Abstand von sechs Stunden in Ruhe höher als 140 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) und / oder der zweite, diastolische Wert höher als 90 mmHg ist. Auch wenn der Blutdruck bei einer einmaligen Messung über 160 zu 100 mmHg liegt, handelt es sich um Bluthochdruck. Bei einer Präeklamsie kommen weitere Symptome hinzu:
- vermehrte Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie)
- eventuell Ödeme (Wasseransammlungen) im Gewebe, erkennbar vor allem an geschwollenen Händen und Füßen oder aufgequollenem Gesicht
Eine Proteinurie liegt vor, wenn jemand mehr als 300 Milligramm (mg) Eiweiß pro Liter Urin an einem Tag ausscheidet. Ödeme können sich auch bei gesunden Schwangeren, vor allem gegen Ende der Schwangerschaft, entwickeln.
Die schwerste Form einer Gestose, die heutzutage äußerst seltene Eklampsie, verursacht schwere Krampfanfälle und Bewusstseinstrübungen bis hin zum Koma. Folgende Symptome können Anzeichen einer Eklampsie sein:
Diagnose der Gestose
Eine Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") erfordert eine zeitnahe Diagnose. So lässt sich einem schweren Verlauf vorbeugen. Krampfanfälle in der Schwangerschaft legen den Verdacht einer schweren Gestose, einer sogenannten Eklampsie, nahe. Um die Diagnose zu erheben und zu festigen, sind folgende Untersuchungen notwendig:
- Blutdruckmessung, mindestens zweimal im Abstand von 6 Stunden, u.U. auch stündlich
- Urinuntersuchung: Konzentration an Eiweiß
- Blutuntersuchung; insbesondere Leberwerte, Nierenwerte, Gerinnungsparameter (z.B. Zahl der Blutplättchen) und weitere Werte
- Ultraschalluntersuchung: Kontrolle des Gesundheitszustands des Kindes, Überwachung der Größenentwicklung des Ungeborenen entsprechend der Schwangerschaftswoche, Beurteilung der Funktion des Mutterkuchens (Plazenta)
Blutdruckmessung
Der Blutdruck muss zweimal im Abstand von etwa vier bis sechs Stunden unter Ruhebedingungen gemessen werden. Für eine Gestose spricht, wenn:
- entweder der obere, systolische Wert mehr als 140 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) beträgt
- oder der zweite (diastolische) Wert über 90 mmHg
- und dies in beiden Messungen der Fall ist.
Auch ein einmalig gemessener Blutdruck von mindestens 160 zu 100 mmHg kann aussagekräftig sein.
In manchen Situationen ist es sinnvoll, den Blutdruck über 24 Stunden in engen Abständen zu messen. Dies geschieht mit einem mobilen Blutdruckmessgerät. Ein solches 24-Stunden-Blutdruckmonitoring eignet sich zum Beispiel, wenn der Arzt vermutet, dass die Schwangere durch den Arztbesuch sehr aufgeregt ist und dies der Grund für die Blutdruckerhöhung ist (sogenannter Weißkittel-Effekt). In diesem Fall normalisiert sich der Blutdruck, sobald die Aufregung nachlässt.
Wenn eine Schwangere erhöhten Blutdruck hat und nicht in einer Klinik betreut werden muss, bietet sich im weiteren Verlauf die Eigenkontrolle des Blutdrucks an: Neben den Messungen beim Arzt kontrolliert die werdende Mutter ihre Werte zu Hause selbst. Hierzu eignen sich vor allem zertifizierte Geräte für den Oberarm. In einem Protokoll können die gemessenen Werte in Form eines Tagesprofils notiert werden.
Video: Blutdruck messen – wie geht's richtig?
Urinuntersuchungen
Einen ersten Hinweis auf eine Gestose erhält der Arzt mittels Urinteststreifen (Urinschnelltest): Sie sind wichtiger Bestandteil der Schwangerenvorsorge und können eine erhöhte Eiweißausscheidung umgehend nachweisen. Auch wenn der Test nur wenig Eiweiß im Urin anzeigt, kontrolliert der Arzt den Eiweißgehalt im 24-Stunden-Sammelurin. Liegt die Eiweißausscheidung bei mehr als 300 Milligramm pro Liter Urin, handelt es sich um eine Proteinurie.
Blutuntersuchungen
Blutuntersuchungen können einen Hinweis auf den Schweregrad einer Gestose geben. Dabei spielen folgende Blutwerte eine Rolle:
- Hämatokrit (Anteil der Blutzellen am Gesamtblut)
- Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten)
- spezielle Blutgerinnungstests (z.B. Bestimmung der D-Dimere)
- Leberwerte (Enzyme), z.B. GPT (ALAT), GOT (ASAT), γ-GT, LDH
- Bilirubinwert
- Harnsäure
- Kreatinin
- sFlt-1/PIGF-Quotient
Gewichtskontrolle
Nimmt eine Schwangere sehr schnell an Gewicht zu (mehr als 1 kg pro Woche), kann dies auf Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme) hindeuten. Daher kontrolliert der Arzt auch regelmäßig das Gewicht der Schwangeren. Auch gesunde Schwangere lagern bis zu einem gewissen Grad Wasser ein, die Ödeme können aber auch ein Anzeichen für eine Präeklampsie sein.
HELLP-Syndrom
Die Diagnose eines HELLP-Syndroms, einer besonders schweren Form der Präeklampsie, ergibt sich aus der Bestimmung der Blutwerte:
- Es besteht eine Hämolyse (rote Blutkörperchen zerfallen),
- die Leberwerte sind erhöht und
- die Zahl der Blutplättchen verringert (Thrombozytopenie).
CTG und Ultraschall
Den Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes prüft der Arzt mithilfe einer Ultraschalluntersuchung. Um den Blutfluss in der Plazenta (Mutterkuchen) und in der Nabelschnur zu beurteilen, eignet sich die sogenannte Dopplersonographie. Die Herztöne des Ungeborenen und eventuell auftretende Wehen zeichnen Arzt oder Hebamme durch ein CTG (Kardiotokographie) auf.
Einweisung in die Klinik
Wann ist bei Verdacht auf eine Gestose die Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich? Die Entscheidung, wann eine Schwangere in die Klinik eingewiesen wird, fällt aufgrund folgender Faktoren:
- Der Blutdruck beträgt über 160 mmHg für den ersten Wert oder über 100 mmHg für den zweiten Wert.
- Es liegt eine Präeklampsie vor.
- Die Eiweißausscheidung im Urin ist krankhaft erhöht (Proteinurie) und die Schwangere hat im letzten Drittel der Schwangerschaft mehr als 1 kg pro Woche an Gewicht zugenommen.
- Es liegen Hinweise auf eine drohende Eklampsie (Krampfanfälle) vor.
- Es besteht der Verdacht auf ein HELLP-Syndrom.
- Es gibt Hinweise, dass es dem Ungeborenen nicht gut geht (z.B. auffälliges CTG).
Außerdem ist ein stationärer Aufenthalt nötig, wenn der hohe Blutdruck oder die Proteinurie gemeinsam mit folgenden Risikofaktoren auftreten:
- vorbestehende Erkrankungen der Schwangeren, etwa Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Mehrlingsschwangerschaft
- Bluthochdruck und Proteinurie liegen zu einem frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft vor (vor der 34. SSW ).
- zu wenig Fruchtwasser
Wie wird eine Schwangerschaftsvergiftung behandelt?
Eine Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") erfordert eine abgestimmte Therapie, die sich nach Art und Schweregrad der Erkrankung unterscheidet. Neben Medikamenten stellt auch die vorzeitige Entbindungdes Kindes eine Behandlungsmöglichkeit dar. Sie kommt in besonders schweren Fällen zum Einsatz und erfolgt meist durch einen Kaiserschnitt. Ziel ist es, zu verhindern, dass sich eine potenziell lebensbedrohliche Eklampsie entwickelt. Ob eine vorzeitige Entbindung im Fall einer Gestose notwendig ist, hängt von ihrer Ausprägung ab.
Behandlung des schwangerschaftsbedingten Bluthochdrucks
Je nachdem, wie stark der schwangerschaftsbedingte Bluthochdruck (Gestationshypertonie) ausgeprägt ist, reicht die Therapie von
- einer Arbeitsfreistellung über
- Bettruhe bis zur
- Einnahme von Medikamenten zur Blutdrucksenkung (Antihypertensiva).
Therapie bei einer Präeklampsie
Eine Präeklampsie erfordert eine Einweisung ins Krankenhaus. In leichteren Fällen genügen Bettruhe und die sorgfältige Überwachung von Blutdruck, Gewicht und der Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie). Je nach Ausmaß der Proteinurie muss die Schwangere vermehrt Eiweiß aufnehmen. Die Senkung des Blutdrucks mit Medikamenten erfolgt in der Regel ab anhaltenden Blutdruckwerten über 160 mmHg im ersten Wert (systolischer Wert) oder über 110 mmHg im zweiten Wert (diastolischer Wert). Ärzte setzen hierzu Wirkstoffe wie alpha-Methyldopa (bevorzugtes Mittel), Betablocker, Nifedipin und Dihydralazin ein.
Die Verabreichung von Magnesiumsulfat bei einer schweren Präeklampsie kann einem Krampfanfall (Eklampsie) vorbeugen. Schwangere mit Präeklampsie erhalten häufig einen Dauerblasenkatheter, um die Urinausscheidung überwachen zu können.
Was tun beim HELLP-Syndrom?
Beim HELLP-Syndrom gilt es, den Blutdruck zu senken und die Blutgerinnung mithilfe von Heparin zu bremsen. Zusätzlich können Ärzte gefrorenes Frischplasma (FFP) und Thrombozytenkonzentrate als Infusion verabreichen, um den Mangel an Blutplättchen auszugleichen. Außerdem ist es nötig, das Kind frühzeitig zu entbinden (gewöhnlich per Kaiserschnitt), um weitere Komplikationen zu vermeiden.
Eklampsie behandeln
Eine Schwangere mit einer Eklampsie muss auf der Intensivstation behandelt werden. Die Therapie zielt darauf ab, den Krampfanfall zu unterbrechen, vorwiegend durch die Gabe von Magnesiumsulfat. Zusätzlich werden der Blutdruck gesenkt und der Flüssigkeitshaushalt überprüft und – wenn nötig – ausgeglichen.
Hat sich der Zustand der Schwangeren stabilisiert, beenden Ärzte die Schwangerschaft meist vorzeitig durch einen Kaiserschnitt. Die Entscheidung über den Entbindungszeitpunkt hängt vom Gesundheitszustand der Mutter und des Kindes ab.
Wichtig ist, dass Frauen mit einer Gestose auch während des Wochenbetts (Zeitraum von etwa 6-8 Wochen nach der Geburt) sorgfältig betreut werden.
Gründe, eine Schwangerschaft vorzeitig zu beenden
In manchen Situationen muss im Rahmen einer Gestose eine Schwangerschaft frühzeitig beendet werden, um entweder die Gesundheit der Mutter, des Kindes oder beider nicht weiter zu gefährden. Indikationen für eine solche Schwangerschaftsbeendigung sind:
Beim Kind:
- schlechter Gesundheitszustand
Bei der Mutter:
- Es liegt ein eklamptischer Anfall (Eklampsie) vor.
- Der Blutdruck lässt sich nicht ausreichend senken.
- Es besteht eine nicht behandelbare Nierenschwäche.
- Es besteht ein akutes Lungenödem.
- Die Blutgerinnung gerät aus dem Lot, z.B. wenn es Hinweise auf einen lebensbedrohlichen Zusammenbruch der Blutgerinnung gibt (disseminierte intravasale Gerinnung, DIC).
- Es droht eine Eklampsie (z.B. schwere, bleibende Schmerzen im Oberbauch, ausgeprägte neurologische Symptome).
- Es liegen andere Komplikatione vor, wie eine vorzeitige Plazentalösung.
Gestose: Verlauf
Eine Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") kann je nach Form, Ausprägung und individueller Situation der Schwangeren einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Zum Beispiel unterscheiden sich die Typen darin, wann sie entstehen:
- schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck (Gestationshypertonie) entwickelt sich meist erst ab der 20. Schwangerschaftswoche (SSW).
- Eine Präeklampsie beginnt häufig nach der 28. Schwangerschaftswoche.
Muss einer Schwangerschaft aufgrund einer Gestose vorzeitig beendet werden, steigen die Überlebenschancen für das Kind bei einer Entbindung jenseits der 28. Lebenswoche. Die Überlebenschancen früher geborener Kinder sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Eklampsie und HELLP-Syndrom können lebensbedrohlich für Mutter und Kind sein.
Wenn eine Schwangere von einer Gestose betroffen war, ist es wichtig, dass der Arzt auch anschließend mit ihr ein ausführliches Beratungsgespräch führt. Darin erläutert er die Erkrankung nochmals, erklärt den individuellen Verlauf und informiert darüber, welche Konsequenzen die Gestose in diesem Fall hat. Dabei ist es auch sinnvoll, den Partner in das Gespräch mit einzubeziehen. Es empfiehlt sich, vor einer weiteren Schwangerschaft wiederum mit dem Arzt zu sprechen und sich zu erkundigen, welche Punkte zu beachten sind.
Nach einer Präeklampsie besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die Frau im weiteren Leben einen Bluthochdruck (chronische Hypertonie). Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in einer weiteren Schwangerschaft wieder eine Präeklampsie oder ein HELLP-Syndrom entwickelt, ist gegenüber Frauen mit vorherigen unkomplizierten Schwangerschaften erhöht.
Ein frühes HELLP-Syndrom (vor der 32. SSW) in einer vorangegangenen Schwangerschaft scheint außerdem das Risiko für ein erneutes frühes HELLP-Syndrom zu erhöhen.
Gestose vorbeugen
Eine konsequente Schwangerenvorsorge macht es möglich, eine Gestose ("Schwangerschaftsvergiftung") früh zu erkennen und somit zu behandeln. Dazu zählt:
- Blutdruckmessung
- Kontrolle der Leber- und Nierenfunktion
- Kontrolle der Gewichtszunahme und der Urinausscheidung
Durch die rechtzeitige Behandlung sind schwere Krankheitsverläufe, insbesondere Eklampsien (Krampfanfälle), selten geworden.
Bei folgenden Risikofaktoren gilt es hinsichtlich einer Gestose besonders aufmerksam zu sein:
- Präeklampsie in der Vergangenheit
- vorbestehender Diabetes mellitus
- Gestosefälle in der Familie
- vorbestehende Nierenerkrankungen
- Fettleibigkeit (Adipositas): Body-Mass-Index (BMI) über 30
- höheres Lebensalter (> 40 Jahre)
- Mangelernährung
- Rauchen
- Mehrlingsschwangerschaft
- familiäre Belastung
- chronischer Bluthochdruck
- Lupus erythematodes
Ob und wie man einer Gestose durch Medikamente vorbeugen kann, ist bisher nicht ausreichend untersucht. Bisher liegen Auswertungen großer Studien vor, die zu folgenden Ergebnissen kommen:
- Vor allem Frauen, die in einer vorangegangenen Schwangerschaft eine schwere Präeklampsie erlitten haben, profitieren von der Einnahme des Wirkstoffes ASS (Acetylsalicylsäure) ab der Frühschwangerschaft, spätestens ab der 16. Schwangerschaftswoche. Die Dosis beträgt meist 100 Milligramm täglich. Nicht geeignet ist ASS, wenn bereits eine Gestose vorliegt sowie bei Frauen mit bekanntem (vor der Schwangerschaft bestehendem) Bluthochdruck.
- Für die Vitamine E und C konnte bisher kein Nutzen gezeigt werden.
- Über den Mund (oral) eingenommenes Calcium konnte bei Frauen mit hohem Risiko für eine Präeklampsie und geringer Calciumzufuhr mit der Nahrung die Häufigkeit des Auftretens einer Präeklampsie senken.
Onmeda-Lesetipps:
- Schwangerschaft
- Forum Schwangerschaft und Geburt Nutzen Sie dieses Forum als Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen und Erfahrungen zu sammeln.
Linktipps:
- Arbeitsgemeinschaft Gestose-Frauen e.V.
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